Titel: | Neues Verfahren zur volumetrischen Bestimmung des Eisens; von Dr. Clemens Winkler. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. XL., S. 127 |
Download: | XML |
XL.
Neues Verfahren zur volumetrischen Bestimmung des
Eisens; von Dr. Clemens
Winkler.
Aus dem Journal für praktische Chemie, 1865, Bd. XCV S.
417.
Winkler, Verfahren zur volumetrischen Bestimmung des
Eisens.
Man ist in neuerer Zeit vielfach bemüht gewesen, ein Verfahren zur volumetrischen
Bestimmung des Eisens aufzufinden, welches sich auf die Ueberführung von Eisenoxyd
zu Eisenoxydul gründet, also auf dem entgegengesetzten Principe beruhen würde, wie die früheren
Methoden zur Bestimmung dieses Metalles, welche die Gegenwart desselben im Zustande
des Oxyduls voraussetzen.
Die bis jetzt zur Erreichung dieses Zweckes in Anwendung gekommenen Reductionsmittel
sind Zinnchlorür und Jodkalium.
Bei Anwendung des einen, wie des anderen, erfordert die Reduction des Eisenoxyds
einen erhöhten Temperaturgrad, und diese, sowie andere kleine Umständlichkeiten,
deren Ueberwindung eine geübte, sorgsame Hand und einen gewissen Zeitaufwand
erfordert, waren bisher Ursache, daß jene Verfahrungsweisen, trotz der vorzüglichen
Resultate, welche sie geben, sich schwierig Eingang in technische Laboratorien
verschafft haben.
Ein dem Zinnchlorür analog wirkendes, aber weit kräftigeres Reductionsmittel für
Eisenoxydsalze ist das Kupferchlorür. Während Zinnchlorür
die Reduction des Eisenchlorids in der Kälte nur theilweise hervorzurufen im Stande
ist, bewerkstelligt Kupferchlorür dieselbe sofort bei den
niedrigsten Temperaturen und bei jeder Verdünnung mit theoretischer Genauigkeit. Es
ist deßhalb für die Volumetrie des Eisens ganz geeignet, wie dieß aus Nachstehendem
noch deutlicher hervorgehen wird.
Versetzt man eine verdünnte Auflösung von Eisenchlorid mit einer solchen von
Kupferchlorür, so nimmt, in dem Maaße als letztere zufließt, die gelbe Farbe der
ersteren ab und macht schließlich einer lichtblauen von Kupferchlorid Platz. Der
Vorgang hierbei erfolgt einfach nach der Gleichung:
Fe²Cl³ + Cu²Cl = 2FeCl + 2CuCl.
Die Beendigung dieser Umsetzung wird jedoch in diesem Falle durch keine deutlich
wahrnehmbare Veränderung der Flüssigkeit angezeigt, und in dieser Form würde die
Methode noch nicht brauchbar seyn.
Bei den charakteristischen Eigenschaften des Eisenchlorids, wie des Kupferchlorürs
war es jedoch nicht schwer, einen Indicator zu finden, welcher die Beendigung der
Reaction augenfällig macht.
Setzte man der zu titrirenden, sauren Eisenchloridlösung einige Tropfen
molybdänsaures Ammoniak zu, so färbte sich die Flüssigkeit bei geringem Ueberschuß
an Kupferchlorür deutlich blau; verwendet man statt des Molybdänsalzes Jodkalium, so
bewirkte nach erfolgter Reduction der nächste Tropfen der Titrirflüssigkeit eine
schwache Ausscheidung von Kupferjodür, welches die ganze Flüssigkeit milchweiß
trübte; mischte man endlich der Eisenlösung etwas wässerige Stärke und wenige
Tropfen Jodtinctur zu, so wurde das Ganze durch das gebildete Jodamylum gebläut,
dieses aber durch den geringsten Ueberschuß der Kupferlösung wieder entfärbt.
Es erwies sich jedoch bei den mit den verschiedenen Indicatoren angestellten
Versuchen, daß keiner derselben die Beendigung der Reduction des Eisenoxyds mit
absoluter Schärfe anzeige. Zwar fielen die Resultate häufig richtig aus, oft aber
schwankten sie auch um 1 bis 2 Proc. und ich sah mich deßhalb genöthigt, nach einem
sicheren Erkennungsmittel zu suchen.
Ganz passend als solches erwies sich eine Auflösung von Schwefelcyankalium. Einige
wenige Tropfen derselben zu der zu titrirenden Eisenlösung gesetzt, ertheilen dieser
die bekannte tief rothe Farbe. Läßt man nun in die also gefärbte Flüssigkeit aus
einer Bürette eine Kupferchlorürlösung eintröpfeln, so wird, in dem Maaße als dieß
geschieht, das Roth jener immer lichter und endlich verblaßt es ganz.
Nach erfolgtem Verbleichen hat die Reduction des Eisenoxydes zu Eisenoxydul
stattgefunden und der nächste Tropfen Kupferchlorür, welchen man in die Lösung
einfließen läßt, bringt sofort eine deutlich wahrnehmbare weiße Trübung von
Kupferrhodanür hervor.
Man hat somit ein doppeltes Zeichen für die Beendigung der Reduction: Verschwinden
der rothen Farbe des Eisenrhodanids und Trübung der Flüssigkeit durch Ausscheidung
eines unlöslichen Kupfersalzes.
Die Kürze und Einfachheit der Operation, sowie die wenigen dazu erforderlichen
Hülfsmittel empfehlen diese Methode ganz besonders zur Einführung in technische
Laboratorien, zumal sich in diesen der Mangel an einem kurzen und sicheren
Verfahren, das Eisen zu bestimmen, noch immer fühlbar macht.
Zur Ausführung der in Rede stehenden Titrirmethode ist nun zunächst Folgendes
nöthig.
1) Eine Auflösung von Kupferchlorür.
Man stellt sich durch Auflösen von Kupferblech in Salpetersalzsäure eine
Kupferchloridlösung dar, dampft ab, um etwa vorhandene überschüssige Salpetersäure
zu zerstören und nimmt den Rückstand in salzsäurehaltigem Wasser auf. Diese
Auflösung bringt man in einen Kolben, fügt ein dem Gewicht des trockenen
Kupferchlorids ungefähr gleiches Quantum Kochsalz zu, um bei der nachherigen
Reduction die Ausscheidung festen Kupferchlorürs zu vermeiden, stellt einige
Streifen Kupferblech in den Kolben und erhitzt sodann zum Kochen. Dieses unterhält
man so lange, bis der Inhalt des Kolbens nahezu farblos geworden und somit alles
Kupferchlorid in Chlorür übergegangen ist. Hierauf verkorkt man den Kolben, läßt ihn
erkalten und verdünnt die erhaltene Flüssigkeit mit salzsäurehaltigem Wasser soweit,
daß ein Kubikcentimeter derselben ungefähr 6 Mgrm. Eisen entspricht.
Um den also dargestellten Titer ohne Zersetzung zum ferneren Gebrauch aufzubewahren,
füllt man ihn in eine Flasche mit dichtschließendem Stöpsel und stellt in diese eine
vom Boden bis beinahe zum Halse derselben reichende Spirale von starkem Kupferdraht.
Diese schützt das Kupferchlorür vollständig vor erheblicher Oxydation, so, daß die
Wirksamkeit des Titers fast immer dieselbe bleibt. Eine frisch bereitete
Kupferchlorürlösung reducirte z.B. pro Kubikcentimeter 6
Mgrm. Eisen von Oxyd zu Oxydul; jetzt, nach vier Monaten, ist ihre
Reductionsfähigkeit, zeitweilige geringe Schwankungen von 0,1 bis 0,2 Mgrm. Fe
ausgenommen, noch immer dieselbe, obgleich die Flasche fast unausgesetzt im
Gebrauche gewesen und sehr oft geöffnet worden ist. Allerdings beobachtete ich die
Vorsicht, die Hauptmenge der Titerflüssigkeit in einer großen, ebenfalls mit
Kupferspirale versehenen Flasche aufzubewahren, für den currenten Gebrauch aber eine
kleinere Flasche zu benutzen, welche, wenn sie theilweise geleert ist, aus der
größeren wieder gefüllt wird. Selbstverständlich wird der Titer durch Einwirkung der
Luft und der Salzsäure auf der Kupferspirale eher reicher an Kupferchlorür als
ärmer, doch läßt er sich dann durch Zufügung von wenig Wasser leicht auf den alten
Wirkungsgrad zurückbringen. Mit gutem Erfolge anwendbar würde ohne Zweifel für
diesen Fall auch das Verfahren von Fresenius seyn,
welches dieser bei Aufbewahrung von Zinnchlorürlösung in Anwendung brachte und
welches in einer Absperrung der oxydablen Flüssigkeit durch alkalisches
pyrogallussaures Kali besteht. Daß übrigens die als Titer benutzte
Kupferchlorürlösung nicht von Tag zu Tag in der Bürette stehen bleiben darf, braucht
wohl kaum mehr ausgesprochen zu werden.
Am zweckmäßigsten und richtigsten wird es für alle Fälle seyn, den Wirkungswerth des
Titers zeitweilig zu bestimmen, zumal dieß einen Zeitaufwand von nur wenigen Minuten
erfordert. Man hält sich deßhalb
2) eine Eisenchloridlösung von bekanntem Gehalte
vorräthig, welche man nach Fresenius durch Auflösen von
10,03 Grm. Clavierdraht, entsprechend 10,00 Grm. reinem Eisen in Salzsäure und
chlorsaurem Kali und Verdünnen auf 1 Liter darstellt. Zu jeder Titerbestimmung mißt
man 10 Kubikcentimeter dieser Normaleisenlösung ab, welche 100 Milligrm. Eisen
entsprechen.
3) Um die Beendigung der Reduction mit Schärfe beobachten zu können, bedient man
sich, wie schon erwähnt, einer Auflösung von
Schwefelcyankalium in Wasser, von welcher man der zu untersuchenden
Flüssigkeit wenige Tropfen zufügt und ihr dadurch die bekannte blutrothe Farbe
ertheilt.
Es ist natürlich nicht nöthig, daß diese Auflösung einen bestimmten Salzgehalt
besitze, doch wird man es zweckmäßig finden, dieselbe jederzeit von ungefähr
gleicher Concentration anzuwenden, da, wie sich später zeigen wird, die Gegenwart
von zu viel Schwefelcyankalium die Erscheinungen
undeutlicher hervortreten läßt. Ich verwende gewöhnlich eine 10procentige
Schwefelcyankaliumlösung, doch ist dieß eine ganz willkürliche Annahme.
Bei der Ausführung der volumetrischen Eisenbestimmung mittelst Kupferchlorür selbst
sind nur wenige Regeln zu beobachten.
Zunächst ist es anzurathen, die zu titrirende Eisenlösung gehörig angesäuert und in stark
verdünntem Zustande unter die Bürette zu bringen. Eine Lösung, welche 100
bis 200 Mgrm. Eisen enthält, verdünne man auf 500 und mehr Kubikcentimeter. Es ist
dieß zwar zum Gelingen der Operation nicht unbedingt nöthig; aber die Erscheinungen
verlaufen weit klarer und deutlicher, als bei Anwendung concentrirter
Flüssigkeiten.
Beim Zusetzen der Schwefelcyankaliumlösung muß ebenfalls eine gewisse Vorsicht
beobachtet werden. Fügt man von derselben eine große Menge zur Eisenchloridlösung,
so wird zwar deren Farbe intensiver blutroth; es kann aber dann leicht der
unangenehme Fall eintreten, daß sich besonders wenn man die Titerflüssigkeit etwas
rasch zufließen läßt, vorzeitig schwerlösliches
Kupferrhodanür ausscheidet, welches die Flüssigkeit trübt und schwer wieder in
Lösung übergeht. Es ist vollkommen hinreichend, wenn man 4–5 Tropfen der
obengenannten Schwefelcyankaliumlösung zur Eisenlösung setzt; beim Zutröpfeln des
Kupferchlorürs erfolgt dann das Verbleichen der rothen Farbe mit seltener Schärfe
und erst, wenn alles Eisen zu Oxydul geworden ist, bewirkt der nächste Tropfen eine
bleibende, sanfte Trübung.
Es lag der Wunsch nahe, die durch das Kupferchlorür zu Oxydul reducirte Eisenlösung
mittelst Zusatz titrirten Chamäleons wieder in Oxyd überzuführen, um auf diese Weise
eine Controlanalyse zu erhalten. Dieß ist jedoch nicht ausführbar, da die vorhandene
Rhodanwasserstoffsäure durch das übermangansaure Kali in Cyanwasserstoff und
Schwefelsäure übergeführt und dadurch ein bedeutender Mehrverbrauch an Chamäleon
veranlaßt wird. Ebenso wirkt die in der Flüssigkeit anwesende, erhebliche Menge
Chlorwasserstoffsäure zersetzend auf das übermangansaure Kali, weßhalb man nicht
minder falsche Resultate erhält, wenn man der Eisenchloridlösung statt
Schwefelcyankalium Jodkalium zusetzt, um die nach erfolgter Reduction auftretende
Ausscheidung von Kupferjodür als Indicator zu benutzen. Beim Zurücktitriren mittelst
Chamäleon macht sich
dann ein deutlicher Chlorgeruch wahrnehmbar und man erhält viel zu hohe Gehalte.
Die Gegenwart gefärbter Metallverbindungen, z.B. der Salze des Kobalts, Nickels,
Kupfers etc. hindert durchaus nicht in der sicheren Wahrnehmung der Enderscheinung,
wenn die Flüssigkeit hinreichend verdünnt ist. Ebensowenig stört die Anwesenheit von
Ursensäure, da diese nicht durch Kupferchlorür reducirt wird. Deßhalb ist diese
Methode von Wichtigkeit für den Hüttenmann, welchem sehr viel daran gelegen ist, den
Eisengehalt eines Steines, einer Speise, oder eines anderen Productes schnell und
richtig zu erfahren. Nach vorbeschriebener Weise ist dieß ohne weitere Schwierigkeit
in einer Stunde möglich.
Belege.
1) Verschiedene Mengen Claviersaitendraht wurden unter
Zusatz von chlorsaurem Kali in Chlorwasserstoffsäure gelöst, die Lösungen verdünnt
und titrirt.
1 Kub. Cent. Kupferchlorür entsprach 6,0 Mgrm. Fe.
Angewendet.
Verbraucht.
Gefunden.
Differenz.
Grm.
K. C.
Mgrm.
Mgrm.
a)
0,1290 Fe.
21,7
0,1302 Fe.
0,0012 Fe.
b)
0,2440 „
40,6
0,2436 „
0,0004 „
c)
0,1800 „
30,1
0,1806 „
0,0006 „
2) Je 10 K. C. einer Eisenchloridlösung, entsprechend
0,098 Grm. Fe, wurden mit viel concentrirter Kobalt- oder Nickelchlorürlösung versetzt
und dadurch stark gefärbt. Dieselben Versuche wurden unter Anwendung von viel Arsensäure gemacht.
1 K. C. Kupferchlorür entsprach 6,0 Mgrm. Fe.
Angewendet.
Verbraucht.
Gefunden.
Differenz.
Grm.
Grm.
a)
0,098 Fe.
viel COCl
= 16,3 K. C.
0,0978 Fe.
0,0002
b)
0,098 „
viel NiCl
= 16,4 „
0,0984 „
0,0004
c)
0,098 „
viel CoClu. AsO⁵
= 16,3 „
0,0978 „
0,0002
d)
0,098 „
viel NiClu. AsO⁵
= 16,3 „
0,0978 „
0,0002
2) 1 Grm. kobalt- und nickelhaltige Speise wurde gelöst, die Lösung verdünnt und titrirt.
1 K. C. Kupferchlorür entsprach 5,9 Mgrm. Fe.
Es wurden verbraucht:
a)b)
15,6 K. C.15,6 K. C.
= 9,204 Proc. Fe.
Die Bestimmung durch Gewichtsanalyse ergab = 9,210 Proc. Fe.
4) In gleicher Weise wurde ein Kupferstein mit dem analytisch festgestellten Gehalte
von 26,63 Proc. Fe untersucht.
1 K. C. Kupferchlorür entsprach 6,15 Mgrm. Fe.
1 Grm. des Kupfersteins gelöst und titrirt erforderte
a)
43,1 K. C.
= 26,50 Proc. Fe
b)
43,0 K. C.
= 26,44 Proc. Fe
26,47 Mittel
Diese Ergebnisse lassen wohl über die Genauigkeit der maaßanalytischen Bestimmung des
Eisens mittelst Kupferchlorür keinen Zweifel übrig und geben zu ihrer Verwendung
nicht allein in der Technik, sondern auch bei wissenschaftlichen Untersuchungen, die
beste Hoffnung.