Titel: | Ueber die Bildung von Kohlensäure aus Braunkohlen beim Lagern an der Luft; von Dr. F. Varrentrapp. |
Autor: | Franz Varrentrapp [GND] |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. XXXVII., S. 156 |
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XXXVII.
Ueber die Bildung von Kohlensäure aus Braunkohlen
beim Lagern an der Luft; von Dr. F. Varrentrapp.
Varrentrapp, über die Bildung von Kohlensäure aus Braunkohlen beim
Lagern an der Luft.
Grundmann hat in der Zeitschrift für das Berg-, Hütten-
und Salinenwesen im preußischen Staate Band IX. B. und
Band X. B. sehr ausführliche Versuche über das
Verwittern der Steinkohlen beim Liegen in Haufen an der freien Luft und über die
dadurch eintretenden Verluste mitgetheilt. Er gelangt zu dem Resultate, daß während
das specifische Gewicht der Kohlen unverändert geblieben, der Gehalt an
hygroskopischem Wasser etwas zugenommen und der Aschengehalt bei neunmonatlicher
Verwitterung sich bedeutend erhöht hat, indem ein Gewichtsverlust an Kohlenstoff von
58 Procent als Maximum sich herausstellte. Es wurden viel gasförmige Producte
gebildet, der Kohlenstoffgehalt nahm stärker als der Wasserstoffgehalt ab.
Stückkohle verwitterte weniger als Kleinkohle. Erhöhung der Temperatur und
atmosphärische Niederschläge begünstigten die Verwitterung.
Diese Angaben mußten überraschen wegen der enormen Quantität Kohlenstoff, der beim
Liegen der Kohlen im Freien sich verzehren sollte. Die Größe dieses Verlustes war
nur indirect bestimmt worden, indem der Aschengehalt sehr sorgfältig gemischter
Durchschnittsproben der frisch geförderten und ebenso von 9 Monate gelagerten Kohlen
bestimmt und auf den in beiden Proben gefundenen Kohlenstoffgehalt bezogen wurde. Es
war denkbar, daß in diesem Verfahren ein Fehler liegen konnte. Ich glaubte daher
einen controlirenden Versuch anstellen zu sollen, der, wenn er gelang, keinen
Zweifel mehr lassen konnte, daß die Steinkohlen, Braunkohlen u.s.w. beim Liegen an
der freien Luft wirklich bedeutende Mengen von Kohlenstoff in Gasform verlieren, langsam verbrennen. Die großen Consumenten von Kohlen
sind freilich darin einig, daß man bedeutenden Verlust durch das Lagern der Kohlen
erleidet; die Kohlenbergwerksbesitzer weisen dagegen von Zeit zu Zeit nach, daß die
Kohlen nur abtrockneten, daß ihr Heizwerth nicht abnahm, und selbst Grundmann, der den enormen Kohlenstoffverlust quantitativ
nachgewiesen, der gefunden hat, daß seine Kohlen nicht abgetrocknet, sondern
feuchter geworden, behauptet dennoch der Brennwerth vermindere sich unbedeutend,
weil die verwitterten Kohlen leichter vom Heizer zu behandeln seyen! Daß die
Kohlenbergwerksbesitzer es gerne sehen, wenn die großen Consumenten große
Kohlenhaufen in Vorrath anfahren, ist ihnen nicht zu verdenken und wenn zu dem
Zwecke, die Furcht vor Verlust durch Lagerung zu beschwichtigen, Kohlenhändler
bekannt machen, daß sie Kohlen verkaufen, welche durch den Einfluß der Luft nicht
schlechter werden, so kann man sich darüber nicht wundern. Man muß sich aber
aufgefordert fühlen, die Frage definitiv zu entscheiden. Ich glaube, daß mir dieß in
der Art gelungen, daß kein Zweifel mehr zulässig ist.
Ich schloß nämlich 1 Pfund frisch aus der Grube entnommene und zu erbsengroßen
Stücken zerbrochene Braunkohlen von der Grube „Prinz Wilhelm“
des braunschweigischen Kohlenlagers in eine Flasche ein, und leitete feuchte
kohlensäurefreie Luft bei verschiedenen Temperaturen durch dieselben und dann durch
Barytwasser.
Es zeigte sich, daß bei gewöhnlicher Temperatur sich zwar sofort Kohlensäure bildete,
jedoch in sehr geringer Menge. Vom 15. Mai an wurden täglich circa 2 Kubikfuß feuchte, von Kohlensäure befreite Luft, während die
Kohlen auf einer Temperatur von 35°–40° C. erhalten wurden,
durch dieselben geleitet, bis zum 12. Juni also während 28 × 24 Stunden. Der
erzeugte kohlensaure Baryt betrug fast genau 6 Grm. Derselbe Versuch wurde unter
ganz gleichen Umständen mit derselben Kohlenpartie fortgesetzt; nach 44 Tagen hatten
sich wieder fast genau 6 Grm. kohlensaurer Baryt gebildet. Jetzt wurde der Versuch
bei der Lufttemperatur von circa 15° C. 42 Tage
fortgesetzt; es bildeten sich nur 1 1/2 Grm. kohlensaurer Baryt während dieser
Zeit.
Nun wurde der Versuch 9 Tage lang bei 80–85° C. im Gang erhalten und
täglich circa 1 1/2 Kubikfuß Luft durch die Kohlen
geleitet. Es bildeten sich in dieser kurzen Zeit 7,9 Grm. kohlensaurer Baryt.
Hierauf wurde die Flasche, worin sich die Kohlen befanden, im Oelbad 6 Stunden lang
auf 110° C. und 6 Stunden auf 120° C. erhitzt; es destillirte fast
alle Feuchtigkeit über, aber die Kohlensäurebildung war in diesen 12 Stunden
sichtlich beträchtlicher als während 6 Wochen bei 40° C. Die Kohlen wurden
mit ausgekochtem Wasser stark befeuchtet, über Nacht stehen gelassen und an den
beiden folgenden Tagen, dem ersten während 8 Stunden auf 125° C., dem zweiten
ebensolang auf 135° C. erhitzt. Es hatten sich während dieser kurzen Zeit von
28 Stunden 21,3 Grm. kohlensaurer Baryt gebildet. Darauf wurden die Kohlen während 4
Stunden auf 140° erhitzt; es bildeten sich während dieser Zeit 4,4 Grm.
kohlensaurer Baryt. Mit aufgekochtem destillirtem Wasser vollständig übergossen,
blieben die Kohlen zwei Tage stehen, dann wurde das Wasser ablaufen gelassen und das
Oelbad erhitzt; nach zwei Stunden war die Temperatur auf 140° C. in den
Kohlen gestiegen und wurde 4 Stunden so erhalten. Es bildeten sich während dieser
Zeit 4,5 Grm.
kohlensaurer Baryt, während circa 1 Kubikfuß Luft
durchgeleitet worden war.
Drei folgende Tage wurde jedesmal 8 Stunden lang die Temperatur auf 140° C.
gebracht; es bildeten sich während dieser Zeit 24 Grm. kohlensaurer Baryt.
Die Kohlen wurden wieder unter Wasser gestellt und an dem folgenden Tag erhitzt. Nach
3 Stunden stieg die Temperatur in den Kohlen auf 140° C. und wurde wieder an
drei Tagen je acht Stunden lang auf 150° C. erhalten; es hatten sich 29,2
Grm. kohlensaurer Baryt während dieser Zeit gebildet. Dabei war per Stunde circa 1/6 Kubikfuß Luft durch die Kohlen
geführt worden.
Während 6 Tagen wurde hierauf die Temperatur jeden Tag während 14–16 Stunden
auf 150° C. erhalten und circa 3 Kubikfuß Luft
durchgeleitet; es entstanden in dieser Zeit 103 Grm. kohlensaurer Baryt. Rechnet man
hierzu die bei anderen Temperaturen erzeugten 105 Grm., so waren im Ganzen 208 Grm.
kohlensaurer Baryt, entsprechend 12 1/2 Gram. oxydirter Kohle gebildet. 256 Grm.
trockene Kohle à 64 Proc. Kohlenstoff enthalten
164 Grm. Kohlenstoff; davon betragen 12 1/2 Grm. circa 7
1/2 Procent. Hätte man den Proceß bei 150° C. etwa 3 Monate fortdauern
lassen, so hätte nach obigem Verhältniß der ganze Kohlenstoff in Kohlensäure
verwandelt seyn können.
Dieß soll nur zeigen, daß unter bestimmten Voraussetzungen die Oxydation des
Kohlenstoffes sehr rasch und sehr weit gehen kann, wenn Kohlen in Massen aufgehäuft
sich erhitzen und daß dazu nur eine Temperatur, die von der Entzündungstemperatur
noch sehr weit abliegt, erforderlich ist. Eine solche findet man aber in Haufen
vieler Kohlensorten gar nicht selten.
Ich bin mit Versuchen über die Oxydation von Steinkohlen, Torf, Ackererde, Leinöl und
reinem Kohlenstoff unter ähnlichen und abgeänderten Bedingungen beschäftigt und
werde darüber später berichten; für den Augenblick kam es mir nur darauf an, auf
eine unzweifelhafte Art zu zeigen, daß unter bestimmten Verhältnissen die Kohlen in
der That wohl die Hälfte ihres Kohlenstoffes in neun Monaten durch Oxydation ohne
Entzündung einbüßen können.
Braunschweig, 6. Januar 1865.