Titel: | Ueber den Einfluß metallener Wasserleitungsröhren auf die Beschaffenheit des Trinkwassers; von Dr. Max Pettenkofer. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. LXIX., S. 284 |
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LXIX.
Ueber den Einfluß metallener Wasserleitungsröhren
auf die Beschaffenheit des Trinkwassers; von Dr. Max Pettenkofer.
Aus dem bayerischen Kunst- und Gewerbeblatt, 1864
S. 682.
Pettenkofer, über den Einfluß metallener Wasserleitungen auf das
Trinkwasser.
Die Einwirkung des Wassers auf Metalle ist abhängig von der Natur des Metalles
gegenüber den festen und flüchtigen Bestandtheilen des Wassers. Was die Natur der
Metalle anlangt, so hat man hier wesentlich zwischen Metallen zu unterscheiden,
welche sich unter Zersetzung des Wassers auf Kosten des in ihm gebundenen
Sauerstoffes oxydiren, und zwischen solchen, welche nur bei Gegenwart von freiem
(atmosphärischem) Sauerstoff oder auf Kosten des Sauerstoffs gewisser Säuren oxydirt
werden. Von den im vorliegenden Falle in Frage kommenden Metallen gehören Eisen und
Zink zu der ersten, Blei, Zinn und Kupfer zur zweiten Classe.
Die wasserzersetzenden Metalle unterscheiden sich wieder in solche, welche den
Sauerstoff vom Wasserstoff bei gewöhnlicher Temperatur entweder nur bei Gegenwart von Säuren,
oder auch bei Abwesenheit derselben und bei Gegenwart von Alkalien zu trennen
vermögen.
In die erste Unterabtheilung gehört das Eisen, in die zweite das Zink. Das Zink ist
aus diesem Grunde für Wasserleitungen unbrauchbar, weil es fast unter allen
Umständen angegriffen wird.
Die Metalle der zweiten Classe (Blei, Zinn und Kupfer) unterscheiden sich durch die
Zeitdauer, in welcher sie durch atmosphärischen Sauerstoff unter gleichen Umständen,
bei Gegenwart von Wasser oxydirt werden, und sie reihen sich in dieser Beziehung in
der Folge aneinander, in der sie aufgeführt sind. Insofern sich die Oxyde im Wasser,
beim Genusse gelöster und suspendirter Theilchen in den Flüssigkeiten des Darmes
lösen, kommt auch noch ihre physiologische Wirkung in Betracht. Verbindungen von
Blei haben eine größere schädliche Wirkung, als gleiche Mengen von Kupfer; schwächer
als beide wirken die von Zinn. Kupfer und Zinn werden ihres hohen Preises wegen
nicht angewendet. Es bleibt daher von der ersten Classe nur das Eisen und von der
zweiten nur das Blei zu betrachten. Was nun die Bestandtheile eines normalen
Trinkwassers anlangt, so kommt in Bezug auf die Leitungen aus Eisen und Blei
wesentlich in Betracht, ob dasselbe freie Kohlensäure und freien Sauerstoff enthält.
Eiserne Leitungen können vom Wasser in dem Maaße angegriffen werden, als dieses
freie Kohlensäure und Sauerstoff enthält. – Trinkwässer aus der Kalkformation
(z.B. in München) enthalten in der Regel keine freie Kohlensäure, sondern nur
doppelt-kohlensaure alkalische Erden. In diesem Zustande wirkt die Kohlensäure nicht
oxydirend auf das Eisen durch Wasserzersetzen und es kann das Rosten nur auf Kosten
des im Wasser absorbirten Sauerstoffs stattfinden. Bei Quellwasser wird dieses
Rosten noch viel geringer seyn, als bei Fluß- oder Regenwasser, weil frisches
Quellwasser in der Regel keinen oder nur Spuren von Sauerstoff absorbirt enthält.
Dieß ist auch der Grund, weßhalb in reinem Quellwasser weder Fische noch andere
Thiere leben, es mangelt der für den thierischen Stoffwechsel unentbehrliche
Sauerstoff. Erst wenn solches Quellwasser längere Zeit mit der atmosphärischen Luft
in Berührung ist, kann es so viel Sauerstoff absorbiren, daß ein Thier darin leben
kann. Im Durchschnitt darf man daher für Quellwasserleitungen in Eisen- namentlich
in Gußeisenröhren keine merkliche Auflösung vom Metall im Wasser befürchten, und
würde auch eine geringe Vermehrung des Eisengehaltes, den ohnehin fast jedes
Quellwasser zeigt, keine für die Gesundheit nachtheilige Folgen haben. Insoferne
sich auf der Oberfläche des Eisens eine Kruste von Eisenoxydhydrat bildet, erschwert
diese Schichte den Zutritt des im Wasser befindlichen Sauerstoffgases zum Metall.
Hieraus erklärt sich
die schon manchmal beobachtete Thatsache, daß Wasser aus neuen eisernen Röhren
anfangs mehr Eisen führte als später. Hierin mag auch der Vortheil liegen, den es
nach Angabe mancher Praktiker hat, wenn man die eisernen Leitungsröhren zuvor in
dünne Kalkmilch legt, und die an der Luft in kohlensauren Kalk übergehende Kruste
trocknen läßt.
Der Gehalt des Wassers an Salzen hat nur auf das Rosten des Eisens einen merklichen
Einfluß, wenn die Luft Zutritt hat oder Verdunstung stattfindet. Da bedingt
namentlich ein Gehalt von Chlormetallen ein schnelles Rosten, während ein Gehalt an
kohlensauren Alkalien dasselbe sehr verlangsamt, wenn auch nicht ganz
verhindert.
Das Blei oxydirt sich nur auf Kosten des im Wasser absorbirten Sauerstoffes. Das Blei
ist deßhalb zur Aufbewahrung von Wasser bei Luftzutritt verwerflich, weil, nachdem
das Wasser seinen absorbirten Sauerstoff an das Blei abgegeben hat, stets neuer
Sauerstoff zu demselben tritt, und dadurch neuerdings Blei oxydirt wird. Regenwasser
und der Luft ausgesetztes destillirtes Wasser greifen, ihrem großen Sauerstoffgehalt
entsprechend, das Blei am meisten an. Harte Wässer, welche kohlensauren Kalk und
Kohlensäure gelöst enthalten, greifen dasselbe nicht merkbar an, – jedenfalls
in keinem der Gesundheit nachtheiligen Grade. Man hat deßhalb niemals von der
Anwendung des Bleies zu Wasserleitungen für die Gesundheit nachtheilige Folgen
gesehen, wenn das Wasser nicht mit Luft in Berührung in den Röhren stagnirte. Auch
die neuesten Untersuchungen des General Board of Health
in London haben keine Anhaltspunkte geliefert, das Blei für kleine Zweigleitungen
des filtrirten Themsewassers in die Häuser zu beanstanden.
Bei den Bleileitungen ist auch schon die Frage aufgeworfen worden, ob nicht darin
eine Gefahr liege, daß sie stellenweise mit Zinn zusammengelöthet werden, wodurch
eine galvanische Wirkung zu Stande komme, in deren Folge sich die Metalle leichter
oxydiren und die Auflösung beschleunigt wird. Hiervon ist aus dem Grunde keine
Gefahr für die Gesundheit zu befürchten, weil sich das Zinn unter dem Einflusse des
Galvanismus als elektropositiveres Metall früher als das Blei auflösen würde, mithin
letzteres gerade dadurch vor der Auflösung geschützt wäre. So geringe Mengen Zinn,
wie sie dadurch in das Trinkwasser kommen, sind von keiner hygienischen Bedeutung,
indem wir aus Zinngeschirren und aus verzinnten Eß- und Trinkgeschirren größere
Mengen Zinn, ohne daß unsere Gesundheit den geringsten Nachtheil verspürte,
beziehen. In allen diesen Fällen ist es gut, neben den qualitativen auch stets die
quantitativen Verhältnisse zu berücksichtigen; nur auf diese Art vermag man sich gegen überflüssig
strenge Forderungen zu sichern. Wenn man die Abnützung einer Bleiröhre durch ein
durchgehendes Quantum Trinkwasser quantitativ bestimmen würde, so könnte sich nur
eine so verschwindend kleine Menge ergeben, daß sie bedeutungslos erscheinen müßte,
ebenso wie es die Milliontel Theile Arsenik sind, die man in größeren Mengen der
ockerigen Absätze mancher Quellen noch nachweisen kann. Das Münchener Trinkwasser
hat sich im Laufe mehrerer Jahrzehnten nicht durch das Material der Leitungsröhren,
sondern durch die Infiltration des Bodens, welcher die Quellen und Brunnen umgibt,
merklich geändert.