Titel: | J. Mannhardt's neue Uhr mit freiem Pendel. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. XLIV., S. 181 |
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XLIV.
J. Mannhardt's neue
Uhr mit freiem Pendel.
Aus der Wochenschrift des nieder-österreichischen
Gewerbevereins, 1865, Nr. 2.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Mannhardt's neue Uhr mit freiem Pendel.
Diese neueste Erfindung des bewährten Thurmuhren- und Maschinenfabrikanten J. Mannhardt in München ist gewiß bestimmt, in der höheren
Uhrmacherkunst Epoche zu machen, hat aber nichts desto weniger bei Fachmännern
mehrfach Zweifeln begegnet aus dem Grunde, weil bis jetzt nur immer unvollständige
Berichte und Nachrichten darüber in die Oeffentlichkeit gelangt sind. Ich werde, um
solchen irrigen Ansichten zu begegnen, nach einigen einleitenden Bemerkungen eine
genaue Beschreibung der neuen Uhr folgen lassen.
Hrn. Mannhardt's außergewöhnliche Erfindungsgabe zeigte
sich bei allen den vielen von ihm gelieferten Uhren und Hülfsmaschinen, und ich habe
mich durch Augenschein überzeugt, daß, nachdem er die Thurmuhren überhaupt auf jene
Stufe gehoben, daß sie mit Recht Anspruch machen können auf den Namen einer nach
wissenschaftlichen Principien ausgeführten. Maschine, dennoch jede von der anderen
in etwas verschieden ist, d.h. wieder eine neue Erfindung oder Verbesserung in ihrem
Mechanismus zeigt. Seine Thurmuhren erreichen aber auch einen gleichmäßigen Gang,
der dem astronomischer Pendeluhren nahe kommt.
Daß Mannhardt's Uhren gut und dabei billig sind, dürfte
schon daraus hervorgehen, daß er seit der Leipziger Ausstellung im Jahre 1850, wo
sie zum erstenmal öffentlich im Vergleiche mit anderen gezeigt wurden, Aufträge auf
Thurmuhren aus beinahe allen Ländern erhielt. Er lieferte seit dieser Zeit seine
Fabricate nach allen deutschen Staaten, darunter nach Oesterreich 58 Stück, dann
nach England (9 St.), Griechenland (5 St.), Holland, Italien, Rußland (10 St.),
Schweiz (12 St.), sogar nach Afrika (2 St.), Amerika (9 St.) und den westindischen
Inseln (2 St.), kurz zusammen bis jetzt 182 Stück Thurmuhren nach dem Auslande, was wohl beweisen
dürfte, daß sich seine Fabricate einen mehr als europäischen Ruf erworben haben.
Jedoch alle diese Uhren waren, obwohl in jeder Beziehung gut und sinnreich
construirt, mit Steigrad und gleitender Reibung am Anker während der Schwingungen
des Pendels, welches also niemals frei schwingen konnte, und da diese Reibungen
eines Schmieröles bedürfen, so veränderte sich das Hinderniß der Reibung immer mit
der Veränderung des Schmiermaterials. Diese Veränderungen nun wirken sehr
nachtheilig auf die Gleichförmigkeit der Schwingungsdauer des Pendels und somit auf
den gleichförmigen Gang der Uhr.
Der Conservator der Münchener königlichen Sternwarte, Hr. Dr. Lamont, hat genaue Versuche mit Pendeln
angestellt und gefunden, daß ein Pendel, welches frei
genau eine Schwingungsdauer von einer Secunde hat, sobald es mit einem Uhrwerke in
Verbindung gebracht wird, täglich um 3,8 Secunden zurückbleibt; bei Veränderung, d.
i. Verdickung des Schmieröles, steigt die Differenz auf das Drei- und Vierfache.
Seit dem Jahre 1649, zu welcher Zeit Vincenz Galilei, der
Sohn des berühmten Galilei, zum erstenmale das Pendel als
Regulator bei Uhren anwandte, bemühten sich viele Gelehrte und alle tüchtigen
Uhrmacher, diese Hindernisse zu beseitigen, und es wurden eine Menge sinnreicher
Erfindungen und wirklicher Verbesserungen gemacht und ausgeführt, welche die
erwähnten Uebelstände wohl auf ein immer kleineres Maaß zurückführten, ohne sie
jedoch heben zu können.
Erst nach in 214 Jahren angestellten unzähligen Versuchen sollte es gelingen, das
Problem zu lösen, und Hr. Mannhardt hat es gelöst durch
seine freie Hemmung mit wirklich gleichmäßiger Kraft, welche im Folgenden nach den
beigegebenen Abbildungen – Fig. 7 der Vorderansicht
und Fig. 8 der
Seitenansicht der Uhr – näher beschrieben werden soll:
Das Räderwerk der Uhr besteht aus einem einfachen Laufwerke, d. i. einem Bodenrade
a, einem Laufrade b und
dem Windfange c.
Das Gewicht des Laufwerkes ist ganz ohne Einfluß auf den Antrieb, welchen das
freischwingende Pendel jede Minute erhält. Durch diesen Antrieb wird der
Kraftverlust, welchen das Pendel während der verflossenen Minute erlitten, genau
wieder ersetzt, so daß das Pendel immer gleich große, durch nichts gehemmte
Schwingungen macht. Die geniale Art und Weise, wie das Pendel diesen Antrieb jede
Minute erhält und wie das Laufwerk eben so oft ausgelöst wird, soll nun gezeigt
werden.
Am Pendel A, welches in zwei Federn hängt, ist nahe
seinem Aufhängepunkte ein kleines Sperrrädchen e
angebracht, welches sich leicht und ohne Oel zu bedürfen in seinen feinen Zapfen
dreht; dieses Rädchen hat eben so viele Zähne, als das Pendel in einer Minute
Doppelschwingungen vollendet.
Es ist nun leicht einzusehen, daß dieses Rädchen bei jeder Schwingung des Pendels A von rechts nach links von dem an dem festen Ständer
B angebrachten, aus Elfenbein gefertigten Sperrkegel
i um einen Zahn vorgeschoben wird. An der Achse des
erwähnten Sperrrädchens sitzt ein Hebelarm f, welcher
bei jeder Umdrehung des Rädchens, also jede Minute einmal, an das Auslösungsstück
l, m, n stößt, wodurch das Laufwerk frei wird und
der Windfang c eine Umdrehung vollenden kann. Nach
vollendeter Umdrehung wird das Laufwerk an dem auf der Achse des Windfanges
sitzenden Arme g, h durch den Haken des
Auslösungsstückes l, m, n bei n wieder angehalten.
Nun trägt aber die Achse des Windfanges eine excentrische Scheibe k, welche die Rolle p sanft
auf die Ruhefläche der zweimal gebrochenen Hebebahn s, s
legt, von wo sie auf die schiefe Ebene gelangt und durch ihre sich natürlich immer
gleichbleibende Schwere auf das Pendel den nöthigen Druck ausübt, um ihm den
erlittenen Kraftverlust zu ersetzen. Alles dieß geschieht ohne Reibung und ohne
Stoß, was bisher noch bei keiner Hemmung erreicht war.
Der Excenter k hebt nun bei der Vollendung seiner
Umdrehung die Impulsrolle wieder in die Höhe und das Pendel schwingt ganz frei
während der nächsten Minute, um am Ende derselben wieder den ganz gleichen sanften
Antrieb zu erhalten und so fort.
Es erübrigt nun noch zu erwähnen, wie Hr. Mannhardt bei
den Zapfen des Sperrädchens und bei den Impulsrollen die Anwendung jedes
Schmiermittels unnöthig macht, und auf welche Weise das erwähnte Rädchen während der
Rückbewegung des Pendels in seiner durch den Kegel jedesmal erreichten Stellung
stehen bleibt. Die auf das Beste polirten Zäpfchen des Sperrrades laufen in Büchsen
aus mit Graphitmehl imprägnirtem Holze; ebenso sind die Impulsrollen ausgebüchst,
wodurch jedes Anreiben eines veränderlichen Schmiermittels glücklich beseitigt
ist.
Das Rädchen ist aus Rothmetall und der dasselbe schiebende Kegel, wie schon erwähnt,
aus Elfenbein. Das Rädchen ist bis nahe an seine Zähne ausgedreht und es drückt
vermittelst eines kleinen Gewichtes eine mit feinstem Leder überzogene Bremse sanft
und beständig gleich an die Wand der Ausdrehung, wodurch es in der ihm von dem
Sperrkegel angewiesenen
Stellung stehen bleibt, bis es von Neuem vorgeschoben wird.
Neu ist auch die von Mannhardt bei diesen Uhren
angewendete Windfangbremse. Es werden nämlich zwei Filzscheiben zwischen
rothmetallenen Scheiben durch eine Spiralfeder gepreßt. Eine dieser Filzscheiben ist
fest an der Achse des Windfanges, die andere am Windfange selbst. Bei dem
plötzlichen Anhalten des Laufwerkes wird sich also der Windfang, der im Schwunge
ist, vermöge seiner Trägheit noch ein Stück fortbewegen, d.h. auf der bereits
feststehenden Achse drehen, und so ist der für die Zapfen desselben sehr
nachtheilige Stoß vermieden, der ohne eine Bremse unvermeidlich stattfinden
würde.
Heinrich Fischer.