Titel: | Lindner's Hinterladungsgeschütz-Verschluß. |
Autor: | Henry Darapsky |
Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. LXXXIII., S. 278 |
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LXXXIII.
Lindner's Hinterladungsgeschütz-Verschluß.
Lindner's Hinterladungsgeschütz-Verschluß.
Nach, dem Referenten von Freundeshand zugegangenen Mittheilungen, deren theilweise
Veröffentlichung gestattet worden ist, dürfte auf einen für gezogenes
Hinterladungs-Geschütz bestimmten Verschluß aufmerksam zu machen seyn, der in
neuerer Zeit vom Ingenieur Lindner aus New-York vorgeschlagen worden ist, welchem Herrn
bekanntlich auch die sehr zweckmäßige Construction angehört, Vorderladungsgewehre
dadurch in Hinterladungswaffen der betreffenden Art zu verwandeln, daß dem vom Rohre
abgeschnittenen Kammerstücke seine Wiederverbindung mit ersterem durch eine
hohlcylindrische Kuppelung gegeben wird, welche zur Aufnahme der Patrone
ausgeschnitten, und das hintere Rohrende mit einer Schraube umfassend, beim Anziehen
der letzteren das Kammerstück dann vermittelst Nuth und Leiste fest gegen das
Rohrende anpreßt. Dieser Lindner'sche Geschützverschluß
besteht nämlich in der höchst sinnreichen Combination eines verbesserten Armstrong'schen, bekanntlich aus Obturator und
Hohlschraube zusammengesetzten Verschlusses mit einer
Liderung, welche durch fortgepflanzten Flüssigkeitsdruck beim Schusse zur
gasdichten Verbindung des Verschluß-Einsatzstückes mit den Seelenwänden des Rohres
gezwungen wird. Die Einzelheiten sind in folgender Weise angeordnet:
Der zur Aufnahme des Verschlußmechanismus bestimmte Rohrtheil hat von der linken
Seite einen bis in die Bohrung durchgehenden Einschnitt, welcher das mit einem
Handgriffe versehene Verschlußstück, dessen nähere Beschaffenheit weiter unten
angegeben werden soll, in sich aufnimmt. – In dem dahinter liegenden
Rohrtheile befindet sich ferner eine Hohlschraube, welche, bei vorher beseitigtem
Schlußstücke, das Einführen der Ladung in den zu ihrer Aufnahme bestimmten
Rohrtheil, vermittelst eines eigens dazu construirten Ladegerätes, gestattet und das
hiernach wieder eingesetzt werdende Verschlußstück dann durch Anziehen der Schraube
zum festen Anschlusse an die Rohrseelenwand bringt, indem dabei zugleich noch ein
entsprechend eingerichteter 1 1/2 Zoll langer Vorstand, welcher als halber
Hohlcylinder am vorderen Ende der hohlen Verschlußschraube befindlich ist, in eine
entsprechende Nuth des Obturators eingreift, wodurch dann auch das spätere
Wiederzurückziehen dieses Verschlußstückes nach dem Schusse ebenwohl anstandslos mit
Schraubengewalt bewirkt werden kann. Nahezu hermetisch wird der Abschluß des Rohres
gegen das Durchdringen von Pulvergas aber erst durch einen Kupferring gemacht,
welcher, das zum Einpressen in das Rohr bestimmte Verschlußstück mit Spielraum
umgebend und vorn conisch ausgefräßt, von einem im ausgehöhlten Verschlußstücke
liegenden, mit Quecksilber gefüllten Gummibeutel gewaltsam nach vorn gepreßt wird,
sobald durch die Explosion der Pulverladung der entsprechende Druck auf einen im
Kopfe des Verschlußstückes bündig vor- und zurückgehenden Stempel entsteht, welcher
dadurch dann diesen mit Quecksilber gefüllten Gummibeutel niederdrückt. Der
Vorwärtsbewegungs-Spielraum dieser Kupferliderung, bis sie an einen, den
Verschlußkolben zu ihrer Arretirung umgebenden Messingring anstößt, beträgt etwa 1/8
Zoll, und es soll dieselbe hinsichtlich ihrer Gasdichtheit, wie bereits oben durch
die Worte „nahezu hermetisch“ angedeutet wurde, beim Schießen
sehr günstige Resultate ergeben haben.
Das Zurückziehen des Verschlusses nach dem Schusse wird, wie oben schon erwähnt
worden ist, dann ohne jede Schwierigkeit vermittelst der durch Nuth und Feder mit
ihm in Verbindung gesetzten Verschluß-Hohlschraube bewirkt. Beim Einsetzen des
Verschlußstückes für den jedesmaligen folgenden Schuß, streift sich der die Liderung
des Verschlusses bildende Kupferring dann ganz von selbst wieder zurück, indem er
beim Anziehen der Verschluß-Hohlschraube an die Seelenwand des Rohres angepreßt und
so zurückgehalten wird, dabei zugleich auch das im Verschlußstücke enthaltene
Quecksilber zwingt, den im Verschlußkopfe befindlichen Stempel durch fortgepflanzten
Druck wieder genau bis zu derselben Stellung vorzutreiben die er vor dem Schusse
eingenommen hatte.
Angestellte Schießversuche haben ergeben, daß ein einfach aus Eisen etc. bestehendes,
massives Verschlußstück von entsprechenden Dimensionen auch bei scharfem Anziehen
der Schraube dem hier beschriebenen Quecksilber-Verschlußstück an Gasdichtheit
bedeutend nachsteht, und daß der Rücklauf des Geschützes bei Anwendung des letzteren
ebenwohl etwas ermäßigt wird, so daß dieser Verschluß-Mechanismus also zugleich auch zur Schonung der
Laffette beiträgt, welche letztere nach Lindner, –
wohl im Anschlusse an die bereits schon vielfach gemachten Proben mit
Schildzapfen-Buffern von vulcanisirtem Kautschuk etc., – ferner noch an ihren
Wangen und bei Rahmenlaffetten auch an dem Rahmen zur Milderung der Rückstoßwirkung
des Rohres mit Buffer-Apparaten versehen werden sollen, deren Inneres ebenwohl mit
einer Flüssigkeit von entsprechender Consistenz, Zuckersyrup etc. auszufüllen
ist.
Dy., Artillerie-Hauptmann.