Titel: | Skizzen aus der allgemeinen Londoner Industrie-Ausstellung im Jahre 1862; von Max Eyth. |
Autor: | Max Eyth [GND] |
Fundstelle: | Band 166, Jahrgang 1862, Nr. I., S. 1 |
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I.
Skizzen aus der allgemeinen Londoner
Industrie-Ausstellung im Jahre 1862; von Max Eyth.
(Fortsetzung von Bd. CLXV S. 411.)
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Eyth, Skizzen aus der Londoner Ausstellung.
Französische Locomobilen.
Maschinen, welche nach dem Clayton-Shuttleworth'schen System den Cylinder in der Rauchkammer
haben, finden wir im französischen Departement nicht. Hingegen sind Maschinen mit
Cylinder in Dampfkammern sowohl als Rauchkammer, von zwei Fabriken ausgestellt,
– eine Combination, die ohne Zweifel eine sehr glückliche genannt werden
dürfte, wenn die Art der Anordnung etwas praktischer gewählt wäre.
Barbier et Daubrée, Clermont-Ferrand.
Die Kessel dieser Fabrik (Fig. 1–4) bestehen
aus einem Cylinder, in welchem ein Feuerrohr vom Roste aus das Feuer in die
erste Rauchkammer führt, in der es umkehrt und durch Siederöhren zurückläuft.
Die zweite Rauchkammer, hoch und weit über dem Kessel aufgebaut, enthält das
Gußstück, welches Cylinder sowohl als Dom vorstellt, indem ein weiter Dampfraum
um den Cylinder durch einen Stutzen mit dem Dampfraum des Kessels in Verbindung
steht. Die Anordnung hat jedenfalls die Folge, daß nur sehr trockener und nahezu
überhitzter Dampf im Cylinder arbeitet, und wäre sehr empfehlenswerth, wenn
nicht Cylinder und Schieberkasten beinahe unzugänglich wären. In Betreff des
Kohlenverbrauchs muß die Maschine günstige Resultate liefern, und wir können uns
kaum erklären, wie sie bei der Agricultur-Ausstellung zu Paris im Jahr
1860 nach den Versuchen der Commission 6 Pfund per
Stunde und Pferdekraft verbrannt haben soll, wenn nicht ziemlich geringe Kohlen
angewendet wurden.
Im Uebrigen ist die Maschine eine der leichtesten im französischen Departement.
Ein am Gußstück des Cylinders angeschraubter gußeiserner Bock bildet die beiden
Lineale und trägt zugleich den gewöhnlichen Kugelregulator – eine Construction,
welche die relative Lage des Kolbens und Gleitstückes in bestmöglichster Weise
sichert. Die Lagerböcke mit ihren angegossenen geraden Lagern sind unter sich
getrennt. Die Kurbelstange ist natürlich gespalten und mit offenen Köpfen
versehen. Die Speisepumpe ist in horizontaler Lage an dem Cylindergußstück
festgeschraubt und durch ein Excenter, gegenüber dem Schieberexcenter, bewegt.
Die Welle ist in der gewöhnlichen französischen Form, die zum mindesten nicht
schön ist, abgebrochen und trägt zwei Schwungräder.
J. Cumming à
Orléans.
Was Kessel und Lage des Cylinders anbelangt, ist die von dieser Fabrik
ausgestellte Locomobile der vorangegangenen durchaus ähnlich. Die Geradführung
ist in der gewöhnlichen englischen Weise durch vier Lineale gebildet, welche am
Cylinderdeckel einerseits, an einem kleinen Ständer andererseits angeschraubt
sind. Dieser Ständer ist zugleich die gegen die Welle hin liegende Speisepumpe,
indem der Kolben derselben durch eine nach unten gehende Verlängerung des
Gleitstückes geführt ist. Die Lager sitzen auf einem gemeinschaftlichen Bock,
der auf einem Ansatz den direct über der Welle stehenden Regulator trägt. Dieser
wird durch conische Rädchen direct in Bewegung gesetzt, anstatt des sonst
unvermeidlichen Riemens.
Schließlich bleibt uns noch eine interessante Kesselconstruction zu erwähnen, mit
welcher neuerdings mehr und mehr und durchaus ermuthigende Versuche gemacht
werden, und die auf einen solchen Kessel gebaute Locomobile von
Malo, BellevilleetComp.
In einem viereckigen Blechkasten (Fig. 5–7) von 70
Centimeter Breite, 1 Meter Länge und circa 2 Meter
Höhe, welcher doppelte 3 Centimeter von einander entfernte Wände hat, liegt
unten, den ganzen Querschnitt des Kessels einnehmend, der Rost. 36 Centim. über
demselben liegen gußeiserne Querbarren, welche ein System schmiedeeiserner
Röhren tragen, die hinten hufeisenförmig abgebogen und vorn mit angeschweißten
Muffen versehen sind. Die erste Reihe von 5 Röhren ist durch ein gemeinsames
schmiedeeisernes Rohr mit 5 Stutzen verbunden, wie auch, nach oben gezählt, die
6te Schichte. Die 2te, 3te, 4te und 5te Reihe von Muffen sind so verbunden, daß
immer nur die über einander liegenden Röhren durch ein gemeinschaftliches, 2
Stutze enthaltendes Querstück communiciren. Diese Querstücke enthalten 2 runde
Deckelchen, welche je durch eine Schraube dicht angezogen sind und durch welche
somit jedes Rohr einzeln bequem gereinigt werden kann. Von dem Verbindungsrohr
der obersten Schichte führt ein Stutz und ein gebogenes Rohr außerhalb des Kastens in den auf
demselben liegenden Dampfbehälter, der aus Schmiedeeisen und cylindrisch ist und
durch dessen Mitte der Kamin nach oben führt. Von demselben geht ein Rohr zur
Maschine und ein zweites zu einem ziemlich großen, vertical an der Außenseite
des ganzen Apparates stehenden gußeisernen Rohr, welches unten einerseits mit
dem untersten Röhrensystem, andererseits mit dem Wasserstandsglas in Verbindung
ist. In diese Röhre, und zwar in den mit Dampf gefüllten Theil, wird das
Speisewasser gepumpt. Nur die drei untersten Reihen des Röhrensystems sind mit
Wasser gefüllt.
Der Vortheil, welcher in diesem und allen ähnlichen Dampfkesseln liegt, ist eine
möglichst geringe Menge Wasser dem Feuer auszusetzen und so eine rasche
Verdampfung zu erzielen. Wie wir sehen, ist zugleich ein sehr großer Theil der
Heizfläche für das Ueberhitzen des Dampfes verwendet, was beides auf eine
günstige und rasche Dampfentwickelung wesentlichen Einfluß hat. Der Fabrikant
gibt die Zeit in der man Dampf von 7 Atmosphären erhält, zu 35 Minuten an und
glaubt mit 2 1/2–3 Pfd. Kohlen per Stunde und
Pferdekraft arbeiten zu können. Er nennt seinen Kessel unexplodirbar, indem das
Springen einer Röhre bei den geringen Mengen von Wasser und Dampf, die der
Apparat enthält, nicht viel Unheil anrichten kann. Wie lange freilich die
überhitzten Röhren Dienste leisten, kann nur durch längere Erfahrung
festgestellt werden.
Die Maschine ist von verticalem System mit stehendem Cylinder, und auf einer
gemeinschaftlichen Grundplatte an der Rückwand des Kessels angeschraubt. Sie ist
hübsch gearbeitet, und abgesehen von etlichen schwer zu erklärenden
constructiven Mißgriffen, eine der besten und hübschesten französischen
Locomobilmaschinen. Die Welle liegt in den an der Fundamentplatte angegossenen
schiefen Lagern und treibt den Regulator mit einem Riemen. Die Drosselklappe, in
das Dampfeinströmungsrohr eingeschaltet, sitzt etliche Meter vom Schieberkasten
entfernt. Eben so merkwürdig ist die Entfernung der Ventilsitze von der neben
dem Cylinder stehenden Speisepumpe. Sonst sind die zwei Lineale der
Geradführung, sowie die kurze, gespaltene Kolbenstange mit offenen Köpfen, ganz
nach dem gewöhnlichen französischen Muster.
Leider sind wir im Augenblick nicht im Stande, eine ähnliche, die Preise der
ausgestellten französischen Locomobilen enthaltende Tabelle zu geben, wie es uns
die Kataloge im englischen Departement möglich machten. Es liegt darin ein
charakterisirender Unterschied des englischen und französischen
Geschäftsbetriebes, aus dem wir auf eine eigentlich fabrikmäßige Entwickelung
des französischen Locomobilenbaues vorderhand kaum schließen dürfen. In
England, wo die Maschinen zu Hunderten verkauft werden, hat sowohl in
technischer als commercieller Beziehung die lächerliche Geheimnißkrämerei nahezu
aufgehört, hinter der sich vor 20 und 30 Jahren die einfachsten mechanischen
Processe verbargen. Die freie, ungebundene Concurrenz einerseits, und die
strenge Handhabung der englischen Patentgesetze andererseits, konnten beide nur
fördernd auf die commercielle Entwickelung wirken. In Frankreich und noch mehr
in Deutschland fehlen noch beide Bedingungen. Daher die Vorsicht mit der alles
gezeigt wird, die Preistabellen mit leeren Preiscolumnen.
Mit Malo, Belleville und Comp. schließt die Reihe der französischen Locomobilen, und wir gehen
zu dem industriellen Nachbarlande Frankreichs über, welches auch dießmal wieder
eine rühmliche Stelle in der Weltausstellung einnimmt.
Belgische Locomobilen.
Leider vermissen wir auch hier einige der ersten Fabriken, die sich mehr nebenbei mit
Locomobilenbau befassen, insbesondere darunter die Société Cockerill in Seraing, deren eigenthümliche, fast
ganz aus Schmiedeeisen bestehende Maschinchen an Leichtigkeit die leichtesten
englischen Locomobilen übertreffen dürften.
So finden wir denn nur 2 Maschinen, von welchen die eine aus Cail's Zweigfabrik in Brüssel hervorgieng. Sie hat 2 Pferdekräfte und ist
in constructiver Beziehung der bereits besprochenen Maschine derselben Fabrik im
französischen Departement vollständig ähnlich. Die zweite ist eine transportable
Maschine mit horizontalem Kessel, von
Houget à Vervier.
Der Kessel (Fig.
8) ist ein einfacher cylindrischer Außenkessel, der eine cylindrische
Feuerbüchse und 16 Röhren enthält. Derselbe hat für die 6pferdige, auf seinem
Rücken liegende Maschine 9 Quadratmeter Heizfläche, was, wie man sieht, ziemlich
wenig ist. Er arbeitet dabei mit der Maximalspannung von 6 Atmosphären.
Feuerbüchse und Röhrensystem sind mit dem äußeren Kessel wie in dem Boidell-Balk'schen Patentkessel mit Schrauben
verbunden, so daß die Röhren herausgenommen werden können. Ein eigentlicher
Dampfdom fehlt.
Die Maschine sitzt nun auf einem gemeinsamen gußeisernen Gestell von etwas
schwerem, aber für eine nur transportable Maschine hübschem Bau. Der Theil
dieses Gestells, direct unter dem Cylinder, ist mit Dampf gefüllt, wie auch der
den Cylinder theilweise umgebende Mantel, welche beide den Dampfdom vertreten
(Fig.
9). Ein Gußstück mit dem Cylinder bildend, liegt über demselben ein
halbrund gewölbter Raum, in welchen der Abdampf tritt und durch den, in einem
Schlangenrohr, das Speisewasser gepumpt wird, ehe es in den Kessel tritt.
– Der seitlich zu öffnende Schieberkasten enthält nur einen gewöhnlichen
Muschelschieber. Die Schieberstange wird nach außen durch die Speisepumpe
geführt, die hinten und vorn eine Stopfbüchse hat, so daß Schieber und
Speisepumpe durch ein Excenter bewegt werden – eine Construction, bei der
mir die zwei Stopfbüchsen der Speisepumpe unangenehm sind. Die Geradführung
besteht aus den gewöhnlichen zwei breiten Linealen und einem Gleitstück aus
Gußstahl (Fig.
10). Die Lineale sind am Cylinderdeckel einerseits, anderseits an
einem gußeisernen Ständer befestigt, der zugleich als Regulatorbock dient (Fig. 11).
Die Kolbenstange ist gespalten, die Kurbel ausgestoßen und die Welle mit zwei
Schwungrädern von kleinem, schwerem Kaliber versehen. Wir sehen nicht ein, warum
man sich auf dem Continent von diesen schweren, massig aussehenden Schwungrädern
nicht trennen kann. In Betreff der Fundamentplatte muß erwähnt werden, daß sie
nur an einem Punkte förmlich festgeschraubt ist, und die entgegengesetzten
Schrauben durch Schlitze gehen, welche das Verschieben des Kessels ermöglichen.
Die Wellenlager (Fig. 12) sind auf
derselben aufgeschraubt und haben senkrecht mit verkeilten Schrauben aufgesetzte
Deckel und diagonal geschnittene Lagerschalen, von denen die obere durch eine
Stellschraube angezogen werden kann.
Die Maschine arbeitet mit 124 Umdrehungen – eine Anzahl, die, wie wir
wissen, von englischen Locomobilen von 6 Pferdekräften gewöhnlich übertroffen
wird, aber in dem belgischen Katalog als sehr hoch, gewissermaßen
entschuldigend, angeführt ist. Sie treibt in der Ausstellung einen Theil einer
Spinnerei.
Das Wichtigste ist jedoch bei der ganzen Maschine die Kraftübertragung, die durch
einen Kettenriemen erzielt wird, der über zwei mit
conischen Rinnen versehene Scheiben lauft und trotz der größten Schlaffheit die
Kraft in ausgezeichneter Weise fortpflanzt. Die Construction ist Patent eines
Hrn. Clissold. Die Gelenke der Kette bestehen aus
Eisen und Leder, wobei immer ein Gelenk aus einem gewöhnlichen Blechstück das
zwei Stahlzapfen trägt, das andere aus zwei Lederstücken und einem dieselben
umfassenden schmiedeeisernen Bande besteht, die seitlich nach der Form der Rinne
conisch abgeschnitten sind. Diese Kettenriemen finden bereits mannichfache
Anwendung, besonders wo durch eigenthümliche Verhältnisse ein sich ändernder
Abstand der Wellenmittel einen sehr schlaffen Riemen nöthig macht. Wir werden
hierauf zurückkommen, indem sie namentlich das Neueste, was in diesem Jahre im
Gebiete des Dampfpflügens geleistet wurde, ins Leben riefen.
Deutsche Locomobilen.
Wir haben nur an einem einzigen Exemplare Gelegenheit, den Stand des Locomobilenbaues
in unserem Vaterlande zu beurtheilen, denn die Locomobile im österreichischen
Departement ist in jeder Beziehung englischen Ursprungs. – Diese Locomobile
übertrifft jedoch, wenn wir nur die Maschine berücksichtigen, in solider
Construction und namentlich an Gewicht sicherlich Alles, was England, Frankreich,
Belgien und Amerika in diesem Zweige ausgestellt haben.
Der Kessel dieser Maschine, welche die Cölner
Maschinenbau-Actiengesellschaft ausstellte, ist den gewöhnlichen
englischen Locomobilkesseln mit viereckiger Feuerbüchse und einem horizontalen
Siederöhrensystem durchaus ähnlich. Ueber der Feuerbüchse sitzt ein kleiner
gußeiserner Dom mit zwei Ansätzen, von denen der eine die Sicherheitsventile, der
andere das Absperrventil trägt (Fig. 15). Von demselben
führt ein Dampfrohr im Bogen dem Schieberkasten den Dampf zu.
Wir fanden bei den englischen Locomobilen die Maschinentheile direct auf dem Kessel
aufgenietet oder angeschraubt, und ohne weitere directe Verbindung unter sich; im
französischen Departement fanden wir die gemeinschaftliche, das Gewicht des Ganzen
bedeutend vermehrende Fundamentplatte auf den Kessel geschraubt oder genietet; bei
der deutschen Locomobile endlich ist für die Maschine ein rahmenförmiges
Fundamentgestell nicht auf den Kessel, sondern auf 8 am Kessel angenietete
gußeiserne Träger aufgeschraubt.
Die Maschine ist zweicylindrig. Die beiden Cylinder bilden ein gemeinsames Gußstück
mit zwischenliegendem, gemeinschaftlichem Schieberkasten. Die Geradführung besteht
wie bei Breval's Maschinen aus einer Stopfbüchse, durch
welche die verlängerte Kolbenstange tritt. Die Kurbelstange ist natürlich gespalten.
Der Zapfen am Kreuzkopfende dreht sich anstatt in der Kurbelstange, in dem mit
Messingschalen und einem Keil versehenen Kopf der Kolbenstange. Am anderen Ende hat
dieselbe einen mit einem Bügel geschlossenen Kopf. Die beiden Kurbeln sind
ausgestoßen und die Lager besonders auf den Fundamentrahmen aufgeschraubt. Die Art,
wie die Maschine zum Rück- und Vorwärtssteuern eingerichtet ist, ist
eigenthümlich. Ein Excenter faßt das obere Ende einer Coulisse, deren Form ein
Kreissegment ist, das vom Ende des Schieberstangenkopfes aus beschrieben wird. Diese
Coulisse (Fig.
17) dreht sich um zwei in ihrer Mitte angeschweißte seitliche Zapfen und
führt das bewegliche Ende der Stange, welche sie mit der Schieberstange in
Verbindung bringt. Diese Stange wird durch einen Hebel gehoben oder gesenkt, und auf diese
Weise der Hub des Muschelschiebers verstellt. Die Coulissen mit ihren concaven
Rinnen, in welchen das kleine Gleitstück für die Schieberstange läuft, sind ein
ziemlich theures Stück Arbeit; größer aber ist der Nachtheil, welcher durch die fast
immer nach oben oder unten ziehende Verbindungsstange zwischen Schieberstange und
Coulisse auf die Stopfbüchse ausgeübt wird.
Die Preise dieser Locomobilen sind für
6
8
10
12
15
18
Pferdekräfte
1350
1450
1700
1800
1950
2150
Thaler.
Natürlich läßt sich nach diesem einzigen Exemplare über den Locomobilenbau
Deutschlands nichts sagen, als daß er sich erst seine Bahn zu brechen hat. Das
eigentliche Feld der Locomobile wird für die nächsten 20 Jahre das
landwirthschaftliche Gebiet bleiben, und Leichtigkeit ist dabei eine vielleicht
wichtigere Bedingung, als eine Solidität welche der Maschine eine 20jährige Dauer zu
garantiren scheint. Eine Locomobile für landwirthschaftliche Zwecke hat, wie wir
sehen, Deutschland nicht ausgestellt.
Amerikanische Locomobilen.
Uebersehen von Tausenden, welche die große Ausstellung nach allen Richtungen
durchstreifen, finden wir in dem unscheinbarsten Theil des Gebäudes, in der
südöstlichen Ecke, einen kleinen Raum, der einem der größten Länder der Welt
zugewiesen wurde. Die Vereinigten Staaten waren wegen des dortigen Bürgerkrieges
selbstverständlich nicht im Stande, vor der alten Welt dießmal ihre eigenthümliche
geistige und materielle Productionskraft zu entfalten. Das Wenige, was sie
ausstellten, ist jedoch charakteristisch genug, um uns augenblicklich zu zeigen, daß
wir uns in einer andern Welt des menschlichen Schaffens befinden.
Amerika ist die zweite Heimath der Locomobile, die erste vielleicht des technischen
Landbaues. Es hat keine eigentliche Locomobile ausgestellt. Was wir hieher rechnen
können, ist nur eine eigenthümlich construirte und schön ausgeführte Dampf-Feuerspritze von Wellington Lee in
New-York, von der wir in Fig. 18 und 19 eine Skizze
geben.
Das Ganze ist, abgesehen vom gußeisernen Cylinder, durchaus von Schmiedeeisen, Stahl
und Messing ausgeführt. Der Kessel, von verticalem System, ist für eine rasche
Dampferzeugung wie geschaffen, und soll in 10 Minuten Dampf von 7 Atmosphären
Spannung geben. Er besteht im Wesentlichen aus einem cylindrischen Dampfraum, in
dessen unteren Boden eine Reihe verticaler Röhren eingeschraubt sind. Der äußere
Röhrenkranz steht unter sich unten durch einen ringförmigen Wulst in Verbindung.
Sämmtliche Röhren, welche in diesem Wulste eingelassen sind, stehen so enge beisammen,
daß sie eine förmliche cylindrische Wand bilden, in deren Innerem der Rost und eine
Anzahl weiterer Wasserröhren liegt, die aber kürzer und von größerem Durchmesser
sind. In jeder dieser kürzeren Röhren führt ein Siederohr empor, welches das Feuer
durch den Dampfraum in die über demselben liegende Rauchkammer führt. Nur diese
Röhren sind vollständig mit Wasser gefüllt, so daß eine außerordentlich geringe
Masse Wasser mit der dem directen Feuer ausgesetzten Heizfläche in Berührung ist.
Die hiedurch erzielte heftige Verdampfung hat den weiteren Vortheil, daß sich in den
Röhren kein Kesselstein absetzen kann, sondern derselbe namentlich in den unteren
Wulst, in welchen gespeist wird, herabsinkt, wo er durchaus unschädlich ist.
Gespeist wird der Kessel durch einen Giffard'schen
Apparat, welcher an der Seite des Kessels angebracht ist und mit dem Windkessel der
Feuerspritze in Verbindung steht.
Vom Dampfraum aus führt ein Messingrohr zum Cylinder. Derselbe ist auf einer
schmiedeeisernen Fundamentplatte aufgeschraubt, die selbst mit einigen Nieten am
Kessel befestigt ist. Die Kolbenstange ist in dem flachen Kopf einer
schmiedeeisernen Traverse befestigt, welche durch vier schmiedeeiserne Lineale
geführt wird. Diese Traverse endet in zwei Zapfen, an welchen die beiden
Kurbelstangen zugleich angreifen. Dieselben fassen die in drei leichte Schwungräder
eingekeilten Kurbelzapfen. Die Schwungräder stecken auf einer Welle, welche zugleich
die Achse einer Rotationspumpe bildet.
Diese Pumpe, in messingenem Gehäuse, sitzt hinter dem Cylinder. Sie hat eine mit
einem Sieb versehene Saugöffnung und zwei mit Schiebern versehene Druckstutzen.
Direct über dem Druckrohr sitzt ein kupferner Windkessel, von dessen unterem Theile
ein dünnes Röhrchen nach dem Giffard'schen Speiseapparat
abzweigt, welcher an der Seite des Kessels angeschraubt ist.
Das Radwerk, durchaus von Schmiedeeisen, ist in Anordnung und Ausführung splendid.
Die Achse der Hinterräder bildet einen großen Ring, in welchem der Kessel hängt. Das
Ende der Fundamentplatte ruht auf der Achse der Vorderräder, und kann gehoben und
gesenkt werden.
Die geregelte Dampfspannung ist 7 Atmosphären; die Anzahl der Umdrehungen der
Maschine und somit der Pumpe ist 260–300.
Natürlich setzt die Anwendung der Maschine eine Wasserleitung voraus, welche das
Saugen der Pumpe ziemlich unnöthig macht. In Städten, die mit solchen versehen sind,
mag der Apparat einen unschätzbaren Werth haben. Die Spritze wurde leider nicht mit
den übrigen Feuerlöschapparaten der Ausstellung probirt; wir sind deßhalb nicht im
Stande, genaue Resultate
über ihre Leistungsfähigkeit mitzutheilen, hoffen aber diese später nachtragen zu
können. Sie soll mit Leichtigkeit 10' tief saugen.
Was constructive Verhältnisse betrifft, so ist sie in jeder Beziehung schöner als die
nachträglich in die Ausstellung gebrachte Dampfspritze von Merryweather, welche probirt, aber durch das Brechen verschiedener Theile
alsbald untüchtig wurde.
Hiemit wären wir am Schlusse dieses etwas langen Capitels über Locomobilen angelangt.
Der Grund, weßhalb wir dem Gegenstande so viel Raum widmeten, ist, weil wir von der
tiefgreifenden Bedeutung des Locomobilenbaues, besonders für Deutschland, fest
überzeugt sind und daher wünschen, die Aufmerksamkeit der einen oder anderen der
deutschen Maschinenfabriken auf einen Gegenstand zu lenken, welcher in Deutschland
überhaupt und besonders im Osten von Deutschland für die nächsten Jahre eine
glänzende Zukunft haben muß.
Die Ende Juni d. J. zu Battersea abgehaltene Ausstellung der Royal Agricultural Society of England konnte uns hierin nur bestärken.
Gegen 100 Locomobilen von allen Größen und Formen, fest und beweglich, zeigten dort
noch mehr als in der Ausstellung in Kensington, welch einer ungeheuren Ausdehnung
dieser Zweig der Industrie fähig ist und die zahlreichen Fremden, welche aus allen
Theilen der Welt zusammen strömten, bewiesen klar genug, was der Landwirthschaft
aller Länder im Augenblicke noth thut.
(Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)