Titel: | Ueber Auffindung von Pikrotoxin in Bier etc.; von J. W. Langley. |
Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. LX., S. 236 |
Download: | XML |
LX.
Ueber Auffindung von Pikrotoxin in Bier etc.; von
J. W.
Langley.
Aus der Chemical News durch das Journal für praktische Chemie
Bd. XC S. 333.
Langley, über Auffindung von Pikrotoxin in Bier etc.
Das in den Samen von Menispermum Cocculus (Kokelskörnern)
enthaltene Pikrotoxin ist außerordentlich giftig und besitzt schon in geringen Dosen
deutlich giftige Eigenschaften. Aus diesem Grunde und
ferner weil der Zusatz von Kokelskörnern zu gährender Maische den Brauer in den
Stand setzt, eine große Quantität Hopfen, die er sonst gebrauchen müßte, zu
entbehren, wurden dieselben in großer Menge zur Verfälschung von Bier und Ale
verwandt, so daß in England der Erlaß eines Gesetzes gegen Verwendung von
Kokelskörnern zu diesem Zweck nöthig wurde. Während Eigenschaften und
Zusammensetzung des Pikrotoxins seit lange gekannt, ist bis jetzt doch kein
Verfahren bekannt gewesen, nach dem es sicher und genau hätte entdeckt werden
können;Man vergleiche Schmidt's bezügliches Verfahren im
polytechn. Journal Bd. CLXVII S.
146. die einzige bisher zu seiner Entdeckung angewandte Methode war die Prüfung
seiner Krystalle unter dem Mikroskop. Wenn man das Pikrotoxin, wie man es nach den
gewöhnlichen Angaben für seine Darstellung erhält, einer Prüfung unterwirft, so
findet man, daß es das Aussehen und viele Eigenschaften der Alkaloide besitzt, unter
die es auch eingereiht zu werden pflegt; aber es unterscheidet sich von denselben in
dem wesentlichen Punkte, daß es sich nicht mit Säuren verbindet; es zeigt im
Gegentheil eine entschiedene Verwandtschaft Zu Basen und verhält sich in vielen
Beziehungen wie eine schwache Säure. Ferner unterscheidet es sich von den Alkaloiden
auch darin, daß es nicht durch Aether aus alkalischer wässeriger Lösung aufgenommen
wird, während dieß bekanntlich mit den organischen Basen geschieht, wenn ein Salz
derselben durch Kali zersetzt worden ist; damit der Aether das Pikrotoxin aufnimmt,
muß die Lösung nothwendigerweise entweder neutral oder
sauer seyn.
Pikrotoxin ist in 150 Theilen kalten Wassers löslich; bei Gegenwart von ein wenig
caustischem Alkali aber löst es sich leicht in dem 6- bis 8fachen seines
Volumens. Wird diese Lösung mäßig erhitzt, so wird sie gelb, und auf Platinblech
nimmt sie bei einer noch weit unter dem Glühen liegenden Temperatur eine ziegelrothe Farbe an,
die sehr deutlich und ganz verschieden von dem Farbenton ist, den Zucker unter
ähnlichen Bedingungen hervorbringt. Pikrotoxin besitzt, wie Zucker und viele andere
organische Körper, die Eigenschaft, gewisse Metalloxyde zu reduciren. Es ertheilt,
nach Gmelin, einer Auflösung von zweisachchromsaurem Kali
eine schöne grüne Farbe; eine alkalische Lösung von Pikrotoxin reducirt, nach Otto, schwefelsaures Kupferoxyd zu Oxydul. Diese letztere
Eigenschaft hat es indessen mit zu viel anderen Substanzen gemein, als daß sie
specifisch seyn sollte. Eine weit verläßlichere Probe beruht dagegen auf seiner
Oxydation.
Reibt man trockenes Pikrotoxin mit Kalisalpeter zusammen und fügt einen Tropfen
Schwefelsäure hinzu, so findet keine wahrnehmbare Veränderung statt; gießt man aber
alsdann eine starke Kali – oder Natronlösung hinzu, so theilt sich der
Mischung eine glänzende röthlichgelbe Farbe mit, und zwar nimmt sehr bald die ganze
Flüssigkeit den nämlichen Farbenton an. In dieser Weise können die geringsten Spuren
von Pikrotoxin, z.B. 1/5000 Grm., wenn es rein ist, sehr leicht entdeckt werden.
Wendet man nur eine so geringe Quantität, wie die erwähnte, an, so sieht man die
Farbe sehr deutlich, indem man den festen Kuchen von schwefelsaurem Kali, der auf
dem Grunde des Uhrglases oder Schälchens, worin man den Versuch anstellt, liegt,
etwas zerreibt; Theile des Niederschlages werden alsdann purpurfarben
erscheinen.
Bei Anwendung dieser Probe ist es am besten, ungefähr drei bis viermal so viel
Salpeter zuzufügen, als die zu prüfende Substanz beträgt, und nicht mehr
Schwefelsäure zu gebrauchen, als nöthig ist, um die Masse zu befeuchten. Die Lösung
von Kali oder Natron ist sehr concentrirt zu nehmen und so viel zuzufügen, daß nach
Absättigung der Schwefelsäure ziemliche Alkalescenz stattfindet.
Andere kräftige Oxydationsmittel bewirken dasselbe Resultat, aber nicht mit gleicher
Leichtigkeit. Leitet man Chlorgas über die angefeuchteten Krystalle, so lösen sie
sich langsam auf, und gießt man alsdann die alkalische Lösung hinzu, so erhält man
die nämliche Farbe; auch kann man chlorsaures Kali statt des salpetersauren
anwenden; was sich jedoch der Anwendung des chlorsauren Kalis entgegenstellt, ist
die Neigung desselben, zu explodiren, wenn es mit der Säure in Berührung kommt.
Die zum Vorschein tretende Farbe ist jedoch nicht beständig, sondern verschwindet
allmählich mit einer Schnelligkeit, die proportional der angewandten Substanz ist;
aber falls irgend Pikrotoxin gegenwärtig ist, erscheint sie immer mit großer
Deutlichkeit, wenn man die Lösung des Alkalis zusetzt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die
Erzeugung dieser Farbe von einer Spur eines stickstoffhaltigen Körpers herrührt,
welcher hartnäckig dem Pikrotoxin anhängt, da durch die Analyse Spuren von
Stickstoff entdeckt werden können; aber dieser Körper widersteht durchaus kräftig
allen Versuchen, ihn abzuscheiden, denn selbst nach wiederholtem Umkrystallisiren
hält das Pikrotoxin noch einen geringen Theil davon zurück. Vollkommen frei von
Stickstoff kann dasselbe nur durch Auflösen in Kali und Fällen mit Säuren erhalten
werden. So dargestellt sind seine Eigenschaften dieselben wie vorher, mit Ausnahme
der Purpurfarbe, welche durch Oxydation und darauf folgende Behandlung mit Alkalien
entsteht.
Dem Verfasser ist gegenwärtig keine Substanz bekannt, welche unter den erwähnten
Bedingungen diesen Farbenton gibt. Zwei gibt es indessen, die der Flüssigkeit eine
braungelbe Farbe mittheilen, und, wenn als Verunreinigung gegenwärtig, die
Deutlichkeit der Reaction stören würden: nämlich Zucker
und Strychnin. Wegen des ersteren hätte man keine
Unbequemlichkeit zu besorgen, da Zucker bei dem gewöhnlichen zur Isolirung der
Alkaloide angewandten Verfahren vollkommen abgeschieden wird; von dem Strychnin wird
das Pikrotoxin sehr vollständig getrennt, wenn man eine saure Lösung der beiden
Körper mit Aether behandelt, wobei das Strychnin als Salz in Wasser gelöst bleibt,
der Aether dagegen alles oder nahe alles Pikrotoxin aufnimmt. Zum Beweise dieses
wurde folgender Versuch angestellt. Ein Quart gewöhnlichen Ale's wurde in 2 gleiche
Theile getheilt; zum einen wurde 0,045 Grm. Pikrotoxin und ein wenig Strychnin
gefügt, der andere unverändert gelassen, beide wurden mit Salzsäure angesäuert und
mit Aether geschüttelt; die ätherischen Lösungen lieferten beim Verdunsten im ersten
Falle kleine mikroskopische Krystalle von Pikrotoxin mit ein wenig Extractivstoff
vermischt und vollkommen frei von Strychnin, im zweiten Falle Extractivstoff allein.
Hierauf wurde die Probe mit Schwefelsäure und salpetersaurem Kali angewandt; im
ersteren Fall wurde die rothbraune Farbe erzeugt, im zweiten fand keine Aenderung
statt. Um Gewißheit zu erlangen, ob geringe Quantitäten von Pikrotoxin mit
Leichtigkeit entdeckt werden können, wurde 1/30 Grm. in einer Pinte Ale gelöst und
wie oben behandelt; der ätherische Extract lieferte einen ausgezeichneten Beweis von
der Anwesenheit des Giftes.
In einem anderen Falle wurde der Magen einer mit Pikrotoxin vergifteten Katze seiner
Contenta entleert, so daß nur das von den Häuten des Magens absorbirte Pikrotoxin
ausgezogen werden konnte. Er wurde mit Alkohol behandelt und die Lösung zur Trockne
verdunstet. Angesäuertes
Wasser, auf den Rückstand gegossen, löste das Pikrotoxin und ein wenig organische
Substanz auf; als die Lösung nun mit Aether behandelt und die ätherische Lösung
verdunstet wurde, erhielt man kleine Krystalle von Pikrotoxin, welche bei ihrer
Prüfung die charakteristische rothe Farbe erzeugten. Eine Quantität animalischer
Substanz, die frei von Gift war und ebenso behandelt wurde, gab keine
Farbenveränderung.
Bei Untersuchung einer Flüssigkeit auf Pikrotoxin sollte sie zuerst angesäuert,
alsdann mit Aether geschüttelt und der Verdunstungsrückstand unter dem Mikroskop auf
kleine prismatische Krystalle geprüft werden; fügt man in der Kälte einige Tropfen
Schwefelsäure hinzu, die mit ihrem gleichen Volumen Wasser verdünnt ist, so werden
sich etwa vorhandene Älkaloide auflösen, dagegen wird vom Pikrotoxin nur so
viel in Lösung gehen, als dem vorhandenen Wasser entspricht (1 Theil Pikrotoxin auf
150 Theile Wasser). Wenige Tropfen einer alkalischen Flüssigkeit werden die
Krystalle auflösen, und wendet man alsdann Wärme an, so wird die Flüssigkeit zuerst
gelb und bei stärkerem Erhitzen ziegelroth. Eine kleine Quantität auf einem Uhrglas
mit salpetersaurem Kali und Schwefelsäure behandelt, gibt eine Lösung, die, durch
Kali- oder Natronlösung alkalisch gemacht, Hellroth wird.