Titel: | Das Verfahren zur Stärkefabrication aus Roßkastanien von de Callias in Nanterre; Bericht von Jacquelain. |
Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. XVIII., S. 71 |
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XVIII.
Das Verfahren zur Stärkefabrication aus
Roßkastanien von de Callias
in Nanterre; Bericht von Jacquelain.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, Februar 1862, S. 66.
Mit einer Abbildung auf Tab. I.
de Callias' Verfahren zur Stärkefabrication aus
Roßkastanien.
Die Stärkegewinnung aus Roßkastanien zerfällt in drei Hauptoperationen: Darstellung
des Roßkastanienbreies, Trennung der Stärke und Trocknen des gereinigten
Productes.
Die Roßkastanien werden durch den Trichter B, Fig. 30, in
die gußeiserne Wäsche A gegeben, wo sie unter einem
Wasserstrahl vom anhängenden Schmutz gereinigt werden. Ueber C gelangen sie dann auf die Reibe D, deren
Sägezähne ziemlich flach geschnitten sind und die 800 Umdrehungen in der Minute
macht. Durch E fließt Wasser auf die Reibe und es
entsteht so ein Brei, welcher über F in die Grube G fließt. Hier wird der Brei durch einen starken
Wasserstrahl verdünnt und dann durch die Pumpe H und das
Rohr I in die Mühle J
getrieben, wo er durch horizontale Steine noch feiner gemahlen wird. Die Rinne K führt diesen feinen Brei nun in die erste Abtheilung
des Extractors von Metallgewebe L, in welchem sich ein
dreifaches Rührwerk mit Bürsten in entgegengesetztem Sinne bewegt. Das stärkehaltige
Wasser fließt in die Schale N, der Rückstand geht erst
durch die zweite größere Abtheilung von L, dann in einer
Rinne in den zweiten Extractor L' über. In beide
Siebtrommeln fließt ein
Wasserstrahl, der die Stärke nach und nach so viel wie möglich von dem Zellgewebe
trennt. Der aus L' herausfallende Rückstand wird nach
einer Grube geleitet, von wo man ihn in Miethen bringt, damit er darin eine Gährung
erleidet.
Das stärkehaltige Wasser aus N und N' geht durch ein Sieb nach O und wird nun
mittelst der Pumpe P und des Rohres Q auf ein zweites feines Sieb gehoben, von wo es auf ein
langes schwach geneigtes Rinnensystem R, R fließt, wo
sich die Stärke nach und nach absetzt. Das überstehende Wasser läßt man jedesmal in
der Nacht vollkommen ablaufen. Der Rinne gibt man eine Länge von 90 Meter und eine
Neigung von 1 Millimeter per Meter. Die in der Rinne
abgesetzte Stärke wird jeden Morgen auf das mit einem Rühr- oder
Schüttelapparat versehene Sieb S gebracht, wo sie unter
Wasserzufluß von den beigemischten Zellen- und Schalentheilen befreit wird.
Man benützt dazu eine kleine Pumpe und das Rohr V,
während die Siebvorrichtung legbar eingerichtet ist, so daß sie mit der Hand bewegt
und jedesmal über dem zu füllenden Absetzbottich aufgestellt werden kann.
Immerhin ist die Stärke noch mit feiner Zellsubstanz vermischt; man rührt sie in dem
Bottich noch mehrmals mit Wasser auf und zieht nach dem Absetzen die überstehende
unreine Flüssigkeit ab. Man erhält endlich eine Stärkeschicht von etwa 15 Centim.
Höhe, welche mit einer dünnen Zellgewebeschicht bedeckt ist; diese wird abgeschabt
und für sich verarbeitet, die reine Stärke aber in gewöhnlicher Weise
getrocknet.
Die grauliche Stärke (Schabestärke) seiht man mit Wasser durch ein Seidensieb Nr. 235
und läßt das milchige Wasser, wohl vertheilt, auf eine flache Rinne fließen, wo sich
nun ebenfalls reine Stärke absetzt, die dann wie gewöhnlich von Wasser befreit
wird.
Man erhielt auf diese Weise in neuerer Zeit, besonders in Folge der Anwendung des
eingeschalteten Mahlapparates, 15 Proc. vom Gewicht der Roßkastanien an fertiger
Stärke.
Die vergohrenen Rückstände liefern vom November bis März gutes Viehfutter; später
tritt Fäulniß ein und sie sind dann nur noch als Dünger zu gebrauchen.
Bis jetzt steht der Preis der Roßkastanienstärke, wohl nur in Folge des ungünstigen
Vorurtheils, beträchtlich niedriger als jener der Weizen- und
Kartoffelstärke; dennoch liefert die Fabrication ziemlich bedeutenden Vortheil.
Die oben angegebene Zahl 15 Proc. ist trotz der vervollkommneten Arbeit noch viel
geringer als der wirkliche Stärkegehalt, da dieser nach sorgfältiger Analyse etwa 28
Proc. beträgt.
Bisher hielt man das Schälen der Roßkastanien für unumgänglich, und an der
Kostspieligkeit dieser Arbeit scheiterten alle Versuche, diese Frucht zur
Stärkefabrication zu benutzen; es ist aber durch die beschriebene Einrichtung
dargethan, daß die Roßkastanien nicht geschält zu werden brauchen, wenn man sie nur
mit der erforderlichen Sorgfalt verarbeitet. Zugleich ist das Waschen und
Absetzenlassen des Productes vollkommen ausreichend, um ihm den ursprünglichen
bitteren Geschmack zu benehmen, so daß Hr. de Callias
zuerst das Problem der fabrikmäßigen Stärkegewinnung aus Roßkastanien, ohne
vorheriges Schälen derselben, gelöst hat.