Titel: | Dampfmaschine nach einem neuen System, ohne Zwischenglieder zwischen dem Kolben und der Treibwelle; von Juhel. |
Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. LIV., S. 253 |
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LIV.
Dampfmaschine nach einem neuen System, ohne
Zwischenglieder zwischen dem Kolben und der Treibwelle; von Juhel.
Aus dem Génie
civil, Mai 1865, S. 287.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Juhel's Dampfmaschinen-System.
Das neue Dampfmaschinensystem, welches sich Hr. Juhel
kürzlich in Frankreich patentiren ließ, unterscheidet sich von allen derartigen
Erfindungen durch seine große Einfachheit, in Folge deren eine beträchtliche
Verminderung des Volumens und Gewichtes, sowie eine leichtere Anfertigung der
Maschine erzielt worden ist. Zu diesen Vortheilen kommen noch weitere hinzu,
nämlich: ein geringerer Ankaufspreis und eine leichtere Bedienung und Unterhaltung,
während auch nicht so leicht Beschädigungen stattfinden können. Aber ist dann auch
– wird man fragen – die Hauptaufgabe, die
ökonomische Beschaffung der Nutzleistung, bei dem neuen Systeme im
Vergleiche zu den bisher gebräuchlichen vortheilhafter gelöst worden? Die ersten mit
einer derartigen Maschine angestellten Versuche bejahen diesen Punkt; wenn man aber
auch die Kosten für die Leistung gleich denen bei den gebräuchlichen Maschinen
annehmen wollte, so sind doch schon die oben angeführten Vortheile von der Art, daß
sie die Aufmerksamkeit der Ingenieure in hohem Grade verdienen.
Das neue System,Man vergl. Runkel's Dampfmaschine im polytechn.
Journal Bd. CLXXV S. 249.
Fig. 21 und
22,
besteht aus einem Cylinder C, welcher mittelst Lappen
auf die Grundplatte K befestigt ist. Die Treibwelle L, welche von den zwei Lagern S und S' getragen wird, geht durch den
Cylinder hindurch und ihre Mittellinie fällt mit derjenigen des Cylinders zusammen.
Mit dem Kolben A bewegt sich ein Rohr N, welches mit demselben entweder aus einem Stücke
gegossen oder an ihn solid angeschweißt ist.
In dem Kolben ist in radialer Richtung ein Stift Q
befestigt, dessen unteres Ende in einer spiralförmigen, auf dem Umfang der Welle angebrachten Furche
X gleiten kann und dabei abwechselnd auf jede von
den Seitenflächen dieser spiralförmigen Furche wirkt. Der Theil des Stiftes Q, welcher in die gekrümmte Furche eintritt, ist
abgestumpft kegelförmig gestaltet, um die Bewegung des Kolbens zu erleichtern. Ein
Keil c (Fig. 21), welcher in
einen in der Metallliderung b des Kolbens angebrachten
Einschnitt so paßt, daß nur eine geringe Reibung entsteht, ist in dem Cylinder
seiner ganzen Länge nach befestigt; er verhindert den Kolben sich um seine Achse zu
drehen. Die Liderung b, welche vermöge ihrer Elasticität
und von Federn gegen die Wandung des Cylinders gedrückt wird, ist ausgeschnitten, um
das Stück g aufzunehmen, welches sich leicht
herausnehmen läßt, wenn es nöthig ist, den Stift Q
nachzusehen oder auszuwechseln. Zwei kleine, an jedem Ende des Rohres N unten angebrachte Plättchen t und t' dienen zum Ansammeln des Oeles oder
Talges während der Bewegung; auf diese Weise wird das Innere der spiralförmigen
Furche, die Welle und das Rohr vollkommen geschmiert.
Eine auf der Welle angebrachte Scheibe D bewegt die
Steuerungsorgane. Auf dieser Scheibe ist eine Rinne Y
derart angebracht, daß das Oeffnen und Schließen der Dampfwege durch den Schieber
auf die vortheilhafteste Weise regulirt wird; in dieser Rinne erhält nämlich das
sphärische Ende des um den Punkt O' beweglichen Hebels
O seine Führung, welcher seine Bewegung auf die
Schieberstange E mit Hülfe der Stange F überträgt. Der Schieber hat in der vorliegenden
Zeichnung die Form einer Schale, er kann aber offenbar ebenso gut in einer jeden
anderen Form angewendet werden.
Die Scheibe D ist so lange auf der Welle beweglich, bis
sie einem auf letzterer hervorstehenden Sector begegnet (Fig. 23).
Diese Anordnung hat den Zweck, eine Umsteuerung durch eine bloße Bewegung der Scheibe
zu bewirken, die man letzterer bei einer Maschine von einer gewissen Kraft durch
eine von einem Schwungrade in Bewegung zu setzende Schraube ohne Ende mittheilen
könnte; diese Schraube würde in die Zähne eingreifen, welche an die Scheibe
angeschnitten sind und könnte nach Belieben durch eine Bewegung mit der Hand wieder
ausgerückt werden. Das Ende einer durch die Scheibe hindurchgehenden Schraube reicht
in eine auf der Welle angebrachte kreisförmige Cannelirung hinein, um eine Bewegung
der Scheibe in der Längenrichtung zu verhindern.
Das Stück G ist die Führung des Hebels O und hat den Zweck zu verhüten, daß letzterer eine
Seitenbewegung mache.
In dem Durchschnitt CD (Fig. 23) ist der Sector
der Welle mit der Scheibe für den Vorwärtsgang in Berührung.
Man kann nun leicht die Wirkungsweise des Apparates verstehen: In der Zeichnung (Fig. 21 u.
22) ist
angenommen, daß der Dampf auf die linke Seite des Kolbens wirkt, während die rechte
mit der Atmosphäre communicirt; der Kolben bewegt sich daher von der Linken zur
Rechten. Der Stift Q drückt alsdann auf eine von den
Seiten der spiralförmigen Furche X und zwar während der
ganzen Dauer des Schubes nach dieser Richtung; die Welle macht so eine halbe
Umdrehung. Sobald der Kolben mit Hülfe des Stiftes Q an
dem gegenüberliegenden todten Punkte angekommen ist, bewegt er sich ganz in
derselben Weise auch durch die zweite Hälfte der Curve, also von rechts nach links,
und die Welle hat dann eine vollständige Umdrehung gemacht. Die ununterbrochen
rotirende Bewegung der Treibwelle wird daher direct durch die in einer geraden Linie
stattfindende hin- und hergehende Bewegung des Kolbens hervorgebracht.
Die Kanten, welche die Curve begrenzen, bilden mit der Mittellinie der Welle L einen um so spitzeren Winkel, je größer der
Kolbenschub ist. Es ist leicht einzusehen, daß nur wenig von der erlangten
Geschwindigkeit der Welle erforderlich ist, um die Bewegung des Kolbens nach der
entgegengesetzten Richtung zu erzielen.
Die erste Maschine nach diesem Systeme ist in der Größe von der in der vorliegenden
Zeichnung dargestellten ausgeführt worden. Dieselbe hat eine Schiffsschraube mit 4
Flügeln von 0,30 Meter Durchmesser und 0,90 Meter Ganghöhe mit einer Geschwindigkeit
von 150 Umdrehungen in der Minute und mit einem effectiven Drucke von 2,5
Atmosphären umgetrieben; es hat sich auch nach Beseitigung des Schwungrades und bei
einem Gange von 6 bis 8 Umdrehungen per Minute keine
Unregelmäßigkeit in der Geschwindigkeit ergeben. Die Umkehrung der Bewegung
bewerkstelligt man durch Einstecken eines kleinen Hebels in die Löcher u und u' der Scheibe.
Die Vortheile dieser neuen Dampfmaschine sind so einleuchtend, daß wir dieselben
nicht besonders anzuführen brauchen. Als Motor für Fluß- und Seeschiffe sind
ihre Vortheile folgende:
1) ein viel niedrigerer Ankaufspreis, weil sie nur aus einer geringen Anzahl von
Stücken besteht, indem die Rahmen, Kurbelstangen etc. wegfallen;
2) die Leichtigkeit, mit welcher die Maschine beliebig nahe am Hintersteven (der
Schraubenschiffe) aufgestellt werden kann, da sie nicht schwer ist und keinen großen
Platz, besonders in der Breite erfordert; ebenso werden auch Senkungen der Treibwelle vermindert,
weil diese nur kurz ist;
3) leichte Montirung, Bedienung und Ausbesserung;
4) fast gänzliche Beseitigung der Erschütterungen und Stöße, indem jeder Druck direct
auf die Wellenlager übertragen wird.
Obwohl es schwierig ist, bei Versuchen mit einem kleinen Apparate genaue Daten über
die Menge des verbrauchten Dampfes und über die erreichte Nutzleistung zu erhalten,
so erscheinen doch die bei den oben erwähnten Versuchen gewonnenen Resultate
günstiger, als die von guten Maschinen der bisher gebräuchlichen Constructionen,
ohne Zweifel in Folge der Verminderung der passiven Widerstände bei dem neuen
Systeme.
Demnächst werden mit einer jetzt im Bau begriffenen Maschine von fünf Pferdekräften
neue Versuche angestellt werden.
Die Maschine kann auch leicht mit einem Condensationsapparate versehen werden, der
sich unter der Grundplatte anbringen ließe und je nach der Form des Schiffes derart
zu construiren wäre, daß er wenig Platz einnimmt. Die Luftpumpe könnte ihre Bewegung
von dem Dampfkolben mittelst einer steifen, durch die Böden des Cylinders und die
Stopfbüchsen hindurchgehenden Stange erhalten; in diesem Falle würde der Keil c wegfallen, welcher, wie erwähnt, den Zweck hat, zu
verhindern daß der Kolben sich um seine Achse umdrehe.
Wenn es sich darum handelte, eine mächtige Maschine zu bauen oder einen sehr
gleichmäßigen Gang zu erzielen, sowie auch namentlich darum, sich gegen die
Nachtheile zu schützen, welche im Falle von Beschädigungen auf offener See eintreten
können, wenn nur ein einziger Cylinder vorhanden ist, so würde man wohl daran thun,
zwei Cylinder anzuwenden, welche Einrichtung bei den Schiffen des Staates getroffen
ist. Bei einer solchen Anordnung würde die Bewegung der Schieber der beiden Cylinder
durch eine und dieselbe Scheibe jedem von den Uebertragungshebeln mitgetheilt
werden, indem diese Hebel zu der Scheibe verschiedene Stellungen einnehmen, wie die
Schieber über den Dampfcanälen; man würde so eine neue Vereinfachung des ganzen
Mechanismus und eine sehr große Leichtigkeit in dem Vor- und Rückwärtsgange
erreichen.
Beschreibung der in den Figuren 21 und 22 im Maaßstab
von 1,50 Decimeter per Meter dargestellten ersten Juhel'schen Maschine, mit welcher die Versuche gemacht
wurden:
A Treibkolben.
b Metallliderung des Kolbens.
C Cylinder; der Keil c,
welcher von dem einen Ende des Cylinders bis zu dem anderen desselben reicht, ist dauerhaft in
demselben befestigt, um die rotirende Bewegung des Kolbens aushalten zu können.
D Scheibe mit krummer Rinne, durch welche die Bewegung
des Schiebers hervorgebracht wird.
E Schieberstange.
e Entleerungscanal, welcher in den Condensator oder in
die Atmosphäre führt.
F Verbindungsstange zur Bewegung der Schieberstange.
G Führung für den Bewegungshebel des Schiebers, welche
eine Seitenbewegung desselben verhindert.
g Stück im Liderungsring des Kolbens, welches sich
herausnehmen läßt, um den Stift nachsehen zu können.
I Schieberkasten.
J, J' Böden des Cylinders.
K Grundplatte.
L Treibwelle.
N Rohr, welches die Communication des Dampfes von der
einen Seite des Kolbens zur anderen verhindert; es bewegt sich mit dem Kolben.
O Bewegungshebel des Schiebers.
P, P' Stopfbüchsen des Rohres.
p, p' Stopfbüchsen des Schiebers.
Q Stift am Treibkolben, welcher mit seinem Ende
abwechselnd auf jede von den Wänden der spiralförmigen Furche wirkt, wodurch die
ununterbrochene kreisförmige Bewegung der Welle erzielt wird.
S, S' Lager der Treibwelle.
T Schieber.
t, t' zwei an die Enden des Rohres befestigte Plättchen,
wodurch das Oel in dem Rohre zurückgehalten wird.
u, u' Löcher in der die Bewegung des Schiebers
veranlassenden Scheibe D, mittelst welcher durch
Einstecken eines Hebels der Wechsel im Gang hervorgebracht wird.
V Schwungrad.
o, o' Dampfwege des Cylinders.
X spiralförmige Furche auf der Treibwelle.
Y ist die auf der Scheibe D
angebrachte Curve zur Bewegung der Schieber.