Titel: | Ueber die Anwendung des kohlensauren Natrons und der Oxalsäure als Grundlage der Alkalimetrie; von C. G. Reischauer. |
Autor: | C. G. Reischauer |
Fundstelle: | Band 167, Jahrgang 1863, Nr. XII., S. 47 |
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XII.
Ueber die Anwendung des kohlensauren Natrons und
der Oxalsäure als Grundlage der Alkalimetrie; von C. G. Reischauer.
Reischauer, über kohlensaures u. Oxalsäure als Grundlage der
Alkalimetrie.
Vollständigste Zuverlässigkeit der Grundlage ist bei jeder titrimetrischen
Bestimmungsmethode die erste Anforderung. Leichte Beschaffbarkeit des
Ausgangsmaterials in völliger Reinheit und Sicherheit beim Abwägen bedingen
namentlich die praktische Anwendbarkeit eines solchen. Gay-Lussac, der Vater der volumetrischen Analyse, hatte als Basis
der Alkalimetrie das kohlensaure Natron verwandt; Fr. Mohr, dem wir den umfassendsten Anbau des von dem großen Forscher urbar
gemachten Feldes verdanken, führte für den gleichen Zweck später die krystallisirte
Oxalsäure ein. Der Vorzug der leichten Herstellbarkeit der ersten Titresubstanz in
völliger Reinheit aus dem doppelt-kohlensauren Salze, wird indeß durch den
Zeitverlust bei der titrimetrischen Operation selbst, wegen des lästigen Entfernens
der Kohlensäure aus der Flüssigkeit durch Aussieden, zum Theil wieder aufgehoben. Auch
wenn man, wie nach dem jetzt wohl allgemein eingeführten Verfahren, die zu messende
kohlensaure Verbindung zunächst mit überschüssiger Säure behandelt und, nach dem
Entfernen der Kohlensäure durch anhaltendes Sieden, den Ueberschuß an Säure mittelst
Alkalilösung ausmißt, bedarf die Herstellung dieser beiden Flüssigkeiten von
bestimmten Gehalte einer immer zeitraubenden Einstellung auf das kohlensaure Natron.
Diesem Uebelstande gegenüber macht die Verwendung der Kleesäure für den gleichen
Zweck, wenn dieselbe einmal in gehöriger Reinheit dargestellt ist, die Methode im
höchsten Grade rasch ausführbar. Dieser letztern Titresubstanz haften indeß wieder
eigenthümliche Schwierigkeiten an, indem sie nicht so leicht völlig rein zu
beschaffen ist, ein Uebelstand, der sie gegen das Natroncarbonat entschieden
zurücksetzt.
Bequeme Methode der Basirung der Alkalimetrie auf kohlensaures
Natron. – Das Einstellen von Normalsäure und Alkalilösung auf das
kohlensaure Natron läßt sich nun aber in der Art modificiren, daß man, ähnlich wie
bei der Benutzung schon vorhandener Normallösungen, dieselben direct auf das
Natroncarbonat, unter nur einmaligem Aussieden der übersättigten Lösung, beziehen
kann. Stellt man sich zunächst eine ausschließlich für die Darstellung der
Normalsäure und Alkalilösung dienende Mutterlösung von kohlensaurem Natron dar, die
also 53 Grm. wasserfreies Natroncarbonat im Liter enthält,Für die Details der Herstellung einer solchen Lösung genügt es vollkommen,
wenn ich auf Fr. Mohr's vortreffliches Buch: Titrirmethode, 2. Auflage, S. 53 verweise. so lassen sich damit leicht zwei approximative, indeß noch überstark
vorgerichtete Lösungen, Säure und Alkali, in einer Operation ausmessen, und also das
Volumen bestimmen, auf welches sie zur Darstellung von Normallösungen zu verdünnen
sind. Hebt man beispielsweise 10 Kub. Centim. der Carbonatlösung aus und übersättigt
mit gleichfalls 10 K. C. der noch unbekannten, indeß zu concentrirten Säure,
entfernt die Kohlensäure durch Sieden und neutralisirt zurück mit der gleichfalls
unbekannten Kalilösung, so hat man, wenn man außerdem noch die gegenseitige Stärke
der beiden unbekannten Lösungen ermittelt, offenbar alle Werthe um die Verdünnung
dieser letztern daraus ableiten zu können. Ein Beispiel wird dieses einfache
Verhältniß leicht veranschaulichen.
10 K. C. der approximativen Schwefelsäure erforderten zur Neutralisation 7,88 K. C.
approximativer Kalilauge. 10 K. C. Normal-Natroncarbonatlösung erforderten,
nach dem Zusatze von 10 K. C. approximativer Schwefelsäure noch 0,85 K. C. Kalilauge. Die 10 K. C.
Normal-Natronlösung hatten also 7,88 – 0,85 K. C. Kalilösung in ihrer
Wirkung ersetzt. Man hat daher einfach, um Normal-Kalilösung aus der
approximativen Kalilauge zu erhalten, 7,03 K. C. auf 10 K. C. oder 703 K. C. auf ein
Liter zu verdünnen. Aehnlich ergibt sich für die Herstellung der
Normalschwefelsäure, da 10 K. C. derselben 7,88 K. C. Kalilauge neutralisiren und
diese selbst, um Normallösung zu werden, offenbar auf
Textabbildung Bd. 167, S. 49
verdünnt werden müssen, daß auch diese 10 K. C. auf jenen
Werth zu bringen sind. Will man also 1 Liter Normalschwefelsäure herstellen, so sind
dafür offenbar:
Textabbildung Bd. 167, S. 49
der noch zu starken angenäherten Säure erforderlich. Wir
übersättigten also unsere Mutterlösung mit einer ihrer Stärke nach unbekannten
Säure, und neutralisirten mit einer gleichfalls unbekannten Alkalilösung, um daraus
die Titre der beiden letzteren abzuleiten.
Man ist auf diesem Wege der Unbequemlichkeit des häufigeren Aussiedens der
Flüssigkeit offenbar überhoben, und indem diese Methode dadurch ungleich rascher
ausführbar wird, so dürften die anderweitigen Vortheile des kohlensauren Natrons als
Grundlage der Alkalimetrie, gegenüber der Oxalsäure, in entschiedener Weise sich
geltend machen.
Kritik der Mohr'schen Vorschrift
zur Reinigung der Oxalsäure für alkalimetrische Zwecke. – Die
bekannten gewöhnlichen Verunreinigungen der käuflichen Oxalsäure sind oxalsaurer
Kalk und saures oxalsaures Kali. Diese letztere Einmengung ist besonders schwer, und
vielleicht kaum je völlig durch Umkrystallisiren, wie Mohr vorschlägt, zu entfernen. Mohr sagt über
diese letztere Verunreinigung, welche nach dem Zerstören der Oxalsäure durch
Erhitzen als kohlensaures Kali zurückbleibt:Titrirmethode, 2te Auflage, S. 62.
„Man hätte nun hieraus (aus dem fixen Rückstand von Kalicarbonat) schon
eine corrigirte Zahl für diese Kleesäure berechnen können, allein es war
vorzuziehen, dieselbe lieber ganz rein darzustellen.“ Zu dieser
Reinigung gibt Mohr weiters die Vorschrift: –
„Daß man die rohe Säure mit lauwarmem Wasser in einem Kolben übergießt und durch
Umschwenken löst, so daß noch ein großer Theil der Säure ungelöst bleibt. Man
filtrirt und stellt zur Krystallisation hin. Die Krystalle lasse man auf einem
Trichter abtröpfeln oder bringe sie auf die Centrifugalmaschine, dann lasse man
auf Filtrirpapier abtrocknen, bis nicht mehr das geringste Haften einzelner
Theilchen am Papier stattfindet. Die so gereinigte Säure dient zur Grundlage der
Alkalimetrie.“
Ein dritter Versuch, auf Grund dieser Mohr'schen Angabe
die Säure durch Umkrystallisiren zu reinigen, ergab folgendes Resultat. Die
verwandte käufliche Säure zeigte einen Gehalt an Kalisalz wie:
rohe Oxalsäure
2,692 Grm.
Glührückstand
0,054 Grm.
d.h. von 100 Thln.
2,01 Proc. KaO, CO²
Von dieser Säure wurden nun 200 Grm. mit 750 K. C. Wasser von 45° C.
übergossen. Die Temperatur sank dabei auf 34° C. herab. Dabei blieben:
ungelöst
54 Grm.
und gaben davonGlührückstand
1,620 Grm.0,071 Grm.
d.h. 100 Thle. hinterließen
4,38 Proc. KaO, CO²
Es hatte sich also wirklich in diesem ungelösten Antheile der Kaligehalt bedeutend
angehäuft.
Aus dem Filtrate waren nach etwa 24 Stunden:
auskrystallisirt
49 Grm.
und davon gabenfixen Rückstand
2,263 Grm.0,016 Grm.
d.h. 100 Thle. hinterließen
0,71 Proc. KaO, CO²
Dieses wäre nach dem Obigen also offenbar die Säure wie sie Mohr als Grundlage der Alkalimetrie verwandt wissen will. Wir werden
gleich zu der Betrachtung des aus der ihr anhängenden Verunreinigung entspringenden
Fehlers zurückkehren.
Zunächst wurde indeß noch ermittelt, bis zu welchem Grade sich dieser Kaligehalt
durch abermaliges Einengen der Mutterlauge und Krystallisirenlassen, in der dadurch
erhaltenen Kleesäure herabstimmen ließ. Es entstand auf solche Weise eine:
zweite Krystallisation
64 Grm.
und davon gabenfixen Rückstand
1,729 Grm.0,007 Grm.
d.h. aus 100 Thln. erhalten
0,405 Proc. KaO, CO²
Man hat hiernach wohl kaum Aussicht, durch Umkrystallisiren eine völlige Entfernung
des Kaligehaltes zu bewerkstelligen.
Im Laboratorium aus Salpetersäure und Stärke (Rückstand von der Entwickelung salpetriger
Säure) dargestellte Oxalsäure erwies sich dagegen rein, nämlich:
Oxalsäure
0,704 Grm.
Glührückstand
0,0005 Grm.
Sie würde sich also weit besser für genaue Bestimmungen eignen.
Verhalten der Oxalsäure und des vierfach-oxalsauren
Kalis im Exsiccator. – Einen weitern Mangel der krystallisirten
Kleesäure könnte man in der Schwierigkeit erblicken, sie genau mit drei
Aequivalenten Wasser hydratirt zu erhalten. Sie gibt in warmer Luft bekanntlich
leicht Wasser ab, oder schließt kleine Mengen Mutterlauge in ihren Krystallen ein.
Unbegreiflich ist daher auch die Angabe eines namhaften Gelehrten, der dieselbe noch
kürzlichS. polytechn. Journal Bd. CLXIII S. 55. über Schwefelsäure zu trocknen empfahl.
Im trockenen Raume verliert das Terhydrat der Oxalsäure, C²O³, 3HO bei
gewöhnlicher Temperatur rasch die zwei Aequivalente Krystallwasser und geht in das
Monohydrat, C²O³ über.
Ein unmittelbar mit der im Laboratorium dargestellten reinen Säure, hinsichtlich
dieses Verhaltens im Exsiccator (über Schwefelsäure) angestellter Versuch
lieferte:
den 20. Jun. C²O³, 3HO
0,630 Grm.
„ 21.
„
0,566 „
„ 23.
„
0,482 „
„ 26.
„ „ 23. Jul.
0,451 „
const.
berechnet 0,450 C²O³, HO.
In der kurzen Zeit von fünf Tagen war also der Wassergehalt völlig bis auf das eine
Aequivalent basischen Wassers herabgesunken. In diesem wie in den nachfolgenden
Versuchen wurden die betreffenden Proben als feines Pulver in den Exsiccator
gebracht. Ganze Krystalle werden indeß in ähnlicher Weise rasch entwässert.
Ermittelung, in welcher Form die käufliche Oxalsäure das Kali
enthält, und Correction der unreinen Säure hiernach. – Zur
Anstellung einer Correction, wie Mohr andeutet, wäre es
nun vor Allem nothwendig zu wissen, als welches Salz das verunreinigende Kali in der
käuflichen Kleesäure enthalten ist. Man darf wohl von vorn herein vermuthen als
vierfach-oxalsaures Kali. Dieses Salz KaO, C²O³ + 3 (HO,
C²O³) + 4 aq. ist im Exsiccator völlig
beständig, und es mußte daher das Verhalten der damit verunreinigten käuflichen
Kleesäure im Exsiccator über diese Frage Aufschluß geben können. Durch
Neutralisation eines bestimmten Volumens Oxalsäure mittelst Kali und weitere Zufügung des
dreifachen Volumens derselben wurde zunächst das vierfach-saure Salz
dargestellt. Die ausgeschiedenen Krystalle lieferten beim Zerstören durch
Erhitzen:
vierfach-oxalsaures Kali
0,763
kohlensaures Kali
0,207
theoretisch erforderlich
0,2076
Das erhaltene Salz hatte also wirklich die bekannte Zusammensetzung:
KaO, C²O³, 3 (HO, C²O³) + 4 aq.
Für das Verhalten desselben im Exsiccator ergab sich:
den 21. Jun. lufttrocken
0,763
„ 22.
„
0,760
„ 23.
„
constant
„ 26.
„
constant.
Es hatte offenbar noch die geringe Menge von 3 Milligrm. Wasser unserem lufttrockenen
Salze adhärirt, im Uebrigen war dasselbe aber im trockenen Raume unveränderlich.
Vergleichen wir nun mit diesen beiden festgestellten Thatsachen, – daß
C²O³, 3HO im Exsiccator rasch in
C²O³, HO übergeht, das vierfachoxalsaure Kali dagegen nicht verändert
wird, – das Verhalten einer unreinen, käuflichen Oxalsäure im trockenen
Raume. Wir erhielten dabei folgende Wägungen:
den 10. Jun. Oxalsäure lufttrocken
0,630
„ 11.
„
0,545
„ 14.
„
0,466
„ 17.
„
0,466 constant.
Den Kaligehalt lieferte uns in dieser Probe die Zerstörung durch
Erhitzen zu: kohlensaurem Kali
0,015.
Untersuchen wir, wie diese beiden Bestimmungen des Wasser- und Kaligehaltes
mit unserer Voraussetzung, das Kali sey als vierfach-oxalsaures Salz der
käuflichen Säure beigemengt, übereinstimmen, so finden wir:
die 0,015 Grm. KaO, CO² umgesetzt in KaO,
C²O³, 3HO, C²O³, + 4 aq.
geben 0,055;
diese bleiben also im trockenen Raume stabil. Der Rest unserer
exponirten unreinen Säure, vorhanden als:
Kleesäureterhydrat
0,575 C²O³, 3HO,
mußte nach dem Austrocknen liefern
0,411 C²O³, HO
dazu obige Menge unverändert. Salzes
0,055 KaO, C²O³, 3HOC²O³, + 4 aq:
gibt Gesammtrückstandim Versuch gefunden
0,4660,466
Es existirt also wirklich das Kali als vierfach-oxalsaures Salz mit vier
Aequivalenten Wasser in der rohen Säure.
Hierdurch sind wir auch in den Stand gesetzt, eine vollgültige Correction der durch
Umkrystallisiren gereinigten käuflichen Säure, auf Grund der Bestimmung ihres
Kaligehaltes – offenbar eine sehr einfache Operation –
vorzunehmen.
Wir wollen dazu als Beispiel die Säure wählen, wie wir sie oben bei der Kritik der
Reinigungsmethode durch Umkrystallisiren in erwähnter Weise erhielten, um zugleich
die Größe des aus dem vernachlässigten Kaligehalte entstehenden Fehlers überblicken
zu können. Diese Säure lieferte nach dem Mitgetheilten 0,71 Proc. kohlensaures Kali.
Dieses umgesetzt in:
KaO, C²O³, 3HOC²O³, 4aq. gibt 2,61 Proc.
Es befinden sich also in der rohen Säure 2,61 Proc. Oxalsäure durch eine gleiche
Menge vierfach-oxalsaures Kali ersetzt. Diese sind aber, da das
vierfach-saure Salz drei Aequivalente alkalimetrisch freie Oxalsäure enthält,
in ihrer Wirkung gleich einer Menge Terhydrat:
(2,61 . 189)/254,2 = 1,94 Proc. C²O³, 3 HO.
Für die der käuflichen Säure abgehenden 2,61 Proc. des eingemengten Kalisalzes
bekommen wir folglich als Ersatz einen Wirkungswerth von 1,94 Proc. hinzu. Unser
sich herausstellender Fehler ist also gleich einer Einbuße an Oxalsäurehydrat von
2,61 – 1,94 = 0,67 Proc. Wenn man daher für die Darstellung eines Liters
Normalsäure 63 Grm. dieser unreinen Säure abwiegt, so begeht man einen Fehler
von:
(63 . 0,67)/100 = 0,422 Grm.,
welche man zu wenig in Lösung bringt, und wollte man genau
eine 63 Grm. reiner Oxalsäure entsprechende Menge davon abwägen, so würden dafür, da
je 100 Grm. derselben 99,33 reines Terhydrat ersetzen, erforderlich seyn:
(63 . 100)/99,33 = 63,425 Grm.
Dieses wäre also die von Mohr angedeutete Correction. Ihre
Vernachlässigung würde auch bei der nach Mohr's
Vorschrift gereinigten Säure immer noch einen erheblichen Fehler verursachen. Aus
diesem Beispiele geht wieder deutlich hervor, wie wenig ein noch so genaues Abwägen
bei derartigen Arbeiten nützt, wenn man nicht auf die Qualität des betreffenden
Materials zuvor sein ganzes Augenmerk richtet. So wäre im vorliegenden Falle ein bis
auf 1 Milligrm. genaues Abwägen, gegenüber dem groben Fehler von 0,425 Grm., ganz
zwecklos.
Hinsichtlich des Verhaltens der im Exsiccator bis zum Monohydrat entwässerten Oxalsäure an freier
Luft ergab sich noch, daß dieselbe bald wieder in das Terhydrat überging. Die obige
Probe lieferte nämlich:
den 31. Jul.
0,450
den 19. Aug.
0,628
den 7. Sept.
0,627
den 30. Oct.
0,627 constant.
Es fehlten also in der Wasseraufnahme aus der Luft nur noch 3 Milligrm., um mit dem
theoretisch verlangten Werth übereinzustimmen.
Stabilität der Oxalsäure an der Luft. – Es
erübrigt uns nun noch die Erledigung der Frage, ob die geringe Festigkeit, mit
welcher die zwei Aequivalente Krystallwasser in dem Hydrat gebunden sind, die
Besorgniß zulasse, daß daraus ein Fehler bei dem Abwägen unter den gewöhnlichen
atmosphärischen Verhältnissen entspringen könne. Man darf wohl annehmen, daß auch
ein nur sehr unbedeutender Verlust an Krystallwasser in Folge des Aufbewahrens in zu
trockener Luft, sich durch das Opacwerden der Krystalle an der Oberfläche sogleich
verrathen würde. Ein directer Versuch mußte indeß auch hier am leichtesten zur
endgültigen Entscheidung führen. In einen den Liebig'schen Trockenröhren ähnlichen Apparat wurde eine Quantität der im
Kleinen dargestellten reinen Oxalsäure gebracht und gewogen. Alsdann wurde die
Vorrichtung in ein Wasserbad gesenkt, welches mit Hülfe des Thermostaten auf einer
constanten, zunächst die gewöhnliche Temperatur nur wenig übersteigenden Wärme
erhalten wurde. Weiters wurde die Trockenröhre mit dem Aspirator in Verbindung
gesetzt, nachdem zwischen beiden noch ein gewogenes Chlorcalciumrohr eingeschaltet
war, um zugleich den Feuchtigkeitsgehalt der über die Probe hinstreichenden Luft
bestimmen zu können. Eine Entführung von Wasser aus der Oxalsäure bei der
jedesmaligen Temperatur und Dunstspannung der Luft mußte sich sofort durch eine
Gewichtsabnahme zu erkennen geben. Es ergab sich bei dieser Anordnung:
Oxalsäure vor dem Versuche, lufttrocken
1,307 Grm.
nach etwa 6 Stunden bei 30,6° C.
1,306 „
nach weiteren etwa 9 Stunden bei 38,7° C.
1,305 „
Es hatte also keine wesentliche Gewichtsabnahme in diesem Versuche stattgefunden.
Hinsichtlich des hygrometrischen Zustandes der Luft im Laboratorium zur Zeit der
Operation ergab sich für die letztere Periode:
Volumen der Luft, welche über die Probsterich, 10 Asp. à 2830 K. C.
28,3 Liter.
Zunahme des Chlorcalciumrohres
0,300 Grm.
Barometerstand
721,5 Millim.
Temperatur
19,4° C.
Hieraus berechnet sich das Volumen dieser Luft, trocken und bei 0° C. und 760
Millim. Druck zu:
Textabbildung Bd. 167, S. 55
und das Gewicht derselben zu:
Textabbildung Bd. 167, S. 55
oder für den angegebenen Feuchtigkeitsgehalt zu 31,996 Grm.,
d.h. die Luft enthielt 0,938 Gewichtsproc. Wasser.
Nach der bekannten Formel:
Textabbildung Bd. 167, S. 55
ergibt sich weiter das Gewicht eines für dieselben
Temperatur- und Druckverhältnisse mit Wasserdampf gesättigten gleichen
Luftvolumens zu 32,169 Grm.; es wären darin also 0,737 Grm. Wasser auflösbar
gewesen, oder unsere Luft im Laboratorium befand sich in einer Dunstsättigung von
63,42 Proc. In einer Luft von solchem Feuchtigkeitsgrade, welcher allerdings den
gewöhnlichen übersteigt, ist also die Oxalsäure noch bei 38,7° C.
unveränderlich. Man kann sie daher wohl unbesorgt im lufttrockenen Zustande zur
Wägung bringen, zumal da sie nach dem Obigen auch keine besondere Hygroskopicität
zeigt. Bei 50° C. zeigte sich dagegen bereits eine beginnende
Wasserentführung. Als die Temperatur im Wasserbade auf kurze Zeit bis 65° C.
gesteigert wurde, griff die Desaggregation des Terhydrats rasch um sich, und es trat
sehr kenntliche Verwitterung der Krystalle ein.
Die Herstellung von Normalalkalilösung aus zwei anderen, von denen die eine zu
concentrirt, die andere zu verdünnt wäre, hat auch nach dem mitgetheilten Verfahren
keine Schwierigkeit, indem man ja nur die eine derselben direct mittelst der
Carbonatlösung und Säure auszumessen hat, um die zweite Alkaliflüssigkeit auf die
zugleich ihrem Gehalte nach bekannt gewordene saure Flüssigkeit beziehen zu
können.
Fehler in der Mohr'schen Gleichung zur Herstellung einer
Normallauge aus einer stärkeren und schwächeren Flüssigkeit. – Bei
dieser Gelegenheit sey mir eine Einschaltung über die Darstellung derartiger
Flüssigkeiten aus zweien, von denen die eine überstark, die andere dagegen zu
schwach ist, gestattet. Die gewöhnlich für diesen Fall angegebenen Gleichungen sind
streng genommen nicht ganz richtig, indem sie dem Factor der Contraction bei dem
Vermischen der beiden Laugen keine Rechnung tragen.
Halten wir uns in unserer Betrachtung an das in Mohr's
vortrefflichem Buche (S. 65) gewählte Beispiel. In demselben ist:
y = concentrirte Kalilösung von 2,3 K. C. auf 10 K. C.
Normalsäure,
x = verdünnte Kalilösung von 15,1 K. C. auf 10 K. C.
Normalsäure.
Für die Herstellung von 1 Liter Normallauge gibt Mohr nun
die beiden Gleichungen:
1) x/15,1 + y/2,3 = (x +
y)/10,
2) x +
y = 1000.
Diese letzte Gleichung ist nun nicht völlig genau, denn wenn man die Volume x und y der beiden Laugen
zunächst gesondert abmißt und alsdann mischt, so findet bekanntlich eine
Volumverminderung, Zusammenziehung, statt, und die Mischung würde nun nicht mehr den
Raum x + y, sondern einen
etwas geringeren ausfüllen. Man kann daher streng genommen auch nicht, wie
gewöhnlich geschieht, aus den Volumen eine Gleichung ableiten, sondern muß vielmehr
dieselbe auf die zu mischenden Gewichtsmengen beziehen, oder was dasselbe ist, das
specifische Gewicht der beiden Kalilösungen und der daraus herzustellenden normalen
mit in Rechnung bringen.
Leider ist das Gesetz des Zusammenhanges zwischen specifischem Gewichte und
Kaligehalt der Lösungen noch nicht anders als in Form empirischer Tabellen
entwickelt, und auch diese gehen, wie z.B. die wohl noch immer am meisten anerkannte
Dalton's, nicht einmal bis zur Verdünnung auf
Normallauge herab. Für diese und die schwächere mußten wir also für den Zweck
unserer Deduction beiläufig unmittelbare Bestimmungen ausführen. Für die
concentrirtere Lauge entwickeln wir dagegen den Werth beispielsweise aus der
angeführten Dalton'schen Tabelle. Dieselbe enthält indeß,
wie alle ähnlichen Tabellen, einfach die Gewichtsprocente des wirksamen
Bestandtheils, während in unserer Aufgabe der Kaligehalt titrimetrisch aufgefaßt,
also auf das Volum der Flüssigkeit bezogen wird. Wir bedürfen daher zunächst einer
kleinen Umgestaltung dieser gewöhnlichen Abfassung der Tabelle, indem wir darin
jedesmal die in einem Liter Lauge von dem zugehörigen spec. Gew. enthaltene
Kalimenge berechnen. Unter dieser Form sind derartige Tabellen zugleich in vielen
ähnlichen Fällen, wo man, bei Anwendung einer Flüssigkeit von bekanntem spec.
Gewichte die Abwägung, für den Zweck des Aushebens eines bestimmten Gewichtes ihres
wirksamen Bestandtheils, durch das ungleich rascher ausführbare Mittel des Abmessens
ersetzen will, brauchbar gemacht. Die erste Columne der so angeordneten Tabelle, das
Gewicht eines Liters
in Grammen darstellend, gibt natürlich durch 1000 dividirt das specifische Gewicht
wieder an:
Gewicht einesLiters in Gram.
Procentgehaltan KaO.
Gramme Kaliin 1 Liter.
1680
51,2
860,16
1600
46,7
747,20
1520
42,9
652,08
1470
39,6
582,12
1440
36,8
529,92
1420
34,4
488,48
1390
32,4
450,36
1360
29,4
399,84
1330
26,3
349,79
1280
23,4
299,52
1230
19,5
239,85
1190
16,2
192,78
1150
13,0
149,50
1110
9,5
105,45
1060
4,7
49,82
Die concentrirte Lauge in unserem Beispiele, von welcher 2,3 K. C. zur Neutralisation
von 10 K. C. Normalsäure erforderlich waren, enthielt offenbar:
(1000 . 0,472)/2,3 = 205,22 Gram. KaO im Liter.
Nimmt man nun aus der Tabelle die beiden angrenzenden Werthe, und setzt voraus das
spec. Gewicht wachse in diesem kleinen Intervalle proportional der Zunahme des
Kaligehaltes, so hat man für die Interpolation:
Spec. Gewicht.
Grm. KaO im Liter.
1,230
239,85
1,190
192,78
d.h. Differenz
0,040
47,07
und ebenso für den Werth unserer Lauge zusammengestellt mit
der nächst schwächeren der Tabelle:
x
205,22
1,190
192,78
d.h. Differenz
12,44
Hieraus ergibt sich die Erhöhung des specifischen Gewichtes der nächst schwächeren
Lauge auf dasjenige der nach demselben befragten zu:
(12,44 . 0,040)/47,07 = 0,011,
oder das specifische Gewicht unserer Lauge, von welcher 2,3 K.
C. zur Neutralisation von 10 K. C. Normalsäure erforderlich waren, gestaltete sich
wie 1,190 + 0,011 = 1,201. Wir sind also auf diesem Wege von der alkalimetrischen
Bestimmung zum specifischen Gewichte unserer Lauge gelangt.
Das Eigengewicht der Normallauge und der zu schwachen mußten wir, da sie nicht mehr
von der Tabelle umfaßt werden, direct bestimmen. Diese Bestimmungen, bei 14°
R. (Temperatur des Mohr'schen Liters) ausgeführt,
lieferten zunächst für die Normallauge:
24,672/23,496 = 1,050 spec. Gew.
Um die zu schwache Lauge zu erhalten, wurden 30 K. C. Normallauge auf 45,1 K. C. mit
Wasser verdünnt. Von der so erhaltenen Flüssigkeit entsprachen also, wie im Mohr'schen Beispiele, 15,1 K. C. 10 K. C. Normalsäure.
Das spec. Gewicht derselben ergab sich zu:
24,266/23,496 = 1,033 spec. Gew.
Berücksichtigt man nun bei der Aufstellung der Gleichung die so erhaltenen
Eigengewichte der Flüssigkeiten, so wird aus der oben beigebrachten Gleichung Mohr's:
1) x
. 1,033 = y . 1,201 = 1000 . 1,050
oder mit Worten: das Gewicht der x
K. C. der einen plus dem der y K. C. der anderen muß gleich seyn dem Gewichte des Liters der neuen
Lauge. Das Gewicht der Normallauge bleibt die Summe der Gewichte der beiden anderen
Flüssigkeiten, nicht so das Volum.
Außerdem läßt sich leicht eine zweite Gleichung aus der Constanz des Kaligehaltes vor
und nach dem Mischen ableiten; dieser ist nämlich:
(x . 0,472)/15,1 + (y . 0,472)/2,3 = 47,2
oder
2) x/15,1 + y/2,3 = 100
identisch mit der Mohr'schen
Gleichung (indem ja darnach 100 = 1000/10 = (x + y)/10), das heißt aber aus 2)
3) x
= (3473 – 15,1 y)/2,3
und diesen Werth in 1) substituirt kommt:
y = 91,34 K. C. der concentrirten
Lauge,
während Mohr's Gleichung zu dem
Werth
y = 91,64 K. C. führt.
In diesem Falle darf man natürlich nicht, wie bei der gewöhnlichen Gleichung, dieses
y = 91,34 einfach auf 1000 ergänzen, um x zu finden. Man erhält dafür indeß aus der Gleichung
3), indem man für y seinen Werth (91,34) einsetzt:
x = (34,73 – 15,1 . 91,34)/2,3
= 910,33 K. C.
der verdünnten Lauge, während Mohr
dafür 908,36 findet.
Fände beim Mischen der beiden Flüssigkeiten keine Verdichtung statt, so müßte das
Volum nach der Mischung natürlich größer als ein Liter ausfallen, nämlich zu:
x = 910,33
y = 91,34
x + y
ohne Contraction = 1001,67 K. C.
Es fand also eine Contraction von 1,67 K. C. statt. Dieselbe ist allerdings so
gering, daß sie in den meisten praktischen Fällen nicht wohl in Anschlag kommt; sie
ist aber dem Princip nach immer ein Fehler in der für diesen Zweck gebräuchlichen
Gleichung, welcher bei subtileren Arbeiten allerdings schon wahrnehmbar werden kann.
Diese geringe, nicht einmal 0,2 Proc. erreichende Abweichung ist indeß bei Anwendung
einiger Aufmerksamkeit selbst in den gewöhnlichen Mischcylindern noch sehr wohl
wahrnehmbar, und also die angedeutete Correction nach dieser Richtung hin nicht
überflüssig.
Eine Berechnung des x (resp.
y) wäre indeß nach gefundenem y (resp. x) nicht eigentlich erforderlich
gewesen, und geschah hier nur, um die Größe des durch die Contraction verursachten
Fehlers unmittelbar vor Augen zu führen. Bei der praktischen Ausführung hätte man
nur nöthig gehabt einen dieser beiden Werthe zu berechnen und das gefundene Volum
genau unter Mischen auf 1000 K. C. mit der anderen
Flüssigkeit zu ergänzen, wobei sich alsdann die Correction, durch die gleichzeitig
sich vollendende Zusammenziehung, von selbst einstellen würde. Dieser Umstand des
sich natürlich in der Mohr'schen Gleichung von selbst
verstehenden vollständigen Mischens der beiden Flüssigkeiten stimmt allerdings den
scheinbaren Fehler beträchtlich herab. Stellen wir die Resultate beider Gleichungen
zusammen, so ergibt:
Mohr's Gleichung:
Contraction berücksichtigt:
x = 908,36
x = 910,33
y =
91,64
y =
91,34.
Hier sind in der gewöhnlichen Gleichung x und y offenbar als Ergänzungsvolum zu einander unter Mischen zu verstehen. Völlig genau werden aber
selbst unter diesem Gesichtspunkte die beiden Werthe nicht.
Wenn ich im Laufe dieser Betrachtungen in einigen Details – wie ich hoffe von
dem aufgestellten gewissermaßen scrupulösen Gesichtspunkte aus gerechtfertigt
– mit den von Mohr in seinem classischen Werke
niedergelegten Ansichten differire, so wünsche ich dieß nicht als einen Mangel an
Pietät gegen einen Forscher gedeutet zu wissen, dessen Verdienste um einen der
fruchtbarsten Zweige unserer Wissenschaft mir, bei häufiger ernsthafter
Beschäftigung mit maaßanalytischen Aufgaben, vielmehr die größte Verehrung
einflößten.