Titel: | Ueber die Bildung von Kohlensäure aus Steinkohlen beim Lagern derselben an der Luft; von Dr. F. Varrentrapp. |
Autor: | Franz Varrentrapp [GND] |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. CIV., S. 379 |
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CIV.
Ueber die Bildung von Kohlensäure aus Steinkohlen
beim Lagern derselben an der Luft; von Dr. F. Varrentrapp.
Varrentrapp, über Kohlensäurebildung aus Steinkohlen beim Lagern
ders. an der Luft.
In Bd. CLXXV S. 156 dieses Journals habe ich einige Versuche über die
Kohlensäurebildung aus Braunkohlen unter Einwirkung von Luft bei verschiedenen
Temperaturen bekannt gemacht. Ich habe später Steinkohlen in demselben Apparate auf
gleiche Weise behandelt und die folgenden Resultate erhalten.
Die Versuche wurden mit frisch angekommenen, zur Gasbereitung vorzüglich geeigneten
Stückkohlen aus den westphälischen Gruben „Zollverein“ und
„Holland“ angestellt. Die aus der Mitte einiger sehr großen
Stücke herausgeschlagenen Kohlen wurden in gröbliches Pulver verwandelt, welches
durch die Maschen eines Siebes von 1 Quadratmillimeter Oeffnung durchfiel; das
feinere Pulver wurde durch ein Sieb von 1/4 Quadratmillimeter weiten Maschen
abgesondert.
Bei sofortiger Bestimmung der Feuchtigkeit, indem das Kohlenpulver bei 110° C.
getrocknet wurde, bis es nicht mehr an Gewicht abnahm, wurden 2,6 Proc. Feuchtigkeit
in der Kohle von der Grube „Zollverein“, die wir mit I. bezeichnen
wollen, 2,7 Proc. in der Kohle von der Grube „Holland“ (II.)
gefunden. Der Aschegehalt der Kohle I war nur 0,9, der Kohle II aber 1,5 Proc. Die
Kohlen enthalten über 80 Proc. Kohlenstoff und circa 5
Proc. Wasserstoff.
Der Apparat bestand aus folgenden Theilen: Die über die Kohlen zu saugende Luft gieng
durch eine neue, reine Gasuhr, sogenannte Probiruhr, welche 1/600 Kubikfuß englisch
bequem abzulesen gestattet. Von hier aus mußte dieselbe durch die Kalilauge, welche
in zwei großen Liebig'schen Kugelapparaten enthalten war,
hindurchstreichen, um in eine 5 Liter haltende Flasche zu gelangen, welche man mit
groben Stücken Bimsstein gefüllt hatte, die mit Wasser, welches mit etwas
caustischer Kalilauge versetzt war, feucht erhalten wurden. Beim Austritt aus diesem
Gefäße passirte die Luft eine kleine mit Barytwasser gefüllte Flasche, welche durch
Trübung erkennen lassen mußte, wenn die Kalilauge nicht mehr alle Kohlensäure aus
der Luft absorbirt hätte. Es ist dieser Fall aber während der langen Versuchszeit
nie eingetreten.
Das Kohlenpulver befand sich in einer dreihalsigen Flasche. Die mittlere Tubulatur
trug ein Quecksilberthermometer, dessen Gefäß circa drei
Centimeter von dem Boden der Flasche abstand. Die Luft wurde durch eine Röhre bis
auf den Boden der Flasche geführt, mußte also durch die gesammten Kohlen streichen,
um durch einen Röhrenkühlapparat in zwei hintereinander aufgestellte große Flaschen
mit Barytwasser zu gelangen, wo die gebildete Kohlensäure vollständig absorbirt
wurde, denn in einer dritten vorgeschlagenen Flasche mit Barytwasser zeigte sich
niemals eine Trübung. Mittelst eines Tropfenaspirators, nach Stammer's Angabe construirt,Poytechn. Journal Bd. CLXIX S.
48. wurden täglich in der Regel 2 1/2 Kubikfuß durch den Apparat gesaugt.
Um bei beliebiger Temperatur operiren zu können, stand die die Kohlen enthaltende
Flasche in einem großen eisernen mit Paraffin gefüllten Gefäße, welches durch eine
Gasflamme erhitzt wurde. Das in dem äußeren Bade und das in dem Kohlenpulver
eingetauchte Thermometer waren verglichen und differirten bei den Temperaturen
zwischen 50 und 170° nicht um mehr als 1/2° C. Es wurde das
Paraffinbad und zwar ein sehr großes gewählt, weil es eine constante Temperatur zu
erhalten sehr erleichtert, was mit dem Luftbade sehr schwer zu erzielen ist. So oft
die Menge der erzeugten Kohlensäure bestimmt werden sollte, wurde das Barytwasser
auf einem bedeckten Filter rasch filtrirt und mit kochendem Wasser der Niederschlag vollständig
ausgewaschen. Es war stets noch caustischer Baryt in der zuerst ablaufenden
Flüssigkeit enthalten. Die geringe Menge des kohlensauren Baryts, der an den
Gasleitungsröhren und in den Flaschen hängen blieb, wurde in verdünnter Salzsäure
gelöst, durch Schwefelsäure gefällt und als kohlensaurer Baryt in Rechnung
gezogen.
Die Flasche enthielt bei dem Versuche mit den Kohlen der Grube
„Zollverein“ (I) 530 Grm. frische Kohle, bei dem Versuche
mit den Kohlen der Grube „Holland“ (II.) 534 Grm. Als 30 Tage
à 24 Stunden lang Luft bei 15° bis 18° C. durchgeleitet wurde,
bildeten sich bei I. 1,8 Grm. kohlensaurer Baryt, bei II. 1,5 Grm. = I. 0,109 Grm.,
II. 0,091 Grm. Kohlenstoff. Darauf wurde die Temperatur des Bades auf
90°–100° C. während 10 Tagen erhalten; es bildete sich I. 8,47,
II. 8,68 Grm. kohlensaurer Baryt = I. 0,515, II. 0,0528 Grm. Kohlenstoff.
Als in weiteren 10 Tagen die Luft ohne Erwärmung der Kohlen durchgeleitet wurde,
bildete sich bei I. nur 0,31 kohlensaurer Baryt = 0,019 Kohlenstoff.
Probe II wurde mit ausgekochtem destillirtem Wasser übergossen, der Ueberschuß des
Wassers nach 24 Stunden abgegossen, das Bad auf 110° C. während 10 Tagen
erhalten; in den Kohlen stieg die Temperatur nur auf 97° C. und es bildeten
sich 8,7 Grm. kohlensaurer Baryt = 0,529 Kohlenstoff.
Bei I wurde die Temperatur des Paraffinbades auf 130°–140°
gesteigert; das Thermometer zeigte nach 2 Stunden 98° C. und selbst nach 24
Stunden nicht über 100°. Es hatten sich 4,56 Grm. kohlensaurer Baryt
gebildet, entsprechend 0,27 Grm. Kohlenstoff. Nach weiteren 24 Stunden war, da sie
fast trocken geworden, das Thermometer in den Kohlen auf 120° C. gestiegen;
es hatten sich 8,84 Grm. kohlensaurer Baryt gebildet, entsprechend 0,538 Grm.
Kohlenstoff. Nach weiteren 2mal 24 Stunden war die Temperatur im Inneren
130°; 21,66 Grm. kohlensaurer Baryt = 1,318 Kohlenstoff wurden gefunden. Es
condensirte sich immer noch etwas Wasser in dem Kühlapparat. Nach weiteren 2 Tagen
war die äußere Temperatur fast 150°, in den Kohlen 140°; es hatten
sich 24,4 Grm. kohlensaurer Baryt gebildet = 1,486 Grm. Kohlenstoff. Nach wieder 2
Tagen wurden 35,6 Grm. kohlensaurer Baryt gefunden; obwohl das Thermometer sehr
häufig beobachtet wurde, so fand man die ganzen Tage hindurch im Paraffinbade stets
148–152, innerhalb der Kohlen aber 159–160°C. Die folgenden
beiden Tage wurde das Oelbad nur auf 130°–134° erwärmt, in den
Kohlen fiel das Thermometer nicht unter 140° C.; es bildeten sich 19,4 Grm.
kohlensaurer Baryt,
entsprechend 1,18 Kohlenstoff. Unter gleichbleibenden Umständen bildeten sich in den
folgenden 48 Stunden 19,0 Grm. kohlensaurer Baryt = 1,15 Grm. Kohlenstoff. Die
Temperatur wurde wieder auf 140° im Bade gesteigert und erhob sich sofort in
den Kohlen auf 150° C. Es bildeten sich in 48 Stunden 16,4 Grm. kohlensaurer
Baryt = 1 Grm. Kohlenstoff. Der Versuch mußte unterbrochen werden, weil durch Zufall
die Flasche zerbrach.
Die Kohlen Nr. II wurden, nachdem wie eben beschrieben, 50 Tage Luft durchgeleitet
war, stärker erhitzt, indem das Paraffinbad auf 130° erhalten wurde; das
Thermometer in den Kohlen stieg langsam auf 120° in 2 Tagen; es wurde
frisches Barytwasser vorgeschlagen, nach weiteren 24 Stunden hatten sich 7,3 Grm.
kohlensaurer Baryt abgesetzt = 0,44 Kohlenstoff; nach noch 48 Stunden wieder 16,4
kohlensaurer Baryt = 1,0 Kohlenstoff.
Nach Abkühlung wurden die Kohlen mit ausgekochtem destillirtem Wasser übergossen,
nach 24 Stunden dieses entfernt, das Bad auf 97 bis 100° erhitzt; das
Thermometer in den Kohlen zeigte 90–95°. Zehn Tage lang wurde diese
Temperatur erhalten. Der gebildete kohlensaure Baryt betrug 8,7 Grm. = 0,53
Kohlenstoff. Bei Heizung des Bades während 3 Tagen auf 130° trockneten die
Kohlen, und das Thermometer in denselben stieg auf 120° C. Es wurde frisches
Barytwasser vorgeschlagen; in 24 Stunden betrug die Bildung des kohlensauren Baryts
5,2 Grm. = 0,316 Kohlenstoff.
Das Bad auf 160° erhitzt, brachte die Temperatur in den Kohlen auf 170°
und steigerte die Kohlensäurebildung so, daß 27,0 Grm. kohlensaurer Baryt sich in 24
Stunden niederschlugen = 1,64 Kohlenstoff. Bei anhaltender Temperatur des Bades von
170° stand das Thermometer in den Kohlen auf 180° und die Barytfällung
betrug in 48 Stunden 45,7 Grm. = 2,74 Grm. Kohlenstoff. Während 24 Stunden wurde die
Temperatur des Bades auf 140° ermäßigt; in den Kohlen sank sie nicht unter
155° C.
Es wurde der Apparat abkühlen gelassen, die Kohlen wieder mit Wasser übergossen, nach
einiger Zeit der Ueberschuß abgegossen und Luft während 10 Tagen bei 15° C.
übergeleitet. Die Fällung von kohlensaurem Baryt betrug 1,3 Grm. = 0,079
Kohlenstoff. Nach 2 Tagen, wo das Bad auf 100°–115° erhalten
war, hatte sich die Temperatur in den Kohlen auf 100° gesteigert; in den
nächsten 24 Stunden wurden 4,8 Grm. kohlensaurer Baryt gefällt = 0,29 Kohlenstoff.
Darauf bildeten sich in 48 Stunden bei 130° des Bades 14,6 Grm. kohlensaurer
Baryt = 0,91 Grm. Kohlenstoff. Das Bad wurde auf 148–150° erhitzt; die
Temperatur der Kohlen
stieg auf 160° und es bildeten sich in 24 Stunden 26,1 Grm. kohlensaurer
Baryt, entsprechend 1,58 Kohlenstoff. Bei 170° des Bades zeigten die Kohlen
178° und eine Fällung von 22,3 Grm. kohlensaurem Baryt = 1,358 in 24
Stunden.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß sich bei allen Temperaturen über
0–180° C. aus der Steinkohle bei Einwirkung von Luft Kohlensäure
bildet; es wurde dabei beobachtet, daß, sobald die Temperatur 140° C.
erreicht, zugleich etwas Essigsäure entsteht. Kohlenwasserstoffbildung war nicht
nachzuweisen, obwohl die von Kohlensäure befreite Luft zeitweise durch concentrirte
Schwefelsäure oder eine Lösung von übermangansaurem Kali geleitet wurde. Es ist
ferner ersichtlich, daß, je höher die Temperatur, desto reichlichere
Kohlensäurebildung eintritt und daß dazu keine Glühhitze erforderlich, endlich, daß
sich die Temperatur der Kohle steigert, sobald die Kohlensäurebildung rasch
stattfindet. Da die angewandten Kohlen sehr geringe Spuren Schwefel enthalten, im
Ganzen kaum 1 Proc. Asche, welche arm an Eisen ist, so kann der Schwefel nicht die
Ursache der Temperaturerhöhung seyn. Wenn der Oxydationsproceß 100 Tage in der Weise
verliefe, wie in den voranstehenden Versuchen bei 150–160°, so würde
mehr als 1/3 des Kohlenstoffs in Kohlensäure verwandelt seyn. Es ist nicht zu
vergessen, daß in Kohlenhaufen die Temperatur sich nicht selten bedeutend steigert
und daß dann jedenfalls großer Verlust an Kohlenstoff erwartet werden muß. Sicher
wird ein großer Theil des Wasserstoffgehaltes der Kohlen gleichzeitig zerstört.
––––––––––
Es ist eine bekannte Thatsache, daß, wenn die Anfuhr des Buchenscheitholzes behufs der Aufbewahrung in den Holzställen der
Wohnungen wie gewöhnlich im Sommer stattfindet, während das Holz im Winter
geschlagen bis dahin im Walde gelegen hat, man am besten thut, es sofort schneiden
und spalten zu lassen, um zu verhüten, daß es sich, wie der vulgäre Ausdruck heißt
„brennt“ oder stockt. In kleine Stücke zerspalten, zu
raschem völligem Austrocknen geeignet, tritt diese Zersetzung nicht ein, welche sich
darin äußert, daß Holz, welches sich gebrannt hat, gestockt ist, wenig Flamme gibt,
schlecht heizt.
Im Anfang Juni aus dem Walde angefahrenes Holz habe ich mit der Säge zerschneiden
lassen, die reinen Sägespäne 0,15 Pfd. = 75 Grm. in den oben beschriebenen Apparat
gebracht und in 240 Stunden bei Durchleiten von 10 Kubikfuß Luft bei 16 bis
19° Temperatur 1,415 kohlensauren Baryt erhalten, entsprechend 0,086
Kohlenstoff; als darauf die Temperatur des Bades auf 50–60° C. gesteigert und 10 Tage lang
so erhalten wurde, entstanden 1,76 kohlensaurer Baryt, entsprechend 0,107
Kohlenstoff. In dem Holze wird also auch durch Steigerung der Temperatur die
Kohlensäurebildung befördert. Es ist jedoch hier eine wesentliche Erhöhung der
Temperatur nicht zu beobachten. Nehmen wir an, die Sägespäne, welche noch sehr
feucht waren, hätten 25 Proc. Feuchtigkeit enthalten, so würden dieselben trocken
circa 56 Grm. gewogen und bei 50 Proc.
Kohlenstoffgehalt 28 Grm. Kohlenstoff enthalten haben. Da nun in 10 Tagen bei
gewöhnlicher Temperatur 0,086 Grm. Kohlenstoff zu Kohlensäure oxydirt wurden, so
würde dieß per Monat circa
0,28 Grm. oder 1 Proc. betragen haben; gleichzeitig ist die Oxydation von mindestens
etwa 0,12 Wasserstoff zu erwarten, und es scheint sehr wahrscheinlich, daß hierin
der Grund einer minderen Flammenentwickelung beim Brennen zu suchen ist, woraus sich
die verminderte Heizkraft genügend erklären würde.
In demselben Apparate habe ich eine Gartenerde, einem
Felde entnommen welches seit drei Jahren keinen Dünger erhalten hatte, der
Lufteinwirkung ausgesetzt. Die Erde war, so gut es geschehen konnte, von noch
unzersetzten Wurzelfasern u.s.w. auf mechanischem Wege befreit. Sie brauste deutlich
beim Uebergießen mit Säuren, hatte im feuchten Zustande eine sehr dunkle,
braunschwarze Färbung, vollständig getrocknet sah dieselbe grau aus. Baryt-
und Silberlösung, sowie Oxalsäure gaben in dem Wasser, welches damit geschüttelt
war, schwache Trübungen. Die Erde wurde dreimal mit ausgekochtem und wieder
erkaltetem destillirtem Wasser gewaschen, an der Luft ablaufen und trocknen gelassen
bis sie noch circa 20 Proc. Wasser enthielt, dann zuerst
bei 0° Luft während 10 Tagen hindurchgeleitet. Es zeigte sich kaum eine Spur
von Trübung in dem Barytwasser, so daß höchstens einige Milligramme kohlensaurer
Baryt gebildet worden waren. Es war hier wie bei dem Beginne aller Versuche die
Vorsicht gebraucht, erst einige Stunden von Kohlensäure freie Luft durch den Apparat
zu leiten, ehe das Barytwasser vorgelegt wurde. Hierauf wurde die Temperatur der
Erde auf 12° C. gebracht und erhalten. Es entstand in 10 Tagen 0,9 Grm.
kohlensaurer Baryt = 0,054 Kohlenstoff. Der Versuch hat insofern einiges Interesse,
als er zeigt, daß bei 0° die oxydirende Wirkung der Luft fast auf Nichts
herabsinkt. Bei 50° C. war die Kohlensäure-Entwickelung bedeutend
stärker als bei 12° C.
Endlich wurden circa 20 Grm. Leinöl, auf ausgeglühtem Bimsstein vertheilt, in demselben Apparate
behandelt. Kalt bildete sich etwas, aber wenig Kohlensäure; bei 80° C. war
dieß beträchtlich mehr, bei 150° noch viel stärker, aber es destillirte
zugleich eine gelbliche stark saure Flüssigkeit; die Bildung von kohlensaurem Baryt
betrug jedoch auch dann in 24 Stunden nur 0,85 Grm.