Titel: | Ein Fehler bei der Ablieferung des Spiritus nach dem Rauminhalt; von Dr. C. Stammer. |
Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. LXXIV., S. 237 |
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LXXIV.
Ein Fehler bei der Ablieferung des Spiritus nach
dem Rauminhalt; von Dr. C.
Stammer.
Stammer, über Ablieferung des Spiritus nach dem
Rauminhalt.
Die Ablieferung des Spiritus geschieht bekanntlich in der Regel so, daß die auf
irgend eine Weise geaichten Fässer in der Brennerei spundvoll gefüllt werden, und daß von dem
durch die Aichung gegebenen Rauminhalt in Quarten diejenige Menge in Abzug gebracht
wird, welche bei der Ablieferung erforderlich ist, um das zumeist nicht mehr spundvolle Faß wieder ganz zu füllen. Diese Menge wird
dann von dem Aichungsraum als „Maaßmanco“ oder
„Auffüllung“ abgezogen und der Rest mit der ermittelten und
nach der Temperatur corrigirten Spiritusstärke – den Graden –
multiplicirt und so die bei der Berechnung des Preises zu Grunde liegende Zahl, die
Quartprocente, erlangt.
Wir sehen einstweilen von den Fehlern, welche die Aichung der Fässer und die
Einrichtung der Alkoholometer betreffen, ab, obwohl sie ebenfalls meist zum
Nachtheil des Producenten führen, und beschäftigen uns nur mit dem erwähnten Manco,
der am Orte der Ablieferung meist nothwendig werdenden Auffüllung.
Es bedingt diese nämlich in den gewöhnlicheren Fällen, d.h. allemal, wenn die
Ablieferung in die kältere Jahreszeit fällt und unterhalb der Normaltemperatur von
12 4/9 Gr. R. geschieht, eine zum Nachtheile des
Abliefernden und zu Gunsten des Käufers zu niedrige Berechnung der
gelieferten, wirklich vorhandenen Quartprocente.
Der Spiritus zieht sich bekanntlich beim Abkühlen zusammen und nimmt also bei allen
Temperaturen unter 12 4/9 Gr. ein geringeres Volumen ein, als er eigentlich für
diese Normalbeschaffenheit haben sollte. Er wird dabei natürlich zugleich specifisch
schwerer, und es ist eine allgemein verbreitete, aber ganz irrthümliche Ansicht, daß
die üblichen Reductionstabellen diesen Veränderungen vollkommen Rechnung tragen und
die richtige Berechnung auf den Normalzustand ermöglichen.
Die Tabellen reduciren vielmehr ganz allein die scheinbare Spiritusstärke auf die wirkliche und lassen das veränderte Volumen ganz
unberührt. Wenn der kälter und an Volumen geringer gewordene Spiritus dabei
gleichzeitig (scheinbar) stärker, gehaltreicher würde, so könnte eine derartige
gleichzeitige Ausgleichung, das heißt aber ohne die jetzige Reduction der Stärke,
allenfalls denkbar seyn, allein es erscheint der in seinem Volumen verringerte
Spiritus am Aräometer zugleich gehaltärmer, und es muß
sein wahrer Gehalt durchaus erst nach den Tabellen ermittelt werden.
Diese Tabellen sind nun so construirt, daß sie den Gehalt des Spiritus anzeigen,
welchen er nach dem Erwärmen (resp. bei höherer Temperatur nach dem Erkalten) auf 12
4/9 Gr. zeigen würde. Es gilt also dieser höhere Gehalt bei der niederen Temperatur zugleich von einem heißeren Volumen und nicht von dem bei derselben
abgelesenen.
Einige Zahlen werden dieß deutlicher machen.
Ein Faß enthält 500 Quart, es sey bei der Normaltemperatur spundvoll gefüllt und der
darin enthaltene Spiritus zeige 80 Proc.; das Faß ergibt, in diesem Zustande
abgeliefert, 80 . 500 = 40,000 Quartprocente.
Man lasse nun das Faß auf die Kellertemperatur, z.B. auf 7 Gr. R. abkühlen und öffne
es wieder. Man wird nun finden, daß es nicht mehr spundvoll ist, sondern daß zu
seiner Auffüllung 3 Quart erforderlich sind. Die scheinbare Stärke ist nunmehr 78,0
Proc., oder nach der Reduction auf die Normaltemperatur, wie dieß nicht anders seyn
kann, 80 Proc. In diesem Zustande abgeliefert, wird sich die Ablieferungsrechnung
stellen auf
500 Quart,
3 Quart Manco,
–––––––––––––––
497 Quart mal 80 Proc. = 39,760 Quartprocent
mit einem Minus zum Nachtheil des
Producenten von 240 Quartprocenten.
Denken wir uns dasselbe Faß Spiritus auf 0 Gr. abgekühlt, so wird sich sein Inhalt
auf 493 Quart zusammengezogen haben und zu seiner Auffüllung 7 Quart erfordern. Die
Stärke beträgt nunmehr scheinbar 75,3 Proc., oder in Folge der Reduction nach wie
vor 80 Proc. Die Ablieferungsrechnung stellt sich somit auf
500 Quart,
7 Quart Manco,
–––––––––––––––
493 Quart mal 80 Proc. = 39,440 Quartprocente,
mithin mit einem Minus zum Schaden des Producenten von 560
Quartprocenten oder 1,4 Proc. der wirklich gelieferten Menge.
Setzen wir endlich den Fall, daß der Spiritus bei – 7 Gr. abgeliefert werde,
was bei kalten Wintern, wie im dießjährigen, wohl häufig genug vorkommen dürfte, so
würden sich die 500 Quart auf 489 Quart zusammenziehen; die Stärke ist nunmehr 72,8
Proc., oder nach der Reduction 80 Proc. Die Rechnung ist dann folgende:
500 Quart,
11 Quart Manco,
–––––––––––––––
489 Quart mal 80 Proc. = 39,120 Quartprocente,
entsprechend einem Minus von 880 Quartprocenten, oder 2,2
Procent der wirklich gelieferten Menge.
Diese dem Producenten stets in Abzug gebrachten Quantitäten erhält aber der Abnehmer
ganz unzweifelhaft; denn Niemand wird bestreiten, daß die genannten verringerten
Spiritusvolumina beim Wiedererwärmen auf 12 4/9 Gr. R. wieder den ursprünglichen und
dieser Temperatur zukommenden Raum von 500 Quart einnehmen werden. Natürlich ist
hierbei von einer etwaigen Schwindung der Masse durch Verdunstung oder Undichtheit
abgesehen und nur die Raumveränderung durch Temperaturerniedrigung in Rechnung
gebracht, die immer und ohne Ausnahme bei den genannten
Wärmedifferenzen eintritt.
Man pflegt von Seiten der Käufer hiergegen einzuwenden, daß ja auch bei höherer
Temperatur die Sache sich umgekehrt verhalte und die Veränderung des Volumens dann
zum Nutzen des Lieferanten stattfinde. Dagegen sey nur erwiedert, daß die Fälle, wo
Brennereien ihren Spiritus mit einer Temperatur von über 12 4/9 Gr. R. zur
Ablieferung brächten, doch zu den allerseltensten zu rechnen seyn dürften, welche
gegen die Ablieferungen bei sehr niedriger Temperatur gar nicht in's Gewicht fallen,
und daß also von einer Ausgleichung des Irrthums in dieser
Weise nicht die Rede seyn kann.
Nehmen wir allein den Fall als den durchschnittlichen an, wo die Fässer bei einer
Kellertemperatur von 7 Gr. R. spundvoll gefüllt und bei dieser Temperatur auch
abgeliefert würden. Innerhalb der gewöhnlich zwischen Füllung und Ablieferung
verlaufenden Zeit findet eine nennenswerthe Verdunstung in dichten Fässern kaum
statt, und es werden also die Fässer auch – bei unverändert gebliebener Temperatur – voll bleiben.
Ein Maaßmanco wird also in diesem Mittelfall nicht in Abzug kommen und dem
Producenten die vollen 40,000 Quartprocente berechnet werden. Allein auch in diesem
Fall ist der Producent um 240 Quartprocente benachtheiligt. Denn wenn der Spiritus von 7 Gr. und scheinbar 78 Proc.
auf die Normaltemperatur erwärmt würde, so würde er bei derselben nicht nur die 80
Proc. zeigen, welche auch zur Rechnung gezogen werden, sondern er wurde sich
zugleich so weit ausdehnen, daß drei Quart 80procentiger
Spiritus aus dem vollen Fasse überlaufen müßten, die also
vorhanden waren und nicht in Rechnung gezogen wurden.
Denn es gelten ja die corrigirten Procente von dem Volumen, welches der Spiritus, auf
12 4/9 Gr. erwärmt, einnehmen würde, und nicht von dem, welches er bei der
abweichenden Temperatur hat, während irrthümlicherweise bei allen Rechnungen nur das
letztere berücksichtigt zu werden pflegt.
Wie kann nun einem solchen unrichtigen Verfahren vorgebeugt werden? Auf zweierlei Weise:
entweder durch Reduction des scheinbaren auf das wirkliche Volumen, oder durch
Ablieferung des Spiritus nach dem Gewicht und Berechnung desselben auf Volumen.
Die erstere Weise fügt einfach der bisherigen ganz einseitigen Correction der Stärke
auch die nicht minder richtige, ja nothwendige Ergänzung der Correction des Volumens
hinzu und kann mit Hülfe der Tabelle V „zur Bestimmung des wahren Volumens
geistiger Flüssigkeiten von verschiedener Stärke bei verschiedenen
Wärmegraden“ in der kürzlich erschienenen dritten Auflage der Alkoholometer-Tabellen von Brix sehr leicht geschehen. Es wird nämlich, nachdem die wahre
Spiritusstärke gefunden und die Temperatur des Spiritus in den
Fässern ermittelt worden ist, das vorhandene Volumen (Aichung minus Auffüllung) mit der in genannter Tabelle für diese
beiden Fälle aufgestellten Zahl multiplicirt und so das
wirklich in Berechnung zu ziehende Volumen leicht und genau gefunden, ohne daß
Käufer oder Verkäufer trotzdem dabei zu Schaden kommen könnten.
Indessen dürfte ein solches Verfahren, so rationell es ist, nicht leicht allgemeinere
Aufnahme erlangen, weil dabei zweimalige Correction und eine Multiplication mit
einer Zahl mit 4 Decimalstellen vorkommt, auch leicht Unsicherheiten und mithin
Differenzen entstehen können.
Viel einfacher und in jeder Weise zu empfehlen ist die Ablieferung nach dem Gewicht.
Man hat dann nur die Stärke wie gewöhnlich zu bestimmen und das Nettogewicht der beliebig vollen Fässer zu ermitteln und
dieses Nettogewicht nach Tabelle VII obiger Tabellensammlung auf den usancemäßig zur
Berechnung nothwendigen Quartinhalt zu reduciren, um stets das Richtige zu finden.
Eine Aichung der Fässer ist dann nicht mehr nothwendig,
und die wenig veränderliche Tara kann leicht und je nach Bedürfniß controlirt
werden.
Nach dieser Weise würde man finden, daß unser Faß von 500 Quart bei der
Normaltemperatur 987 Pfund netto wöge, entsprechend nach
jener Tabelle 500 Quart; ebenso würde das Faß – da ja nichts verloren gieng
– bei allen übrigen Temperaturen von + 7 Gr., 0 Gr. und – 7 Gr.
ebenfalls 987 Pfund wiegen, und mithin, da die Stärke sich stets auf 80 Proc.
ergibt, in allen Fällen nach Tabelle VII 500 Quart, mithin 40,000 Quartprocente zur
Berechnung geben.
Es wäre leicht, diese Angabe durch eine Menge Zahlen aus der täglichen Praxis zu
belegen, doch werden auch diese wenigen Winke hinreichen, um auf das Fehlerhafte des
heutigen Verfahrens aufmerksam zu machen und vielleicht dem rationelleren die Bahn
zu brechen. (Schlesische landwirthschaftliche Zeitung vom 9. März 1865.)