Titel: | Ueber die Verwendung des Gußstahlblechs zu Locomotivkesseln; von Couche, Oberingenieur und Professor an der Bergschule zu Paris. |
Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. XXI., S. 109 |
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XXI.
Ueber die Verwendung des Gußstahlblechs zu
Locomotivkesseln; von Couche, Oberingenieur und Professor an der Bergschule zu
Paris.
Aus den Annales des mines, t. II p. 419; durch das
polytechnische Centralblatt, 1863 S. 1118.
Couche, über die Verwendung des Gußstahlblechs zu
Locomotivkesseln.
Die Verwendung des Gußstahlblechs zu Dampfkesseln ist offenbar vortheilhaft,
besonders bei Locomotiven. Die französische Verordnung (vom 26. Juli 1861) gestattet
bei der gesetzlich zulässigen Blechstärke einen größeren Kesseldurchmesser, daher
eine größere Heizfläche und kräftigere Dampfentwickelung als bei Eisenblech; bei
gleicher Triebkraft wird ferner das Gewicht des Motors, die Belastung jeder Achse
geringer. Die Feuerbüchse läßt sich bei Verwendung von Gußstahlblech vortheilhafter
aus getriebenen ebenen Platten herstellen, da sich der Stahl seiner Zähigkeit wegen
besser für diese Arbeit eignet, obschon dieselbe weniger leicht, als bei Eisen
ausführbar ist, weil der Stahl in verhältnißmäßig niedriger Temperatur bearbeitet
werden muß. Uebrigens halten erfahrungsmäßig auch die Wände ganz gut, welche auf der
einen Seite mit dem Wasser, auf der anderen mit dem Feuer in Berührung sind; daher
empfiehlt man das Gußstahlblech besonders für die dem Feuer unmittelbar ausgesetzten
Stellen der Dampfkessel. Doch zeigen sich die Vortheile des Gußstahls minder
deutlich an der Feuerbüchse, als an dem cylindrischen Kesselkörper. Bei ebenen
Platten hat man nämlich nur in geringerem Grade Vortheil von der größeren Festigkeit
des Metalls, einmal weil bei Beanspruchung der Biegungsfestigkeit die Blechdicke nur
im umgekehrten Verhältniß der Quadratwurzel aus dem Festigkeitscoefficienten
vermindert werden darf, und dann weil man mit der Blechstärke nicht unter eine
bestimmte Grenze herab gehen darf, da das Blech die Schraubenmutter für die
Stehbolzen bildet und deren Halt, wenn ein Nietkopf verletzt ist, wesentlich von der
Zahl der in der Mutter enthaltenen Schraubengänge abhängt.Man würde die Blechstärke noch geringer machen können, wenn man schwächere,
aber mehr Stehbolzen anbringt. Die Amerikaner machen die Kessel aus sehr
gutem Eisenblech, und gehen in der Dicke der Außenwand und der Seitenwände
der Feuerbüchse ohne Bedenken auf 5/16 und selbst 1/4 engl. Zoll herab; die
Röhrenwand hat nur 1/2 bis 3/8 Zoll; die eisernen Stehbolzen haben 19
Millimeter Durchmesser und sind 4 Zoll von einander entfernt. Solche
Kessel arbeiten mit 9 Atmosphären Dampfdruck. Die Amerikaner sehen, und mit
Recht, in der geringen Dicke des Blechs einen Schutz gegen das Verbrennen
desselben.
Ueber die beiden Versuche in Frankreich, nämlich auf der Ostbahn und auf der Bahn von
Paris nach dem Mittelmeer berichten die betreffenden Ingenieure Vuillemin und Delpech
folgendermaßen:
1) Versuch auf der Ostbahn. – Während des
Krimkrieges und nach demselben war kein gutes russisches Kupfer zu haben; die
Ostbahncompagnie versuchte daher die inneren Feuerbüchsenwände anstatt aus
Kupferblech aus Gußstahlblech herzustellen und selbst das Eisenblech der äußeren
Feuerbüchsenwände durch Gußstahlblech zu ersetzen. Als sie 1858 einige
Güterzuglocomotiven in ihren Werkstätten zu Epernay bauen mußte, beschloß sie daher,
für die sämmtlichen Feuerbüchsenwände der einen Gußstahl zu verwenden. Diese
Locomotive wurde Ende 1858 fertig und kam am 4. Januar 1859 in den Dienst. Der
Erfolg hat bezüglich der Feuerbüchse den Erwartungen der Compagnie nicht
entsprochen, und nach dreijährigem Dienst, innerhalb dessen die Locomotive 69765
Kilometer zurückgelegt hatte, mußte die gußstählerne Feuerbüchse im December 1861
durch eine kupferne ersetzt werden. Die Bleche der äußeren Feuerbüchsenwand waren 11
Millim., die an der Rückwand, der Decke und den Seitenwänden der inneren Feuerbüchse
12 Millim. dick; die Stirnplatte für die Siederöhren überall 17 Millim.; das
Eisenblech des cylindrischen Kesselkörpers war 12 Millim. dick. Die äußeren Wände um
die Feuerbüchse herum haben sich sehr gut gehalten und sind noch heute im besten
Stande. Während der drei Jahre waren an der Feuerbüchse mehrere bedeutende
Reparaturen nöthig; so wurden die eisernen Röhren schon am 11. März 1859 nach dem
Durchlaufen von 5736 Kil. durch messingene ersetzt; namentlich hielten auch die
Ringe der Röhren nicht gut an der dünnen Stirnplatte (17 Millim., anstatt 25 Millim.
bei Kupfer). Das angewendete Gußstahlblech war zu spröde; auch bekam es Risse,
zuerst an den Ecken der Feuerbüchse und dann am Rand der Löcher für die Stehbolzen;
auf die Bruchstellen wurden sehr sorgfältig Eisenstücke aufgelegt, allein nach
Verlauf einer gewissen Zeit wurden durch den Wechsel der Ausdehnung und
Zusammenziehung die Nieten locker und es gieng Dampf durch.
Sicher kann man aus sehr dehnsamem Gußstahl, wie etwa dem von Krupp, gute Feuerbüchsen herstellen, wenn man die Stirnplatte an der
Stelle, wo die Röhren einmünden, verstärkt; jetzt aber, wo man gutes Kupfer haben
kann, wird man keine Versuche mit einem anderen Metall machen, so lange der
Einkaufspreis nicht sehr verschieden, die Bearbeitung des einen und des anderen
Metalls die nämliche, und außerdem das Kupfer nach dem Gebrauche noch 2/3 vom
Ankaufspreise kostet, während der Werth des alten Stahls fast gleich Null ist.
2) Versuch auf der Bahn von Paris nach dem Mittelmeer.
– Die seit drei Jahren Dienst thuende Feuerbüchse hat in dieser Zeit etwa
100000 Kil. durchlaufen, befindet sich in gutem Zustande, kein Riß hat sich gezeigt,
aber sie ist stets in der Haud desselben Locomotivführers gewesen und man hat beim
Einfahren in das Maschinenhaus nie das Feuer ganz heraus genommen, damit sie stets
langsam erkalten konnte. Diese wirklich nothwendige Vorsichtsmaßregel würde bei
einer großen Zahl von Locomotiven lästig seyn.
Der erste Versuch ist also mißlungen, der zweite gelungen, freilich unter besonderen,
von der Klugheit gebotenen, vielleicht aber überflüssigen Vorsichtsmaßregeln. Die
verschiedenen Resultate erklären sich wenigstens zum großen Theil aus den
ungünstigen Bedingungen, unter denen der Versuch auf der Ostbahn angestellt wurde,
d.h. besonders aus der Sprödigkeit des Gußstahlblechs und aus der zu geringen Dicke
der Stirnplatte, welche nur 17 Millim. dick war, während sie in der Feuerbüchse der
Lyoner Maschine 20 Millim. Dicke hatte. Die Wand mit der Thür und die Außenwände
hatten in beiden Fällen eine Dicke von 12 Millim.
Der erste Schluß, den man aus diesen Thatsachen ziehen kann, ist in Einklang mit dem
(im polytechn. Journal Bd. CLXIV S. 3
mitgetheilten) Bericht von Combes, Lorieux und Couche, der die Grundlage für die ministerielle
Verordnung vom 26. Juli 1861 bildet. Feuerbüchsen aus hinreichend weichem Stahlblech
leisten, wie die Locomotive auf der Mittelmeerbahn beweist, sehr gute Dienste. Wenn
man selbst für Stahlblech und für Kupferblech gleiche Dicke voraussetzt, würde die
Ersparniß beim ersteren nicht zu verachten seyn, vorausgesetzt daß es, was nicht
zweifelhaft zu seyn scheint, ebenso lange Zeit dienstfähig ist, wie das zweite. Am
wichtigsten aber bleibt die unbestritten vortheilhafte Anwendung des Gußstahls zu
den cylindrischen Kesselwänden; die Compagnien der Orleans- und der
Süd-Bahn haben sie angenommen; sie wenden Gußstahl für die Kessel der
Locomotiven mit acht gekuppelten Rädern und besonderem Tender an, die sie bei Cail u. Comp. bauen lassen und welche die zweite der
genannten Gesellschaften an Stelle der gekuppelten sechsräderigen Engerth'schen Maschinen setzt.Diese Maschinen haben 209,5 Quadratmeter Heizfläche und wiegen leer 37,5
Tonnen.
Bis jetzt legt man in Frankreich die Unnaturen, an denen die obere Wand der
Feuerbüchse hängt, der Länge nach. Obgleich so die ganze Last auf die Thürwand und
die Stirnplatte kommt, war diese Anordnung bei Maschinen von mittlerer Kraft
zulässig. Mit der Vergrößerung der Dimensionen und vorzüglich der Länge der
Feuerbüchsen, mit der gleichzeitig der Dampfdruck größer wurde, wuchs um so mehr der
auf jene Wände übertragene Druck, selbst in gefahrdrohender Weise. Daher haben die
Amerikaner schon seit mehreren Jahren die Armaturen querüber gelegt und so auf die
breiteren und stärkeren Seitenwände gestützt. Cail ist
noch einen Schritt weiter gegangen; er verlängert die querüber liegenden Armaturen,
so daß sie sich nicht mehr auf die Seitenwände der Feuerbüchse stützen, sondern auf
fest an die äußere Wand angenietete Tragrippen. So empfängt die äußere Wand den
Druck unmittelbar, den sie seither erst durch Vermittelung der Feuerbüchse erhielt.
Die verticalen Wände der Feuerbüchse und der untere Verbindungsrahmen sind von dem
bedeutenden Drucke frei, den sie in Kesseln gewöhnlicher Construction aushalten
müssen. Der größere Theil der Explosionen in den letzten Jahren war dadurch
veranlaßt, daß eine der Feuerbüchsenwände dieser ungeheuren Last nachgab, was
unvermeidlich ist, wenn einige Stehbolzen nachgeben. Daher werden ohne Zweifel die
amerikanische Anordnung und besonders die sinnreiche von Cail eingeführte Abänderung die Explosionen viel seltener machen.