Titel: | Ueber Tomlisson's Verfahren zur Erkennung der Reinheit von Oelen; von Dr. Wilhelm Hallwachs in Darmstadt. |
Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. LIX., S. 232 |
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LIX.
Ueber Tomlisson's Verfahren zur Erkennung der Reinheit von
Oelen; von Dr. Wilhelm
Hallwachs in Darmstadt.
Aus dem Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen, 1864
S. 273.
Hallwachs, über Tomlisson's Verfahren zur Erkennung der Reinheit
von Oelen.
In der Sitzung der pharmaceutischen Gesellschaft in London vom 3. Februar 1864 hat
Tomlisson, nachdem er sich über die Unzulänglichkeit
der bis jetzt gebräuchlichen Methoden zur Untersuchung des Ricinusöls auf eine
Verfälschung mit anderen Oelen ausgesprochen, ein neues, auf physikalischen
Verhältnissen beruhendes Verfahren mitgetheilt. Läßt man einen Tropfen Oel auf
Wasser fallen, so sucht die Adhäsionskraft jenes als sehr dünnes Häutchen auf der ganzen Oberfläche
des Wassers zu verbreiten; die Cohäsionskraft widersetzt sich diesem Bestreben, und
in Folge des Gegeneinanderwirkens der beiden Kräfte entstehen verschiedene Figuren,
von welchen Tomlisson glaubt, daß sie für jede
eigenthümliche Oelart bestimmt verschieden seyen.
Zu den Versuchen müssen, wenn auch nicht destillirtes, doch möglichst reines Wasser
und sehr reine Gefäße angewendet werden. Einfaches Auswaschen und Abtrocknen der
Gläser genügt nicht; es ist nothwendig, dieselben zuerst mit concentrirter
Schwefelsäure, dann mit Wasser, darauf mit Natronlauge und wiederum mit Wasser
auszuspülen, worauf das Innere des Glases mit einem Handtuch nicht mehr in Berührung
kommen darf. Ein conisches Glas von 10 Centimeter Durchmesser eignet sich zu dieser
Art von Versuchen sehr gut. Man füllt es mit Wasser von 15 bis 16° Cels.
Mittelst eines, in gleicher Weise wie das Versuchsglas gereinigten Glasstabes läßt
man aus einer Höhe von 2–3 Millimeter einen einzigen Tropfen des fraglichen
Oels auf das Wasser fallen. Bei sehr flüchtigen Flüssigkeiten kann man in dem Maaße
als die entstehende Figur verschwindet, nach und nach mehrere Tropfen auffallen
lassen, ebenso bei Kreosot, dessen Figur indessen nach dem vierten Tropfen nicht
mehr erscheint, weil das Wasser alsdann damit gesättigt ist.
Die mit fetten Oelen erhaltenen Figuren sind ziemlich beständig, mehrere unter ihnen
bleiben einige Stunden unverändert. Dieß ist mit der ausgezeichnet schönen Figur,
welche das Ricinusöl hervorbringt, der Fall. Sobald der
Tropfen aufgefallen ist, verbreitet er sich in Form schön irisirender concentrischer
Kreise auf dem Wasser; um den äußersten Kreis zeigt sich eine silberglänzende Zone,
welche sich bald in eine äußerst feine und zierliche spitzenartige Figur zertheilt.
Die Erscheinung bleibt mehrere Stunden unverändert und nur manchmal verliert sich
das Ganze und es bildet sich eine farblose Scheibe.
Beinahe jedes Oel bewirkt eine verschiedene, für sich eigenthümliche Figurenbildung
und ein Gemisch verschiedener bringt eine Figur hervor, welche die
charakteristischen Verschiedenheiten der den einzelnen Oelen zukommenden Zeichnungen
wiedergibt. So ergibt z.B. ein Gemisch von Ricinusöl mit
Spiköl ein spitzenartiges, mit vielen kleinen Flecken
durchsetztes Dessin. Crotonöl erzeugt eine schöne Figur
mit breiten Dessins und es soll einem geübten Auge leicht möglich seyn, einen Zusatz
von 5 Procent desselben zu Ricinusöl zu erkennen.
Terpenthinöl bildet sofort auf dem Wasser ein die Wände
des Glases erreichendes Häutchen, dessen äußerster Rand mit zahlreichen kleinen
Erhöhungen durchsäet ist, welche in der Richtung nach dem Centrum breiter sind und irisirende
Körnchen oder Plättchen einschließen; später ordnet sich das Ganze in ein Netz, von
nebeneinander liegenden Kreischen gebildet. Die Figur des Copaivabalsams besteht aus von dem Centrum ausgehenden Kreisen, von
schöner Farbe und Metallglanz. Ein Gemenge von Ricinusöl
und Copaivabalsam erkennt man sofort durch die Figur,
welche weder Färbung noch Rand-Dessin zeigt.
Da wir bis jetzt zur Unterscheidung der einzelnen Oele zuverlässige Mittel nicht
kennen und bezüglich der Erkennung verschiedener Oele in Gemischen die größten
Schwierigkeiten obwalten, so hielt ich es für geboten, die vorstehenden Tomlisson'schen Angaben einer Controle zu unterwerfen, um
festzustellen, ob dieselben wirklich ein Mittel bieten könnten, die Reinheit von
Oelen zu prüfen oder ihre Verfälschungen zu erkennen.
Die Form der Gefäße, deren man sich zu den Versuchen bedient, ist ziemlich
gleichgültig, nur sind die Figurenbildungen in größeren Gefäßen entschieden viel
schöner und besser zu beobachten. Ich habe Glasschalen und Glasnäpfe von 10 bis 26
Centimeter Weite angewendet. Dieselben wurden genau nach der von Tomlisson angegebenen Weise gereinigt; eine bei häufiger
Wiederholung der Versuche höchst lästige Arbeit. Sie ist indessen wenigstens so weit
unumgänglich nöthig, als keine Spur von Fett auf der Oberfläche des Wassers sich
befinden darf, wenn die Figurenbildungen eintreten sollen. Ist das Glas einmal rein,
so genügt daher nach Beendigung eines Versuches meist ein sorgfältiges Behandeln mit
Natronlauge und nachfolgendes Ausspülen mit viel Wasser. Nachdem ich mich überzeugt
hatte, daß die auf destillirtem Wasser erzeugten Oelfiguren sich von denen auf
Brunnenwasser hervorgebrachten durchaus nicht unterschieden, bediente ich mich nur
des letzteren zu den Versuchen. Die gereinigten Gläser wurden mit Wasser gefüllt,
welches durch Eis auf 15° C. gebracht wurde. Ich zähle jetzt die bei den
verschiedenen Proben gemachten Wahrnehmungen der Reihe nach auf.
Ricinusöl: Es bildet sich die von Tomlisson zwar richtig, aber etwas allzu herrlich beschriebene Figur,
welche indessen bald verschwindet und unregelmäßige Dessins zurückläßt. Copaivabalsam: Schön irisirende, sich rasch fortdrängende
und gewissermaßen sich windende Kreise, die schnell verschwinden. Crotonöl: Die Kreise gehen rasch vorüber und es bilden
sich breite einzelne Lappen. Terpentinöl: Wie Tomlisson beschrieben. Mohnöl:
Rasch entstehende schön irisirende Kreise, von welchen der äußere sich bald
unregelmäßig einzackt. Olivenöl: Eigenthümlich
schillernde Kreise, welche sich bald mit kreisrunden Flecken durchsetzen und
auszacken. Mandelöl (süßes): Irisirende Kreise mit kleinen Pünktchen
durchsetzt, welche nach der Peripherie der Figur hin sich zu größeren Zirkeln und
leichten Dessins umändern. Die Figur dieses Oels ist der des Ricinusöls nicht
unähnlich. Leinöl: Irisirende Kreise, welche sofort
verschwinden, um eine farblose Scheibe zu hinterlassen. Steinöl: Farblose Scheibe; die ganze Peripherie wie mit kleinen Knöpfchen
besetzt.
Dieß sind die Oelfiguren, die ich vor der Hand beobachtet habe, und welche sich eben
besser selbst beobachten als beschreiben lassen. Tomlisson's Angaben sind somit nach einer Richtung hin bestätigt. Es kann
wirklich gelingen, Oele nach dieser Methode zu erkennen und von einander zu
unterscheiden, wenigstens diejenigen, deren Figuren bestimmt von einander
unterschieden sind, wie z.B. die des Ricinusöls,
Copaivabalsams, Steinüls u.s.f.
Was nun die Erkennung von Verfälschungen der Oele betrifft, so habe ich bis jetzt nur
die Angabe Tomlisson's bezüglich eines Gemenges von Ricinusöl mit Crotonöl
geprüft. Wenn ich auch in der mittelst des Gemenges entstehenden Figur, die
charakteristischen Formen der Ricinusölfigur vereinigt mit denen der Crotonölfigur
nicht wieder erkennen konnte, so ist dieselbe doch ganz bestimmt von den Figuren der
beiden Oele für sich verschieden. Ich werde diese Versuche fortsetzen und zur
gelegenen Zeit Mittheilungen darüber machen.
Bezüglich der leichten Anwendung der vorstehenden Methode in der Praxis habe ich ein
endgültiges Urtheil mit noch nicht gebildet, dazu gehören weitausgreifende Versuche
über die Ursachen der häufig vorkommenden Störungen der Erscheinungen; so viel ist
indessen gewiß, daß bei der Vergleichung der Figur eines reinen Ricinusöls z.B. mit
der eines zu untersuchenden, unbekannten, dem Ricinusöl vielleicht ähnlichen Oels,
auf das Entschiedenste festgestellt wird, ob das fragliche Oel wirklich Ricinusöl
ist. Ebenso verhält es sich mit den anderen Oelen.
Ich habe noch beizufügen, daß ich abweichend von Tomlisson
niemals eine lange Dauer der gebildeten Figuren beobachtete. Ich halte es nicht für
unmöglich, daß die so hohe Lufttemperatur, welche jetzt herrscht und sämmtliche Oele
dünnflüssiger macht, wie auch die abgekühlten Wässer rasch erwärmt, dieß
verursacht.
Schließlich will ich noch für diejenigen, welche ähnliche Versuche anstellen wollen,
bemerken, daß es nothwendig ist, die Wasseroberfläche in den Gläsern erst völlig
ruhig werden zu lassen, ehe man das Oel auffallen läßt, wenn man nicht eine
gänzliche Verzerrung der Figur veranlassen will.