Titel: | Ueber analytische Gewichte und Waagen; von Dr. Otto Buchner. |
Autor: | Otto Buchner |
Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Nr. XII., S. 35 |
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XII.
Ueber analytische Gewichte und Waagen; von Dr.
Otto Buchner.
Buchner, über analytische Gewichte und Waagen.
Hr. Dr. Mohr hat vor längerer
Zeit über diesen Gegenstand einen Aufsatz in diesem Journal (Bd. CXLVII S. 363)
veröffentlicht. Mit Absicht wurde seither von mit diese Angelegenheit nicht zur
Sprache gebracht, um abzuwarten, wie sich die Praktiker zu den Mohr'schen Vorschlägen stellen würden. Die Praktiker sind aber nicht
allein die Mechaniker, die sich mit dem Anfertigen chemischer Waagen und Gewichte
beschäftigen, sondern auch die Chemiker, welche tagtäglich damit umgehen, sie
benutzen und im höchsten Grade dabei interessirt sind, daß die sorgfältigste
chemische Scheidung nicht schließlich durch fehlerhafte Werkzeuge beim Wägen auch
fehlerhafte Ergebnisse liefere. Die Waagen und die Gewichte von Staudinger sowohl als von Liebrich hier in Gießen finden sich in großer Menge über die ganze Erde
zerstreut und täglich erfolgen neue Versendungen. Betrachtet man die Arbeiten dieser
beiden ausgezeichneten Werkstätten, so ergibt sich am besten die Antwort der
Praktiker auf die Mohr'schen Vorschläge.
Diese gehen zuerst dahin, das Material, aus welchem die
Gewichte dargestellt werden, zu ändern. Messing für die größeren Stücke wird
verworfen, weil es leicht schwarze Flecken bekommt und
„Firnissen“ etwas, aber nicht lange hilft. Argentan wird
dann als besonders zweckmäßig vorgeschlagen. Ein einsichtsvoller Mechaniker kann
wohl kaum auf die Idee gekommen seyn, gut gearbeitete Gewichte zu ihrem größeren
Schutz zu firnissen, denn allerdings kann dieser Schutz nicht lange dauern. Zudem
muß sich aber auch nach ganz kurzer Zeit das noch so genau justirte Gewicht ändern,
weil der welche Firniß sich bei noch so sorgfältigem Abwischen und Abpinseln des
Staubes, der sich darauf setzen kann, noch mehr aber durch das Anfassen mit der Pincette abreibt
oder doch Verletzungen erleidet. Werden dagegen die Messinggewichte, wie es Liebrich und Andere thun, gut vergoldet und dann justirt, so erhalten sie für lange Zeit dauernde
Richtigkeit, wie man sie nicht besser wünschen kann. Solche vergoldete
Messinggewichte sind denen aus Neusilber weit vorzuziehen, weil sie dauerhafter
sind. Kleinere Gewichtstücke unter 1 Gramm machen Liebrich und Andere aus Platin und Aluminium, und sind diese beiden
Metalle dafür vorzüglich.
Hr. Mohr eifert dann gegen die übliche Gestalt der Gewichte. Die Cylinderform der größeren
Stücke soll darnach einzig dadurch begründet seyn, daß die mechanischen Werkstätten,
in welchen diese auf das Sorgfältigste und mit Aufwendung aller technischen
Geschicklichkeit angefertigt werden, keine conischen Fräsbohrer besitzen, um
conische Löcher in die Bodenbretchen der Gewichtsetuis zu bohren! Es bedarf diese
Meinung keiner Widerlegung. Hr. Mohr ist gegen die
Cylindergewichte, weil man „jedes Stück mit großer Sorgfalt in seine
Oeffnung setzen muß, weil es am Fuß ebenso dick ist, als das Loch weit; beim
Aus- und Einsetzen findet eine Seitenreibung statt.“ Aber
gerade bei der von Hrn. Mohr vorgeschlagenen
stumpfconischen Form der Gewichte wird die Seitenreibung stark, nicht gerade beim
Einsetzen, wohl aber, wenn der geschlossene Gewichtskasten z.B. getragen wird. Ganz
anders ist's bei Liebrich, der seinen Gewichten eine
schwach conische Form gibt, die Löcher dafür etwas weiter bohrt und sie oben mit
Sammet füttert. So gleitet das Gewicht sanft an seine Stelle, ist mit der Wandung
nur oben ringsum, und zwar mit einem weichen Polster in Berührung und wird durch den
mit Sammet belegten Boden und Deckel festgehalten, so daß es sich gar nicht bewegen
kann. Unstreitig nehmen aber die Gewichte bei dieser Form auch weniger Raum ein, das
Etui wird handlicher und billiger.
Die viereckige Gestalt der aus Blech gefertigten Gewichte mit aufgebogenem Eck gibt
Hrn. Mohr jedesmal „einen stillen Aerger zu
verdauen.“ So lange die Gewichte von 0,02 Gramm und abwärts aus
Platin gefertigt wurden, war das Blech so dünn, daß es sich leicht bog, knitterte
und das Gewicht mit der Zeit ungenau wurde. Das hat aber mit der Benutzung des
Aluminiums aufgehört. Hrn. Mohr's Einwürfe sind jedoch
anderer Art. Die viereckigen Gewichte in ihre viereckigen Behälter einzulegen, ist
nach ihm zeitraubend, das Anfassen an dem aufgebogenen Eck noch langweiliger. Biegt
man die vier Ecken auf, so hat Hr. Mohr die Auswahl, wo
er anpacken will. Liebrich macht noch neben dem viereckigen
Kästchen eine kleine Ausbuchtung, so daß die Pincette bequem zu dem aufgebogenen Eck
gelangen kann.
Textabbildung Bd. 174, S. 37
Warum aber sind die Praktiker nicht auf Hrn. Mohr's Vorschläge eingegangen, die Gewichte rund zu
machen mit einem Stift zum Anfassen in der Mitte? Nicht nur, weil die
Anfertigung mühsamer und daher kostspieliger ist, sondern auch, weil das
Stiftchen sehr dünn seyn muß und dann bei der Anwendung noch mehr
Unbequemlichkeiten im Gefolge hat, als die üblichen viereckigen Plättchen. Dazu
kommt, daß die Stiftchen beim Gebrauch leicht sich ablösen und so häufige
Reparaturen nöthig machen.
Die Praktiker haben seither als einen wesentlichen Vorzug die aufgeprägte Bezeichnung
eines Gewichts angesehen. Man las vom Gewichtsstück selbst seinen Werth ab. Hr. Mohr will aber die Gewichte selbst nicht bezeichnet
haben, sondern nur den Platz, an welchen sie gehören. Gut, wir wiegen. Aus den
leergewordenen Behältern lesen wir das Gewicht ab. Jetzt räumen wir die gebrauchten
Stücke wieder ein; für die größeren ergibt sich rasch der Platz nach dem Augenmaaß;
die kleineren passen auch in die größeren Behälter, und nun wird probirt,
vertauscht, hin- und hergelegt – kurz es folgt allermindestens
Zeitverlust und wenn irgendwo stiller Aerger zu verdauen seyn wird, so ist es da.
Aber es setzt sich Staub in die eingeprägten Zahlen! Den kann man ja mit einem
weichen Haarpinsel vor dem Gebrauch abkehren, denn allerdings läßt sich auch bei dem
sorgfältigsten Verschluß der Staub nicht vollkommen abhalten. Der Pinsel aber findet
genügenden Platz in dem Etui selbst zwischen den Stiftchen der größeren
Gewichte.
Auch die übliche Anordnung der Gewichte hat Hrn. Mohr stillen Aerger bereitet. Mir scheint es sehr
gleichgültig zu seyn, ob die Gewichte in ihrer Reihenfolge von links nach rechts
nebeneinander gestellt werden, oder von oben nach unten. Ein Satz Gewichte ist kein
Decimalbruch, der nicht auf zwei Zeilen vertheilt werden kann. Was also vom Satz
nicht in eine Reihe geht, kann in die zweite Reihe gesetzt werden, und es verstößt
auch nicht gegen die mathematische Logik, wenn diese zweite Reihe dann von rechts
nach links läuft. Wer die Gewichte benutzt, hat so viele Begriffe von
Decimalbrüchen, daß er sich an einer solchen Anordnung nicht stößt. Aber man meint
fast, Hr. Mohr wolle Kinder mit diesen niedlichen
Gewichtskästchen Decimalbrüche lehren, weil er selbst „ein sichtbares
Komma“ angebracht wünscht.
Auch für die Waagballen schlägt Hr. Mohr Argentan vor. Die Praktiker sind bei denen aus Messing, gut
vergoldet, geblieben, denn ihre Dauerhaftigkeit läßt nichts zu wünschen übrig. Eine andere Aenderung hat aber
Liebrich an denselben angebracht; er macht sie,
unbeschadet der Tragfähigkeit und der Genauigkeit, wesentlich kürzer und folgeweise bequemer. Der Theorie nach ist ein langer Waagbalken
empfindlicher, als ein kurzer. Doch hat die praktische
Empfindlichkeit ihre Grenzen und es fragt sich nur, ob diese auch mit kürzerem
Waagbalken erreicht werden kann. Liebrich hat sie
erreicht, denn seine Waagen geben bis zu 50 Grammen Belastung noch bei 0,1 Milligrm.
einen Ausschlag. Bei einer kleinen Versetzung des Schwerpunktsgewichts geben sie bei
200 bis 300 Grammen Belastung noch bei 1/5–1/2 Milligramm Uebergewicht einen
Ausschlag. Durch den kurzen Waagbalken ist aber der große Vortheil gewonnen, daß er
rascher schwingt und so auch das Wägen rascher von Statten geht.
Es muß zugestanden werden, daß das von Hrn. Mohr gerügte
Aufhängen der Waagschalen mit Ringen in Ringe mancherlei Unannehmlichkeiten im
Gefolge hat. Bei Liebrich's Aufhängemethode fallen diese
weg; außerdem hat er drei Arretirungen: für den Waagbalken, die Endschneiden und für
die Schalen. Alle Schneiden spielen auf Stein.
Doch ist das Aufhängen der Waagschalen an Platindraht gewiß zweckmäßiger, als das von
Hrn. Mohr empfohlene Aufhängen an einem flachgeschlagenen
Argentandraht. Denn hat der zu wiegende Gegenstand einen größeren Durchmesser als
vorgesehen, so hängt sich die Schale schief und die Unannehmlichkeiten und
Ungenauigkeiten wachsen steigend. Sie fallen aber weg, wenn die Waagschalen an
feinen Drähten aufgehängt sind. Man kann allerdings mit den Gewichten daran stoßen
oder mit der Pincette daran hängen bleiben, aber davor schützt eine nur kleine
Aufmerksamkeit und kurze Uebung.
Kein Mechaniker hat bis jetzt der Idee Hrn. Mohr's, den
Waagbalken mit der Schneide nach oben an einem Magneten
aufzuhängen, Folge gegeben. Und dieß mit gutem Grund. Selbst wenn die Schneide nicht
prismatisch, sondern klingenartig dünn angefertigt würde, so müßte doch die
magnetische Anziehung bei einem noch so kleinen Ausschlag auf der einen Seite größer
werden als auf der anderen, und eine genaue Wägung wäre gar nicht auszuführen.
Dagegen mag schließlich noch einer Beigabe gedacht werden, welche Liebrich auf Wunsch bei seinen Waagen anbringt. Es ist
ein besonderer Glaskasten unter dem eigentlichen
Waagekasten mit zwei verschiebbaren Tischchen. Er dient zum Aufstellen des
Wassergefäßes beim Bestimmen des specifischen Gewichts. Unter den Waagschalen geht
durch eine runde Oeffnung
der Draht durch, an dem der feste Körper aufgehängt wird. Diese Einrichtung hat
mancherlei praktische Vorzüge, namentlich den, daß die Waage in keinerlei Berührung
mit dem Wasser kommen kann. Wird die Waage nicht benutzt, so findet da ein Glas mit
Chlorcalcium den passendsten Platz, um die Luft im Kasten immer trocken zu halten.
Für sehr viele technische und analytische Zwecke ist diese Einrichtung sehr
zweckmäßig und empfehlenswerth.