Titel: | Ueber die Fabrication des Aetznatrons; von Fr. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. XLVII., S. 200 |
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XLVII.
Ueber die Fabrication des Aetznatrons; von
Fr.
Kuhlmann.
Aus dem Répertoire de Chimie appliquée, Juni
1862, S. 205.
Kuhlmann, über die Fabrication des Aetznatrons.
Die wichtigen Beziehungen der Sodafabriken Englands mit Amerika und die hohe Fracht,
welche ihre Producte tragen müssen, um an ihren Bestimmungsort zu gelangen, haben
einen wichtigen Fortschritt in dieser Fabrication veranlaßt, worüber ich hier
berichten will.
Das gewöhnliche Verfahren, die Soda durch Kalk in Aetznatron zu verwandeln, ist
kostspielig und der Zweck ist dabei nur mit verdünnten Laugen vollständig zu
erreichen; wenn man die Lauge nachher durch Abdampfen concentrirt, so zieht ein
Theil des Natrons wieder Kohlensäure aus der Luft an.
In den englischen Fabriken wendet man keinen Kalk mehr an, sondern verfährt in
folgender Art:
Bei der Fabrication der rohen Soda wird die Quantität Steinkohle, welche man der
Mischung hinzufügt, etwas vergrößert. Anstatt die erhaltene rohe Soda erst einige
Zeit lang der Luft auszusetzen, um das Schwefelnatrium, das schwefligsaure oder
unterschwefligsaure Natron etc. zu oxydiren, laugt man sie im frischen Zustande mit Wasser
von ungefähr 50° C. aus. Nachdem man die Lauge in der Ruhe sich hat klären
lassen, concentrirt man sie rasch und nimmt dabei das kohlensaure Natron in dem
Maaße heraus, als es sich am Boden der halbcylindrischen Pfanne ausscheidet, in
welcher die Abdampfung stattfindet. Während dieser Concentration nimmt die Lauge
eine immer dunkler werdende ziegelrothe Farbe an. Es scheidet sich fast alles
kohlensaure Natron daraus ab, indem man nachher erkalten läßt. Dieß ist daher von
Nutzen, um eine sehr gehaltreiche caustische Soda zu erlangen.
Die Lauge wird nachher in großen gußeisernen Kesseln oder Pfannen erhitzt, und
nachdem sie eine hohe Temperatur erreicht hat, wirft man nach und nach auf je 100
Th. zu erlangender caustischer Soda 3 bis 4 Th. salpetersaures Natron hinein. Dieser
Zusatz bewirkt die Umwandlung des Schwefelnatriums, des schwefligsauren und
unterschwefligsauren Natrons, und des in geringer Menge vorhandenen
Ferrocyannatriums in schwefelsaures Natron. Nach einiger Zeit wird die caustische
Lauge in eisenblecherne Cylinder gegossen, worin sie erstarrt. Das Product wird in
diesen Cylindern in den Handel gebracht.
Nicht alle Sodafabriken erzeugen ein gleich reines Product. Wenn die rohe Soda viel
schwefelsaures Natron oder unzersetztes Kochsalz enthält, wenn die Lauge nicht
hinreichend lange bei hoher Temperatur erhalten wurde oder wenn sie sich nicht
hinreichend klärte, so bekommt die caustische Soda eine schwach bräunlich gelbe
Farbe, die hauptsächlich von etwas Eisenoxyd herrührt, welches aus ein wenig
Schwefeleisen entstand, das sich in Schwefelnatrium gelöst hatte. Diese Sorten von
caustischer Soda zeigen am Alkalimeter oft nur 88 bis 90° und können noch 10
bis 12 Proc. kohlensaures Natron enthalten. Wenn man aber mit gut fabricirter roher
Soda operirt und die angegebenen Vorsichtsmaßregeln berücksichtigt, kann die Stärke
des Productes bis 113° betragen: gewöhnlich ergibt sie sich jedoch nicht über
100°. Die Quantität des kohlensauren Natrons beträgt darin selten weniger als
10 bis 12 Proc.
(Hinsichtlich des Vorganges bei dem Erhitzen der Lauge mit salpetersaurem Natron
bezieht sich der Verf. auf die Mittheilung von Pauli im
polytechn. Journal Bd. CLXIV S. 75.)