Titel: | Patentirtes Verfahren und Apparat zur Erzeugung von Leuchtgas aus Wasser in Verbindung mit kohlenwasserstoffhaltigen Materialien, von Schaeffer und Walcker in Berlin. |
Autor: | Schaeffer , Walcker |
Fundstelle: | Band 163, Jahrgang 1862, Nr. LXXXVIII., S. 349 |
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LXXXVIII.
Patentirtes Verfahren und Apparat zur Erzeugung
von Leuchtgas aus Wasser in Verbindung mit kohlenwasserstoffhaltigen Materialien, von
Schaeffer und Walcker in
Berlin.
Mit einer Abbildung auf Tab. V.
Schaeffer und Walcker, Darstellung von
Hydro-Carbon-Gas.
Seit langer Zeit hat man sich bemüht, das durch Zersetzung des Wassers erhaltene
Wasserstoffgas, welches bei seiner Verbrennung hohe Hitze, aber keine Leuchtkraft
giebt, so mit Kohle oder kohlenwasserstoffhaltigen Stoffen zu mischen oder zu
verbinden, daß dasselbe als Leuchtgas zur Benutzung gelangen konnte. – Der
größte Theil der vielen zu diesem Zweck gemachten Vorschläge und genommenen Patente
bestand in einer mechanischen Mischung des Wasserstoffes mit Dämpfen von
Kohlenwasserstoffen; man erhielt allerdings Gemische, welche leuchtende Flammen
gaben, die aber den Hauptvortheil der Gasbeleuchtung – das Leiten durch
Röhren auf weite Strecken – nicht ertrugen, sondern durch eintretende
Condensation ihre Leuchtkraft wieder verloren. Andere Verfahren machten wiederum für
jede Flamme besonders zu regulirende Apparate erforderlich. Wenige Techniker
versuchten zur Erreichung des ZielesWasserstoff mit Kohlenstoff zu verbinden; unter ihnen
waren Jobard, Selligue, White und le Prince diejenigen, welche auf diese Weise die besten Resultate
erhielten, ohne im Allgemeinen einen günstigen Erfolg erreicht zu haben; denn die
Methoden waren praktisch schwer durchzuführen.
Den Herren Schaeffer und Walcker in Berlin ist es jetzt vollkommen gelungen, aus dem Wasser in
Verbindung mit den billigsten kohlenwasserstoffhaltigen Materialien, als Theer,
Harz, Erdöl etc. ein Leuchtgas zu erzeugen, welches in den verschiedensten
Beziehungen einen Vorzug vor dem Steinkohlengase hat. Das neue Gas, Hydro-Carbon-Gas genannt, welches nach
seiner directen Ausleitung aus dem Gasometer mit vollster Leuchtkraft brennt, und
sich nach jeder Entfernung hin leiten läßt, hat dem Leuchtgas aus Steinkohlen
gegenüber nach Angabe der Erfinder folgende Vortheile: 1) die Darstellung ist eine
einfache und leichte; die Retorten werden nicht geöffnet, um entleert und gefüllt zu
werden, sondern die Entwickelung geht in ununterbrochener Weise fort, und es kann
nach Belieben jeden Augenblick damit aufgehört und begonnen werden; 3) die benutzten
Materialien werden bei der Gasbereitung vollständig aufgenutzt, ohne sonstige
Nebenproducte zu erzeugen, auch sind die Materialien frei von Schwefelverbindungen,
weßhalb die bei der Steinkohlengasbereitung nöthigen umständlichen. Reinigungen und
dadurch erforderlichen Reinigungsapparate fortfallen; 3) das Hydrocarbongas hält
sich in dem Gasometer und in den Röhren wochenlang in jeder Temperatur, ohne an
Kraft zu verlieren; 4) das Gas ist frei von jeder schädlichen Verbindung und wirkt
deßhalb bei der Konsumtion nicht nachtheilig auf polirte Metalle, Vergoldungen,
Tapeten, Pflanzen und andere Stoffe, wie dieß bei Steinkohlengas der Fall ist; 5)
die Leuchtkraft des Gases ist mehr als doppelt so groß als die des Steinkohlengases,
trotzdem der Verbrauch nur 2/3 so stark ist; es eignet sich deßhalb besonders zur
Beleuchtung von Zimmern, Sälen, Theatern etc., da in Folge des geringeren Consums,
bei größerer Helligkeit, weniger Verbrennungsproducte entstehen, und die zuweilen
unerträgliche Hitze und die sonstigen Unannehmlichkeiten des gewöhnlichen
Leuchtgases bedeutend vermindert werden; 6) die Herstellungskosten stellen sich
billiger als die des Steinkohlengases. Eine Retorte in der Größe der bis jetzt
üblichen Gasretorten von 8 1/2 Fuß Länge liefert in 24 Stunden 8–9000
Kubikfuß Gas.
Aus den angeführten Punkten ergeben sich für die praktische Anwendung im Großen
folgende Resultate: die Einfachheit der Herstellung, sowie der dazu nöthigen
Apparate (Retorte, Abkühlungsvorrichtung und Gasometer), lassen die Gasbeleuchtung
leicht und bequem für kleinere Anlagen, für Fabriken, Eisenbahnstationen und dergleichen
einführen, wo Steinkohlengas nicht rentiren würde. Das Nichtverderben des Gases
gestattet, durch einmaliges Arbeiten sich auf mehrere Wochen Gas vorräthig zu
machen, in Zeiten, wo wenig gebraucht wird. Für Gegenden, in welchen Steinkohlen zur
Gasbeleuchtung fehlen, ist durch das Hydro-Carbon-Gas dem Mangel
abgeholfen. Bereits bestehenden Steinkohlengasanstalten ist durch das
Hydro-Carbon-Gas ein leichtes und bequemes Mittel geboten, auf billige
Weise die Qualität ihres Gases zu vergrößern, wozu ihnen bis jetzt nur die theuren
Cannel- (Boghead-) Kohlen zu Gebote standen, währendwärend sie hier ihren eigenen Theer verwenden können. Ganz besonders geeignet ist
das Gas zum Comprimiren, zur Erleuchtung von Eisenbahnwagen, Dampfschiffen etc.
Außerordentliche Vortheile gewährt das Verfahren in Gegenden, wo Schieferkohle,
Braunkohle, Torf in Menge vorhanden sind, indem diese Materialien direct vergast und
die Gase mit den bedeutenden Theerproducten gleichzeitig mit dem Wasserstoffgas in
Hydro-Carbon-Gas verwandelt werden. Die günstigsten Resultate in
dieser Beziehung liegen bereits vor, namentlich in der Fabrik von Wiesmann u. Co. in Beuel bei
Bonn, wo direct die dort in so großer Menge vorhandene Schieferkohle zur Herstellung
von Hydro-Carbon-Gas verwendet wird; beispielsweise werden in diesem
Etablissement aus einem Centner Schieferkohle circa 1000
Kubikfuß des vorzüglichsten Leuchtgases gewonnen.
Mit dem neuen, bereits in sämmtlichen Staaten Europas patentirten Verfahren, lösen
die Erfinder die an die Gasbeleuchtung gestellte Aufgabe, auf einfache Weise aus
billigen Materialien das schönste und hellste Licht, welches je durch Leuchtgas
hervorgebracht worden, zu erzeugen.
Die Theorie dieses von den Chemikern Baldamus und Grüne erfundenen Verfahrens, dessen Durchführung und
Ausbeutung die HHrn. Schaeffer und Walcker übernommen haben, besteht darin, daß Wasserdampf in Gegenwart von
flüssigen Kohlenwasserstoffen in der Rothgluth sich so zersetzt, daß der in jenem
enthaltene Wasserstoff nicht als solcher, sondern in Verbindung mit Kohlenstoff als
leuchtender Kohlenwasserstoff sich entwickelt. Die Zersetzung ist dabei folgende:
der flüssige Kohlenwasserstoff entbindet in der hohen Temperatur zuvörderst das als
Leuchtgas bekannte Gasgemisch, wie bei der gewöhnlichen trockenen Destillation,
unter Abscheidung des stets im Ueberschusse darin enthaltenen Kohlenstoffs; mit
einem Theile des letzteren zersetzt sich der Wasserdampf, Kohlenoxyd (nebst wenig
Kohlensäure) und Wasserstoff liefernd, während der andere Theil des Kohlenstoffs
sich mit diesem freiwerdenden Wasserstoff im Entbindungsmoment zu
Einfach-Kohlenwasserstoff vereinigt; dieser, sowie das aus dem flüssigen
Kohlenwasserstoff anfangs als Leuchtgas abgeschiedene Gasgemisch, sättigen sich mit
den (im angewandten, noch unzersetzten flüssigen Kohlenwasserstoff enthaltenen)
verschiedenen flüchtigen Kohlenwasserstoffen zu permanentem Leuchtgas.
Die praktische Durchführung dieser Theorie ist vielfach angestrebt worden, ohne
bisher zufriedenstellende Resultate geliefert zu haben. Der Grund davon war
hauptsächlich der, daß man die Zersetzung des Wasserdampfs und des
Kohlenwasserstoffs nicht zu gleicher Zeit und in einem
Raume vornahm, sondern meistens den Wasserdampf zuvorderst über glühenden Kohlen
zersetzte, und das sich entwickelnde Wasserstoffgas dann erst mit den
Kohlenwasserstoff-Dämpfen in Berührung brachte, wie dieß auch bei dem
Verfahren von Selligue geschieht.
Der Apparat der HHrn. Schaeffer und Walcker zur praktischen Durchführung dieser Theorie ist ein sehr
einfacher, und hat sich an allen Orten, wo er bisher aufgestellt wurde, bewährt.
Eine in einem Ofen liegende Retorte B (Fig. 10), mit Kopf C und Rohr D zum Abführen
des sich entwickelnden Gases, ist bei L mit zwei Stutzen
versehen, welche oberhalb des Ofens die Behälter K
tragen, durch deren Boden die Verlängerungen der Stutzen 4–5 Zoll
hineinragen. Ueber diese Verlängerungen sind Glocken P
gestulpt, welche durch Bajonnetverschluß bei O gehalten
werden. Der untere Rand dieser Glocken ist bei N, N
durchlöchert. Es bildet sich auf diese Weise ein Flüssigkeits- und
Sicherheitsabschluß, wenn in die Behälter K Flüssigkeit
tropft, und es ist leicht, jederzeit zu den Zugängen der Stutzen zu gelangen. Ein
dritter Stutzen I steht durch Hahn H und Rohr G mit einem neben
der Retorte im Zug des Ofens eingemauerten Rohr in Verbindung, welches vorn aus dem
Ofen herausragt und mit einem Siphon versehen ist. Wasser, welches in den letzteren
tropft, wird in dem Rohr zu Dampf, und tritt als solcher durch G und H bei I in die Retorte. E ist das
verlängerte, wieder abwärts fallende Rohr D: F ist ein
Theer- resp. Wasserverschluß. Ein Behälter R
nimmt die zur Gasbereitung bestimmten Kohlenwasserstoffe auf, um dieselben durch ein
Rohr mit Hähnen T zu den Behältern K und somit in die Retorte zu leiten. Hat man feste oder
zähflüssige Kohlenwasserstoffe zu verarbeiten, so läßt sich der abgehende Zug vom
Ofen so leiten, daß der Behälter R erwärmt wird.
Die Gasbereitung mit diesem Apparat ist eine sehr einfache. Die Retorte wird mit
Kohks, Eisen- oder Chamottestücken gefüllt, geschlossen und bis zur Rothgluth
erhitzt; läßt man dann durch die Hähne T flüssigen
Kohlenwasserstoff und durch G und H Wasserdampf eintreten, so entwickelt sich ein Leuchtgas, dessen
Leuchtkraft diejenige des Steinkohlengasesum mehr als das Dreifache übertrifft. Durch den Zutritt
von mehr oder weniger Wasser läßt sich übrigens die Leuchtkraft des erzeugten Gases
beliebig stellen.