Titel: | Erwiederung auf Dr. G. Feichtinger's Aufsatz: über Winkler's Theorie der Erhärtung der Portland-Cemente. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. LI., S. 208 |
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LI.
Erwiederung auf Dr. G. Feichtinger's Aufsatz: über Winkler's Theorie der
Erhärtung der Portland-Cemente.
Winkler, über die Theorie der Erhärtung der
Portland-Cemente.
Hr. Dr. G. Feichtinger erklärt
in seinem Aufsatz im. 2. Decemberheft 1864 dieses Journals (Bd. CLXXIV S. 437), die
von mir im Jahr 1856Die Abhandlung Feichtinger's ist im J. 1858
erschienen; meine erste erschien im J. 1856, also nicht „beinahe
zu gleicher“ Zeit, wie Feichtinger
schreibt. zum erstenmal ausgesprochene und durch neue Versuche 1858 und 1859 weiter
begründete Ansicht über die chemische Konstitution des frischen und erhärteten
Portland-Cements für „irrig.“ Er behauptet: „daß auch
im Portland-Cement Silicate (was für Silicate?) oder freie Kieselsäure enthalten
sind; daß ferner in den Portland-Cementen auch freier Kalk vorhanden ist und
seyn muß, und daß die Erhärtung der Portland-Cemente auf demselben chemischen
Processe beruht wie die der anderen von Winkler als
Roman-Cemente bezeichneten,“ nämlich auf der Verbindung von freiem
Kalk mit freier Kieselsäure. Ich muß nun diese Ansicht Feichtinger's für irrig erklären.
Meine Ansicht ist, daß Portland-Cemente basische Silicate sind, welche während des Erhärtens Kalk
an das Wasser abgeben. Der Erhärtungsproceß ist ein doppelter: ein physikalischer,
als er das Verkitten der getrennten Pulvertheilchen zu einer zusammenhängenden Masse
begreift; ein chemischer, als er die chemische Reaction begreift, durch welche die
Molecüle, welche die Pulvertheilchen bilden, vorübergehend
beweglich werden, wodurch allein die Möglichkeit der Verkittung der
getrennten Pulvertheilchen gegeben ist.
Feichtinger stützt seine Ansicht auf zwei Versuche:
Einwirkung von Kohlensäure auf in Wasser suspendirtes Portland-Cement und Einwirkung
einer concentrirten Lösung von kohlensaurem Ammoniak auf Portland-Cement. In beiden
Fällen erhärtet das so behandelte Cement nur auf Zusatz von Kalkydrat. Aus diesen
Versuchen schließt Feichtinger auf die Anwesenheit freier Kieselsäure im frischen
Portland-Cement, während es auf der Hand liegt, daß die freie Kieselsäure in dem so erhaltenen Gemenge erst durch Zerlegung der Silicate des frischen Cements durch die Kohlensäure, resp. das kohlensaure Ammoniak,
entstanden ist. Denn in Wasser suspendirtes Cement erleidet durch Kohlensäure ein
ungleiche chemische Veränderung, da es als fester
Körper angegriffen wird. Die mechanisch feinsten Theilchen werden schon völlig zerlegt seyn, wenn die
gröberen erst an der Oberfläche angegriffen sind. Denn daß Kohlensäure die
Kalksilicate völlig zerlegt, ist längst bekannt. Das Resultat der Feichtinger'schen Versuche ist also ein Gemenge, welches
besteht aus: 1) kohlensaurem Kalk und neutralen Silicaten, 2) unverändertem Cement
im Innern der gröberen Stückchen, 3) sauren Silicaten und freier Kieselerde und
Thonerde. Letztere sind, so weit sie sich nicht zu unlöslicher kieselsaurer Thonerde
verbinden, durch Natronlauge ausziehbar. Daß die noch unveränderten Cementstückchen
nicht mehr erhärten, verhindert der zwischenliegende Schlamm und ihre grobe
mechanische Beschaffenheit, sowie die ihre Oberfläche bildenden neutralen und sauren
Silicate. Daß aber dieses Gemenge auf Zusatz von Kalkhydrat erhärtet, bewirken die durch die Kohlensäure erst ausgeschiedenen unter 3)
genannten Körper.
Diese Versuche beweisen also nichts gegen meine Ansicht vom Erhärtungsproceß der
Portland-Cemente, sondern stimmen ganz gut damit überein, und wenn Feichtinger aus ihnen den Schluß zieht, daß frisches Cement freie
Kieselsäure enthält, so ist dieser Schluß ganz irrig.
Ich will jetzt noch kurz die Versuche anführen, auf welche ich meine Ansicht
gegründet habe. Es wird dann Jedem leicht seyn zu entscheiden, ob Portland-Cement
freie Kieselsäure enthalten kann.
1) Portland-Cement mit viel Wasser wiederholt digerirt, gibt noch nach Monaten Kalk
an das Wasser ab (polytechn. Journal Bd. CXLII S. 117). Ich nehme an, daß dieses
Verhalten auf erst schneller, dann langsamer fortschreitender Zerlegung der
basischen Silicate durch das Wasser beruht. Ein Umhülltseyn des freien Kalkes von gesintertem Thon, wie Feichtinger (polytechn. Journal Bd. CLII S. 58 u. 59)
annimmt, und daraus resultirendes Verzögern der Lösung des Kalkes ist deßwegen nicht
anzunehmen, weil ein Nebeneinanderexistiren von schmelzendem Thon und freiem Kalk
ohne gegenseitige Verbindung der Erfahrung widerspricht. Ich nehme demgemäß an, daß
sich erst leicht schmelzbare neutrale Silicate bilden, welche beim Schmelzen durch
Aufnahme von mehr Kalk in sehr schwer schmelzbare basische Verbindungen übergehen.
Die basischen Silicate dürfen nicht geschmolzen werden. Ebenso muß ich die Annahme
Feichtinger's für irrig erklären, daß ein für sich leicht schmelzbarer Thon besonders geeignet zur
Darstellung von Portland-Cement sey; denn in der Cement-Mischung wird jeder Thon
leicht schmelzbar, da er auf's Innigste mit Kalk gemengt wird, und Kalk ja das
gewöhnlichste Flußmittel für Thon ist.
2) Hydraulischer Kalk von Strehlen bei Dresden, in kochendem Wasser vollständig
gelöscht und bei stärkster Weißgluth wieder gebrannt, gibt eine im Aussehen und
Verhalten zu Wasser einem kalkreichen Portland-Cement gleiche Masse (polytechn.
Journal Bd. CXLIX S. 263). Während des Löschens im kochenden Wasser müßte sich alle
freie Kieselsäure mit Kalk verbunden haben, und da diese Verbindung in einer
Mischung, welche insgesammt 5 Aeq. Kalk auf nur 1 Aeq. Kieselsäure und etwa 1/2 Aeq.
Thonerde und Eisenoxyd enthält, durch das Brennen jedenfalls nicht zerlegt wird, so
hätte das Product nicht in Wasser erhärten können, wenn das Erhärten auf einer
Verbindung von Kalk mit Kieselsäure beruhte.
3) Frisches wie erhärtetes Portland-Cement löst sich in alkoholischer Salzsäure vollständig. Auch die Kieselsäure wird gelöst und bleibt gelöst. Das Gleiche findet statt bei allen auf trockenem Wege dargestellten, in verdünnten Säuren
löslichen Silicaten. Kieselsaurer Kalk, aus Wasserglas- und Kalklösung dargestellt,
gibt mit alkoholischer Salzsäure ungelöste Kieselsäure
als schleimigen Rückstand. Das Gleiche findet statt bei
allen auf nassem Wege
dargestellten Silicaten (polytechn. Journal Bd. CLIV S. 57). Dieser qualitative Unterschied zwischen erhärtetem
Portland-Cement und einem auf nassem Wege entstandenen Kalksilicat spricht durchaus
gegen die Gültigkeit der Theorie des Hrn. von Fuchs für
den Erhärtungsproceß des Portland-Cements. Da mir die Abhandlung des Hrn. v. Fuchs jetzt nicht zu Gebote steht, so kann ich nicht
entscheiden ob er überhaupt Portland-Cement zu seinen
Versuchen verwandt hat.
Dieß sind die Versuche, auf welche meine Ansicht über den Erhärtungsproceß des
Portland-Cements basirt ist. Ich halte sie eben für genügende Beweise. Aus 3) geht
überdieß hervor, daß auch die Silicate des erhärteten Portland-Cements von auf
nassem Wege entstandenem Kalksilicat verschieden sind.
Schließlich noch eine kurze Erläuterung über die Function des chemischen Processes
überhaupt bei einem sogenannten Erhärtungsproceß. Der gebrannte gemahlene Gyps
besteht aus Pulvertheilchen, von denen jedes aus einer unbestimmten Anzahl Molecüle
von der chemischen Zusammensetzung n (CaO, SO³ +
HO) besteht. Während des Erhärtens des Gypsbreies verwandeln sich diese Molecüle in
n (CaO, SO³ + 2HO). Hätten während dieser
chemischen Umwandlung die Molecüle ihre gegenseitige Lage
innerhalb der Pulvertheilchen unverändert beibehalten, so hätten die Pulvertheilchen nach der chemischen Reaction ebenso lose nebeneinander liegen müssen als vor
derselben. Da dieß
nicht der Fall ist, da sich die Pulvertheilchen gleichsam verkittet zeigen, so
müssen die Molecüle derselben sich umgelagert haben, also vorübergehend beweglich
gewesen seyn. Dieses vorübergehende Beweglichmachen der
Molecüle halte ich für die Function des chemischen
Processes.
August Winkler.