Titel: | Ueber das Verhalten des Chlorsilbers, Bromsilbers und Jodsilbers im Licht und die Theorie der Photographie; von Dr. Hermann Vogel in Berlin. |
Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. LXXV., S. 302 |
Download: | XML |
LXXV.
Ueber das Verhalten des Chlorsilbers, Bromsilbers
und Jodsilbers im Licht und die Theorie der Photographie; von Dr. Hermann Vogel in
Berlin.
Vogel, über das Verhalten des Chlor-, Brom-, und
Jodsilbers im Licht und die Theorie der Photographie.
Der Verfasser macht in seiner bezüglichen Abhandlung in Poggendorff's Annalen der Physik Bd.
CXIX S. 1 etc. zunächst auf die Verbesserungen aufmerksam, welche die
photographischen Manipulationen seit einer Reihe von Jahren erlitten haben, so daß
die photographischen Bilder in einem hohen Grade von Vollendung hervorgebracht
werden und die Photographie der Wissenschaft schon wesentliche Dienste leisten
konnte. Dabei ist aber die Theorie der Photographie auf einem Standpunkte stehen
geblieben, welcher noch manche photographische Details unerklärt läßt. Um die der
Photographie zu Grunde liegenden Fundamentalerscheinungen festzustellen, hat
Verfasser seit 3 Jahren theils Experimente früherer Experimentatoren wiederholt,
theils selbstständige neue Versuchsreihen ausgeführt und übergibt nun den ersten
Theil seiner Untersuchungen dem wissenschaftlichen Publicum. Der photographische
Proceß läßt sich hiernach auf folgende Weise beschreiben und erklären: Der
Photograph überzieht eine Glastafel mit einer dünnen Haut von Collodium, die mit
Jod- und Bromsalzen getränkt ist. Diese Tafel wird hierauf sensibilisirt,
d.h. in eine neutrale oder angesäuerte Lösung von 1 Theil salpetersaurem Silberoxyd
in 10 Theilen Wasser getaucht und nach kurzer Zeit (etwa 2 Minuten) wieder
herausgezogen. Die Collodiumhaut auf der Glastafel ist dann mit Jod- und
Bromsilber und freier Höllensteinlösung imprägnirt; die Glastafel mit Collodiumhaut
wird nun in der Camera obscura einige Zeit belichtet (exponirt), sie
zeigt nachher keine Spur eines Bildes; dieses erscheint erst, wenn sie im dunklen
Zimmer mit einer sauren Eisenvitriollösung übergossen wird. Der Eisenvitriol mischt
sich mit der Silberlösung in der Collodiumhaut und bewirkt einen Niederschlag von
körnig pulverigem Silber, der sich an den belichteten Stellen der Jodsilberschicht
anlegt und dadurch das Bild sichtbar macht. Das so sichtbar gemachte negative Bild
besteht demnach aus einer Menge Silberkörnchen, wie eine Bleistiftzeichnung aus
einer Menge einzelner Graphitkörnchen besteht. Es wird nach dem Abwaschen mit einer
sauren Lösung von Pyrogallussäure und salpetersaurem Silberoxyd übergossen, wodurch
sich abermals ein pulveriger Silberniederschlag bildet, der sich an dem bereits
vorhandenen Bilde anlegt und dasselbe schwärzer macht (Verstärkungsproceß). Das so
erhaltene Bild wird gewaschen und dann mit unterschwefligsaurem Natron fixirt,
hierauf nochmals gewaschen.
Um hieraus ein positives Bild herzustellen, wird mit Kochsalzauflösung getränktes und
mit Eiweiß oder Arrow-root überzogenes Papier auf Höllensteinlösung schwimmen
gelassen, dann getrocknet und das so mit Chlorsilber und salpetersaurem Silberoxyd
imprägnirte Papier mit dem gefirnißten Negativ bedeckt dem Lichte ausgesetzt. Das
Licht scheint durch die hellen Stellen des Negativs mehr als durch die dunklen
Stellen und copirt jene braun, diese bleiben weiß. Waschen, Eintauchen in dünne
Goldsolution, abermaliges Waschen, Fixiren mit unterschwelfligsaurem Natron sind die
darauf folgenden Operationen.
Die theils schon in dieser Beschreibung enthaltenen, theils noch nicht mitgetheilten
Resultate von Vogel's Arbeit sind nun:
1) Beim Belichten von reinem Chlor- und Bromsilber entsteht Subchlorür und
Chlor, Subbromür und Brom; reines Jodsilber erleidet, wenn es durch Fällung mit
überschüssiger Silberlösung dargestellt worden war, eine geringe Färbung im Lichte,
nie aber konnte dabei eine Zersetzung dieses Salzes nachgewiesen werden.
Die Einwirkung des Lichtes auf Chlorsilber (Jod- und Bromsilber wurden bisher
selten zu Belichtungsversuchen benutzt) erklärte man früher auf Grund von wohl
unzureichenden Versuchen auf die mannichfaltigste Weise: Einige meinten, die
Farbenveränderung finde ohne chemische Zersetzung statt, Andere glaubten, das
Silberchlorid zerfiele hierbei in Metall und Chlor, noch Andere, es zersetze sich in
Subchlorür und Chlor, außerdem war die Meinung sehr verbreitet, trocknes Chlorsilber
zersetze sich gar nicht im Lichte. Vogel stellte sich nun
die drei in Rede stehenden Haloidsalze des Silbers mit der größten Sorgfalt dar und
bewahrte ihr trocknes
Pulver im Dunklen auf. Als er Glasröhrchen mit den Silbersalzen gefüllt in
Sonnenlicht oder diffuses Tageslicht stellte, trat bald bei Chlorsilber violette,
bei Bromsilber graue Färbung unter Ausscheidung von respective Chlor oder Brom ein.
Bei Jodsilber trat keine Färbung ein, wenn es aus überschüssiger Jodkaliumlösung
gefällt worden war, wohl aber, wenn man es aus überschüssiger Silberlösung gefällt
hatte; in keinem Falle aber war eine Ausscheidung von Jod nachweisbar.
Da dem Monate lang dem Sonnenlichte exponirt gewesenen Chlor- oder Bromsilber
durch Kochen mit Salpetersäure keine Spur von Silber zu entziehen war, so schloß Vogel, daß sich bei der Belichtung nur Chlor und
Subchlorür, Brom und Subbromür gebildet haben könne. Dieser Schluß konnte durch den
Umstand nicht im geringsten gefährdet werden, daß exponirtes Chlor- oder
Bromsilber nach der Behandlung mit Ammoniak einen ganz aus Silber bestehenden oder
metallisches Silber beigemischt enthaltenden Rückstand liefert, denn Vogel zeigte, daß auf anderem Wege dargestelltes
Subbromür und Subchlorür des Silbers durch Ammoniak in metallisches Silber und sich
lösendes Bromür und Chlor zerlegt werden.
2) Die trocknen und mit Wasser befeuchteten Haloidsalze des Silbers verhalten sich
gegen das Licht gleich. Säuren verzögern die Lichtwirkung, manche Substanzen
verhindern sie ganz, wenn die Silbersalze in ihnen suspendirt sind, entweder indem
sie mit den Silbersalzen lichtbeständige Verbindungen bilden, oder die chemisch
wirksamen Strahlen absorbiren etc.
3) Aus einer reinen Lösung von salpetersaurem Silberoxyd wird durch das Licht Silber
ausgeschieden. Ob damit die Ansicht von Schnauß, Hardwich
u.a. umgestoßen wird, daß Höllensteinlösung nur vom Lichte zersetzt wird, wenn ihr
organische Substanzen beigemengt sind, läßt sich bezweifeln, denn Vogel hat nicht angegeben, ob er mit der größten Sorgfalt
wirklich die geringste Spur organischer Beimengungen von der Silberlösung
ausgeschlossen hatte. Die Theorie der Photographie ist jedoch von diesem eben
mitgetheilten Resultate Vogel's ganz unabhängig, da beim
Belichtungsproceß das salpetersaure Silberoxyd stets mit organischer Materie in
Berührung ist.
4) Lösung von salpetersaurem Silberoxyd in Berührung mit den Haloidsalzen des Silbers
befördert deren Zersetzung in der Weise, daß sogar Jodsilber zerlegt wird; hierbei
liefern die Haloidsalze Subverbindungen, und die Höllensteinlösung metallisches
Silber.
5) Die von Schnauß, Hardwich, Monckhoven, Davanne u.a.
gemachten Angaben, daß die reinen Haloidverbindungen des Silbers durch reine
Pyrogallussäure oder Eisenvitriollösung nicht entwickelt werden, fand Vogel bei seinen Versuchen bestätigt; er fand aber auch,
daß die drei Haloidsalze des Silbers durch die Belichtung die Fähigkeit erlangen, in
statu nascente sich ausscheidendes körniges Silber
anzuziehen und festzuhalten, wie dieß die oben angegebenen Experimentatoren bereits
früher angegeben hatten. Vogel fand zum Entwickeln eine
Flüssigkeit aus Pyrogallussäure und Höllensteinlösung bestehend, nicht geeignet, da
sich körniges Silber aus ihr so rasch absetzt, daß auch die unbelichteten Partien
eines Silberhaloids damit überzogen wurden, war aber bei den genannten Substanzen
von vorn herein Citronensäure dabei, so erfolgte der Silberniederschlag ganz
allmählich und setzte sich bei kurzer Einwirkung der Entwickelungsflüssigkeit nur an
die belichteten Stellen an. Am besten wirkte die Entwickelungsflüssigkeit auf
belichtetes Jodsilber, weniger gut auf belichtetes Bromsilber, und am schlechtesten
auf belichtetes Chlorsilber. Hierbei ist auffällig, daß exponirtes Silberhaloidsalz
um so begieriger körnigen Silberniederschlag an sich zieht, je weniger
Farbenveränderung es an und für sich bei der Belichtung erleidet.
6) Wie schon früher Claudet beim Daguerre'schen Proceß dem Lichte a) eine
zersetzende Wirkung auf die Jod- oder Bromsilberfläche, b) demselben die Wirkung zuschrieb, daß es der
empfindlichen Fläche die Fähigkeit ertheile, Quecksilberdämpfe zu condensiren, so
schreibt auch Vogel dem Lichte die Wirkung zu a) die Haloidsalze des Silbers zu färben und zu
zersetzen (photochemische Wirkung), b) diesen
Haloidsalzen die Fähigkeit zu ertheilen, einen körnigen Silberniederschlag an sich
zu ziehen (photographische Wirkung). Das Jodsilber ist photochemisch am wenigsten
empfindlich, aber photographisch am empfindlichsten. Sind die Haloidsalze des
Silbers während der Exposition mit Flüssigkeiten in Berührung, so wird, wenn auch
dieselben gleich nach der Belichtung abgespült werden, entweder eine größere oder
geringere photographische Empfindlichkeit beobachtet, als wenn die Haloidsalze des
Silbers im reinen Zustande exponirt gewesen wären. Durch Lösung von salpetersaurem
Silberoxyd wird die photographische Empfindlichkeit gesteigert, durch Säuren oder
Jodkaliumlösung verringert. Vogel fand ferner die für die
Theorie der Photographie wichtige Thatsache durch directe Versuche, daß eine
Mischung von Brom- und Jodsilber photographisch empfindlicher ist, als reines
Jodsilber.
7) Es ist schon früher von Moser beobachtet worden, daß,
wenn man eine jodirte Platte kurze Zeit in der Camera
obscura belichtet und dann Quecksilberdämpfen aussetzt, sich die
Quecksilberdämpfe mehr an den belichteten Stellen niederschlagen; exponirt man aber
längere Zeit in der Camera obscura, so erhält man später ein negatives Bild,
weil sich die Dämpfe mehr an den unbelichteten Stellen condensiren. Bei der
Photographie auf Collodium hatte man schon ähnliche Wahrnehmungen gemacht. Vogel beobachtete nun, als er mit reinen
Silberhaloidsalzen durchdrungenes Papier verschieden lange exponirte, daß bis zu
einer gewissen kleinen mit zunehmender Lichtintensität abnehmenden Zeit der
Exposition die Färbung bei der Entwickelung zunimmt; bei längerer Expositionszeit
nimmt dann diese Fähigkeit, körnigen Silberniederschlag anzuziehen, wieder ab. Die
photographische Empfindlichkeit erreicht demnach bei einer gewissen kleinen
Expositionszeit ihr Maximum, und nimmt mit Vergrößerung der Belichtungszeit wieder
ab.