Titel: | Ueber die Ergebnisse der in den Gruben von Altenberg bei Aachen mit dem Nitroglycerin (Sprengöl) angestellten Sprengversuche; von A. Nobel. |
Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. CXVII., S. 484 |
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CXVII.
Ueber die Ergebnisse der in den Gruben von
Altenberg bei Aachen mit dem Nitroglycerin (Sprengöl) angestellten Sprengversuche; von
A. Nobel.
Aus den Comptes rendus,
t. LXI p. 122; Juli 1865.
Nobel, über Sprengversuche mit Nitroglycerin.
Ich lege hiermit im Secretariat der (französischen) Akademie zwei Stücke eines
Eisenblocks nieder, welcher durch Nitroglycerin gesprengt worden ist.
Der größte Vortheil des Nitroglycerins besteht darin, daß man mit einem Bohrloche von
kleiner Dimension eine zehnmal stärkere Kraft entwickeln kann, als bei Anwendung von
Pulver. Daraus resultirt eine bedeutende Ersparniß an Arbeit, deren Wichtigkeit in
die Augen springt, sobald man in Erwägung zieht, daß die Arbeit des Bohrhäuers, der
Härte des Gesteins entsprechend, das Fünf- bis Zwanzigfache des Werthes vom angewendeten Pulver
repräsentirt, so daß folglich in den Kosten der Sprengarbeit eine Ersparniß erzielt
wird, welche in manchen Fällen auf 50 Proc. steigt.
Zur Bestätigung dieser Behauptung füge ich einen Bericht über die Ergebnisse der vor
Kurzem zu Moresnet angestellten Sprengversuche bei, ein Schriftstück, welches zwar
nicht unterzeichnet ist, jedoch von den HHrn. Brown,
Oberingenieur der Gesellschaft von Altenberg, und Le
Chatelier, Oberingenieur zu Paris, jeden Augenblick bestätigt werden
kann.
Die Anwendungsweise des Nitroglycerins ist sehr einfach. Ist das Bohrloch von Klüften
durchsetzt, so wird es zunächst durch Ausfuttern mit Thon gedichtet; dann wird das
Sprengöl eingegossen, der obere Theil des Bohrlochs mit Wasser gefüllt, dann ein
Sicherheitszünder von geeigneter Länge, an dessen Ende eine mit Pulver stark
geladene hölzerne Kapsel befindlich ist, in das Sprengöl eingeschoben und nun
angesteckt. Man kann auch über der Ladung das Loch mit Sand fertig besetzen, doch
wird das Verfahren dadurch etwas verwickelter. Die Anwendung des Stampfers ist in
keinem Falle erforderlich.
Am 7. Juni 1865 wurden in Gegenwart der HHrn. v. Dechen,
Nöggerath, und vieler anderer deutscher und belgischer Bergingenieure in
den Tagebauen der Altenberger Werke drei Sprengversuche mit Nitroglycerin abgeführt,
welche folgende Resultate gaben:
Das Gestein, in welchem die Löcher gebohrt wurden, ist der sogenannte
„Lagerdolomit“ , im Innern fest und gesund, jedoch von
zahlreichen Klüften durchsetzt und nur an den Berührungsflächen mit der Lagerstätte
selbst oberflächlich zersetzt.
Erster Versuch. – Ein 5/4 Zoll (34 Millimeter)
weites Bohrloch wurde in einer Dolomitbank, welche den einen, 60 Fuß langen
Seitenstoß eines trichterförmigen, 17 Fuß tiefen Abteufens bildet, seiger stehend so
abgebohrt, daß es 14 Fuß vom Rand der beinahe seigeren Wand der Bank entfernt war.
In 8 Fuß Teufe kam man auf einen Lettengang von 1 1/2 Fuß feigerer Mächtigkeit; um
den nachtheiligen Einfluß desselben zu verhindern, wurde das Bohrloch bis auf 7 Fuß
Teufe vollgestampft, dann mit 1 1/2 Liter Sprengöl, einer Tiefe von etwa 5 Fuß
entsprechend, geladen, Patentzünder und Rakete eingeschoben, mit Sand besetzt und
angezündet. Die wegzuschießende Gesteinsmasse wurde nicht gehoben, sondern nur
gespalten, weil einerseits ihr Volum zu bedeutend, andererseits das Loch nicht tief
genug und drittens die angewendete Menge des Sprengöls nicht genügend war. Dennoch
war die Wirkung eine außerordentliche. Um das Bohrloch herum war ein mit
Gesteinsstücken angefüllter Trichter von elliptischem Querschnitte entstanden; nachdem die
ersteren weggefüllt waren, fand sich das Gestein stark zerrissen und gewissermaßen
noch unterhalb des Orts vom Bohrloche zermalmt; am
Tage war die Gesteinsbank durch einen 50 Fuß langen Riß in der Richtung der großen
Achse des Trichters zerspalten; ein zweiter, 20 Fuß langer Riß, durchsetzte nach der
Richtung der kurzen Achse.
Der Gesammteffect wird sich erst beurtheilen lassen, wenn die ganze Gesteinsmasse
nach und nach mittelst kleinerer Bohrlöcher weggeschossen seyn wird.
Zweiter Versuch. – In einer von drei Seiten frei
liegenden Dolomitwand wurde unter einem Winkel von 50° ein Bohrloch von 34
Millim. Durchmesser 7 Fuß tief abgebohrt; bei 5 Fuß Teufe traf man eine Kluft von 6
Zoll Mächtigkeit. Die Mündung des Bohrlochs befand sich 15 Fuß unter dem oberen
Niveau des Tagebaues, 10 Fuß von den Stößen entfernt und 10 Fuß unter dem Kopfe der
Bank.
Die Ladung bestand aus 3/4 Liter Nitroglycerin, wodurch etwa 2 Fuß der Bohrlochstiefe
gefüllt wurden. Nach Einführung des Zünders und der Rakete und volländigem Besetzen
mit Sand wurde angesteckt. Die Explosion verursachte einen dumpfen Knall; die
Wirkung war vollständig und ungemein stark. Bei Anwendung von Bergpulver würden sich
die entwickelten Gase ohne Zweifel in den Klüften verloren haben und die erzielte
Wirkung würde, selbst mit einer sehr starken Ladung, nur unbedeutend gewesen
seyn.
Die Explosion wirkte nach allen Seiten hin; das Gestein war bis auf 10 Fuß Entfernung
zerspalten und zerrissen; 1/4 der Masse war vollständig gehoben und der ganze Nest
des Gesteins so zerbrochen, daß es mittelst Kratzen und dreier kleinen, mit Pulver
geladenen Bohrlöcher in einem Gesammtvolum von etwa 100 Kubikmeter weggenommen
werden konnte.
Die Kosten dieses zweiten Versuchs beliefen sich auf 94 Francs 10 Cent. Für diesen
Betrag wurden 100 Kubikmeter Berge zum Versatze erhalten, welche den Arbeitern mit 1
Fr. 30 Cent. per Kubikmeter bezahlt werden, so daß die
letzteren, außer ihrem Schichtlohn von 2 1/2 Fr., noch 35 Fr. 90 Cent. verdient
haben würden, wenn sie das Nitroglycerin hätten bezahlen
müssen.
Wäre dieselbe Gesteinsmasse durch Sprengen mit Pulver gewonnen, so würden dazu mindestens zwanzig gewöhnliche Bohrlöcher von 30 bis 36
Zoll Tiefe erforderlich gewesen seyn und die Kosten würden in diesem Falle 125 Fr.
betragen haben.
Dritter Versuch. – Der dritte Versuch wurde mit
einem Roheisenblock von 40 Zoll Länge, 20 Zoll Breite, 11 Zoll Dicke und 1000
Kilogrammen Gewicht angestellt.
Es ward ein Loch von 5/8 Zoll Durchmesser und 8 Zoll Tiefe, in der Mitte einer der
beiden großen Flächen des Blocks gebohrt; bei 6 Zoll Tiefe hatte das Bohrinstrument
einen beim Gusse des Blocks in das flüssige Eisen hineingelegten Schmiedeeisenstab
durchbohrt. In Folge dessen war das Bohrloch nicht ganz dicht; nachdem etwa 2
Kubikzoll Nitroglycerin durch die zwischen den beiden Metallen vorhandenen Spalten
verloren gegangen waren, wurde das Loch mit Thon gedichtet, 4 1/2 Zoll hoch mit
Nitroglycerin geladen, und dann auf 1 1/2 Zoll Länge mit einem eisernen
Schraubenstopfen verschlossen, in dessen Längsachse eine Röhre angebracht war,
welche dazu diente, am einen Ende den Zünder, am anderen das Pulver aufzunehmen.
Die Wirkung der Explosion war vollständig; der Block zersprang in vier große und in
zehn bis zwölf kleinere Stücke und der Wagen, auf welchem er lag, wurde
zerschmettert.