Titel: | Ueber die Kohlung des Eisens durch Contact oder Cementirung; von Fr. Margueritte. |
Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. LVIII., S. 226 |
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LVIII.
Ueber die Kohlung des Eisens durch Contact oder
Cementirung; von Fr.
Margueritte.
Aus den Comptes rendus t. LIX p. 139 und 185, Juli
1864.
Margueritte, über die Kohlung des Eisens durch
Cementirung.
Die Theorie der Kohlung des Eisens ist Gegenstand zahlreicher Controversen gewesen.
Ohne hier auf eine nähere Erörterung sämmtlicher über diesen Punkt aufgestellter
Ansichten einzugehen, werde ich mich auf die nähere Untersuchung der Frage
beschränken, ob der Kohlenstoff sich durch Contact, durch Cementirung, mit dem Eisen
unmittelbar verbindet oder nicht.
Guyton-MorveauAnnales de Chimie et de Physique, 1re série t. XXVIII p. 19. war der Erste, welcher zu beweisen suchte, daß durch einfachen Contact
Stahlbildung hervorgerufen werden kann. Zu diesem Zweck glühte er einen Diamant in
einem schmiedeeisernen, in einem hessischen stehenden Schmelztiegel. Nach etwa
einstündigem, sehr starkem Gebläsefeuer war der Eisentiegel vollständig in einen Gußstahlregulus
verwandelt.
„So war, sagt Guyton-Morveau, der
Diamant in Folge der vom Eisen auf ihn bei der hohen Temperatur, welcher beide
ausgesetzt waren, ausgeübten Anziehungskraft verschwunden, in derselben Weise,
wie ein Metall bei seiner Legirung mit einem anderen Metalle
verschwindet.“
Daß die Umwandlung des Eisens in Stahl durch den Contact mit dem Diamant
ausschließlich bewirkt worden ist, läßt sich übrigens bestreiten, indem der
Eisentiegel während der ganzen Dauer des Glühens gleichzeitig der kohlenden
Einwirkung der Herdgase ausgesetzt war. Bisher scheint die Frage noch nicht
entschieden zu seyn, und erst kürzlich äußerte Chevreul
Comptes rendus, 1861, t. LII p. 424. in der Akademie: „Es ist jetzt von Wichtigkeit, nachzuweisen: 1)
ob es, wie Guyton behauptet hat, gegründet ist, daß
sich Eisen durch Erhitzen mit Diamantpulver in Stahl verwandeln läßt; 2) ob in
dem Falle, daß sich dieß so verhält, die Stahlbildung ohne Betheiligung des
Stickstoffs stattfindet.“ Zweck des vorliegenden Aufsatzes ist nun
der Nachweis, daß das Eisen sich kohlt, sich in Gußeisen verwandelt, wenn es mit
Kohle in Berührung erhitzt wird, so wie, daß es sich auch ohne die Mitwirkung von
Stickstoff in Stahl verwandeln läßt. Den Hauptbedingungen des Versuches wurde in
folgender Weise entsprochen.
Ich arbeitete:
1) mit reiner Kohle (Diamant);
2) in einer Atmosphäre von chemisch reinem
Wasserstoffgase;
3) in Gefäßen, welche für die Herdgase absolut undurchdringlich
waren;
demnach so, daß die mögliche Verbindung des Diamants mit dem
Eisen von keiner fremdartigen Einwirkung beeinflußt wurde.
Die Operation wurde in der folgenden Weise ausgeführt. Mittelst umdestillirten Zinks
und reiner Schwefelsäure wurde Wasserstoff dargestellt und nach der von Dumas und Sainte-Claire Deville angegebenen Methode auf das Sorgfältigste gereinigt und
getrocknet, indem das Gas nach einander mehrere, essigsaures Bleioxyd,
schwefelsaures Silberoxyd, mit Aetzkali getränkten Bimsstein und kalte Schwefelsäure
enthaltende Apparate zu durchströmen hatte, nachdem es vorher durch
dunkelrothglühenden Platinschwamm hindurchgeleitet war.
Der auf diese Weise gereinigte und getrocknete Wasserstoff wurde in ein vorher auf
seine absolute Undurchdringlichkeit geprüftes Rohr von doppelt glasirtem Porzellan
geleitet, welches bis zu einer Temperatur erhitzt war, bei welcher das entstandene
Gußeisen schmelzen mußte. In dem Rohre war ein kleines Porzellanschiffchen
enthalten, auf dessen Rändern ein sehr dünnes Streifchen Eisenblech lag, welches
vorher zur Entfernung des in ihm etwa vorhandenen Schwefels und Stickstoffs im
Wasserstoffstrome bei der dazu hinreichenden Temperatur längere Zeit erhitzt worden
war.
Auf das Eisenblech wurde ein zuvor zum schwachen Rothglühen erhitzter Diamant gelegt
und nun mehrere Stunden lang bei gewöhnlicher Temperatur der Wasserstoffstrom
darüber geleitet, um alle Luft, d.h. Sauerstoff und Stickstoff, aus dem Apparate zu
entfernen. Dann wurde erhitzt und die Temperatur rasch bis zur Hellrothgluth
gesteigert, und einige Zeit darauf unterhalten. Schließlich wurde das Rohr aus dem
Ofen entfernt und – immer noch mit dem Wasserstoffstrom in Communication
– dem Erkalten überlassen.
Der Diamant hatte den Eisenstreifen mit einem Loche durchbohrt, welches wie mit einem
Durchschlage gemacht aussah, und war in das Schiffchen gefallen; neben ihm lag ein
kleines Kügelchen von Gußeisen.
Bei einem zweiten Versuche hatten fünf kleine Diamanten einen Streifen von
Schmiedeeisen durchbohrt und waren mit Hinterlassung mehrerer Kügelchen von
vollkommen geschmolzenem Gußeisen verschwunden.
Bei dem dritten Versuche wurde ein größerer Diamant und ein dickerer Eisenstreifen
genommen; der erstere hatte den letzteren durchbohrt und war in demselben stecken
geblieben.
Ein vierter Versuch endlich wurde angestellt, um Stahl darzustellen.
Der Wasserstoffstrom wurde über einen Eisendraht von 1 1/2 Millim. Durchmesser
geleitet, welcher zur Hälfte in grobes, in einem Platinschiffchen befindliches
Diamantpulver eintauchte.Zu diesem Zwecke wurden mehrere schöne Diamanten in einem Stahlmörser
zerstoßen; das erhaltene Pulver ward zur Entfernung der etwa beigemengten
Metalltheilchen mit Salpetersäure gekocht und dann zum schwachen Rothglühen
erhitzt. Dieser Theil des Drahtes zeigte sich nach Beendigung des Versuchs cementirt;
die andere, außerhalb des Diamantpulvers befindlich gewesene Hälfte dagegen war
nicht in Stahl verwandelt und ließ sich nicht Härten.
Nächst dem Diamant wurde auch Graphit und Zuckerkohle, letztere, nachdem sie längere
Zeit in einem Wasserstoffstrome geglüht worden war, angewendet.
In das die Kohle enthaltende stark erhitzte Rohr wurde ein Eisendraht von 1 1/2
Millim. Durchmesser eingeführt. Nach drei Minuten war das in dem Kohlenstaube
steckende Ende des Drahtes in Gußeisen verwandelt, von welchem später mehrere
Kügelchen aus der Kohle ausgelesen wurden. Nun wurde die Temperatur etwas erniedrigt
und nach Verlauf einer gleichen Zeit war das Ende eines anderen Drahtes in sehr
harten Stahl von sehr feinem Korne verwandelt, während das andere, mit der Kohle
nicht in unmittelbarer Berührung gewesene Ende desselben Drahtes nicht die geringste
Spur von Stahlbildung zeigte. In dieser Beziehung dürfte es hier am Platze seyn,
hervorzuheben, daß – wodurch auch Berthelot's
bezügliche Beobachtung bestätigt wird – wenn der Wasserstoff Acetylen oder
irgend eine andere Kohlenstoffverbindung hätte bilden können – der ganze
Draht hätte cementirt und in Stahl verwandelt seyn müssen.
Gehen wir jetzt zur Kohlung des Eisens durch Kohlenoxydgas
über.
Die Idee, Schmiedeeisen durch ein kohlenstoffhaltiges Gas zu kohlen, verdanken wir
Clouet, welcher die Verwandtschaft des Eisens zum
Kohlenstoffe für so bedeutend hielt, daß er glaubte, das erstere entzöge den
letzteren bei sehr hoher Temperatur sogar dem Sauerstoffe. Er stützte diese Annahme
darauf, daß er beim Erhitzen von Eisen in Form von kleinen Stücken mit einem Gemenge
von kohlensaurem Kalk und Thon, Stahl erhalten hatte, woraus er folgerte, daß die
Kohlensäure des Kalkcarbonats zersetzt worden sey und ihren Kohlenstoff an das Eisen
abgetreten habe.Annales de Chimie, 1re
série, t. XXVIII p. 19.
Als indessen Mushet den Clouet'schen Versuch mit kohlensäurefreiem Kalk oder bloß mit Sand
wiederholte, erhielt er gleichfalls Stahl und wies auf diese Weise nach, daß der
Kohlenstoff nicht von der in jenem Gemenge enthaltenen Kohlensäure, sondern von den
durch die Wandungen der angewendeten Schmelztiegel hindurchgedrungenen Herdgasen
herrührte.
Collet-Descotils und Mackenzie bewiesen, daß sich Schmiedeeisen unter denselben Umständen
vollständig schmelzen läßt, ohne daß seine Eigenschaften merklich verändert
werden.
Boussingault erhielt bei genauester Beobachtung der von
Clouet gegebenen Vorschriften ein Product, welches
nach den Resultaten der Analyse kein Stahl, sondern Siliciumeisen war.
Später veröffentlichte Leplay seine sinnreiche Theorie der
Behandlung der Erze in den Hohöfen, welche er in folgender Weise zusammenfaßte:
„Das Kohlenoxyd reducirt alle Verbindungen und kohlt alle Metalle, welche
durch Cementirung reducirt und gekohlt werden können.“
Annales de Chimie, 2me
série, t. LXII p. 29; polytechn.
Journal Bd. LXIII S. 282.
Aus den in dieser Richtung später von Laurent und Leplay gemeinschaftlich angestellten Untersuchungen ergab
sich indessen, daß die Wirkung des Kohlenoxyds absolut
Null sey, und ihre Versuche führten zu dem Schlusse, daß „der
Kohlenwasserstoff die Ursache der Stahlbildung und das Kohlenoxyd diejenige der
Desoxydation ist.“
Annales de Chimie, 2me
série, t. LXV p. 403: polytechn.
Journal Bd. LXVIII S. 49.
Diese Frage scheint ihre genügende Lösung bis jetzt noch nicht gefunden zu habenDie specielle Untersuchung Stammer's über diesen
Gegenstand scheint dem Verf. entgangen zu seyn; man s. dieselbe im
polytechn. Journal Bd. CXX S.
428.A. d. Red., deßhalb beabsichtige ich, im Nachstehenden die direct kohlende Einwirkung
des Kohlenoxyds auf das Eisen nachzuweisen.
Der betreffende Versuch wurde in folgender Art ausgeführt:
Um von dem in Stahl zu verwandelnden Eisen jeden anderweitigen Einfluß fern zu
halten, wurde dasselbe in ein außen und innen glasirtes, für die Herdgase absolut
undurchdringbares Porzellanrohr gebracht. Das angewendete Kohlenoxydgas wurde durch
Zersetzung von reiner Oxalsäure mittelst chemisch reiner Schwefelsäure dargestellt
und von der gleichzeitig mitgebildeten Kohlensäure dadurch befreit, daß man es durch
mehrere mit Kalilösungen gefüllte Waschflaschen hindurchleitete, so daß die in einer
am Ende des Apparats angebrachten Flasche enthaltene Barytlösung sich nicht
trübte.
Das völlig kohlensäurefreie Kohlenoxyd wurde nun durch ein mit Kalihydrat gefülltes
Rohr, dann durch ein solches geleitet, welches mit Schwefelsäure getränkten
Bimsstein enthielt, so daß es vollkommen rein und trocken in das zur Hellrothgluth
erhitzte Porzellanrohr trat. Das im Gasstrom zu behandelnde Eisen wurde in Form von
feinem, sorgfältig von Rost gereinigtem Drahte angewendet.
Nach zweistündigem Glühen war die Stahlbildung vollendet und während der ganzen Dauer
des Versuches hatte sich Kohlensäure entwickelt – ein Beweis, daß das
Kohlenoxyd durch das Eisen zersetzt ward. Das letztere hatte unter Annahme aller
Eigenschaften des Stahls und unter Gewichtsvermehrung Kohlenstoff gebunden und Sauerstoff ausgeschieden, so
daß Kohlensäure sich bildete.
Indessen verdanken wir Caron eine sehr wichtige
Beobachtung über die Zersetzung des Kohlenoxyds durch das im Eisen enthaltene Silicium. Er wies nach, daß wenn man bei einer dem
Schmelzpunkt des Gußeisens entsprechenden Temperatur über Siliciumeisen einen Strom
von Kohlenoxydgas leitet, dieses letztere zersetzt wird, indem sich Kieselsäure,
welche an der Oberfläche schwimmt, ausscheidet und Kohlenstoff vom Eisen gebunden
wird, so daß die Stahlbildung selbst dem Siliciumgehalt des Eisens quantitativ
entspricht und bei reinem Eisen gleich Null seyn würde.
Der Siliciumgehalt des bei meinem Versuche angewendeten Eisens mußte daher genau
bestimmt werden. In 10,29 Grammen Eisen fand ich nur 0,009 Grm. Kieselsäure, deren
Silicium bei der Zersetzung durch Kohlenoxyd nur 0,00356 Grm., also 0,00035 Grm.
Kohlenstoff hätte liefern können, während die Menge des an das Eisen abgetretenen
Kohlenstoffs 0,0048 Grm. betrug, wenn wir nur die Gewichtsvermehrung in Anschlag
bringen. Uebrigens wurde auch der Stahl analysirt; 3,016 Grm. desselben wurden vier
Stunden lang in einem Strom von feuchtem Wasserstoffgas erhitzt und verloren dabei
0,014 Grm. und nach einer wiederholten gleichen Behandlung, welche fünfthalb Stunden
fortgesetzt wurde, noch 0,0015, erlitten also bei achtundeinhalbstündiger Behandlung
im Ganzen einen Verlust von etwa 0,016 Grm., entsprechend 0,0053 Grm. Kohlenstoff,
anstatt der durch die Gewichtsvermehrung angezeigten 0,0048 Grm.
Aus diesen Zahlen ergibt sich, daß, obgleich der Einfluß des Siliciums bei der
Cementation oder Stahlbildung durch Kohlenoxyd sehr wesentlich ist, derselbe bei der
von mit behandelten Eisenprobe fast ohne alle Bedeutung war. Wir müssen demnach
zugeben, daß eine directe Reaction zwischen dem Kohlenoxyd und dem Eisen
stattfindet.
Um übrigens jeden in dieser Beziehung möglichen Zweifel zu beseitigen, wendete ich
auch reines, nach Peligot's
Vorschrift aus oxalsaurem Eisen durch Erhitzen in Wasserstoffgas dargestelltes Eisen
an. 1,318 Grm. von diesem Eisen wurden etwa drei Stunden lang in einer Atmosphäre
von Kohlenoxydgas geglüht; die Gewichtszunahme betrug 0,0035 Grm., entsprechend
0,00265 Grm., und es entwickelte sich beständig Kohlensäure. Angenommen, daß dieses
Eisen – was aber nicht der Fall war – Silicium oder andere Metalle
enthalten hätte, so wären die beiden gleichzeitig stattfindenden Vorgänge, die
Kohlung nämlich und die Bildung von Kohlensäure, unmöglich gewesen, da jene Metalle
Sauerstoff gebunden
haben würden, anstatt ihn abzugeben und um die verhältnißmäßig beträchtliche Abgabe
von Kohlenstoff (0,00265 Grm.) zu erklären, müßte die Menge dieser Metalle so
bedeutend gewesen seyn, daß ihre Gegenwart bei der Analyse nicht hätte übersehen
werden können.
Diesen Resultaten zufolge kann die Umwandlung des Eisens in Stahl durch Kohlenoxyd
nicht in Zweifel gezogen werden und die Umstände, unter denen dieser Vorgang
stattgefunden, gestatteten mit auch, zu ermitteln, ob zur Stahlbildung der
Stickstoff durchaus erforderlich ist, oder nicht.
Demnach leitete ich bei einer passenden Temperatur über reducirtes Eisen in Form von
äußerst dünnen Blättchen sehr lange einen Strom von Kohlenoxydgas, um dasselbe nach
Frémy's Angabe von dem in ihm möglicherweise
enthaltenen Stickstoffe zu befreien. Dann erhitzte ich das so behandelte Eisen drei
Stunden lang in einer Atmosphäre von Kohlenoxydgas; es entwickelte sich Kohlensäure
und das Eisen verwandelte sich in Stahl. Da bei diesem Versuche der Stickstoff der
äußeren Atmosphäre gänzlich abgeschlossen war, da ferner das Kohlenoxyd durchaus
keinen Stickstoff enthalten konnte, so läßt sich, meiner Ansicht nach, aus dieser
Cementation, sowie aus der mit Diamant bewirkten Stahlerzeugung wohl mit vollem
Rechte schließen, daß Stickstoff zur Umwandlung von Eisen in Stahl keineswegs
unerläßlich nothwendig ist.
In einer demnächstigen Mittheilung werde ich die aus meinen Versuchen sich ergebenden
Folgerungen ziehen und die Theorie der Stahlbildung besprechen.