Titel: | Neue Tabelle für gesättigte Wasserdämpfe; von Professor Dr. Gustav Zeuner. |
Fundstelle: | Band 168, Jahrgang 1863, Nr. XXIV., S. 84 |
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XXIV.
Neue Tabelle für gesättigte Wasserdämpfe; von
Professor Dr. Gustav
Zeuner.
Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, 1863,
Bd. VIII S. 1.
Zeuner's neue Tabelle für gesättigte Wasserdämpfe.
Die Anwendung der Hauptsätze der „mechanischen Wärmetheorie“ bei
der Untersuchung des Verhaltens der gesättigten Dämpfe, speciell der Wasserdämpfe,
führt, wie Clausius zuerst gezeigt hat, zu dem Resultate,
daß die Dämpfe im gesättigten Zustande, d.h. in dem Zustande, in welchem sie sich
befinden, so lange sie noch mit Theilen der Flüssigkeit, aus der sie hervorgingen,
in Berührung sind, nicht denselben Gesetzen, wie die
permanenten Gase, unterworfen sind.
Die Art und Weise, wie man seither die Dichtigkeit des gesättigten Wasserdampfes für
verschiedene Temperaturen, d.h. das Gewicht der Kubikeinheit Dampf und das
specifische Volumen, d.h. das Volumen der Gewichtseinheit Dampf berechnet hat, indem
man die Annahme machte, es sey nach Gay-Lussac das
spec. Gewicht der Wasserdämpfe im Vergleich zu Luft bei gleicher Temperatur und
Spannung genommen einfach 0,6225, führt sonach auf unrichtige oder ungenaue
Werthe.
In meiner Schrift: „Grundzüge der mechanischen Wärmetheorie“
(Freiberg 1860) habe ich zuerst mehrere Tabellen aufgestellt, welche unter anderen
Werthen auch die Dichtigkeit und das spec. Volumen der gesättigten Wasserdämpfe bei
verschiedenem Drucke angeben, wie sie sich nach der mechanischen Wärmetheorie
finden.
Seitdem sind nun von Fairbairn und Tate
Polytechn. Journal Bd. CLV S. 1 und
Bd. CLVII S. 406. die Resultate einer Reihe von Versuchen über Bestimmung der Dichtigkeit der
Wasserdämpfe veröffentlicht worden, und ebenso hat in neuester Zeit auch Hirn in seiner Schrift „Exposition analytique et expérimentale de la théorie
mécanique de la chaleur“ mehrere Versuchsresultate
über die gleiche Frage angegeben. Alle diese Versuchsresultate stimmen nun in
überraschender Weise mit den Werthen überein, auf welche schon vorher die
mechanische Wärmetheorie geführt hatte; man darf daher wohl annehmen, daß es
zeitgemäß ist, alle die auf Wasserdämpfe bezüglichen Tabellen, wie sie noch in den
meisten Lehr- und Handbüchern sich befinden, durch neue Tafeln zu ersetzen
und vor Allem eine
Tabelle aufzustellen, die besonders für den technischen
Gebrauch bequem ist.
Einige solche Tabellen habe ich zwar schon in der angegebenen Schrift veröffentlicht,
doch schien es mir zweckmäßig, der Haupttabelle eine größere Ausdehnung zu geben und
so ist die vorliegende Tabelle entstanden, die ich seit zwei Jahren bei meinen
Vorlesungen benutze und deren Einrichtung und Gebrauch im Folgenden näher dargelegt
werden soll. Zunächst mag nur noch die Bemerkung vorausgeschickt werden, daß ich
sämmtliche Werthe der Tabelle mit Hülfe der Thomas'schen
Rechenmaschine,Beschrieben im polytechn. Journal Bd. CLXV
S. 334. die für solche Zwecke ganz unschätzbare Dienste
leistet, berechnet habe.
Die erste Columne der folgenden Tabelle gibt die Spannung
des Dampfes in Atmosphären, und zwar bis 7 Atmosphären, also bis zur Grenze, bis zu
welcher man heute mit dem Dampfdrucke bei Dampfmaschinen geht, schreiten die Werthe
von 1/10 zu 1/10 Atmosphäre fort, hingegen von 7 bis 14 Atmosphären von 1/4 zu 1/4
Atmosphäre.
Die zweite Columne gibt den Dampfdruck in Millimetern Quecksilbersäule und die dritte
Columne gibt den Druck in Kilogrammen pro Quadratmeter.
Columne 4 ferner gibt die Temperatur t für die
verschiedenen Pressungen des gesättigten Dampfes in Graden Celsius an und zwar aus
den Angaben Regnault's durch Interpolation erhalten; so
ist also z.B. die Temperatur des gesättigten Dampfes von 5 Atmosphären
152,22°.
Die folgenden Columnen 5, 6 und 7 enthalten Werthe, deren Bedeutung durch einige
allgemeine Betrachtungen dargelegt werden soll.
Stellt man sich vor, in einem Raume, z.B. in einem Cylinder vom Querschnitte F befinde sich ein Kilogrm. Wasser von 0°
Temperatur eingeschlossen, aus welchem man durch Wärmezuführung gesättigten Dampf
von bestimmtem Drucke p (in Kilogrammen pro Quadratmeter), also bestimmter Temperatur t erzeugen soll. Der im Cylinder befindliche Kolben mag
auf dem Wasserspiegel ruhen und um s₁ vom
Cylinderende abstehen, es ist daher Fs₁ das
Volumen des Wassers, das mit w bezeichnet werden mag.
Der Kolben soll nun vom Beginn des Versuches an mit p
pro Quadrateinheit belastet seyn, es soll also von außen her der Druck des
Kolbens gleich dem Drucke des zu erzeugenden Dampfes seyn. Führt man jetzt dem
Wasser Wärme von außen zu, so erwärmt sich dasselbe zunächst von 0° bis t°, bevor die Dampfbildung eintritt, denn erst
bei der Temperatur t ist die Expansivkraft der Dämpfe so
groß, daß sie den Druck p überwinden und sich durch
Zurückschieben des Kolbens Raum machen können.
Tabelle für gesättigte Wasserdämpfe.
Textabbildung Bd. 168, S. 86–87
Dampfspannung; In Atmosphären; In
Millimet. Quecksilber-Säule; In Kilogrammen pro Quadratmet.; Temperatur (Celsius); Wärmemenge, die bei der Bildung
in Arbeit verwandelt wird; Dampfwärme; Inner latente Wärme; Werthe von;
Differenzen; Volumen von 1 Kilogr. Dampf; Dichtigkeit; Gewicht v. 1
Kubikmeter
Textabbildung Bd. 168, S. 88–89
Dampfspannung; In Atmosphären; In
Millimet. Quecksilber-Säule; In Kilogrammen pro Quadratmet.; Temperatur (Celsius); Wärmemenge, die bei der Bildung
in Arbeit verwandelt wird; Dampfwärme; Inner latente Wärme; Werthe von;
Differenzen; Volumen von 1 Kilogr. Dampf; Dichtigkeit; Gewicht v. 1
Kubikmeter
Die Wärmemenge nun, die erforderlich ist, die Gewichtseinheit Wasser von 0°
bis t° zu erwärmen, werde mit q bezeichnet; dieselbe berechnet sich bekanntlich nach
Regnault durch die Formel
q = t + 0,00002 t + 0,0000003 t³
(1)
Wird jetzt die Wärmezuführung weiter fortgesetzt, so bildet sich Dampf von der
Spannung p, der Kolben weicht zurück, bis endlich alles
Wasser in Dampf übergegangen ist: steht in diesem Momente der Kolben um s₂ vom Cylinderende ab, so ist Fs₂ das Volumen der Gewichtseinheit Dampf vom
Druck p, das mit v
bezeichnet werden mag. Während der Dampfbildung ist Druck und Temperatur
unveränderlich; die Wärmemenge, die während derselben zugeführt werden mußte und die
mit r bezeichnet werde, nennt man bekanntlich die
latente Wärme des Dampfes oder nach Clausius besser die
Verdampfungswärme.
Die gesammte Wärmemenge, die hiernach erforderlich ist, aus Wasser von 0° unter constantem Drucke die Gewichtseinheit Dampf von der
Pressung p zu erzeugen, ist
Q = q +
r (2)
und für diesen Werth Q, der
gewöhnlich die Gesammtwärme des Dampfes genannt wird, hat Regnault aus seinen Versuchen die Formel
Q = 606,5 + 0,305 t (2a)
abgeleitet.
Der Dampf hat nun aber während seiner Entstehung Arbeit verrichtet, denn er übte
gegen den Kolben den Druck Fp aus und schob denselben um
den Weg s₂ – s₁ zurück, sonach beträgt die Arbeit
Fp (s₂ – s₁)
oder weil nach obigen Angaben Fs₂ = v und Fs₁ = w gesetzt werden sollte
p (v
– w)
Der Werth von v – w
gibt die Differenz der Gewichtseinheit (1 Kilogr.) Dampf vom Drucke p und der Gewichtseinheit Wasser, welch letzterer Werth
als constant für verschiedene Temperaturen und 0,001 Kubikmeter angenommen werden
darf. Bezeichnet man diese Differenz der Einfachheit wegen mit dem Buchstaben u, setzt man also:
v – w = u (3)
so ergibt sich die Arbeit, welche die Gewichtseinheit Dampf
bei der Bildung verrichtete:
pu
Nach den neueren Anschauungen entspricht nun jeder Arbeitsverrichtung das Verschwinden einer gewissen Wärmemenge und die Versuche
haben ergeben, daß gerade eine Wärmeeinheit verschwindet oder verbraucht wird bei einer Arbeit
von 424 Meterkilogrammen. Umgekehrt ist 1/424 (welcher Werth mit A bezeichnet werden mag) die Wärmemenge, welche der
Arbeitseinheit (einem Meterkilogrm.) entspricht; A heißt
das Wärmeäquivalent der Arbeitseinheit.
Nach der obigen Darstellung verrichtet nun der Dampf bei der Bildung unter constantem
Drucke p die Arbeit pu, man
muß daher schließen, daß hierbei eine Wärmemenge
Apu
verschwindet. Wenn man also der Gewichtseinheit Wasser von
0° die Wärmemenge Q zuführen mußte, um daraus
unter constantem Drucke p Dampf vom Drucke p zu erzeugen, so ist diese Wärmemenge schließlich nicht mehr im Dampfe vorhanden, vielmehr ist im Dampfe
eine Wärmemenge J zurückgeblieben, welche sich durch die
Gleichung
J = Q
– Apu (4)
bestimmt. Diese Wärmemenge habe ich „die im Dampf enthaltene Wärme“ oder kürzer
„Dampfwärme“ genannt. Der
Werth J gibt also an, wie viel Calorien Wärme in der
Gewichtseinheit gesättigten Dampfes von gewissem Druck p
mehr enthalten sind, als in der Gewichtseinheit Wasser von 0° Temperatur.
Die latente Wärme oder Verdampfungswärme r ergab hingegen
nach obiger Darstellung die Wärmemenge, welche solchem Wasser zugeführt werden muß,
das schon die Temperatur t des zu bildenden Dampfes hat,
unter der Voraussetzung, daß die Bildung des Dampfes bei constantem Drucke
stattfindet. Subtrahirt man von dem Werthe r die in
Arbeit verwandelte Wärme Apu, so ergibt die Differenz,
die mit ρ bezeichnet werden mag,
die Wärmemenge, die in der Gewichtseinheit Dampf von der Temperatur t mehr enthalten, als in der Gewichtseinheit Wasser von gleicher Temperatur. Den Werth
ρ = r – Apu
(5)
nenne ich die innere latente
Wärme.
Die beiden Größen J und ρ habe ich eingeführt, nicht nur weil dadurch alle auf das
Verhalten des Dampfes bezüglichen Rechnungen wesentlich vereinfacht werden, sondern
weil dieselben eine allgemeinere Bedeutung haben, als die Größen Q und r. Die Dampfwärme J und innere latente Wärme ρ sind beide gänzlich unabhängig von der Art und Weise, wie der
Dampf gebildet wurde, während man bei der Anwendung der Gesammtwärme Q und der Verdampfungswärme r stets im Auge behalten muß, daß sie voraussetzen, die Dampfbildung habe
unter constantem Drucke stattgefunden.
Die bei der Bildung des Dampfes unter constantem Drucke in Arbeit verwandelte Wärme habe
ich nach den Lehren der mechanischen Wärmetheorie für verschiedene Temperaturen in
der angeführten Schrift berechnet und zugleich gezeigt, daß man mit sehr großer
Genauigkeit die Bestimmung auch mittelst der empirischen Formel
Apu = B logn.
T/n (6)
vornehmen kann. In dieser Gleichung sind B und n constante Größen und
zwar ist zu setzen B = 30,456 und n = 100, während T die sogenannte absolute
Temperatur bedeutet, die sich aus
T = 273 + t
berechnet.
Nach der Gleichung 6 ist nun die 5. Columne unserer Tabelle berechnet.
Da in den Gleichungen 4 und 5 die Werthe Q und r nach Regnault bekannt sind,
so ließen sich nun auch die Werthe J und ρ bestimmen. Ich habe jedoch vorgezogen, von den
Regnault'schen empirischen Formeln keinen Gebrauch zu
machen, sondern aus dessen Versuchen direct die gesuchten Werthe abzuleiten. Es hat
sich mir dann allgemein für die Dampfwärme J die
Formel
J = 573,34 + 0,2342 t (7)
ergeben und nach dieser Gleichung sind die Werthe der Columne
6 der Tabelle berechnet.
Ferner fand sich, allerdings zunächst nur für die bei Dampfmaschinen vorkommenden
Dampftemperaturen die innere latente Wärme
ρ = 575,03 – 0,7882 t (8)
und nach dieser Gleichung ist Columne 7 der Tabelle
berechnet.
So ist also nach der Tabelle für Dampf von 5 Atmosphären Spannung die Wärmemenge, die
bei der Bildung in Arbeit verwandelt wird:
Apu = 44,083 Calorien,
die Arbeit selbst findet sich sonach
44,083 × 424 =18691,19 Meterkilogrammen.
Die Dampfwärme ergibt sich:
J = 608,99 Calorien,
und die innere latante Wärme:
ρ = 455,05.
Nach Gleichung 4 würde sich übrigens für diesen Dampf die Gesammtwärme ergeben:
Q = J +
Apu = 653,07
(Regnaults Formel 2a ergibt 652,93)
und ebenso folgt die Verdampfungswärme:
r = ρ + Apu = 499,13
(nach Regnault ist r = 499,20).
Uebrigens mag noch darauf hingewiesen werden, daß auch die Beziehung
J – ρ = q (9)
gilt, wie sich leicht durch Subtraction der Gleichungen (4)
und (5) und durch Vergleich mit Gleichung (2) ergibt. Man erhält daher durch
Benutzung der Gleichungen 7 und 8 für die bei Dampfmaschinen vorkommenden
Dampftemperaturen:
q = – 1,69 + 1,0224 t (10)
als Wärmemenge, die erforderlich ist, Wasser von 0° auf
t° zu erwärmen. Näherungsweise folgt hieraus
für mittlere Temperaturen die spec. Wärme des Wassers:
c =
1,0224 (11)
Nach Vorstehendem erklären sich nun leicht die übrigen Columnen der Tabelle.
Col. 8 enthält die Werthe von u, die erhalten wurden,
indem man die Werthe Apu der Col. 5 durch Ap dividirte. Col. 9 enthält die Werthe von ρ/u, hervorgegangen
aus den Col. 7 und 8.
Es ist vortheilhaft, diese Werthe von ρ/u im Voraus zu berechnen, wie es hier geschehen ist, da
diese Werthe bei den meisten Problemen, die sich auf das Verhalten der Dämpfe
beziehen, auftreten; es kann ihnen übrigens eine wichtige bestimmte Bedeutung
unterlegt werden.
Der Werth u ist nach Gleichung (3) nahezu das Volumen v der Gewichtseinheit Dampf, da das spec. Volumen w des Wassers gegen v
sehr klein ist, so klein, daß es in den meisten Fällen
der Rechnung weggelassen werden kann; der Werth ρ
ist die innere latente Wärme der Gewichtseinheit, daraus folgt, daß – als die
innere latente Wärme der Volumeneinheit, d.h. eines
Kubikmeters Dampf, angesehen werden kann.
Aus Col. 10 ist ersichtlich, daß die Differenzen nur langsam mit dem Drucke abnehmen;
diese innere latente Wärme der Gewichtseinheit ist daher nahezu der Dampfspannung
proportional.
Aus der Gleichung (3) ergibt sich nun endlich das spec. Volumen v des Dampfes oder das Volumen von einem Kilogrm. Dampf
bei verschiedenen Pressungen
v = u +
w.
Es ist aber u in Col. 8 gegeben und für das spec. Volumen
w des Wassers kann man setzen w = 0,001. Hieraus ergaben sich die Werthe v
der Col. 11 der Tabelle. Umgekehrt ist die Dichtigkeit
γ oder das Gewicht von einem Kubikmeter Dampf bei
verschiedenen Spannungen durch die Formel:
γ = 1/v
gegeben. Col. 12 enthält die entsprechenden Werthe.
* **
Zusatz. Eine Tabelle, wie die vorliegende, erleichtert die
Lösung von Aufgaben, die sich auf das Verhalten der Wasserdämpfe beziehen, in den
meisten Fällen außerordentlich. In der oben angeführten Schrift habe ich eine Reihe
von Problemen gelöst, z.B. die Untersuchung der Vorgänge bei der Erwärmung von
Wasser und Dampf bei constantem Volumen, die Gesetze der Oberflächencondensation,
der Condensation durch Einspritzen von kaltem Wasser u.s.w., Probleme, die für die
Theorie der Dampfmaschine von Wichtigkeit sind.
Im Folgenden will ich, um damit den Nutzen der oben gegebenen Tabelle genauer
darzulegen, eines der genannten Probleme etwas weiter verfolgen, und dasselbe in
einer Form vorlegen, aus der die große praktische Bedeutung desselben sogleich
hervorgeht.
Es soll die Frage beantwortet werden, nach welchem Gesetze in
einem Dampfkessel die Dampfspannung bei fortgesetztem Heizen mit der Zeit
wächst, wenn von einem gewissen Zeitpunkte an die Dampfableitung unterbrochen
wird und die Ventile in geschlossenem Zustande erhalten werden.
Es sey im Augenblicke des Absperrens das Gewicht von Wasser und Dampf im Kessel M, davon seyen m Kilogr.
dampfförmig. Die Temperatur sey t und die Spannung p. Hieraus folgt zunächst das Volumen des Wassers (die
obigen Bezeichnungen beibehalten) (M – m) w; das Dampfvolumen mv und daher das Volumen V
der ganzen Masse
V = (M
– m) w + mv
= Mw + m
(v – w)
auch einfacher nach Gleichung 3
V = Mw +
mu
Durch das fortgesetzte Heizen des Kessels sey die Dampfmenge nach τ Minuten in den größern Werth m₁, die Temperatur in t₁ und die Spannung in p₁
übergegangen; bezeichnen wir den der Temperatur t₁ entsprechenden Werth von u mit u₁, so folgt jetzt, da keine Volumveränderung stattgefunden hat,
auch:
V = Mw +
m₁u₁
und durch Gleichsetzen der letzten beiden Ausdrücke:
m₁u₁ = mu
(12)
Man kann hiernach schon für jede andere Temperatur t₁ die Dampfmenge m₁ berechnen.
Außer dieser Gleichung läßt sich aber noch eine andere aufstellen.
Die Wärmemenge, die anfänglich im Wasser enthalten ist, beträgt
(M – m) q
und die im Dampfe enthaltene:
mJ.
Daher die Wärmemenge in der ganzen Masse:
(M – m) q + mJ
oder:
Mq + m
(J – q)
und noch einfacher, wenn man die Beziehung (Gleichung 9)
benutzt:
Mq + mρ.
Bei einer anderen Temperatur t₁ findet sich hingegen die Wärmemenge in der ganzen Masse von Wasser
und Dampf
Mq₁ + m₁ρ₁
und daher ist die Wärmemenge Q,
die von außen zuzuführen war, damit eben die Temperatur von t auf t₁ stieg:
Q = M
(q₁ – q) +
m₁ρ₁ – mρ
Benutzt man hier für q und q₁ die Gleichung (10), indem man die mittlere spec. Wärme des Wassers,
nämlich 1,0224, mit c bezeichnet und setzt man für m₁ den Werth ein, der sich aus Gleichung (12)
ergibt, so verwandelt sich die letzte Gleichung in folgende:
Q = Mc
(t₁ – t) +
mu (ρ₁/u₁ – ρ/u)
Ist endlich noch Q₀ die Wärmemenge, die in jeder
Minute in den Kessel tritt, so findet sich die Zeit τ (in Minuten), innerhalb welcher die Temperatur von t auf t₁ und die Spannung von p auf p₁ steigt
τ = Q/Q₀ = 1/Q₀ {Mc (t₁ – t) + mu (ρ₁/u₁ – ρ/u)} (13),
durch welche Gleichung die Aufgabe gelöst ist.
Es kann schon hier hervorgehoben werden (das folgende numerische Beispiel wird es
bestätigen), daß in der Gleichung (13) bei ihrer Anwendung auf Dampfkessel das Glied
Mc (t₁ –
t) das andere Glied in der Klammer stets sehr
bedeutend überwiegt, weil die Wassermenge in einem Kessel dem Gewichte nach immer
sehr beträchtlich größer ist, als die Dampfmenge. Hieraus folgt ohne Weiteres daß
die Temperaturerhöhung t₁–t nahezu der Zeit τ
proportional ist. Das ist, wie neuerdings Regierungsrath von
Burg in seinem Aufsatze „Ueber die Wirksamkeit der
Sicherheitsventile“ (Sitzungsberichte der Wiener Akademie Bd. XLV S.
313) gezeigt hat, durch die Versuche von Fairbairn auch
bestätigt worden. Meine Formel erklärt jetzt die Versuchsresultate Fairbairn's vollständig und zeigt unter welchen
Verhältnissen die genannte Proportionalität angenommen werden darf und daß die
Abweichungen von der v. Burg'schen Annahme um so größer
ausfallen müssen, je weniger Wasser im Verhältniß zum Dampf dem Gewichte nach im
Kessel vorhanden ist.
Denke man sich, um die Brauchbarkeit der obigen Formeln und Tabelle an einem
numerischen Beispiele erkennen zu lassen, ein gewöhnlicher cylindrischer Dampfkessel
habe 18 Quadratmeter Heizfläche, der Kubikinhalt desselben betrage 11 Kubikmeter.
(Der Kessel entspricht einer Dampfmaschine von ungefähr 15 Pferdestärken.) Bei
normaler Heizung und normalem Dampfverbrauche wird dieser Kessel, wenn man stündlich
pro Quadratmeter Heizfläche 35 Kilogr. Dampf
rechnet, in jeder Minute 7,5 Kilogr. Dampf liefern.
Es betrage nun die Dampfspannung bei normalem Gange 4 Atmosphären, also die
Temperatur von Wasser und Dampf 144,00° C.
Da bei dem Kessel im gewöhnlichen Gange die Dampferzeugung bei constantem Drucke
erfolgt, so müßte man jedem Kilogramm Speisewasser von 0° die Wärmemenge
J + Apu =
607,06 + 43,49 = 650,55
Wärmeeinheiten zuführen; setzt man hingegen die Temperatur des
Speisewassers 15°, so ist die zuzuführende Wärmemenge 650,55 – 15 =
635,55 Calorien.
Hieraus folgt, da der Kessel in der Minute 7,5 Kilogr. Dampf liefert, die Wärmemenge,
welche pro Minute in den Kessel tritt und die wir mit
Q₀ bezeichnet haben:
Q₀ = 7,5 × 635,55 =
4766,62
Wärmeeinheiten.
Es soll nun plötzlich der Dampfabfluß unterbrochen, die Feuerung aber so fortgeführt
werden, daß in der Minute immer die gleiche Wärmemenge Q₀ in den Kessel tritt. In welcher Zeit wird die Dampfspannung von 4
auf 8 Atmosphären steigen, wenn im Augenblicke des Absperrens 0,6 des Kesselvolums
mit Wasser und 0,4 desselben mit Dampf von 4 Atmosphären gefüllt ist?
Da das Kesselvolumen V = 11 Kubikmeter beträgt, so findet
sich das Wassergewicht 0,6 . 11 . 1000 = 6600 Kilogr. und das Dampfgewicht, weil 1
Kubikmeter Dampf von 4 Atmosphären nach der Tabelle 2,237 Kilogr. wiegt:
m = 0,4 . 11 . 2,237 = 9,84
Kilogr.
Also Gewicht von Wasser und Dampf
M = 6609,84 Kilogr.
Der Aufgabe gemäß ist nun ferner in Formel (13) einzusetzen, entsprechend der
Anfangsspannung von 4 Atmosphären:
t = 144,00°; u = 0,4461; ρ/u = 1034,63
und entsprechend der Temperatur von 8 Atmosphären:
t₁ = 170,81; ρ₁/u₁ = 1891,96.
Hieraus folgen die einzelnen Glieder der Gleichung 13:
Mc (t₁ – t) = 181179,3
mu (ρ₁/u₁ – ρ/u) = 3763,3
und daher, weil Q₀ =
4766,62 ist, ergibt sich die Zeit:
τ = 38,80 Minuten.
Es findet sich also die Zeit, innerhalb welcher die Dampfspannung bei unveränderter
Heizung in vorliegendem Kessel von 4 auf 8 Atmosphären wächst: 38,80 Minuten.
Setzt man hingegen bei diesem Kessel unter sonst gleichen Verhältnissen voraus, es
sey im Augenblicke des Absperrens weniger Wasser und mehr Dampf im Kessel und zwar
betrage das Wasservolumen nicht 0,6, sondern 0,4 des ganzen Kesselvolumens, ein
Fall, der freilich bei dem angenommenen Kessel kaum vorkommen dürfte, so berechnet
sich in gleicher Weise wie vorhin das Dampfgewicht m =
14,76 Kilogr. und das Gewicht von Wasser und Dampf:
M = 4414,76 Kilogr.
und die Zeit, innerhalb welcher die Spannung von 4 auf 8
Atmosphären steigt
τ = 26,57 Minuten,
und es erreicht also hier die Spannung die angegebene Grenze
um 12,23 Minuten früher; man erkennt daraus, welchen großen Einfluß die im Kessel
enthaltene Wassermenge übt.
Auf dem angedeuteten Wege sind für den gleichen Dampfkessel die Werthe der folgenden kleinen
Tabelle entstanden. In der Ueberschrift bedeutet V den
gesammten Kesselinhalt.
Textabbildung Bd. 168, S. 98
Dampfspannung in Atmosphären;
Temperatur; Differenzen; Wasservolumen im Kessel; Zeit in Minuten; Differenzen;
(Anfang)
Man erkennt aus dieser Zusammenstellung, daß das, was v. Burg aus den Fairbairn'schen Versuchen schloß,
daß nämlich die Temperatur im Kessel nahezu der Zeit proportional zunimmt, recht gut
bestätigt wird; man ersieht aber aus dem Vergleiche der letzten vier Columnen auch,
welche bedeutungsvolle Rolle das Wasser in unseren Dampfkesseln spielt. Die Geschwindigkeit, mit welcher die Dampfspannung in einem
abgeschlossenen Dampfkessel zunimmt, ist wesentlich von der vorhandenen Wassermenge
abhängig; je weniger Wasser vorhanden ist, um so schneller steigt der Druck, um so
größer ist die Gefahr der Explosion. Es geht aber auch aus Allem hervor, daß die
Dampfspannung in einem Kessel bei unregelmäßiger Feuerung und bei veränderlicher
Dampfentziehung um so geringeren Schwankungen ausgesetzt ist, je mehr Wasser vorhanden ist. Es bestätigt sich das, was Ch. Bernoulli längst schon ausgesprochen hat: „Das
Kesselwasser ist der wahre Regulator des Dampfdruckes.“