Titel: | Ueber die chemische Bleiche der leinenen Garne unter Vacuum im englischen Patent-Ueberguß-Apparat; von C. Sprengel. |
Autor: | C. Sprengel |
Fundstelle: | Band 168, Jahrgang 1863, Nr. CXIX., S. 450 |
Download: | XML |
CXIX.
Ueber die chemische Bleiche der leinenen Garne
unter Vacuum im englischen Patent-Ueberguß-Apparat; von C. Sprengel.
Sprengel, über die chemische Bleiche der leinenen Garne unter
Vacuum im englischen Patent-Ueberguß-Apparat.
Da es für Manchen von nicht geringem Interesse seyn wird, gerade aus der Praxis
hierorts Specielles über die Manipulationen und den Erfolg des in Deutschland fast
neuen Bleichverfahrens der Leinengarne zu erfahren, entschloß ich mich, nachstehende
Daten der Oeffentlichkeit zu übergeben.
Die Bleichanstalt, mit deren technischen Leitung ich seit Eröffnung des Betriebes
betraut bin, und welche streng nach irländischem System und Modell erbaut ist,
besitzt zwei Patent-Ueberguß-ApparateMan s. die Beschreibung dieses Bleichapparates im Jahrgang 1861 des
polytechn. Journals, Bd. CLXII S.
356. A. d. Red. von 4' Durchmesser und 4' Höhe, und zwei dergleichen größere von 5 3/4'
Durchmesser und 5' Höhe. Diese Apparate sind von Gußeisen, haben eine cylindrische
Form und sind im Innern mit aneinander gelötheten Bleiplatten und einer darüber
befindlichen Holzbekleidung ausgesetzt. Am Kessel befinden sich im Deckel und Boden
Löcher, an welche Bleirohre geflantscht sind. Letztere sind mit Plattenventilen
versehen und münden in die unter den Kesseln befindlichen Cisternen, wovon eine mit
Chlorkalklösung, die andere mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt ist. Ferner ist an
den Kesseln ein Wasserstandsanzeiger, ein Luftventil, ein Manometer, eine durch
einen Hahn abstellbare Verbindung mit der Luftpumpe und eine andere mit dem
Wasserreservoir, sowie ein Fahrloch mit dazu gehörigem Deckel angebracht. Das Fahr- oder
Mannloch, durch welches das Einlegen und Herausnehmen der Garne geschieht, wird
durch einen Deckel und einen Falz, in welchem sich ein Kautschukring befindet,
hermetisch verschlossen. Sämmtliche fünf Ventile eines Kessels sind durch
Gelenkketten und Drähte an einem Register befestigt und lassen sich so mit
Bequemlichkeit handhaben, ohne daß Irrungen leicht vorkommen können. In diesen
Kesseln geschieht also das Imprägniren der Garne mit Bleichflüssigkeit und das
nachherige Behandeln mit verdünnter Schwefelsäure.
Die kleineren Bleichkessel werden mit 3–400 Pfd., die größeren mit
6–700 Pfd. Garn beschickt.
Zum Auskochen der Garne mit kohlensaurer oder caustischer Alkalilauge dienen zwei
Kessel von Gußeisen mit falschen Böden, einem Ablaßhahn und Deckel mit Löchern zum
Ausstoßen des überschüssigen Dampfes und Schaumes versehen, wovon letzterer durch
einen hervorragenden Rand wieder in die Kessel zurückgeführt wird. Jeder Kessel wird
mit 12 bis 1400 Pfd. Garn angefüllt.
Auch die Bleichkessel sind, mit einer Dampfleitung verbunden, zum Kochen geeignet; da
dieselben in der Beschaffung jedoch theurer als die Kochkessel sind, so bedient man
sich der letztgenannten mit größerem Vortheil und ist alsdann in der Lage, die
Bleichkessel lediglich zum Proceß des Bleichens benutzen zu können. Geschieht indeß
das Kochen in den Bleichkesseln, so kann dieß unter einigen Pfunden Ueberdruck
geschehen. Es haben aber wiederholte Versuche keinen wesentlichen Vortheil darin
kund gegeben.
Zum Waschen der Garne bedient man sich hier einer Maschine mit horizontallaufenden
Walzen, über welcher dasselbe im Wasser hängt.
Behufs Vertrocknung der Garne sind zwei, in ihren Leistungen vorzüglich gute
Centrifugalmaschinen (Hydroextractor), aus der Maschinenfabrik von Alb. Fesca und Comp. in Berlin, in
Thätigkeit. Da es beim Laden der Trommel selbst dem geschicktesten Arbeiter nur
selten gelingt – namentlich wenn Garne von verschiedenen Nummern in Arbeit
sind – dieselbe überall gleichmäßig zu beschweren, wodurch ein unruhiger Gang
unvermeidlich ist, so verdient erwähnt zu werden, daß Hr. Fesca diesen Uebelstand dadurch beseitigt hat, daß er einen selbstthätigen
Regulator zum Ausgleichen dieser Gewichtsdifferenzen angebracht hat, welcher seinem
Zwecke vollständig entspricht, wenn die Ungleichheit nicht über einige Pfunde
beträgt. Jeder Apparat macht per Minute 12–1500
Umdrehungen und wird mit 130–150 Pfd. Garn beschwert.
Beim Beginn des Betriebes war ein von England aus gelieferter Hydroextractor zu gleichem
Zwecke in Anwendung, welcher indeß so unvollkommen in seiner Construction und
Leistung sich erwies, daß oftmalige dadurch veranlaßte Störungen im Betriebe und
nicht endende Reparaturen es nothwendig machten, an seiner Statt zwei Fesca'sche Centrifugen aufzustellen, zumal ein
Erweiterungsbau der Fabrik die Production um mehr als das doppelte Arbeitsquantum
steigerte.
Noch muß ich voranschicken, daß ein Dampfkessel die Dämpfe für das Auskochen, Waschen
der Garne und für eine kleine Dampfmaschine, an welcher sich die Luftpumpe befindet,
liefert. Der von der Maschine verbrauchte Dampf wird in die Trockenstube geleitet,
wo er durch Circulation in Röhren zur Beheizung dient.
Kleine, aber dennoch auf die Resultate der Bleichoperationen influirende, sowie in
der Amortisation sehr wesentliche Mängel der Bleichkessel abgerechnet, thun
dieselben ihre Schuldigkeit. Sie liefern bei erfahrungsmäßigem Arbeiten ein schön
weißes und gut conservirtes Garn.
Der gute Gang und Erfolg der Bleichoperationen hängt auch hier lediglich davon ab,
die Kriterien der verschiedenen Stadien durch Erfahrung genau kennen gelernt zu
haben und hiernach die Stärke der anzuwendenden Chemikalien und den Turnus mit
Rücksicht auf die Beschaffenheit und Feinheit des Rohstoffes zu bestimmen. Man wird
dann stets eine tadelfreie Waare erzielen.
Die Hauptvortheile dieses Systems bestehen darin, daß bei Abwesenheit der Luft die
moleculare Attraction durch die Wirkung der Capillarität bedeutend vermehrt wird,
die Ingredienzien in Folge dessen intensiver und vollkommener wirken, daher
schwächer angewendet eine Ersparniß bieten und – selbst aus theoretischen
Gründen – ein besser conservirtes Garn liefern, endlich eine größere
Production in derselben Zeit ermöglicht ist.
Ich hielt es für nöthig, die Beschreibung der Fabrikeinrichtung vorauszuschicken und
werde nunmehr die Procedur des Bleichens in kurzen Umrissen folgen lassen, da
dieselbe insofern mit den anderen Methoden übereinstimmt, als ja auch hier dieselben
Ingredienzien Anwendung finden. Warum gerade so und nicht anders unter Umständen
operirt wird, läßt sich im Allgemeinen nicht in bestimmte Gesetze fassen. Alles
hängt ja auch hier von den obwaltenden Umständen ab und variirt von einem Extrem in
das andere.
Die Arbeit zerfällt in folgende Abtheilungen:
A das Reinigen d.h. das Löslichmachen der Fette und sonstigen
Verunreinigungen der Faser durch Kochen der Garne in Alkalien, wodurch jene
Substanzen in Wasser lösliche Verbindungen bilden und alsdann durch Waschungen
leicht zu entfernen sind, so daß die Faser nun der Bleichflüssigkeit leichter
zugänglich ist.
B das Bleichen, d. i. die Einwirkung der Bleichflüssigkeit auf die
Farbstoffe und
C die Behandlung mit verdünnter Säure zur Zersetzung der zurückgehaltenen
bleichenden Chlorverbindungen, und die nachherige Entfernung dieser sowie der
oxydirten Farbstoffe mittelst nochmaliger Waschungen.
Hierauf beruht hauptsächlich das ganze Verfahren mit dem Unterschiede, daß die
Operationen sich der Reihenfolge nach oder in anderer Combination als hier
angegeben, wiederholen müssen, um die richtige Weiße und die sonst erforderlichen
Eigenschaften des Productes zu erlangen.
Wo die Fixbleiche durch die Naturbleiche unterstützt werden kann, ist das Resultat
ein noch günstigeres.
A. Zunächst wird also das rohe Garn in der auf das
Halbweiße Garn gebrauchten Lauge über Nacht eingeweicht. Am andern Morgen wird diese
Lauge durch frische ersetzt und 4–8 Stunden darin gekocht. Ist dieß
geschehen, so läßt man die stark gefärbte Lauge durch den am Boden des Kessels
befindlichen Hahn ablaufen, kühlt mit Wasser ab und wäscht das Garn auf der Maschine
rein. Alsdann bringt man es in den Centrifugalapparat und aus diesem in den
Bleichkessel.
B. Sobald der Kessel seine Füllung hat, wird das
Mannloch geschlossen, durch welches das Einlegen – mit der Vorsicht, daß
gleichmäßige Vertheilung und lockeres Aufeinanderschichten beobachtet wird –
geschehen ist, dann der Hahn, durch welchen die Verbindung mit der Luftpumpe
regulirbar ist, geöffnet und ein Vacuum von 24–28'' Quecksilbersäule
hergestellt. Hernach wird der Hahn geschlossen, die Luftpumpe abgestellt und das
betreffende obere und untere Ventil aufgezogen, damit die Chlorflüssigkeit das Garn
durchdringt. Nach Verlauf von 5–20 Minuten wird dann die Bleichflüssigkeit,
nachdem das Luftventil geöffnet ist, durch das untere Ventil in die Cisterne
zurückgeführt und nachdem nun sämmtliche Ventile wieder geschlossen sind, das
Imprägniren des Garns mit der Chlorflüssigkeit noch 1–3mal oder so oft in der
eben angegebenen Weise wiederholt, bis die für das erste Stadium des Bleichens
erforderliche Weiße erlangt ist. Nun wird der Inhalt des Kessels, wie auf einem
Filtrum, drei bis viermal mit Wasser ausgesüßt und in derselben Art, wie das Chloren
geschehen ist, folgt nun die Behandlung des Garns
C mit der Säure.
Nachdem darauf wieder Wasserwaschungen im Kessel erfolgt sind, ist die erste
Bleichoperation beendet und das Garn ist halbweiß. Um das Garn indeß vollweiß
herzustellen, muß man dasselbe den eben beschriebenen Proceduren, Kochen, Chloren
und Säuren nochmals unterwerfen, nur mit dem Unterschiede, daß man die Ingredienzien
jetzt schwächer anwendet und die Zeit der Einwirkung auch nach Umständen verkürzt
wird.
Eine schönere Weiße wird mit weniger Mühe erlangt, wenn das Garn, wenigstens bei der
zweiten Bleichoperation, vor der Behandlung mit Säure circa acht Tage auf dem Rasen ausgelegt und alle zwei Tage umgewendet
wird, und nun erst das Säuren und nachherige Waschen im Kessel und in der
Waschmaschine den Schluß der zahlreichen Manipulationen macht, da es im anderen
Falle nicht immer gelingt, alle Garne schon weiß genug zu bekommen, so daß manchmal
noch eine dritte Behandlung mit Bleichflüssigkeit sich als nothwendig
herausstellt.
Ich habe mich jeder Erklärung der beim Bleichen auftretenden chemischen Processe
enthalten, und beziehe mich in dieser Hinsicht auf die bekannte Literatur. Ebenso
konnte es auch nicht in meiner Absicht liegen, eine Parallele vorbenannter mit
anderen Methoden zu ziehen, sondern ich beschränkte mich darauf, das Resultat dieses
Verfahrens aufzuzeichnen, wornach jeder Fachmann sich das Urtheil selbst bilden
kann.
Meinerseits kann ich aus Ueberzeugung noch hinzufügen, daß bei erfahrungsmäßiger
Arbeit eine Waare geliefert werden kann, welche nicht nur in Bezug auf die Weiße,
sondern auch hauptsächlich in der Haltbarkeit nichts zu wünschen übrig läßt.
Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß ich mich bei der so sehr verschiedenen
Beschaffenheit des Flachses etc. jeder Angabe bezüglich der Stärke der anzuwendenden
Chemikalien enthalten mußte, da dieselbe, wie bereits erwähnt, aus einem Extrem in
das andere greift und jedesmal den gegebenen Verhältnissen angepaßt werden muß.