Titel: | Die Bestimmung des kohlensauren Kalkes in Gegenwart des phosphorsauren Kalkes, mit besonderer Rücksicht auf die Untersuchung der Knochenkohle; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XV., S. 45 |
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XV.
Die Bestimmung des kohlensauren Kalkes in
Gegenwart des phosphorsauren Kalkes, mit besonderer Rücksicht auf die Untersuchung der
Knochenkohle; von Dr. C. Stammer.
Stammer, über Bestimmung des kohlensauren Kalkes neben
phosphorsauren mit Rücksicht auf die Untersuchung der Knochenkohle.
Die Bestimmung des kohlensauren Kalkes neben phosphorsaurem Kalk geschieht bei dem
gewöhnlichen Gange der Analyse bekanntlich ganz einfach durch Fällen des letzteren
aus der salzsauren Lösung mit Ammoniak, und darauf folgende Fällung des gelöst
gebliebenen Kalkes durch kleesaures Ammon. Wenn man auch allgemein annimmt, daß der
phosphorsaure Kalk in Ammoniaksalzen nicht ganz unlöslich ist, so scheint doch diese
Löslichkeit nicht für groß genug erachtet worden zu seyn, um diese Trennung als mit
erheblichen Fehlern behaftet ansehen und eine bessere für wünschenswerth gelten zu
lassen. Es sind aber unter diesen Umständen die durch die Löslichkeit des
phosphorsauren Kalkes hervorgebrachten Fehler in der Kalkbestimmung thatsächlich
sehr erheblich, wie ich dieß in einer lange fortgesetzten Reihe von Versuchen über
diesen Gegenstand erkannt habe.
Man wird aus den hier mitzutheilenden Thatsachen und Ergebnissen den Schluß ziehen
müssen, daß man eigentlich zu den Untersuchungen, welche hierauf keine Rücksicht
nehmen, nur ein sehr beschränktes Vertrauen haben darf. Geglühter phosphorsaurer
Kalk zeigt freilich eine geringere Löslichkeit, allein mit diesem hat man es ja bei
der Analyse nicht zu thun, und einfache Untersuchungen der Waschwasser von gefälltem
phosphorsauren Kalk mit molybdänsaurem Ammon nicht allein, sondern auch schon mit
kleesaurem Ammon und Ammoniak lehren die bezeichnete Löslichkeit, besonders in
Gegenwart von Ammoniak und Ammonsalzen, unbestreitbar. Man vergesse bei dem Urtheil
über die Erheblichkeit der gelösten Menge nur nicht, daß man erstens bei allen Analysen das Auswaschen sehr weit treibt und sehr
bedeutende Mengen Waschwasser erhält, deren Gehalt, wenn auch gering, dann
schließlich doch von Einfluß seyn muß, und daß
zweitens die Fällung in einer Lösung stattfindet, welche
reich an Ammoniak und an Chlorammonium ist. Es bleibt gleich Anfangs so viel
phosphorsaurer Kalk in Lösung, daß dieß als eine sehr erhebliche Fehlerquelle
angesehen werden muß und zwar um so mehr, als die ersten Waschwasser natürlich
ebenfalls reich an den Ammonverbindungen sind.
Es ist eigentlich merkwürdig, daß dieser Punkt bisher die genügende Beachtung nicht
gefunden hat, denn die Bestimmungen fallen so außerordentlich fehlerhaft aus, daß
sie selbst zu rein technischen Zwecken gar nicht zu gebrauchen sind. Auch bin ich
eben durch technische Untersuchungen auf die Größe dieser Fehlerquelle aufmerksam
geworden und habe diese dann durch vergleichende Ermittelungen sowie durch directe
Versuche festzustellen gesucht, indem ich alle Methoden, welche in Betracht kommen
können, einer vergleichenden Kritik unterwarf.
Die technische Untersuchung, von der ich hier spreche, ist die Bestimmung des freien
oder kohlensauren Kalkes in der Knochenkohle der Zuckerfabriken. Diese Bestimmung,
so einfach sie scheint, hat doch ihre Schwierigkeiten und es gilt das meiste auf
deren Methode Bezügliche auch für eine sehr große Anzahl von anderen Fällen, die
sowohl bei technischen als auch bei rein wissenschaftlichen Analysen vorkommen. Ich
werde mir erlauben müssen, die Reihenfolge meiner verschiedenen Bestimmungen, wie
sie sich jedesmal als nothwendig ergaben, hier anzuführen: man wird daraus ersehen,
daß meine Ansicht begründet ist, und daß dieser Gegenstand einer Prüfung bedarf.
Es wurden bisher von Denjenigen, welche sich mit der Kalkbestimmung in der
Knochenkohle befaßten, hauptsächlich zwei Methoden hiezu angewandt, je nachdem man
von der Ansicht ausgieng, daß der Kalk, welcher in der Knochenkohle nicht an
Phosphorsäure gebunden ist (abgesehen von Gyps u.s.w.), nur als kohlensaurer, oder
auch als caustischer Kalk darin enthalten sey. Diejenigen, welche der erstern
Ansicht waren, ermittelten seine Menge durch eine Kohlensäurebestimmung, die Anderen
befolgten dazu einen der gewöhnlichen Analyse mehr oder weniger entlehnten Weg, der
im Wesentlichen im Fällen des phosphorsauren Kalkes durch Ammoniak und Bestimmung
des Kalkes in der abfiltrirten Lösung auf irgend eine Weise bestand. Es sind zwar
auch noch andere Methoden vorgeschlagen worden, doch haben dieselben, wie ich weiter
unten zeigen werde, gar keinen Werth, und sind demnach auch ernstlich nie in
Anwendung gekommen.
Da ich nach meinen Untersuchungen nicht allein die Anwesenheit von caustischem Kalke,
sondern sogar die einer Verbindung zwischen kohlensaurem und caustischem Kalke in
der gebrauchten Knochenkohle mancher Zuckerfabriken annehmen zu müssen glaubte, so
bekannte ich mich gegen die Methode der Kohlensäurebestimmung und suchte die
„analytische“ Methode nach Möglichkeit zu vereinfachen, um
sie in kürzerer Zeit als sonst ausführen zu können. Ich habe in diesem Journal Bd.
CLIV S. 302 hierüber eine Notiz gegeben und hiernach lange Zeit hindurch gearbeitet.
Die Gründe, welche meine eben ausgesprochene Ansicht veranlaßten, waren
hauptsächlich das sehr erhebliche Minderergebniß, welches stets eine
Kohlensäurebestimmung, nach irgend welcher Art, gegen eine
„analytische“ lieferte und dann der Umstand, daß
wiederholtes Glühen mit kohlensaurem Ammon unter irgend welcher Form niemals die
Kohlensäurebestimmung erheblich zu erhöhen im Stande war (wodurch ich auf jene
basische Verbindung geleitet wurde).
Indessen wurden gegen die bezeichnete „analytische“ Methode zwei
Fehlerquellen geltend gemacht: erstens die bekannte Löslichkeit des phosphorsauren
Kalkes in den unvermeidlichen Ammonsalzen und zweitens die Unmöglichkeit, das
Auswaschen bis zum vollständigen Verschwinden des Kalkes aus dem Waschwasser treiben
zu können. Diese beiden Fehlerquellen sind aber natürlich subtractiv und ich glaubte
annehmen zu können, daß sie sich in so weit gegenseitig verkleinern, daß für
technische Zwecke ihr Einfluß um so mehr vernachlässigt werden könne, als ja auch
zur wissenschaftlichen Analyse bessere Methoden nicht bekannt geworden sind.
Bei den zahlreichen Bestimmungen, die ich hiernach ausführte, suchte ich außerdem die
zur Analyse verwendeten Quantitäten Kohle stets nahe gleich groß zu nehmen, und auch
gleich viel Waschwasser anzuwenden. Es stimmten dann auch zwei Untersuchungen
derselben Kohle genau überein und directe Ermittelungen ergaben, daß ein noch
längere Zeit fortgesetztes Auswaschen zwar ein bemerkbares Mehr an Kalk ergab, aber
daß doch der so bewirkte Unterschied für die Praxis unerheblich blieb.
Wenn man nun bedenkt, wie mangelhaft die bisher angewandten Apparate zur
Kohlensäurebestimmung ihren Zweck erfüllenMan s. Mohr's Lehrbuch der
chemisch-analytischen Titrirmethode, I. Abtheilung S. 124. und welche Differenzen bei Anwendung verschiedener Apparate, oder auch
derselben Apparate, aber unter verschiedenen Verhältnissen vorkommen, so kann man
die Ansicht, welche ich lange Zeit festhielt, und die von Vielen getheilt wurde,
gewiß nicht tadeln, daß der „analytischen“ Methode der Vorzug
gebühre und daß sie die übereinstimmendsten Resultate liefert.
Es wird dabei nur der Umstand übersehen, daß bei Bestimmung des in späteren
Waschwassern bleibenden Kalkes und der darin vorkommenden Phosphorsäure –
Bestimmungen, welche ich direct vorgenommen habe, die aber nur verhältnißmäßig
unerhebliche Mengen ergaben – die bei der Fällung gleich anfangs in Folge der
Gegenwart von Ammoniak und Ammoniaksalzen verbleibenden Mengen nicht zum Ausdruck
kommen.
Indessen konnte ich es mir dennoch nicht erklären, wie es selbst unter
Berücksichtigung aller möglichen Fehlerquellen, in der Regel vorkommt, daß dieß
Resultat der Kalkbestimmung nach analytischer Methode 1 1/2 – 2 1/2 mal so
hoch ausfallen konnte, als das durch Kohlensäurebestimmung erhaltene. Und doch waren
solche Fälle mir vielfach vorgekommen. So groß konnte doch unmöglich die Menge des
freien, nicht einmal durch reine Kohlensäure zu bindenden Kalkes neben dem
vorhandenen kohlensauren Kalke seyn! Die Reaction auf Lackmuspapier konnte nicht
maßgebend seyn, denn es reagirt alle Kohle, wenn sie noch so lange an der Luft oder
in Kohlensäure gelegen, alkalisch – und das thut ja reiner kohlensaurer Kalk
auch.
Zunächst suchte ich nun nach anderen Kalkbestimmungsmethoden, deren Uebereinstimmung
mit der einen oder anderen der eben genannten, für dieselben den Ausschlag geben
sollte. Ich bemerke dabei, daß ich bei dieser Controllirung der Resultate durch
Vergleichsmethoden die Höhe des in Rede stehenden Fehlers noch nicht kennen konnte.
Ich erfuhr dieß erst durch die zu beschreibenden Versuche, und fand dann erst später
ein Mittel, den Fehler zu vermeiden.
Indem ich die abgekürzte analytische Methode, welche mit der gewöhnlichen gleiche
Resultate gibt,Ich will ein für allemal erwähnen, daß es keinen Einfluß auf das Resultat
übt, ob man den gefällten kleesauren Kalk durch Glühen und Wägen oder durch
Titriren mit Chamäleon bestimmt. Wiederholte Versuche haben dieß bestätigt.
Ebenso verursacht die Anwendung des kohlensauren statt des kleesauren Ammons
keinen Unterschied. Es ist im Folgenden daher nicht besonders bemerkt, wie
die Bestimmung gemacht wurde. als bekannt voraussetzen kann, erwähne ich von den geprüften Methoden noch
folgende:
1) Methode mittelst Kohlensäurebestimmung;
2) analytische Methode;
3) Trennung der Phosphorsäure vom Kalk. Der Kalk wird aus der Essigsäurelösung durch kleesaures Ammon gefällt und die Phosphorsäure und
der Kalk einzeln bestimmt. Von der Phosphorsäure wird die auf die besonders
bestimmte Magnesia kommende, vom Kalke der auf die ebenfalls besonders bestimmte
Schwefelsäure kommende abgezogen, dann die Phosphorsäure auf 3 CaO, PO⁵ und
der Rest Kalk – wie bei allen diesen
Untersuchungen – auf kohlensauren berechnet. Diese
Methode der speciellen Bestimmung aller Bestandtheile ist freilich
der Anwendung in der Praxis nicht fähig; als Controlmethode schien sie aber die
zuverläßigsten Resultate liefern zu müssen.
4) Zersetzung mit Kleesäure. Die Kohle wurde mit
Kleesäurelösung im Wasserbad digerirt, dann bis fast zur Trockne abgedampft, hierauf
so lange der Ueberschuß der Kleesäure ausgewaschen, bis keine freie Säure mehr
bemerklich war, dann die feste Masse bei 100° C. vollkommen getrocknet.
Diese Methode sollte direct zeigen, ob neben kohlensaurem Kalk auch noch freier Kalk
vorhanden sey. Kennt man nämlich aus der Bestimmung Nr. 1 die Kohlensäure, so muß
sich aus der Vertreibung der Kohlensäure durch Kleesäure und Wasser eine
Gewichtsvermehrung ergeben. Wenn nun die gefundene mit der nach der Formel des bei
100° C. getrockneten oxalsauren Kalkes unter Berücksichtigung der wirklich
vorhandenen Kohlensäure berechneten übereinstimmte, so mußte daraus die
Kalkermittelung durch Kohlensäure als richtig erkannt werden; fiel sie aber größer
als die berechnete aus, so konnte dieß nur von einem Ueberschuß an Kalk
herrühren.
5) Acidimetrische Methode. Dieselbe besteht im Lösen in
gemessenem Volumen Normal-Salpetersäure und nachherigem Abtitriren mit
Normalnatron. Diese von mehreren Seiten sehr warm empfohlene Methode ist in der
Praxis unbrauchbar, weil sich die richtige Grenze – wie a priori zu erwarten – nicht treffen läßt, und
weil man eine sehr große Menge Natron zufügen kann, ohne eine bemerkliche Aenderung
der sehr undeutlichen Lackmus-Reaction zu bewirken. Außerdem gibt es aber
auch einen Punkt, wo sowohl blaues Lackmuspapier roth, wie rothes blau wird. Diese
Erscheinungen, welche ich auch anderweit schon bei der Bereitung von phosphorsaurem
Kalk im Großen zu beobachten Gelegenheit hatte, läßt so viel Ungewißheit über die
Grenze der Reaction, daß diese Bestimmung einen wirklichen Werth nicht haben kann.
Wie es möglich ist, dieselbe ernstlich zu empfehlen und einer solchen Methode den
Vorzug bei der eigenen Auswahl einzuräumen, bleibt mir ein Räthsel: die unten
anzuführenden Zahlenresultate werden die Unzuverläßigkeit derselben darthun.
6) Die neuerdings von Otto vorgeschlagene Methode habe ich
erst später in den Bereich meiner Vergleichsuntersuchungen gezogen und werde ich weiter unten über dieselbe berichten.
Von den vielfachen Bestimmungen, welche ich nach diesen verschiedenen Methoden
anstellte, mögen nur einige wenige hier Platz finden; es sind stets Proben desselben Quantums einer bereits mehrfach gebrauchten
Knochenkohle, welche zur Untersuchung genommen wurden.
Um nicht zu weitläufig zu seyn, werde ich bei jeder Untersuchung nur das
Schlußresultat angeben; der Kalkgehalt ist dabei stets auf kohlensauren Kalk berechnet:
ADünnsaftschwärze, vom Filter, geglüht, gepulvert, mit
kohlensaurem Ammon stark erhitzt.
1. Kohlensäurebestimmung, ergab 6,0 Proc.
2. Abgekürzte analytische Methode, ergab nach Abzug des an Schwefelsäure gebundenen
Kalkes, 15,3 Proc.
3. Specielle analytische Methode, ergab nach allen erforderlichen Abzügen 11,77
Proc.
4. Zersetzung mit Kleesäure unter Berücksichtigung der Kohlensäurebestimmung:
3,26 Grm. Kohle wogen nach der oben angegebenen Behandlung 3,60
Grm.; Zunahme also 0,34 Grm.; aus dem Kohlensäuregehalt berechnet sich eine
nothwendige Zunahme von 0,09; es bleibt also für die Aufnahme von Kleesäure durch
freien Kalk noch 0,25, entsprechend 4,7 Proc. CaO oder nach der Berechnung auf CaO,
CO² 8,4 Proc.; die Untersuchung ergab also 14,4 Proc.
5. Acidimetrische Methode, möglichst annähernd, 14,8 Proc.
B. Wiederbelebte
Dicksaftschwärze, behandelt wie oben.
1. (Kohlensäurebestimmung) 4,94 Proc.
2. (abgekürzte analytische Methode) 13,9 Proc.
3.
–
– –
4. (Zersetzung mit Kleesäure) 9,04 Proc.
5. (acidimetrische Methode)
erste Bestimmung 7,9 Proc.
zweite Bestimmung 11,4 Proc.
Die zu Anfang dieser Besprechung geäußerte Meinung ist durch diese Zahlen gewiß
gerechtfertigt. Bei reiflicher Ueberlegung dürften sich, unter Berücksichtigung
aller in Betracht kommenden Beobachtungen, wohl folgende Schlüsse fernerhin
ergeben:
I. Die Kleesäuremethode, welche hier ganz unbestreitbar für das Vorhandenseyn von
freiem Kalk zu sprechen scheint, verdient dennoch kein großes Vertrauen. Wenn man
nämlich phosphorsauren Kalk, selbst geglühten, mit Kleesäure behandelt, so geht die
Lösung trübe durchs Filter, und enthält viel Kalk und Phosphorsäure; es findet also
hier eine Wirkung der Kleesäure auf den phosphorsauren Kalk statt, deren Tragweite
sich unter den Umständen, unter denen die betreffende Bestimmung angestellt worden,
nicht festsetzen läßt, bevor hierüber specielle Untersuchungen stattgefunden haben.
So viel aber erscheint gewiß, daß aus einer Gewichtszunahme, wie sie in Folge eines solchen
offenbar complicirten Vorganges beobachtet worden, ein sicherer Schluß sich nicht
ziehen läßt. Ich habe daher auch später diesen Weg nicht weiter verfolgt.
II. Die acidimetrische Bestimmung ist gleichfalls aus der Vergleichsreihe
auszuscheiden. Eine Methode, die für dasselbe Untersuchungsobject so verschiedene
Werthe liefern kann wie B 5, kann keine Rücksicht
verdienen. Aehnliche Fälle wie den hier angeführten, habe ich nicht allein, sondern
es haben sie auch noch Andere vielfach wahrgenommen.
III. Es bleiben also nur die Methoden 1, 2 und 3 übrig. Der Unterschied zwischen dem
Resultate der beiden letzteren ist so auffallend, daß er sich kaum anders als in dem
gemeinschaftlichen Fehler beider Methoden – der mangelnden Berücksichtigung
der Löslichkeitsverhältnisse der Phosphorsäureverbindungen – erklären läßt.
Außerdem ist aber der Unterschied gegen die Resultate der Kohlensäurebestimmung ein
so großer, daß sich die Anwesenheit von einer solchen Menge caustischen Kalkes, wie
sie dadurch angedeutet scheint, mit dem sonstigen Verhalten der Kohle in keinerlei
Weise zusammenreimen läßt.
Es würde zu weit führen, wenn ich hier alle die Versuche anführen wollte, wodurch ich
die Anwesenheit von caustischem Kalke nachzuweisen suchte; bei der complicirten
Zusammensetzung der Knochenkohle war ein ganz entscheidendes Resultat nicht zu
erlangen, doch jedenfalls auch der directe, positive Beweis für diese Anwesenheit
nicht zu liefern, und andererseits lassen sich die
gefundenen Differenzen sehr wohl durch die in Rede stehenden Fehlerquellen
erklären.
Demnach konnten diese Untersuchungen nicht als definitiv erscheinen, und es blieb der
untersuchte Gegenstand gewiß in hohem Grade dunkel.
Der Beifall, welchen der mehr und mehr verbreitete Scheibler'sche Apparat zur Bestimmung des kohlensauren Kalkes in der
Knochenkohle mittelst Messung des Kohlensäurevolumens fand, veranlaßte mich später
diese Untersuchungen nochmals aufzunehmen, und diesen gewiß nicht unwichtigen
Gegenstand möglichst nach allen Seiten zu untersuchen.
Zunächst sind es nun zwei Thatsachen, welche ein helles Licht auf die große
Ungenauigkeit werfen, womit die bisherigen analytischen Bestimmungen von
phosphorsaurem und kohlensaurem Kalke behaftet waren, und die in ihrer
Uebereinstimmung den Fehler deutlich hervortreten lassen, welchen die in Rede
stehende Löslichkeit ersteren Salzes bewirkt. Diese beiden Thatsachen sind erstens
die Zusammensetzung des geglühten Kalkniederschlages, wie derselbe bei der
analytischen Prüfung des bezeichneten Gemisches erhalten wird, und zweitens die
directe Bestimmung der eben erwähnten Löslichkeit.
Erstens. Eine Probe Dünnsaftschwärze wurde auf
analytischem Wege untersucht, der durch oxalsaures Ammon erhaltene Niederschlag
geglüht und daraus ein Gehalt von 18,2 Proc. kohlensaurem Kalk berechnet. Das
Resultat bedurfte einer Correction wegen des Gypsgehaltes nicht, da in dem Filtrat
vom letzten Niederschlag Schwefelsäure nicht gefunden werden konnte. (Beiläufig
erwähnt, hatte dieselbe Kohle im Kohlensäureapparat von Scheibler 6,8 Proc., im Rose'schen Apparat 5,8
ergeben.) Es ist klar, daß wenn der phosphorsaure Kalk nur in unbedeutender Menge
beim Fällen mit Ammoniak und Auswaschen gelöst worden wäre, diese geglühte Substanz,
nachdem sie wiederholt mit kohlensaurem Ammon gelinde erhitzt worden, nur aus reinem
kohlensaurem Kalk bestehen und demnach in einem Kohlensäureapparat einen Gehalt von
44 Proc. Kohlensäure liefern muß. Es ergab aber die Untersuchung im Scheibler'schen Apparat 35,9 Proc., im Rose'schen Apparat 34,7 Proc., entsprechendensprechend einem Gehalte von 81,6 Proc. und 79 Proc. kohlensaurem Kalke.
Eine andere ähnliche Bestimmung ergab bei einem ebenso erhaltenen Niederschlag 88
Proc. kohlensauren Kalk.
Es kann hieraus mit Sicherheit gefolgert werden, daß nicht bloß der als kohlensaurer
vorhanden gewesene Kalk hier gefällt wird, und es ist unstreitig, daß eine
Untersuchung dieser geglühten SubstanzEs ist mir wenigstens bisher nichts von einer solchen bekannt geworden. schon längst darauf geführt haben müßte, die Fällung des phosphorsauren
Kalkes durch Ammoniak näher zu betrachten. Indessen kann man keineswegs durch diese
ermittelte Zusammensetzung das Resultat selbst corrigiren; es schwindet zwar die
Zahl 18,2 dadurch auf 14,5; allein es ist unzweifelhaft, daß das kleesaure Ammon den
phosphorsauren Kalk zum Theil zersetzt, und daß noch ein Theil des hier
vorgefundenen kohlensauren Kalkes ursprünglich vom phosphorsauren Kalk herrührt. Wie
dem auch sey, ein Niederschlag, der nur 80 Proc. kohlensauren Kalk enthalten kann, ist nicht im Stande als das Resultat einer auch nur
einigermaßen zuverlässigen Methode zu gelten, welche reinen kohlensauren Kalk
ergeben soll. Wenn ich weiter unten ein Mittel angeben
werde, die in Rede stehende Fehlerquelle zu vermeiden, so werde ich eine Bestimmung
des Gehaltes an kohlensaurem Kalk bei einem ähnlichen Niederschlage mittheilen,
welche das Gesagte bestätigt.
Zweitens aber läßt sich auch direct die Auflösung des
phosphorsauren Kalkes in der bei der gewöhnlichen Analyse erhaltenen Flüssigkeit
darthun. Möglichst reiner phosphorsaurer Kalk wurde, in Salzsäure gelöst, mit einem großen
Ammoniaküberschuß gefällt und der Niederschlag mit einer solchen Menge Wasser so
lange ausgewaschen, daß alle Spuren löslicher Bestandtheile verschwunden waren, dann
getrocknet und geglüht. Von diesem reinen phosphorsauren
Kalk wurden 1,113 Grm. abgewogen, in Salzsäure gelöst, mit Ammoniak in Ueberschuß
gefällt, mit Ammoniak enthaltendem Wasser hinlänglich, aber nicht übermäßig
ausgewaschen, der Niederschlag getrocknet und geglüht; er wog jetzt nur noch 1,023
Grm. Es fehlten mithin 0,090 Grm., oder 8,1 Proc. des angewendeten phosphorsauren
Kalkes. Wenn auch 0,09 Grm. eine geringe Menge zu seyn scheint, so ist doch ein
Fehler von 8,1 Procent ein sehr erheblicher, und es ist derselbe schon im Stande,
eine sehr bedeutende Mehrausbeute bei der Kalkbestimmung in Knochenkohlen zu
erklären; wenn man z.B. einen Gehalt von 10 Proc. kohlensaurem Kalk und von 80 Proc.
phosphorsaurem Kalk annimmt, so würde diese Löslichkeit verursachen, daß man statt
10 Proc. die Zahl 16,5 Proc. erhielte!
Es liegt sehr nahe, die abfiltrirte Lösung, welche bekanntlich deutlich auf
Phosphorsäure reagirt, zu untersuchen. Sie hatte auch nach zwei Tagen noch keinen
Niederschlag enstehen lassen. Als sie aber im Wasserbad verdampft wurde, konnte man
deutlich die Abscheidung des phosphorsauren Kalkes beobachten, und nach dem Trocknen
und Glühen blieb ein Rückstand von 0,099 Grm., der in Wasser unlöslich, in Säuren
löslich war und alle Reactionen des phosphorsauren Kalkes zeigte. Der geringe
Ueberschuß ist unter den vorliegenden Umständen leicht erklärlich.
Hiernach ist das oben ausgesprochene Urtheil sicher gerechtfertigt. Es ist keinem
Zweifel mehr unterworfen, daß die Löslichkeit des phosphorsauren Kalkes in
Chlorammonium u.s.w. die analytischen Resultate sehr wesentlich beirren muß, daß in
die erhaltenen Lösungen sehr bedeutende Mengen dieses Salzes mit hinübergenommen
werden, und daß man sowohl der Bestimmung des phosphorsauren Kalkes, als derjenigen
der ungefällt bleibenden anderen Kalksalze nach der bisherigen analytischen Methode,
nur eine sehr relative Glaubwürdigkeit vindiciren kann.
Es ist neuerdings auch von Dr. Weiler
Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie, 1862 S. 144. auf den mehrerwähnten und nunmehr erklärlichen Zwiespalt zwischen den
Ermittelungen des kohlensauren Kalkes auf analytischem Wege und durch
Kohlensäurebestimmung aufmerksam gemacht worden; Weiler
glaubt aber mit Sicherheit daraus auf die Gegenwart von basisch-kohlensaurem
Kalk schließen zu müssen, von dem schon oben die Rede war, und dessen Existenz man
durchaus annehmen muß, so
lange man der Löslichkeit des phosphorsauren Kalkes nicht die nöthige Beachtung
schenkt. Es wäre sehr zu wünschen, daß einmal der Versuch gemacht würde, ob die
Verbindung „basisch-kohlensaurer Kalk“ überhaupt als
solche darzustellen ist, und ob sie nicht beim Erhitzen mit kohlensaurem Ammon in
neutrales Salz umgewandelt wird; es würde damit das Verhalten der Knochenkohle, die
nach solcher Behandlung keine Vermehrung des
Kohlensäuregehaltes ergibt, verglichen werden müssen. Diesen Weg hätte Hr. Dr. Weiler einschlagen
sollen, ehe er eine bestimmte Behauptung aussprechen konnte. Daß ich seiner
AnsichtEs ist indessen zu bemerken, daß diese Annahme solche Fälle, wie sie auch Hr.
Dr. W. mittheilt, nicht erklärt, indem die
analytische Methode mehr als die zweifache Menge
der Kohlensäuremethode ergab. Höchstens konnte
sie doch, wenn aller Kalk als halb-kohlensaurer vorhanden seyn
sollte, das Doppelte ergeben. auch früher war, habe ich schon oben bemerkt; allein die angeführten
Ermittelungen haben mir nun eine Fehlerquelle dargethan, welche eine solche Annahme
durchaus nicht mehr nothwendig macht, sondern den beregten Zwiespalt auf viel
natürlicherem Wege erklärt.
Ich glaube kaum, daß man sich der Ueberzeugung von der Unzulänglichkeit unserer
bisherigen analytischen Methode weiterhin wird verschließen können, und so habe ich
dieselbe denn auch zum Zweck der Knochenkohle-Untersuchung verlassen, und
dafür mich der Methode der Kohlensäurebestimmung zuwenden zu müssen geglaubt.
Indessen kann nicht geläugnet werden, daß der directe
Beweis dafür noch immer fehlt, daß auch kein Bruchtheil des Kalkes als
basisch-kohlensaures Salz in der Kohle enthalten ist, und da dieser Beweis
aus nahe liegenden Gründen sehr schwer zu führen ist, so lag der Wunsch nahe, eine
wirklich zuverlässige analytische Methode zu solchen Untersuchungen aufzufinden, die
ohnehin auch in anderer Beziehung im höchsten Grade wünschenswerth seyn muß.
Eine Verbesserung der bisherigen analytischen Methode liegt sehr nahe: sie ist schon
im Obigen angedeutet. Wenn die Ammoniaksalze die Ursache sind, weßhalb
phosphorsaurer Kalk mit dem Chlorcalcium in Lösung geht, so muß der Fehler durch
Verjagung derselben in der Glühhitze vermieden werden können. Es ergibt sich hieraus
eine etwas complicirte Methode, deren Ausführung, wie sie vielfache Versuche
entstehen ließen, folgende ist:
Man löst die zu untersuchende Substanz in Salzsäure, filtrirt ab und wäscht mit
heißer Salzsäure und heißem Wasser aus. Bei der Knochenkohle ist dieß sehr lange
fortzusetzen, weil die feine Kohle die Salze nur schwierig entfernen läßt. Die erhaltene Lösung
wird in einer Platinschale im Wasserbad zur Trockne verdampft und so der
Salzsäure-Ueberschuß entfernt, dann die trockene Masse mit etwas Wasser und
einem Ueberschuß von Ammoniak versetzt, gut umgerührt und im Wasserbad zur Trockne
verdampft, dann die Ammonsalze durch kurzes gelindes Glühen verjagt.
Hat man die schon anscheinend trockene Masse noch weiter einige Zeit hindurch im
Wasserbad erhitzt, so kann man die Schale direct von diesem auf die Flamme bringen:
die Verdampfung der Ammonsalze findet leicht und ohne jedes Verspritzen oder
Verknistern statt. Die Erhitzung muß dann so geleitet werden, daß zwar alle
Ammonsalze verdampfen, daß aber die Operation so rasch wie möglich beendigt ist.
Nach dem Erkalten extrahirt man den Rückstand mit Wasser und fällt das Filtrat mit
kleesaurem Ammon u.s.w. (Beim Behandeln mit Wasser geht die Flüssigkeit leicht trübe
durchs Filter: dieß kann man leicht dadurch vermeiden, daß man das Ganze vorher
einige Stunden in der Wärme stehen läßt.)
Wenn man so verfährt, so findet man in dem Waschwasser des geglühten phosphorsauren
Kalkes keine Spur Phosphorsäure, und das Auswaschen kann leicht bis zur völligen
Erschöpfung getrieben werden.
Der Niederschlag durch kleesaures Ammon ist nun nach dem Glühen reiner kohlensaurer
Kalk. Eine Untersuchung desselben im Scheibler'schen
Apparat ergab einen Gehalt von 99,5 Proc. Sollten die obigen Thatsachen noch einiger
Bestätigung bedürfen, so ist diese gewiß hier gefunden.
Indessen ist nicht zu übersehen, daß selbst diese Methode ein ganz genaues Resultat nicht immer liefern wird: das Chlorcalcium zersetzt
sich in offenen Gefäßen beim Glühen, um so mehr wenn es mit Platin in Berührung ist;
möglicherweise wird diese Zersetzung durch die Salmiakdämpfe befördert, kurz, das
Resultat muß nothwendig etwas zu gering ausfallen. Man glüht daher möglichst
schwach, muß aber doch einen Rückhalt von Salmiak vermeiden, weil dann der zu
vermeidende Fehler nicht vollkommen vermieden würde.
Beim Vergleich der Resultate nach dieser und nach der Kohlensäure-Methode ist
außerdem nicht zu übersehen, daß letztere sämmtliche vorhandene kohlensaure Salze
als Kalk angibt; es ist dieß ein weiterer Grund, weßhalb die bezeichnete analytische
Methode etwas zu niedrige Zahlen liefern kann. Freilich wird das Resultat dieser
letztern durch den Gehalt an Gyps und an Schwefelcalcium wieder erhöht, allein dieß
ist in den meisten Fällen ganz unerheblich, und bei denjenigen Kohlensorten, welche
ich zum Vergleich
wählte, waren diese Stoffe gar nicht in bestimmbarer Menge vorhanden.
Als Kohlensäure-Bestimmungsapparat habe ich den mehrerwähnten Scheibler'schen gewählt. Eine vorläufige Versuchsreihe
hatte mir dargethan, daß derselbe, übereinstimmend mit den Angaben Dr. Scheibler's,Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie, 1861 S. 117 und 525, und
Anleitung zum Gebrauche des Apparates etc. (als Manuscript gedruckt). von den bekannten Fehlern der gewöhnlichen Kohlensäureapparate frei ist und
so übereinstimmende Resultate liefert, daß er, bei seiner bequemen Einrichtung und
leichten Manipulation, sich nicht allein zu technischen Untersuchungen ganz vorzüglich eignet, sondern auch eine noch weiter
verbreitete Anwendung zu finden verdient. Ich glaube nicht nöthig zu haben, diese
vorläufige Prüfung hier specieller hervorzuheben; der Apparat ist in weiteren
Kreisen bekannt und schon vielfach geprüft worden, ohne daß bis jetzt andere als mit
Obigem gleichlautende Urtheile bekannt geworden wären. In seiner neuen
Gebrauchsanweisung hat Scheibler angegeben, wie die
Fehler, mit welchen der Apparat nothwendig behaftet ist, durch einfache Correctionen
der Beobachtungen zu vermeiden sind, und die Ausführung dieser Bestimmung läßt
wirklich nichts mehr zu wünschen übrig.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)