Titel: | Ueber Dr. Alfred Vogel's optische Milchprobe; von Dr. W. Casselmann. |
Fundstelle: | Band 168, Jahrgang 1863, Nr. LXV., S. 226 |
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LXV.
Ueber Dr. Alfred Vogel's optische Milchprobe; von Dr. W. Casselmann.Vom Verfasser aus den Mittheilungen für den Gewerbeverein des Großherzogthums
Nassau, 1863 Nr. 7, eingesandt. A. d. Red.
Casselmann, über Vogel's optische Milchprobe.
Dr. Alfred Vogel hat in
einer, bei Enke in Erlangen erschienenen Broschüre eine
neue Methode der Milchprüfung beschrieben, welche daraus im Auszug im polytechn. Journal
Bd. CLXVII S. 62 mitgetheilt worden
ist.
Ich habe eine Reihe von Versuchen nach dieser Methode mit einem Greiner'schen Apparat ausgeführt. Die dazu benutzte Milch war, wie ich mit
Sicherheit wußte, gänzlich unverfälscht; ich verdanke sie, wie auch die betreffenden
Notizen, Hrn. Professor Dr. Dünkelberg welcher die Wirtschaftsführung auf dem zum landwirtschaftlichen
Institute in Wiesbaden gehörigen Gute (Hof Geisberg) dirigirt und die Gefälligkeit
hatte, zu überwachen, daß beim Melken die Milch jeder einzelnen Kuh auf's
vollständigste gemischt wurde.
Zunächst haben meine Versuche die Richtigkeit der von Hrn. Prof. Dr. Seidel berechneten Formel
vollkommen bestätigt, wie aus nachstehender Uebersicht hervorgeht. Es wurde nämlich
eine Milch, von welcher 6,125 Kub. Centim. (Mittel aus zwei Versuchen: 6,00 und
6,25) erforderlich waren, um 100 Kub. Centim. Wasser in der Dicke von 1/2 Kub.
Centim. undurchsichtig zu machen, welche also zufolge der Formel 4,01 Proc. Fett
enthielt, in verschiedenen Verhältnissen mit Wasser innig vermischt und mit jedem
Gemische der Versuch wiederholt.
Die dabei nothwendige Anzahl von Kubikcentimetern des Gemisches enthält die zweite
Spalte der folgenden Tabelle, die daraus nach der Formel sich ergebende Fettmenge in
100 Kub. Centim. die dritte, und die berechnete Fettmenge die vierte Spalte. Die
vollkommene Uebereinstimmung der Zahlen der beiden letzten Spalten beweist die
Richtigkeit der Formel.
Fettmenge in 100 Kub. Centimet.
Wassergehalt inVolumprocenten.
Kubikcentimeterdes Gemisches.
nachder Beobachtung.
nachder Berechnung.
10
6,875
3,60
3,61
16,6
7,5
3,32
3,34
25
8,375
3,00
3,00
33,3
9,75
2,61
2,67
50
13,75
1,91
2,00
Aus der Richtigkeit des Verfahrens, den Fettgehalt einer Milch auszumitteln, folgt
aber noch keineswegs die Anwendbarkeit desselben zur Erkennung von stattgehabter
Verdünnung, und wenn Vogel am Schlusse seiner Schrift die
Ansicht ausspricht, seine Methode würde vor allem der Sanitätspolizei in dieser
Beziehung von Nutzen seyn und jedem Privatmann das Mittel an die Hand geben, sich zu
überzeugen, daß er für sein gutes Geld auch eine gute, unverfälschte Milch bekomme,
so kann ich nicht umhin, daran in einigem Grad zu zweifeln. Der Fettgehalt der
unverfälschten Milch ist nämlich in dem Grade schwankend, daß eine Milch mit mittlerem Fettgehalt noch mit dem vierten Theile ihres
Volumens an Wasser vermischt werden kann, ohne daß das so entstehende Gemisch an
Fettgehalt den natürlichen, unverfälschten aber an Fett ärmeren Sorten nachstände.
Vogel führt (S. 25 seines Schriftchens) die Resultate
von 69 nach seiner Methode mit der Milch von fünf Kühen von Feeser ausgeführten Fettbestimmungen an, welche zwischen 4,09 und 11,83
Proc. Fett schwanken. Dieser höchste Fettgehalt, der 7mal darunter vorkommt, scheint
mir in hohem Grade auffallend. Ich finde in Vogel's
Schriftchen keine Angabe darüber, ob die Proben voll Milch genommen wurden, welche
sich nach völliger Entleerung des Euterinhaltes und gehöriger Mischung ergab, oder
ob vielleicht nur eine kleine Quantität Milch, soviel, wie zur Probe erforderlich,
dem Euter entzogen wurde. In letzterem Falle habe ich ebenfalls auffallend mehr Fett
gefunden als im ersten.
Abstrahirt man aber von diesem höchsten Fettgehalt und geht man von einem zu 6,03
Proc. aus, welcher 16mal gefunden wurde, so ergibt eine einfache Rechnung, daß zu
dieser Milch fast der vierte Theil an Wasser hinzugefügt werden kann (genau 23,8
Proc.), ehe ihr Gehalt an Fett unter 4,87 Proc. hinabsinken würde, welcher Gehalt
unter den von Vogel angegebenen Resultaten 15mal
vorkommt. Selbst der dritte Theil an Wasser würde den Fettgehalt erst auf 4,5
Procent erniedrigen, und das Gemisch somit die niedrigste der obenerwähnten Grenzen
noch nicht erreichen.
Die Resultate meiner Versuche stimmen hiermit ganz überein, wie die folgende
Uebersicht darthut.
Textabbildung Bd. 168, S. 229
Alter der Kuh, Jahre; Race der Kuh;
Sie hatte gekalbt vor Monaten; Sie gab nach d. Messung vom 1. März 1863 an Milch
täglich in Litern; Morgenmilch v. 21. März; Abendmilch vom 24. März;
Bemerkungen; Kubik.centim.; Fett-Proc.; Spec. Gew.; Halbblut Durham; War
trächtig; Halbblut Durham; Sehr fett, zum Verkauft gemästet; Holländer; Kam aus
Holland, gerade von der Weide weg, war sehr mager; Hatte vor Kurz. eine
Euterentzündung gehabt; War trächtig; Wird für nächsten Herbst gemästet
Die Angaben über das Alter der Kühe in Nr. 3 bis 7 und die seit dem Kalben von Nr. 3
verflossene Zeit sind nur als annähernde aufzufassen, da genaue Ermittelungen
darüber nicht ausführbar waren. – Die Fütterung der Kühe bestand aus
Runkelrüben, Heu, Malz und etwa 1 Pfund Oelkuchen.
Der mittlere Gehalt der untersuchten Milchsorten an Fett betrug 4,30 Proc., und wenn
man Nr. 5 wegen der kurz vorher überstandenen Krankheit ausschließt: 4,51. Eine
Milch dieses Gehalts läßt sich mit 50 Procent Wasser vermischen, ohne daß ihr Gehalt
an Fett niedriger wird als 2,81 (Nr. 4) Procent. – Unter den 12 Beobachtungen
sind 3, welche einen höheren Gehalt als 5 Proc. ergaben und eine, welche demselben
sehr nahe kommt. Vermischt man eine solche Milch mit dem dritten Theil ihres
Volumens an Wasser, so erniedrigt sich ihr Fettgehalt auf 3,75 Proc., und bei
Hinzufügung des vierten Theils auf 4 Procent. Milch von einem noch niedrigeren
Fettgehalt kommt aber unter den 12 beobachteten Fällen 4-, beziehungsweise
6mal vor.
Wenn das specifische Gewicht der verschiedenen Milchsorten mit dem zunehmenden Fettgehalt abnähme,
was freilich eine ziemliche Gleichmäßigkeit der übrigen Bestandtheile voraussetzen
würde, so ließe sich erwarten, daß durch eine Combination der Vogel'schen Probe mit der Ermittelung des specifischen Gewichtes die
Grenzen weit enger gezogen werden könnten, welche eine unverfälschte Milch von einer
mit Wasser verdünnten trennen. Man sieht aber aus obiger Zusammenstellung, welche
die durch Wägung der Milchmengen von bekanntem Volum bestimmten specifischen
Gewichte enthält, daß dieß nicht der Fall ist; im Gegentheil gehören, wenn auch
keine vollständige Regelmäßigkeit statt hat, die höheren specifischen Gewichte
meistens den fettreicheren Milchsorten an.
Aus dem Gesagten geht nun wohl hervor, daß die Vogel'sche
Milchprobe, so vortrefflich sie ist, rasch den Fettgehalt einer Milch zu bestimmen,
und so gute Dienste sie für physiologische Untersuchungen leistet, doch kein Mittel
zur Erkennung von Milchverfälschungen abgeben kann; im Gegentheil könnte man weit
eher geneigt seyn, sie in der Hand eines routinirten Milchhändlers für ein
brauchbares Mittel zur Bestimmung der Wassermenge zu halten, welche er einer
fettreichen Milch zufügen kann, ohne Gefahr zu laufen, als Milchverfälscher erkannt
zu werden.
Man sieht aus dem Obigen, daß die specifischen Gewichte der verschiedenen Milchsorten
weit weniger differiren als ihr Fettgehalt, und es möchte in der That die Prüfung
mit dem Aräometer zur Erkennung von Milchverdünnung an und für sich zwar auch
unzureichend, jedoch wenigstens ebenso sicher seyn, wie die Probe Vogel's. Zum Beleg hierfür führe ich folgende
Beobachtungen an. Die Reste der Abendmilch vom 24 März wurden sorgfältig gemischt,
und dadurch eine Milch erhalten, welche bei directer Bestimmung 1,0330 spec. Gew.
besaß, am Baumé'schen Aräometer 4°,8 und an der Milchwage 15°
zeigte. Diese zeigte nach der Mischung mit Volumtheilen:
Wasser.
Grade an derMilchwaage.
Grade Baumé.
1/10
14,5
1/8
14,0
1/5
13,5
4
1/4
12,75
1/3
12,0
1/2
10,5
3
Die dritte dieser Mischungen hatte demnach ein specifisches Gewicht von 1,0283; durch
Interpolation findet man für die fünfte 1,0247, während nach Vogel (Schrift S. 9) das specifische Gewicht der unverfälschten Milch
zwischen 1,026 und 1,035 schwanken soll. Hiernach dürfte sich in verdünnter Milch
ein Wassergehalt von mehr als 25 Volumprocenten mit der Milchwaage fast noch
sicherer als nach Vogel's Methode entdecken lassen.
Aehnliche Resultate habe ich vor einer längeren Reihe von Jahren bei Untersuchungen
mit derselben Milchwaage erhalten. Es wurde dazu die Milch von 9 verschiedenen Kühen
benutzt, die in meiner Gegenwart gemolken wurden. Dieselben standen im Alter
zwischen 4 und 8 Jahren und hatten vor 8 bis 41 Wochen gekalbt. Die Fütterung
bestand (im April) in Grummet, Heu und Oelkuchen (1 Oelkuchen, etwa 2,5 Pfund
wiegend, auf jede Kuh). Die Angaben der Milchwaage schwankten zwischen 15°,25
und 12°,5 (specifisches Gewicht = 1,0259), welche letztere Beobachtung jedoch
nur an einer Milchsorte gemacht wurde, während bei allen übrigen die niedrigste
Angabe 13°,5 war. – Eine dieser Milchsorten von 15°, d.h.
1,0330 spec. Gewicht, also nach meinen oben mitgetheilten Beobachtungen eine
Milchsorte, deren specifisches Gewicht ein mittleres ist, zeigte nach Zusatz von dem
dritten Theile Wasser 12°,5; ihr specifisches Gewicht sank also dadurch bis
zu dem niedrigsten, was man bisher beobachtet hat, während, wie wir oben gesehen
haben, eine Milch von einem mittleren Fettgehalt, in gleichem Grade verdünnt, immer
noch fettreicher bleibt, als manche natürliche Milch. Ein Gemenge sämmtlicher
Milchsorten zeigte 13°,5 (1,0283 specifisches Gewicht), und nach Zusatz von
1/3 Wasser 11°.
Die vorliegenden Beobachtungen lassen zweifelsohne die Probe mit der Milchwaage für
Ausmittelung von Milchverfälschungen ebenfalls als durchaus unzureichend erscheinen,
allein sie beweisen, daß man von der Methode Vogel's
günstigere Resultate nicht erwarten darf.
Ich will zum Schluß noch die Resultate mittheilen, die ich nach Vogel's Methode mit Milch der oben erwähnten sieben Kühe von Hof Geisberg
erhielt, welche ihren Eutern, eine Stunde nachdem gemolken war (am Abend des 19.
März), entzogen wurde. Die Nummern correspondiren mit denen der obigen Tabelle; die
abgemolkene Menge betrug etwa 50 bis 100 Kub. Cent.
1 – 11,83 Proc. Fett.
2 –
7,96 „ „
3 –
10,10 „ „
4 –
6,86 „ „
5 –
6,86 „ „
6 –
6,44 „ „
7 –
5,70 „ „