Titel: | Zur Kenntniß der Farbstoffe des Krapps, Fisetholzes, Safflors und Gelbholzes; von Prof. Dr. P. Bolley. |
Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. CIX., S. 446 |
Download: | XML |
CIX.
Zur Kenntniß der Farbstoffe des Krapps,
Fisetholzes, Safflors und Gelbholzes; von Prof. Dr. P. Bolley.Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift (Bd. IX, 1864) vom Verfasser
mitgetheilt.
Bolley, zur Kenntniß der Farbstoffe des Krapps, Fisetholzes,
Safflors und Gelbholzes.
I. Ueber die Zusammensetzung der beiden
rothen Krapp-Pigmente, ihre Stellung zur Naphtylreihe, und die Versuche
das eine derselben in das andere umzuwandeln.
Meines Wissens sind für das Alizarin und das Purpurin die von Wolff und Strecker in Folge ihrer vortrefflichen UntersuchungAnnalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LXXV S. 1. aufgestellten Formeln gegenwärtig allgemein angenommen.
Das Alizarin, C²⁰H⁶O⁶ dessen
Zusammensetzung am genauesten einerseits von E. Schunck
Ebendaselbst Bd. LXVI S. 174. andererseits von Debus
Ebendaselbst Bd. LXVI S. 356. untersucht wurde, erhielt von ersterem die Formel
C¹⁴H⁵O⁴ von letzterem
C³⁰H¹⁰O⁹. Die Veränderung, die Wolff und Strecker an
derselben vornahmen und gegen welche sich SchunckEbendaselbst Bd. LXXXI S. 336. später ausdrücklich verwahrt hat, ist eine doppelte. Einmal wurde das
Verhältniß des Wasserstoffs zum Sauerstoff als der gleichen Atomzahl beider
entsprechend angenommen, das Ulizarin also damit in die Gruppe der sogenannten
Kohlenstoffhydrate versetzt. Man muß, den stricten Maaßstab der Analysen anlegend
und theoretische Erwägungen bei Seite lassend, sich veranlaßt finden, der Meinung
der beiden Chemiker beizutreten, die das Alizarin sehr gewissenhaft und genau
untersucht haben und darin eine höhere Zahl Wasserstoffatome als Sauerstoffatome
annehmen.
Das Mittel dreier Analysen
von Schunck,
von Debus ist,
während die Rechnung vonWolff u. Strecker ergibt:
C = 69,12
68,97
C²⁰ = 68,96
H = 4,01
3,79
H⁶ = 3,45
O = 26,86
27,23
O⁸ = 27,59
Der Wasserstoffüberschuß bei Schunck betrüge 0,56 und bei
Debus 0,34 Proc. über den berechneten. Um zu dem
gefundenen Wasserstoff die zur Wasserbildung nöthige Sauerstoffmenge zu haben, bedürfte es bei Schunck 32,08, bei Debus 30,32
Procent. Die Differenzen sind also ziemlich groß. Wolff
u. Strecker haben durch eine Elementar-Analyse des
Alizarins nur dessen Kohlenstoffgehalt zu 68,4 Procent bestimmt, ihr Resultat ist
daher für die vorliegende Frage nicht verwerthbar.
Wir wollen unterlassen hier in diese Frage weiter einzutreten, unten wird jedoch
diesen Verhältnissen nähere Betrachtung zuzuwenden seyn.
Die andere Veränderung an den Formeln ist die Annahme von 20 Kohlenstoffatomen. Das
Hauptmotiv hierzu lieferte offenbar die von Laurent und
Gerhard, dann von Wolff
und Strecker selbst mit größerer Bestimmtheit gewonnene
Erkenntniß der Identität der von Schunck entdeckten
Alizarinsäure und der Phtalsäure. Aus der Analyse einiger salzartigen
Alizarinverbindungen könnte diese Annahme in überzeugender Weise nicht abgeleitet
werden, keine einzige dieser Verbindungen enthält 20 Aeq. Kohlenstoff auf 1 Aeq.
Basis.
Die interessante von Strecker dargethane Beziehung
zwischen Alizarin und Chlornaphtalinsäure Textabbildung Bd. 171, S. 447 kann als Wahrscheinlichkeitsgrund für die Richtigkeit der für das erstere
angenommenen Formel nicht unterschätzt werden, obschon man seit der Kenntniß der
Eigenschaften des von Roussin dargestellten sogenannten
Naphtizarins (C¹⁸H⁴O⁸) also eines Körpers von stark
abweichender Zusammensetzung von der des Alizarins, auf gewisse Aehnlichkeiten der
Reactionen kein zu großes Gewicht mehr legen darf.
Hauptsächlich darum also, weil Alizarin mit Salpetersäure Phtalsäure liefert, was
sonst nur Naphtalin und einige seiner Derivate thun, ist die Formel dieses Pigmentes
jenen der Naphtylreihe angepaßt worden.
Neben Phtalsäure aber, so geht aus Schunck's Angaben
hervor, der reines Alizarin der Wirkung der Salpetersäure unterwarf, während Laurent und Gerhard sie nur
auf Garancin einwirken ließen, bildet sich Oxalsäure.
Strecker drückt den Vorgang durch das Schema aus
Textabbildung Bd. 171, S. 447
Alizarin; Phtalsäure;
Oxalsäure
Das Purpurin, dessen Zusammensetzung nach Debus im Mittel von 3 Analysen C = 66,40 H = 3,86 ist und
das die Formel C¹⁸H⁶O⁶ erhielt, liefert nach Wolff und Strecker durch
Behandeln mit Salpetersäure ebenfalls Phtalsäure und Oxalsäure. Die Bildung dieser
beiden Säuren wird von den genannten Chemikern auf das Schema
Textabbildung Bd. 171, S. 448
Purpurin; Phtalsäure;
Oxalsäure
zurückgeführt.
Es will mir scheinen, daß, so lange sich nicht eine absolute Nothwendigkeit von
anderer Seite erweist, die Zahl der Kohlenstoffatome auf 18 zu setzen, ein
Widerspruch darin liegt für das Alizarin, das Phtalsäure liefert, und weil es
Phtalsäure liefert, den Kohlenstoffgehalt zu 20 Aeq., gleich dem des Naphtalins
anzunehmen, für das Purpurin aber, das ebenfalls Phtalsäure liefert, eine Formel mit
18 Aeq. Kohlenstoff aufzustellen.
Es schien mir als der zunächst vorgezeichnete Weg, Licht über diese Frage zu
gewinnen, der, daß man die Richtigkeit obiger Schemata prüfe, nach welchen aus einem
Aequivalent Alizarin (274) 2 Aeq. Oxalsäure, aus einem Aequivalent Purpurin (262)
aber nur 1 Aequivalent Oxalsäure sich bilden müßte. Es würden so vom Alizarin 4/20
des Kohlenstoffgehaltes = 20 Proc., vom Purpurin 2/18 = 11,11 Proc. des
Gesammtkohlenstoffgehaltes in die Kleesäurebildung eingehen.
Zu diesem Behufe wurden mehrere Gramme reinen Alizarins und Purpurins dargestellt,
wozu als das geeignetste Material das sogenannte grüne Alizarin (Alizarine verte) und Purpurin des Handels erschienen,
die nach der Methode von E. Kopp bereitet waren. Durch
wiederholtes Auflösen in Weingeist und Auskrystallisiren wurden Producte gewonnen,
die zur Untersuchung erst dann verwendet wurden, nachdem man sich durch das bekannte
Verhalten gegen Alaunlösung, gegen Alkalien und alkalische Erden überzeugt hatte,
daß keine Beimischungen des einen Pigmentes im anderen im Spiele waren. Ich werde
bei anderem Anlasse die nöthigen Vorsichtsmaßregeln beim Reinigungsverfahren der
sehr schätzenswerthen Kopp'schen für die directe
Anwendung in der Färberei bestimmten Präparate besprechen.
Bei wiederholten Oxydationsversuchen mit diesen Substanzen überzeugte ich mich, daß
es sehr wesentlich ist, nur verdünnte Salpetersäure von 1,2 spec. Gewicht und eine
100° C. nicht erreichende Temperatur anzuwenden. Beim Unterlassen dieser
Vorsicht findet zu heftige Kohlensäurebildung und entsprechende Verminderung der
Oxalsäure statt. Die Präparate wurden in beinahe gleicher Quantität, nachdem sie
gleich lang in einer Temperatur von 100° C. im Luftbad gestanden, abgewogen,
in Kölbchen gebracht und diese auf demselben Wasserbade mit gleichen gemessenen
Mengen Salpetersäure von angegebener Stärke, gleich lang erwärmt und mit möglichster Sorgfalt
alle Einwirkungen für beide gleichgehalten, um Resultate zu erhalten, die mit Recht
und Fug mit einander verglichen werden dürfen. Es wurde eine kleine gemessene Menge
Salpetersäure zugegeben und nach einigen Stunden abgegossen, neue in gleicher Menge
hinzugesetzt und wieder abgegossen, und so fort etwa 6 Mal. Dieß läßt sich sehr
leicht und ohne Verlust an noch unzersetztem Farbstoff bewerkstelligen, weil beide,
sowohl Alizarin als Purpurin, zusammenklebende Massen in der Flüssigkeit bilden, und
es geschah deßwegen, um die gebildete in Lösung befindliche Kleesäure vor weiterer
Oxydation zu Kohlensäure zu bewahren. Die abgegossenen Flüssigkeiten würden mit
Ammoniak reichlich gesättigt, etwas Essigsäure zuerst und dann Lösung von
essigsaurem Kalk zugesetzt und die Kleesäure gefällt. Essigsäure ist darum nöthig,
damit der etwa gebildete in Wasser schwer lösliche phtalsaure Kalk in Lösung bleibe.
Der oxalsaure Kalk wurde unter der gebräuchlichen Vorsicht gesammelt und durch
Glühen in kohlensauren Kalk verwandelt, daraus der Oxalsäuregehalt berechnet.
Es lieferten auf diesem Wege
0,847 Grm. Alizarin 0,1195 Grm. kohlensauren Kalk,
0,839 Grm. Purpurin 0,113 Grm. kohlensauren Kalk.
Nimmt man den Kohlenstoffgehalt des Alizarins a) zu 69
Proc. an, was dem Mittel der Analysen von Schunck und Debus ganz nahe entspricht, so enthalten 0,847 Grm.
Alizarin 0,5844 Grm. Kohlenstoff, oder wenn man b)
dessen Kohlenstoffgehalt nach Wolff u. Strecker zu 68,4 Proc. annimmt, so kommen auf 0,847 Grm.
Alizarin 0,57793 Grm. Kohlenstoff. Es entspricht aber 0,1195 Grm. kohlensaurer Kalk
(100 : 24) 0,02868 Grm. Kohlenstoff, und dieser verhält sich zum
Gesammtkohlenstoffgehalt
nach a) 0,5844 : 0,02868 = 100
: 4,90nach b) 0,57793 : 0,02868 = 100 :
4,96
Mittel 4,93 Proc.
Berechnet man ferner den Kohlenstoffgehalt des Purpurins a) nach den unten anzuführenden Analysen zu 68 Proc., so enthält die in
Arbeit genommene Menge von 0,839 Grm. an Kohlenstoff 0,5621 Grm. oder wird b) nach Debus der
Kohlenstoffgehalt zu 66,4 Procent genommen, so entspricht 0,839 Grm. Purpurin 0,5575
Grm. Kohlenstoff.
Der mit Purpurin erhaltene kohlensaure Kalk = 0,113 Grm. entspricht 0,0271 Grm.
Kohlenstoff, und dieser verhält sich zum ganzen Kohlenstoff im Purpurin
nach a) 0,5621 : 0,0271 = 100 : 4,81nach
b) 0,5575 : 0,0271 = 100 : 4,85
Mittel 4,86 Proc.
Diese Zahlen, wenn auch bei weitem nicht dem Kohlenstoff entsprechend, der nach den
Wolff-Strucker'schen Schematen sich aus Alizarin und Purpurin in
Kleesäure umwandeln müßte, lassen immerhin die Annahme nicht aufkommen, daß die aus
Alizarin und Purpurin in Kleesäure umgewandelten Kohlenstoffmengen sich wie 20 :
11,11 verhalten, es muß vielmehr bei der unbedeutenden Differenz von 4,93 und 4,83
angenommen werden, daß beide Pigmente gleichviel Kleesäure liefern und dieß Resultat
ist das zu einer Verwerthung berechtigte.
Was die geringe, in beiden Fällen hinter dem theoretischen Resultat zurückbleibende
Menge der Oxalsäure betrifft, so verdient hier die Bemerkung einen Platz, daß bei
der Fabrication dieser Säure aus Zucker und Salpetersäure unter Anwendung aller
Vorsicht, an Gewicht kaum mehr krystallisirte Oxalsäure erhalten wird, als Zucker
angewendet wurde, was so viel heißt, daß weniger als die Hälfte des
Kohlenstoffgehaltes des Zuckers zu Kleesäure, der Rest aber zu Kohlensäure wird.
Runden wir die Kohlenstoffprocente, welche aus beiden Pigmenten in die Oxalsäure
übergegangen sind, auf 5 Procent ab, so wären von je 20 Aequivalenten Kohlenstoff 1
Aeq. Kleesäure geworden, 16 Aeq. hätten Phtalsäure oder neben ihr Producte gebildet,
wie sie aus der Oxydation des Naphtalins durch Salpetersäure hervorgehen, und 3
Kohlenstoffäquivalente wären als Kohlensäure entwichen.
Man käme auf diesem Wege zu dem Schluß, daß in dem Purpurin ebensoviel
Kohlenstoffatome anzunehmen sind, als in dem Alizarin.
Wenden wir uns nun zu der Frage: Was hat gehindert, für das Aeq. des Purpurins
ebenfalls 20 Aeq. Kohlenstoff anzunehmen?
Es ist lediglich der Zwang, der aus den Resultaten der Analysen von Debus hervorgeht. Es verhielt sich nach denselben der
Kohlenstoff zum Wasserstoff und Sauerstoff = 3 : 1; Debus
leitete die Formel C¹⁵H⁵O⁵ ab, die von Strecker in
C¹⁸H⁶O⁶ umgewandelt wurde.
Man hat in neuerer Zeit an mehreren Pflanzenfarbstoffen, die auch in die Reihe der
Kohlenhydrate gehören, die Wahrnehmung gemacht, daß sie erst nach lange
fortgesetztem Verweilen in einer Temperatur zwischen 110 und 120° C.
vollständig entwässert werden können. Ich habe deßhalb reines Purpurin längere Zeit
bei einer Temperatur über 110° C. im Luftbade getrocknet und erhielt durch
Verbrennung mit Kupferoxyd und Sauerstoffgas folgende Resultate: I. 0,444 Grm.
Purpurin lieferten 1,107 Kohlensäure und 0,142 Wasser.
II. 0,399 Grm. Purpurin lieferten 0,997 Kohlensäure und 0,130 Wasser.
Dieses beträgt auf 100 Substanz:
I.
II.
Mittel.
C = 67,97
68,11
68,01
H = 3,55
3,62
3,58
Will man den Kohlenstoff zu 20 Aequivalenten annehmen, so verhält er sich zu dem
mittleren procentischen Wasserstoffgehalt wie 20 : 6,49 Aeq. – Wasserstoff
und Sauerstoff stehen mit hinreichender Genauigkeit in dem gleichen Verhältniß zu
einander wie im Wasser.
Die Formel C²⁰H⁶O⁶
fordert
C = 68,96 und H = 3,45.
Die Formel C¹⁸H⁶O⁶
„
C = 66,67 und H = 3,70.
Darf es sich nur um diese beiden Formeln handeln, so ist unbedingt die erste
vorzuziehen, obschon sie beinahe 1 Procent mehr Kohlenstoff fordert, als der
gefundene beträgt. Die letztere, welche weniger Kohlenstoff und mehr Wasserstoff
verlangt als ich fand, paßt nicht. Es ist eine einzige Purpurinverbindung, der
Bleilack, von Debus untersucht worden: sie enthält 15
Aeq. Kohlenstoff auf 1 Bleioxyd, kann also ebenso leicht oder ebenso schwer auf 20
C als auf 18 C
umgeschrieben werden. Nach Debus ist das
Aequivalentverhältniß von Farbstoff zu Bleioxyd 1 : 1, nach Strecker 5 : 6 und nach der eben ausgesprochenen Meinung 3 : 4.
Wir gelangten also auf diese Weise zu dem Resultat, daß Alizarin und Purpurin die
gleiche Zusammensetzung hätten und als isomere Körper verzeichnet werden müßten.
Ich gestehe, daß ich dieser Meinung nicht gern beitrete. Kommen wir nochmals auf die
Formel des Alizarins nach Strecker zurück, so klebt
offenbar außer dem oben schon Gesagten das Mißliche an ihr, daß die Analysen von Schunck und die von Debus
größeren Kohlenstoffgehalt ergeben als sie verlangt. Es lassen sich die
analytischen Resultate daher nur unter der Annahme mit ihr vereinigen, daß die
Substanz mit einer kleinen Menge eines kohlenstoffreicheren Körpers verunreinigt
war. Die Kohlenstoffbestimmung, die Wolff u. Strecker gemacht haben (68,4 Proc.), hebt uns über diesen
Uebelstand hinweg.
Alle diese Erwägungen zusammengefaßt, halte ich es für die wahrscheinlichste
Auslegung der Versuche, wenn man glaubt an C²⁰ halten zu müssen, daß
das Alizarin anzusehen sey als C²⁰H⁷O⁶.
Es verlangt diese Formel C = 68,57 Proc., H = 4,00 Proc.
Genauer aber schließt sich an die Analyse an:
C⁴⁰H¹³O⁶, eine Formel die entspricht C = 68,76, H
= 3,69.
In letzterem Falle verhielte sich Alizarin zu Purpurin wie das Indigweiß zu
Indigblau, d.h. es würde zu 2 Aequivalenten Purpurin 1 Wasserstoff hinzutreten, um
Alizarin zu bilden.Schunck's Formel
C¹⁴H⁵O⁴ bleibt allerdings der den analytischen
Resultaten bestentsprechende Ausdruck.
Dem Vorangehenden habe ich noch hinzuzufügen, daß ich nach manchen Bemühungen davon
abstand, die Menge der gebildeten Phtalsäure zu bestimmen. Es bildet sich nämlich
diese nicht allein, sondern ein gelblicher Körper neben ihr, der wohl zu den
nitrirten Naphtylverbindungen gehört, in weingeistiger Lösung durch Zusatz von
Alkalien eine rothe Flüssigkeit bildet, die sich beim Kochen bräunt. Man erhält das
Gemenge der Phtalsäure mit diesem Körper, wenn man, auf die Verminderung der
Oxalsäure durch Concentriren der salpetersauren Lösungen nicht achtend, bis zur
Trockne verdampft und mit kaltem Wasser die Oxalsäure auswäscht. Wird dieses Gemenge
in Ammoniak gelöst, zur Trockne verdampft und der Sublimation unterworfen, so erhält
man, zum Beweise der Gegenwart der Phtalsäure, Phtalimid.
Es wurde, wenn auch mehr andeutungsweise als in exacter Form, die
Verwandlungsmöglichkeit des Alizarins in Purpurin, und umgekehrt die des Purpurins
in Alizarin, angegeben.
Wolff und Strecker sagen z.B.:
„Wenn man in Wasser zertheiltes Alizarin mit Chlorgas behandelt, so
bemerkt man im Aeußeren keine wesentliche Veränderung; auf Zusatz von Kali
erhält man dagegen nach Entfernung des überschüssigen Chlors keine blaugefärbte
Lösung, sondern eine hochrothe, ähnlich der des Purpurins; und mit Baryt
entsteht ein purpurrother Niederschlag. Diesen flüchtigen Versuchen zufolge
scheint die Ueberführung von Alizarin in Purpurin durch Oxydationsmittel
unausführbar.“ Ich habe Alizarin, in Wasser durch Kochen gelöst,
einem Chlorstrome ausgesetzt. Die Lösung entfärbte sich durch Wiederausscheidung des
Alizarins; dieß wurde öfter mit dem Chlorwasser geschüttelt, lieferte aber auch,
nach lange fortgesetztem Einleiten von Chlor, mit Natronlauge versetzt und nach dem
Vertreiben des Chlors, eine Lösung mit dem das Alizarin charakterisirendencharakte isirenden blauen Schimmer und mit Baryt einen violetten Lack. Soweit ich zu
beobachten Gelegenheit hatte, zeigte sich die Reaction des Alizarins, bis die
letzten Spuren desselben durch Chlor ganz zerstört waren.
Alkalische Alizarinlösung mit Chamäleonlösung, dann mit Salzsäure versetzt, gibt
einen braunen Niederschlag, aus welchem, nachdem er mit Wasser ausgewaschen worden,
durch Alkohol, je nach der Menge des angewandten Chamäleons, eine farblose oder
rothgelb gefärbte Flüssigkeit gewonnen wurde, worin im ersteren Fall gar keine
Farbenreaction, im letzteren durch Natronlauge die des Alizarins erhalten wurde.
Ich war nicht im Stande, durch diese Oxydationsmittel (mit Salpetersäure geht es auch
nicht), das Alizarin in Purpurin umzuwandeln.
Wolff und Strecker schließen
ihre Abhandlungen mit sechs, die Hauptresultate zusammenfassenden Sätzen, worunter auch der
vorkommt: „Alizarin geht bei der Gährung des Krapps in Purpurin
über.“
Dieser Ausspruch gründet sich mehr auf eine Vermuthung als auf ein directes
Experiment. Zunächst muß bemerkt werden, daß in jedem auch lange im Faß gelegenen
ausgegohrenen Krapp noch Alizarin gefunden wird. Ich habe aus Krappblumen (ein
später als Wolff's und Strecker's Untersuchung aufgetretenes, ihnen darum wohl nicht bekanntes,
durch Gährung des Krapps erzeugtes Präparat) die Farbstoffe ausziehen lassen: auch
darin fand sich vieles Alizarin. Man könnte sagen, daß die Gährung unvollständig
gewesen und ein Theil des Alizarins nicht von ihr betroffen wurde.
Auch habe ich reines Alizarin mit Wasser und, um die Löslichkeit zu mehren, mit ganz
wenig Weingeist in Lösung gebracht, etwas Traubenzucker und Hefe zugesetzt und es
zur Gährung gestellt. Nachdem es 8 Tage gegohren hatte, dampfte ich ein, zog mit
Alkohol aus und erhielt eine Lösung die alle Reactionen des Alizarins gab.
Auch durch die für die sogenannten Spaltungen angewandten Mittel war ich nicht im
Stande Alizarin in Purpurin zu verwandeln.
Ich habe einerseits eine schwach mit Schwefelsäure versetzte weingeistige
Alizarinlösung, andererseits eine alkalisch-weingeistige Alizarinlösung etwa
8 Tage auf einem Dampfbade erwärmt, und konnte nach dieser Zeit nichts entdecken,
was auf Umwandlung des Alizarins in Purpurin schließen ließe.
Obgleich ich meine Versuche über die Umwandlung nicht als solche betrachten möchte,
welche diese Frage abschließen, da sie vielleicht Variationen von besserem Erfolg
zulassen, so muß ich mich dennoch einstweilen der Meinung hingeben, daß bei der
Gährung des Krapps im Fasse, wie bei der künstlich eingeleiteten zur
Krappblumenfabrication und bei der Behandlung mit Säuren, der Garancinfabrication,
wie endlich wahrscheinlich bei der Fabrication des in England so geheißenen Pincoffin's (durch Dämpfen), der wesentlichste Vorgang
die Spaltung des Rubians (Schunck) oder der
Ruberythrinsäure (Rochleder) und die gleichzeitige
Bildung von Alizarin und Purpurin sey, nicht aber die theilweise Umwandlung von
Alizarin in Purpurin.
Endlich was die von Schiel angegebene Umwandlung von
Purpurin in Alizarin durch Sublimation betrifft, so muß ich dem Widerspruch Wolff's und Strecker's
beistimmen, daß reines Purpurin ein Sublimat gibt, welches sich durchaus wie
unverändertes Purpurin verhält.
II. Der gelbe Farbstoff des
Fisetholzes.
Das Fisetholz, auch ungarisches Gelbholz oder junger Fustik genannt, ist das von
Rinde und Splint befreite Kernholz des Perückensumach, rhus
cotinus, und kommt aus Dalmatien, Ungarn, Illyrien, Südtyrol, Spanien,
meist in kurzen knorrigen Knüppeln in den Handel. Seit Chevreul hat Niemand sich mit dem Farbstoff dieses nicht unwichtigen
Farbmaterials befaßt; es wurde in der Praxis in ähnlichem Sinne wie das Gelbholz
(morus tinctoria) gebraucht, obschon man schon lange
auf den Unterschied mehrerer Reactionen, welche die Abkochungen der beiden Holzarten
liefern, aufmerksam wurde. Chevreul unterscheidet 1)
einen gelben Farbstoff, den er Fisettin (auch Fisettinsäure) nannte, und beschreibt
denselben als aus gelben krystallinischen Nadeln bestehend, 2) einen rothen
Farbstoff, von welchem er aber unentschieden läßt, ob dieß ein präexistirender
Körper oder nur das veränderte Fisettin sey.
Wird der Rückstand, welcher nach dem Abdampfen des wässerigen Extractes des
Fisetholzes bleibt, mit starkem Weingeist behandelt, bis dieser fast farblos
abläuft, so bleibt eine Masse zurück, die sich größtentheils mit bräunlichrother
Farbe in Wasser löst; sie enthält den rothen Farbstoff, auf dessen Untersuchung
vorläufig nicht eingegangen wurde. Die weingeistige Lösung liefert nach dem
Concentriren, auf Zusatz von Wasser, eine gelbe Fällung von krystallinischem
Aussehen. – Es diente zur Darstellung dieses gelben Farbstoffs der blaßgelbe
Bodensatz, der sich in mehreren Flaschen käuflichen Fisetholzextractes, dessen
Reinheit unzweifelhaft war, in einige Linien hoher Schichte gebildet hatte.
Hr. Mylius aus Frankfurt a. M. sammelte diesen aus kleinen
Nädelchen bestehenden Bodensatz auf Leinen und preßte ihn, nachdem er einige Zeit
mit kaltem Wasser gewaschen war, ab. Der Preßrückstand wurde mit Wasser zweimal
ausgekocht und heiß filtrirt. Was sich nach dem Erkalten ausschied, wurde mit stark
verdünnter Salzsäure längere Zeit erhitzt und das beim Erkalten Ausgeschiedene auf
einem Filter gesammelt und gut ausgewaschen, um von Salzsäure zu befreien.
Der Rückstand wurde aufs neue in heißem Weingeist aufgenommen, filtrirt, mit Wasser
versetzt und stehen gelassen. Es war am Boden der Schale ein blaßgelber Niederschlag
zu sehen, der aus feinen Nadeln bestand; da sich derselbe beim Trocknen in höherer
Temperatur an den Rändern grünlich färbte, wurde er mehrmals in Weingeist gelöst und
mit Wasser gefällt, bis diese Erscheinung sich in nur noch sehr unbedeutendem Maaße
zeigte. Der Körper, welcher so erhalten wurde, besteht aus feinen gelben
Krystallnadeln, deren Lösung mit Bleizuckerlösung einen hochorangerothen
Niederschlag gibt. Nach längerem Trocknen bei 110° C. im Luftbad wurde, eine
Elementaranalyse gemacht. Es lieferten 0,262 Grm. Substanz 0,0950 Grm. Wasser und
0,580 Grm. Kohlensäure; dieß entspricht in 100 Theilen C = 60,32, H = 3,99.
Die Krystallform, die Farbe, die geringe Löslichkeit in Wasser, die Leichtlöslichkeit
in Alkohol, die charakteristische Reaction auf Bleizucker und endlich die
Zusammensetzung lassen keinen Zweifel, daß dieser Körper Quercetin sey, für welches
Stein als Mittel von fünf Analysen fand C = 59,664
Proc., H = 3,942 Proc.
Die Sache wäre insoweit, wie ich glaube, vollkommen aufgeklärt; eigenthümlich ist
jedoch, daß diese Substanz, gelöst und mit einem Alkali versetzt, schnell roth wird
und daß die Fällung derselben mit Zinnchlorür mehr orange ist, während das Quercetin
aus Quercitrin und Gelbbeeren u.s.w. eine mehr weingelbe Fällung erzeugt.
Ich schreibe dieß schwer davon trennbaren Spuren des rothen Farbstoffes zu, über
dessen Natur ich hoffe, bald Bericht geben zu können. Absichtlich habe ich den aus
dem wässerigen Extract gebildeten Absatz mit verdünnter Salzsäure behandeln lassen,
wodurch Spaltung erfolgen mußte, wenn etwa ein Glucosid in dem Holz präexistirt,
weil ich in die gegenwärtig bestehende Discussion über Quercitrin, das Stein'sche MelinIch bedaure, den Namen Melin für nicht ganz wohlgewählt halten zu können, es
sind Verwechslungen möglich: – μέλας heißt schwarz, Mellon
heißt ein davon ganz verschiedener Körper u.s.w., warum nicht Phytoxanthin
oder Phytochrhrysin, die directer bezeichnend und wegen der Verbreitung
desselben im Pflanzenreich gerechtfertigt wären., Morin u.s.w., die zwischen Stein und Hlasiwetz waltet, nicht einsprechen wollte. Es war mein
nächster Zweck zu constatiren, daß das Quercetin, das in so vielen in der Färberei
gebrauchten gelben Farbmaterialien fertig gebildet ist oder durch Spaltung daraus
gewonnen werden kann, auch in diesem Holze auftritt.
III. Ueber die vermuthete Identität des
Safflorgelb und des sogenannten Melins (Rutinsäure).
Stein bemerkt in seiner AbhandlungProgramm der Dresdener polytechnischen Schule S. 14. über die gelben, mit Quercitrin nach den Einen identischen, nach ihm nur
verwandten sehr verbreiteten gelben Farbstoffe, für welche er den Namen Melin
vorschlägt, Folgendes: „Wenn man erwägt, daß die gelbe Farbe des Strohs
übrig bleibt,
nachdem die grüne Farbe des jungen Stengels verschwunden ist, so scheint es kaum
zweifelhaft, daß das Melin, oder ein Glied der Melingruppe, die Grundlage des
Phytochlors bildet und daß das Gelb der herbstlichen Blätter entweder mit dem
Strohfarbstoffe identisch ist, oder doch ebenfalls zur Melingruppe gehört.
Dadurch gewinnt aber diese noch mehr an Interesse und Wichtigkeit, die kaum
erhöht werden kann durch Hinzufügung des Safflorgelbs, des Morindins, des Morindons und des Gentianins, welche ganz
unzweifelhaft hierher gehören. Das Erstere ist nach
Schlieper's Analyse offenbar unkrystallisirtes
Melin.“...
Die Angabe Schlieper's,Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LVIII S. 359. daß die wässerige Lösung des Safflorgelbs nicht lange an der Luft stehen
kann, ohne eine Veränderung zu erleiden, indem sich alsbald eine in Wasser
unlösliche, dagegen in Alkohol lösliche Materie absetzt, hatte ich mehrmals als
richtig zu erkennen Gelegenheit gehabt. Da weder die Löslichkeit in Wasser, noch die
Veränderlichkeit der wässerigen Lösung an der Luft mit den Eigenschaften des
Pflanzengelbs, das in der Raute, den Gelbbeeren, dem Sanddorn, Kappern u.s.w.
aufgefunden worden ist, stimmt, habe ich einen Prakticanten in meinem Laboratorium,
Hrn. v. Zintl aus Prag, aufgefordert, den gelben
Farbstoff des Safflors nach Schlieper's Vorschrift
darzustellen und dessen Eigenschaften genauer zu ermitteln. Schlieper hat nur eine Analyse eines Bleiniederschlags gemacht und als
mittleren Bleioxydgehalt darin gefunden 63,57 Proc.
Die nach Schlieper's Vorschrift erhaltene Bleiverbindung
zeigte einen Bleioxydgehalt von 62,5. Ich hielt es für das am leichtesten zum Ziele
führende Mittel die beiden Farbstoffe mit einander zu vergleichen, daß die Spaltung
versucht werde. Das längere Zeit mit verdünnter Säure behandelte und wieder von
Säure befreite gelbe Pigment gab nach der Concentration einen schmutzig braungrünen
Absatz, der sich unter dem Mikroskop als kleine unregelmäßige Körnchen erwies und
keine Andeutung von Krystallisation zeigte.
Die Flüssigkeit ließ keine Spur von Glucose durch die Kupferreaction entdecken. Der
wieder gelöste bräunliche Farbstoff lieferte mit Thonerde- und Zinklösungen
schmutzige, mehr grünbraune als gelbe Niederschläge. Die für das Quercetin so sehr
charakteristische Bleireaction, der orangerothe Niederschlag, blieb ebenfalls
aus.
Wenn demnach als Grundlage der Annahme, daß Safflorgelb und Phytomelin identisch seyen, nur
die Aehnlichkeit der Zusammensetzung übrig bleibt, so ist dieser bei Körpern, deren
Aequivalent aus Verbindungen nicht bestimmt werden kann, und zumal bei
Kohlehydraten, wohl weniger Gewicht beizulegen. Die beiden Farbstoffe sind
jedenfalls nicht identisch.
IV. Ist die Rufimorinsäure identisch mit
Carminsäure?
R. Wagner spricht sich in seiner AbhandlungJournal für praktische Chemie, Bd. LII S. 450. über die Farbstoffe des Gelbholzes dahin aus, daß die von ihm durch
Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure auf Moringerbsäure erhaltene
Rufimorinsäure, deren procentische Zusammensetzung (im Mittel von drei Analysen C =
54,43, H = 4,45 Proc.) derjenigen der Carminsäure (nach Warren
dela Rue im Mittel von 2 Analysen C = 54,13, H = 4,62 Proc.) sehr nahe
kommt, mit der letztern identisch sey. Ich habe, um über diese Ansicht Aufklärung zu
gewinnen, durch den II. Assistenten des technischen Laboratoriums, Hrn. O. Meister, sowohl Rufimorinsäure nach Wagner's Vorschrift als Carminsäure nach de la
Rue's Methode darstellen lassen. Die Elementaranalysen wurden nicht
gemacht, da angenommen werden darf, beide Säuren seyen in dieser Beziehung
hinlänglich genau erforscht.
Wagner's eigene Angabe, daß die Rufimorinsäure durch
Kochen mit wässerigem Kali oder Baryt wieder in Moringerbsäure umgewandelt werden
könne, und daß selbst die ruhig stehenden alkalischen Lösungen durch Luftberührung
nach längerer Zeit ihre Farbe verlieren, hatte schon längst in mir Zweifel über die
Identität beider Säuren erweckt.
Die beiden Körper sind übrigens, wie ich zeigen werde, in ihrem Gesammtverhalten so
sehr von einander verschieden, daß die Meinung Wagner's
nicht adoptirt werden darf.
Derselbe vermuthet, der Unterschied der Löslichkeit beider in Wasser lasse sich
darauf zurückführen, daß die Carminsäure nur in Folge geringer beigemengter
Ammoniakspuren löslicher sey als die Rufimorinsäure, die in Wasser wenig, nach
Zusatz einiger Tropfen Ammoniak aber leicht löslich sey. Dieß ist darum unrichtig,
weil in Wasser gelöste Carminsäure auch nach Zusatz von einigen Tropfen Salzsäure
gelöst bleibt. Ammoniak verändert die wässerige Carminsäurelösung in Violett,
während die Rufimorinsäure rein roth bleibt.
Es gibt:
in Carminsäurelösung
in Rufimorinsäurelösung
Barytwasser
einen violettrothenNiederschlag.
einen schmutzigrothenNiederschlag.
Bleizucker
einen violettrothenNiederschlag.
einen schmutzigrothenNiederschlag.
Zinnchlorid
einen ponceaurothenNiederschlag.
einen braunrothenNiederschlag.
Essigsaure
Alaunerde
einen carmoisinrothenNiederschlag.
einen schmutzigbraunenNiederschlag.
Doppelt- chromsaures Kali
eine bräunlicheFärbung.
eine rothbrauneFärbung.
Die Niederschläge der Rufimorinsäure würden sämmtlich in der Färberei oder dem
Zeugdruck, da sie alle etwas Mißfarbiges haben, nicht zu gebrauchen seyn.