Titel: | Die Anwendung elektrischer Signale für hülfsbedürftige Eisenbahnzüge; von C. Frischen, k. hannoverschen Telegrapheninspector. |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LXXXIV., S. 363 |
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LXXXIV.
Die Anwendung elektrischer Signale für
hülfsbedürftige Eisenbahnzüge; von C. Frischen, k.
hannoverschen Telegrapheninspector.
Aus der Zeitschrift des
deutsch-österreichischen Telegraphenvereins, 1862 S. 1.
Mit einer Abbildung auf Tab. V.
Frischen, über die Anwendung elektrischer Signale für
hülfsbedürftige Eisenbahnzüge.
Mit Recht bricht sich die Anwendung des Morse-Telegraphen als
Eisenbahnbetriebstelegraph mehr und mehr Bahn, da seine Handhabung und Bedienung
zwar etwas schwieriger, dafür aber seine Zuverlässigkeit und Sicherheit bedeutend
größer ist, als die der besten Zeiger- und gar der Nadeltelegraphen,
abgesehen davon, daß er nicht bloß vergängliche Zeichen befördert, sondern ein
bleibendes gedrucktes Document liefert. Auf den k. hannov. Bahnen sind auf 74
Stationen 94 Morsetelegraphen für den Bahndienst und zugleich zur Beförderung von
Privatdepeschen in Thätigkeit und werden, mit Ausnahme von 18 Stationen, nur von
Bahnbeamten bedient. Als zweckmäßigste Einrichtung der Morsetelegraphen für
Eisenbahnbetriebszwecke bezeichnet der Verf. diejenige mit Ruhestrom (vgl.
Zeitschrift des deutsch-österr. Telegraphen-Vereins, Jahrg. 5, S.
213).
Eine Benutzung des für die Correspondenz zwischen zwei benachbarten Stationen
ausgespannten Drahtes zur Signalisirung des Abganges der Züge mittelst elektrischer
Glockenwerke in den Wärterhäusern und eine etwaige Einschaltung von transportabel
Telegraphenapparaten, welche die Züge für den Fall eines Unglücks mit sich führen,
ist zwar ausführbar, beeinträchtigt aber die Sicherheit dieser drei verschiedenen
telegraphischen Dienstleistungen. Besser und gewöhnlicher spannt man für die
Glockenwerke einen besonderen Draht. Die Anwendung transportabler Apparate (meistens
Zeigerapparate) hat trotz großer Mühe und bedeutender Geldopfer nur ausnahmsweise
ein günstiges Resultat geliefert. Man stellte daher auf mehreren Bahnen in jedem
zweiten oder dritten Wärterhause besondere Apparate auf, welche nach Erforderniß in
die Leitung eingeschaltet und von den dazu vorgebildeten Bahnwärtern bedient werden
sollten; auch suchte man diesen Bahnwärtern durch häufigere Uebung Sicherheit in der
Bedienung der Apparate zu verschaffen. Diese Einrichtung war aber nicht billig und
in den meisten Fällen des Gebrauchs wegen der Entfernung des nächsten Apparates doch
sehr zeitraubend.
Morseapparate scheinen weder transportabel, noch in Wärterhäusern vertheilt angewendet worden zu
seyn. Bonelli's Vorschlag, den Zug durch eine zwischen
den Schienen gelegte isolirte Leitungsschiene mit der nächsten Station in
ununterbrochener telegraphischer Verbindung zu erhalten, ist wohl kaum praktisch
ausführbar.
An den hannoverschen Bahnen wurden die Betriebstelegraphen nach Morse's System eingerichtet, für die durch besondere Localverhältnisse auf
einzelnen Strecken, z.B. Göttingen – Cassel, bedingten elektrischen
Glockenwerke ein besonderer Draht gespannt und dieser zugleich zum Geben
elektrischer Hülfssignale von Seiten hülfsbedürftiger Züge eingerichtet. Die
aufgestellten Glockenwerke von Siemens und Halske in Berlin werden durch einen kurzen elektrischen
Strom in Bewegung gesetzt, geben darauf fünf Doppelschläge an zwei verschieden
gestimmte gußeiserne Glocken und arretiren sich darauf selbst. Je fünf Doppelschläge
bilden einen „Puls“. Ein Puls zeigt einen Zug von Cassel nach
Hannover, zwei Pulse einen Zug von Hannover nach Cassel, vier Pulse den Dienstschluß
an. Als Stromerzeuger diente anfänglich eine galvanische Batterie, wurde aber bald
durch magneto-elektrische Stromerzeuger von Siemens und Halske ersetzt, die sich seit einer
längern Reihe von Jahren vortrefflich bewährt haben.
Früher konnten von jeder Glockenbude aus elektrische Hülfssignale gegeben werden: es
waren nämlich auf den beiden benachbarten Stationen schwächere Hülfsbatterien
aufgestellt und mit Ruhestrom so eingeschaltet, daß ihre Ströme sich neutralisirten;
wurde in einer Glockenbude durch Einstecken eines besonderen Schlüssels in einen
Hülfssignalgeber die Leitung unterbrochen und das eine Ende mit der Erde verbunden,
so ertönte auf der nächsten Station das Hülfssignal auf dem Hülfssignalwecker, und
wurde von dieser Station durch das Fahrsignal der abgehenden Hülfsmaschine
beantwortet.
Da diese Hülfssignale sich als mangelhaft und doch wenig zuverlässig herausstellten,
wurden sie durch einfachere und doch sichere in folgender Weise ersetzt.
An beiden Enden der Glockenlinie wurden die zu einer vollständig ausgerüsteten
Station gehörigen Morsetelegraphenapparate und zwar für Ruhestrom aufgestellt, so
daß auf diese Weise eine volle telegraphische Correspondenz auch auf der
Glockenlinie ausführbar wurde. Die einzelnen Apparate: Relais, Schreibapparat,
elektrischer Wecker mit continuirlicher Selbstunterbrechung, Galvanometer und
Blitzableiter sind mit den sonst gebräuchlichen ganz übereinstimmend, nur ist der
Schreibapparat mit einer Selbstauslösung versehen, so daß der Papierstreifen sich
sogleich fortzubewegen beginnt, wenn der Anker angezogen wird, und erst nach einiger Zeit von selbst
wieder still steht. Der Taster dagegen ist abweichend, wie Fig. 14 zeigt. Der Taster
oder Schlüssel T hat nämlich bei jedem der beiden
Contacte noch eine besondere Schiene 1 und 2 liegen, welche durch Einstecken eines
Stöpsels mit der Contactschiene verbunden werden kann. Vom Relais wird aber
gleichzeitig noch ein besonderer Wecker mit continuirlicher Selbstunterbrechung in
Thätigkeit gesetzt, um die Aufmerksamkeit der Beamten ganz besonders zu erregen.
Der Stromlauf ergiebt sich aus der erwähnten Figur, in welcher alle Apparate, deren
Einschaltung wie gewöhnlich ist, weggelassen wurden, sehr leicht von selbst. C ist die Skizze der Einschaltung eines Glockenwerks,
A und B die Skizze der
beiden benachbarten Stationen. A ist mit einem
elektromagnetischen Stromerzeuger und zugleich mit der Batterie H für die Hülfssignale versehen. Soll von B ein Zug nach A gehen, so
fordert B die Station A auf
der Betriebstelegraphenleitung auf, das Glockensignal auf der Glockenlinie zu geben.
Beim Geben der Glockensignale werden in den Tastern T
die Schienen 2 durch Stöpsel mit ihren Contacten verbunden und dadurch zugleich die
Relais R aus der Leitung ausgeschaltet; werden dagegen
die Schienen 1 gestöpselt, so sind die Apparate zum Telegraphiren und zum Empfangen
der Hülfssignale auf den Relais R eingeschaltet. Der
constante Strom der Hülfssignalbatterie H ist aber nicht
kräftig genug um die Elektromagnete E der Glockenlinie
zum Anziehen zu bringen, sondern er reicht nur zum Betrieb der Relais hin. In den
Glockenbuden ist ein Umschalter W aufgestellt, in
welchem für gewöhnlich der Punkt a mit b und c mit d durch Querschienen verbunden ist. Zum Geben der
Hülfssignale aber haben die Glockenwerke folgende Einrichtung erhalten. Auf der
Achse des zweiten Rades, welches bei jedem Doppelschlage eine Umdrehung, bei jedem
Pulse also fünf Umdrehungen macht, ist eine Messingscheibe m aufgesteckt, welche auf ihrem Umfange verschiedene Einschnitte hat. Auf
dem Umfang der Scheibe schleift die gegen das Gestell des Glockenwerks isolirte, mit
dem Punkte c des Wechsels leitend verbundene Metallfeder
f; die Scheibe m dagegen
ist durch das Gestell mit dem Punkte d in Verbindung.
Wird nun an einem Glockenwerke Scheibe m und Feder f in den Stromkreis eingeschaltet, indem man die
Querschienen des Wechsels um b und c dreht, so daß die Verbindung zwischen a und b und zwischen c und d aufgehoben, dafür
aber b mit d und c mit a verbunden wird, und
wird darauf dieses Glockenwerk in Bewegung gesetzt, indem man den Anker des
Elektromagnets E mit der Hand niederdrückt, so wird,
während das Werk einen Puls ertönen läßt, der beständig in der Glockenleitung
circulirende Strom der Hülfsbatterie den Einschnitten der Scheibe m gemäß wiederholt unterbrochen, so oft die Feder f über einem Einschnitte steht; dabei sprechen die Relais in A und B an, die Wecker geben
ein entsprechendes weithin hörbares Zeichen und auf den Papierstreifen der
Schreibapparate werden die den Einschnitten entsprechenden, aus Strichen und Punkten
bestehenden Zeichen selbstthätig aufgezeichnet, und zwar fünf Mal hinter einander,
da die Scheibe m sich bei jedem Pulse fünf Mal umdreht.
Das hörbare Zeichen und die Schrift auf dem Papierstreifen bildet das Hülfssignal.
Jede Glockenbude hat andere Einschnitte in der Scheibe m
und jede giebt daher auch ein anderes Zeichen; auf den Stationen befindet sich ein
Verzeichniß der Wärter oder Glockenbuden und der einer jeden zugetheilten
Hülfssignale; man kann demnach aus dem Signale selbst sofort die Stelle der Bahn
ersehen, an welcher der hülfsbedürftige Zug liegt.
Der Hülfssignaleinschalter W ist durch einen
verschließbaren Kasten verdeckt, dessen Schlüssel in der Wärterstube angesiegelt
ist. Der Hülfssignaleinschalter hat eine nichtquadratische Gestalt, und zwar
deßhalb, damit der Deckkasten wegen der überstehenden Schienenenden nicht aufgesetzt
werden könne, so lange die Schienen b mit d und c mit a verbinden. Dadurch ist es zugleich unmöglich gemacht,
den Kasten zuzuschließen, so lange der Hülfseinschalter nicht in seine normale Lage
zurückgebracht, also die Scheibe und Feder aus dem Stromkreise nicht wieder
ausgeschaltet sind.
Neben jedem Hülfssignalgeber ist eine Vorschrift angeschlagen, nach welcher beim
Geben des Hülfssignals zu verfahren ist. Zugleich ist vorgeschrieben, daß das
Hülfssignal in Pausen von je 1 Minute, so lange zu wiederholen ist, bis das
Fahrsignal der Hülfsmaschine eingetroffen ist.
Um jederzeit von dem guten Stande der Glockenlinie in Kenntniß zu bleiben, ist ferner
vorgeschrieben, daß jede telegraphische Correspondenz zwischen den beiden
benachbarten Stationen A und B nur auf der Glockenlinie geführt werden darf; ebenso muß die
Aufforderung zum Geben des Glockensignals von B stets
auf der Glockenlinie nach A gegeben werden.
Sind eine große Anzahl Glockenwerkselektromagnete in eine und dieselbe Leitung
eingeschaltet, so erschweren die auftretenden Extraströme ein rasches Telegraphiren
auf der Glockenlinie; daher müssen die Glockenwerke einen langsamen Gang erhalten,
wenn die Hülfssignale klar und deutlich ankommen sollen. Den Glockenwerksmagneten
muß man zur Abschwächung der Extraströme dünne Eisenkerne und wenig Umwindungen
geben.
Die vorstehend beschriebenen Hülfssignale haben auf den hannoverschen Bahnen allen
Anforderungen entsprochen, sind stets im Gange, leicht zu handhaben und zu
unterhalten gewesen. Wo der Betriebstelegraph nicht zugleich zur Beförderung von
Privatdepeschen dient, kann selbst ein einziger Draht für die Zwecke des
Bahntelegraphen, der Läutewerke und Hülfssignale angewendet werden, und wird besser
und zuverlässiger seinen Dienst thun als bei allen oben erwähnten Methoden.