Titel: | Die Straßenlocomotiven auf der Cölner Ausstellung 1865 und die mit denselben angestellten Proben. |
Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. XXVI., S. 105 |
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XXVI.
Die Straßenlocomotiven auf der Cölner Ausstellung
1865 und die mit denselben angestellten Proben.
Wottitz, über Straßenlocomotiven.
Die nachstehenden Mittheilungen sind dem von Ingenieur J. Wottitz auf Aufforderung des k. k. österr.
Ministeriums für Handel und Volkswirthschaft verfaßten Specialbericht über die
Maschinen und Geräthe der internationalen Industrie- und
landwirthschaftlichen Ausstellungen zu Stettin und Cöln im Mai und Juni 1865
entnommen.
Auf der Ausstellung zu Stettin waren drei Maschinen zur Schau gebracht, die eine von
John Fowler und Comp. in
Leeds, gleichzeitig zum Betriebe der Dampfpflugarbeit verwendet, die zweite von L.
Schwartzkopff in Berlin und die dritte von J. Pintus und Comp. in
Brandenburg a. d.h., nach dem bekannten Aveling'schen
System gebaut. Es wurden von Seite des Preisgerichtes in Stettin gar keine
officiellen Proben mit den Straßenlocomotiven vorgenommen, und der Verfasser
beschränkt sich daher auf die bei Gelegenheit der Cölner Ausstellung stattgehabten
officiellen Versuche, bei welchen dieselben erstgenannten zwei Aussteller Fowler und Schwartzkopff
concurrirten und als Ersatz für Pintus, welcher in Cöln
nicht anwesend war, eine ebenfalls nach Aveling'schem
System von Garrett gebaute Maschine sich um den von der
Colonia ausgesetzten Preis von 500 Thalern mit bewarb.
Die Maschine von Schwartzkopff war in ihrem großen Ganzen
wie eine Eisenbahnlocomotive angeordnet.Ueber die Construction dieser Maschine wurde im polytechn. Journal Bd. CLXXVI S. 18 berichtet.A. d. Red. Ueber die ganze Länge des mit Wasser gefüllten Dampfkessels liegt ein
zweiter kleinerer, mit dem ersten durch verticale Stutzen verbunden, der bloß als
Dampfsammler dient. Das Dampfrohr zu den Cylindern geht von einem auf dem kleinen
Kessel sitzenden Dampfdom ab. Die feuerberührte Oberfläche des Kessels ist 220
Quadratfuß und die zum Betriebe nöthige Dampfspannung 8 Atmosphären. Die Maschine
ist unter dem Kessel gelagert und hat zwei Cylinder von je 9 Zoll rh. Durchmesser
und 9 Zoll Hub. Die Vor- und Rückwärtssteuerung geschieht mittelst eines
Excentrics mit Schleifbogen. Die Treibräder von 5 Fuß Durchmesser und 12 Zoll Breite
liegen auf der Seite des Rauchkastens, während die Laufräder bloß halb so groß und 7 Zoll
breit unter dem Führerstand sich befinden, daher die Maschine bei ihrem gewöhnlichen
Gang mit dem Führerstand voraus ist und die Lastwagen auf der Stirnseite der
Rauchkammer angehängt werden. Maschine und Kessel hängen in Rahmen und das Ganze in
Federn auf den Achsenlagern. Die Uebertragung der Kraft von der Maschine auf die
Treibachse geschieht mittelst gußstählerner Zahnräder und sind zwei Uebersetzungen 1
: 5 und 1 : 15 möglich. Die Maschine macht 200 Umdrehungen in der Minute. Das Lenken
derselben in Bezug auf die Richtung, in der sie fahren soll, geschieht ebenfalls vom
Führerstand mittelst Schraube und Kettenrad. Der Schornstein ist mit einem
Funkenfänger versehen, und an den Langseiten des Kessels sind Wasserbehälter
angebracht, während zwei Kästen am Führerstand als Kohlenbehälter dienen. Das
Gewicht der leeren Maschine ist 264 Ctr. und der Preis mit einem Lastwagen 7000
Thlr.
Die Maschine von John Fowler war, wie oben erwähnt, auch
mit einer Uebersetzung zum Antrieb des Dampfpfluges versehen, doch beeinträchtigte
dieß ihre Eigenschaft als Straßenlocomotive in keiner Weise, da die übrige Anordnung
ganz dieselbe bleibt wie bei den Maschinen, welche ausschließlich zum Transport von
Lasten gebaut werden. Der Kessel ist ein gewöhnlicher Locomotivkessel mit
schmiedeeisernen Röhren. Die Maschine ist auf demselben montirt und der
Dampfcylinder, von 10 Zoll engl. Durchmesser und 10 Zoll Hub, liegt in dem Dampfdom
eingeschlossen. Die Steuerung ist eine Stephenson'sche
und die Uebertragung der Kraft auf die Treibräder geschieht mittelst gußeiserner
Zahnräder. Es ist auch hier, wie bei Schwartzkopff, ein
langsamer und ein schneller Gang angebracht. Die Treibräder haben 5 Fuß engl.
Durchmesser und 20 Zoll Breite und sind an ihrer Peripherie mit aufgenieteten
Flacheisen versehen, um auch auf sandigem und durchweichtem Boden fahren zu können.
Dieselbe Spurweite und Breite haben auch die Laufräder; die Achse derselben liegt in
einem drehbaren Vordergestell, welches vom Führerstand aus mittelst Schneckenrad und
Kette gelenkt wird. Der Führerstand selbst ist durch einen kleinen Tender gebildet,
welcher Wasser und Kohle aufnimmt. Die normalmäßige Dampfspannung ist 100 Pfd. und
die Zahl der Umdrehungen 160 in der Minute. Die Maschine hängt nicht in Federn und
das Gewicht derselben ist 400 Ctr., der Preis loco
Fabrik 500 Pfd. Sterl.
Die Maschine von R. Garret und Söhne in Saxmundham, nach dem Aveling-Porter'schen System, ist eigentlich der Hauptsache nach
ganz wie die vorhergehende angeordnet, hat jedoch zur Uebertragung der Kraft auf die
Treibachse nebst den Zahnrädern auch noch eine Kette, welche von einem Rad der letzten
Uebersetzung auf ein Kettenrad der Treibachse aufgelegt ist. Außerdem wird das
Lenken der Maschine durch ein auf der Stirnseite der Rauchkammer befindliches
fünftes kleines Rad bewirkt, zu welchem Zwecke vorn eine Plattform zum Sitzen für
den Arbeiter eingerichtet ist. Die Maschine hat einen auf dem Dampfkessel gelagerten
Cylinder von 8 3/4 Zoll engl. Durchmesser und 13 1/2 Zoll Hub. Die normale
Dampfspannung ist 8 Atmosphären und die Tourenzahl 130 in der Minute. Die Treibräder
von 5 Fuß Durchmesser sind 12 Zoll breit, die Laufräder 8 Zoll breit, beide aus
Schmiedeeisen construirt. Das Gewicht der Maschine ist 240 Centner und der Preis 360
Pfd. St.
Als fahrbare Bahn für die Concurrenz wurde eine in der Nähe Cölns gelegene,
ausgezeichnet gute Chaussee gewählt, welche 2928 Fuß lang war und in der sich ein
Maximalgefälle von 1 : 39 und eine Maximalsteigung von 1 : 42 befand. Die zu
ziehende Last bestand aus zwei gewöhnlichen Transportwagen, von denen der eine 245
und der andere 249 Ctr. einschließlich der Belastung wog. Fowler's und Schwartzkopff's Maschinen zogen
bei den Proben jede die ganze Last, während Garrett der
schwächeren Maschine wegen nur den ersten Wagen mit 245 Ctr. nahm. Das
Hauptaugenmerk der Jury bei der Probe war auf die Zeit, in welcher die Strecke
durchfahren wurde, auf den Dampfdruck, auf den ruhigen, anstandslosen und sicheren
Gang und schließlich auf die Kraftäußerung in Bezug auf den Motor und die
Gesammtconstruction, sowie auf die mögliche Dauerhaftigkeit der einzelnen
Bestandtheile gerichtet.
Die Maschine von Schwartzkopff stellte sich 33 Fuß vom
Ausgangspunkt der Fahrt auf und legte die Strecke von 2895 Fuß in 7 Minuten 35
Secunden, also 6,06 Fuß per Secunde zurück. Auf der
gepflasterten Rampe bei der Steigung von 1 : 42 kam dieselbe momentan zum Stocken,
legte jedoch nach mehrmaligem Anfahren ihren weiteren Weg anstandslos zurück. Noch
muß bemerkt werden, daß die Maschine genöthigt war, während ihres Ganges vor dem auf
der gewählten Strecke befindlichen Güterbahnhof eines durchpassirenden Zuges wegen
anzuhalten, welcher Zeitverlust jedoch in Rechnung gebracht wurde. Ein fernerer
Zeitverlust entstand noch durch das vorsichtige Fahren über die Schienenstränge, der
jedoch nicht in Rechnung gebracht wurde, weil man ohnedieß von der großen
Schnelligkeit der Maschine überzeugt war.
Die Maschine von Fowler legte die ganze Strecke von 2928
Fuß in einem Zeitraum von 8 Minuten 4 Secunden, also 6,05 Fuß in der Secunde, mit
anstandslosem, ruhigem Gang bei einer sich immer gleichbleibenden Dampfspannung von
125 Pfd. zurück.
Die Maschine von Garrett legte eine Strecke von 2887 Fuß
mit 245 Ctr. Belastung in einem Zeitraum von 6 Minuten 40 Secunden, also mit 10,3
Fuß Geschwindigkeit in der Secunde (bei der geringeren Last) bei einer
Dampfspannung, welche zwischen 100 und 130 Pfd. variirte, sicher und anstandslos
zurück.
Ueber die Qualität dieser Maschinen, unter denen die Jury die Fowler'sche für die beste erklärt hat, spricht sich Wottitz folgendermaßen aus: Ein nicht zu unterschätzender Vortheil der Fowler'schen Anordnung der Maschine auf dem Kessel
gegenüber der Schwartzkopff'schen unter dem Kessel ist
die leichte Beaufsichtigung aller bewegten Bestandtheile des Motors, obwohl nicht zu
läugnen ist, daß die Schwartzkopff'sche Construction die
Straßenlocomotive stabiler macht. Was den Vorwurf anlangt, daß bei allen
Straßenlocomotiven, wo der Motor so frei wie bei Fowler
liegt und außerdem sich ein Schwungrad mit der Kurbelwelle dreht, ein Scheuwerden
der begegnenden Zugthiere etc. nicht zu vermeiden ist, so hat die Erfahrung gelehrt,
daß dieser Uebelstand bei einiger Vorsicht äußerst selten eintritt. Aus demselben
Grunde dürfte man auch keine Eisenbahntrace neben einer gewöhnlichen Fahrstraße
ziehen, was doch gewiß häufig genug vorkommt.
Die Anordnung von Schwartzkopff, daß die Maschine immer
mit dem Führer- und Lenkerstand vorausgeht, ist sehr praktisch und
nachahmenswerth, doch muß bei der jetzt bestehenden Lenkvorrichtung der Mann viel
mehr Umdrehungen der Kurbel machen, um eine gewisse Schiefstellung des
Vordergestelles hervorzubringen, als dieß bei Fowler der
Fall ist. Die einfachste und am besten wirkende Vorrichtung dieser Art hat die Garrett'sche Maschine. Es muß zugestanden werden, daß
zwei Cylinder mit verstellbarer Kurbel viel besser und ruhiger, besonders bei dem
Angehen, wirken, als dieß bei eincylindrigen Motoren der Fall ist; doch können
dieselben freilich erst bei einer gewissen Leistungsgröße angewendet werden.
Das Anordnen des Motors unter dem Kessel hat bei dem Fahren auf gewöhnlicher Straße
noch den weiteren Uebelstand, daß, bei dem sehr häufig vorkommenden Emporschleudern
von Steinen, derselbe leicht Beschädigungen ausgesetzt ist, wie dieß die Erfahrung
bei der Schwartzkopff'schen Maschine gelehrt hat. Die
Laufräder der Straßenlocomotive von Schwartzkopff, welche eine bedeutend kleinere
Spurweite hatten als die Treibräder, waren ebenfalls von viel zu geringem
Durchmesser. Es ist dieß eine Hauptursache, warum die Maschine auf einem etwas
lockern oder vom Regen aufgeweichten Grunde nicht mehr weiter fahren konnte, und nicht, wie irrig
behauptet wird, die glatten Tyres, obwohl das Aufnieten von Flachschienen oder
Bolzen auf die Peripherie bedeutend gegen das Gleiten schützt. (A. a. O.)