Titel: | Ueber die Wirkung von kieselsaurem und kohlensaurem Natron auf Baumwollenfaser, von Dr. Fr. Crace Calvert. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXXXVI., S. 307 |
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LXXXVI.
Ueber die Wirkung von kieselsaurem und
kohlensaurem Natron auf Baumwollenfaser, von Dr. Fr. Crace Calvert.
Aus der Chemical News, 1865, Nr. 275.
Calvert, über die Wirkung von kieselsaurem Natron auf
Baumwollenfaser.
In der Sitzung der Chemical Society vom 2. März d. J.
hielt Dr. Calvert in diesem
Betreff einen Vortrag, veranlaßt durch seine Untersuchungen über die Ursache des
Verderbens einer Partie von weißem und blaugefärbtem Kattun, welcher vor etwa zwei
Jahren nach Südafrika gesendet, von dort aber in Folge dieses Verderbens wieder nach
Manchester zurückgekommen war. Er erhielt den Auftrag, wo möglich zu bestimmen, ob
die Schuld des morschen Zustandes der Waare an den Schiffern oder an den Fabrikanten
liegt, und es gelang ihm, nachzuweisen, daß das Letztere der Fall sey. Beim Oeffnen
der Ballen zeigten sich die Paar ersten zum Vorschein gekommenen Stücke zwar
verschossen und mißfarbig, hatten aber doch ihre ursprüngliche Festigkeit und
Stärke; alle übrigen unterhalb dieser wenigen Stücke liegenden, in sämmtlichen
Ballen befindlichen Stücke, bis auf einen Zoll von der Verpackung entfernt, waren
vollständig verstockt. Mehrere Stücke hatten beim Verpacken zufällig eine solche
Lage erhalten, daß die durch das Zusammenlegen des Stoffes entstandenen Falten an
ihrem Rande mit dem Packmaterial in Berührung waren und nur diese Theile erschienen
unverdorben. Es zeigte sich, daß das zum Verpacken angewendete Wachstuch oder
wasserdichte Baumwollenzeug in Folge eines Oxydationsprocesses – in der von
Spiller bei Kautschuk und Gutta-percha
beobachteten WeisePolytechn. Journal Bd. CLXXVI S.
159. – sich verharzt hatte und daß in Folge dieses Umstandes die Ballen
gegen die Einwirkung des Wassers nicht mehr geschützt waren, so daß letzteres
eindringen konnte und in dem inneren Umschlage von Papier und Packleinen Spuren
zurückließ.
Calvert entdeckte die eigentliche Ursache des Verderbens
der Baumwollengewebe bald. Er überzeugte sich nämlich, daß die letzteren nicht nach
dem früher gebräuchlichen Verfahren mit Stärkmehl appretirt, sondern daß sie nach
einer neueren Methode mit einer Lösung von Natron-Wasserglas (kieselsaurem
Natron) behandelt waren. Er fand dann in dem Packpapiere und Packleinen Anzeichen
von frei gewordenem Alkali, welche andererseits auf die Fixirung von Kieselsäure im
Fabricate hindeuteten. Er bestimmte die in den weißen und blauen Stellen mehrerer
Stücke vorhandenen Mengen von Kieselsäure und Alkali, und fand, daß die Gewebe
ursprünglich mit Natronsilicat im Verhältniß von etwa 8 Proc. des Gewichtes der
Baumwollenfaser behandelt worden, sowie daß die nicht verdorbenen Theile beim
Verbrennen nur wenig über ein halbes Procent Asche hinterließen. Letztere Thatsache
bewies, daß die Entfernung des Natronsilicats bezüglich der Haltbarkeit des
Fabricates von günstigem Einflusse gewesen war.
Hierauf schritt Calvert zur näheren Untersuchung dieser
mit Wasserglas behandelten Stücke selbst und fand, daß ein bedeutender Antheil der
Kieselsäure in Wasser unlöslich geworden war; denn dieselbe war zum größeren Theile
von der Baumwollenfaser fixirt worden, indem das Silicat durch Kohlensäure zersetzt
und kohlensaures Alkali entstanden war. Nach Walter Crum's Beobachtung vermag nicht nur die in der atmosphärischen Luft
enthaltene Kohlensäure das kieselsaure Natron zu zersetzen, sondern die
Baumwollenfaser besitzt selbst das Vermögen, die Kieselsäure jenes Salzes zu
fixiren, folglich die Entstehung von caustischem Alkali zu veranlassen. Bekanntlich
aber wird die Festigkeit der Baumwollenwaaren sowohl durch ätzende als auch durch
kohlensaure Alkalien in hohem Grade beeinträchtigt, besonders bei längerer Berührung
mit denselben, indem dabei nach Calvert's Ansicht ein
Oxydationsproceß stattfindet. Ueberdieß ist es wahrscheinlich, daß die durch
Ablagerung von
Kieselsäure in den Zellen veranlaßte Volumsvergrößerung der Fasern das Morschwerden
des Gewebes begünstigt.
Die weißen Stellen zeigten sich, wie zu erwarten war, stärker angegriffen, als die
blauen, da der in die Zwischenräume des Zellgewebes eingedrungene Indigo dem
verderblichen Einflusse des Silicats Widerstand leisten mußte.
Calvert beschrieb das Verfahren, welchem die fraglichen
Baumwollenwaaren unterworfen gewesen waren und machte auf die übliche Anwendung
einer aus schwefelsaurem Bleioxyd mit einer geringen Menge salpetersaurem Kupferoxyd
bestehenden Schutzpappe oder Reservage aufmerksam, durch welche die damit bedeckten
Theile des Gewebes vor der färbenden Wirkung der Indigküpe geschützt werden, also
ungefärbt bleiben sollen; die Stücke werden nach dem Aufdrucken dieser Schutzpappe
mit heißen Walzen kalandert, wobei sie unvermeidlich an Festigkeit verlieren müssen,
wenn das Kupfersalz etwas freie Säure enthielt. Um deren Wirkung zu paralysiren,
wurde nach dem Dafürhalten Calvert's ein alkalisches Bad
von kieselsaurem Natron angewendet, ohne daß die Fabrikanten gewußt haben, daß in
Folge dieses letztgedachten Verfahrens ein anderes ähnliches Uebel entstehen
muß.
Calvert wurde bei seinen Untersuchungen von Caro und Dancer d. J.
assistirt. Der erstere dieser beiden Chemiker stellte eine von derjenigen Calvert's etwas abweichende Erklärung auf; seiner Ansicht
nach ist das Verderben der untersuchten Baumwollenstoffe mit größerer
Wahrscheinlichkeit einer Volumvergrößerung in Folge der Reaction von kieselsaurem
Natron auf das in den weißen Stellen der Gewebe vorhandene schwefelsaure Bleioxyd
zuzuschreiben, indem sich hierbei unlösliches kieselsaures Bleioxyd, oder
möglicherweise ein Doppelsalz bildet, durch dessen Krystallisation die Zellen der
Baumwollenfaser übermäßig ausgedehnt und zum Bersten gebracht werden, so daß die
Festigkeit der Faser unvermeidlich leiden muß.
Prof. Abel theilte hierauf mit, daß er durch die Resultate
mehrerer vor einigen Jahren über die Conservirung von Leinwand von ihm angestellter
Versuche zu einem von der Calvert'schen Anschauungsweise
etwas abweichenden Schlusse gekommen sey. Er halte nämlich das Verrotten der in Rede
stehenden Baumwollenwaaren nicht für das Resultat eines Oxydationsprocesses, sondern
mehr für die Folge einer durch die Expansivkraft der Krystallisation auf die Faser
ausgeübten mechanischen Wirkung. Die Verhältnisse unter denen er jene Versuche
anstellte, waren den von Calvert angegebenen sehr
ähnlich. Die dazu verwendete Leinwand (Zelttuch) ward zunächst mit einer Lösung von
basisch-essigsaurem Bleioxyd imprägnirt und dann in eine wässerige Lösung von
kieselsaurem Natron gebracht, wodurch ein dichtes Bleioxydsilicat in der Faser
niedergeschlagen wurde. Die so behandelte Leinwand bewährte sich nicht nur in Bezug
auf Feuergefährlichkeit, sondern war dadurch auch ganz vortrefflich gegen Schimmel
geschützt. Doch verlor sie gleichzeitig an Festigkeit, weßhalb auch das Verfahren
bald wieder aufgegeben wurde.
Für die Richtigkeit seiner Ansicht führt Abel noch weitere
Versuche an, bei denen Flachs- und Baumwollengewebe mit schwefelsaurer
Magnesia, also einem neutralen Salze imprägnirt wurden, von welchem sich doch eine
chemische Einwirkung auf die Pflanzenfaser nicht annehmen läßt; gleichwohl verloren
auch die mit dieser Substanz behandelten Gewebe an Festigkeit, und zwar einzig und
allein in Folge der Ablagerung von fester Substanz in der Faser und der
nachtheiligen Ausdehnung der letzteren durch die Krystallisation des Salzes.
Dr. Frankland, welcher die
von Abel erhaltenen Resultate selbst gesehen und mehrere
seiner Versuche wiederholt hat, theilt dessen Ansicht bezüglich des in Rede
stehenden Gegenstandes. Seiner Meinung nach stehen diese neuen Beobachtungen ganz in
Einklang mit der längst bekannten Thatsache, daß die Festigkeit von leinenen und
baumwollenen Stoffen stark leidet, wenn Frost auf dieselben während sie feucht sind,
einwirkt. Bezüglich der von Calvert berührten Fälle könne
er sich leicht denken, daß die gefärbten, bereits mit Indigo erfüllten Theile des
Gewebes weit weniger leicht angegriffen wurden.