Titel: | Ueber die Geschichte der Sodafabrication in England; von W. Gossage. |
Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. LXXXIII., S. 284 |
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LXXXIII.
Ueber die Geschichte der Sodafabrication in
England; von W.
Gossage.
Vorgetragen in der British Association. – Aus den Chemical News,
September 1861, Nr. 95.
Gossage, über die Geschichte der Sodafabrication in
England.
Als der Vater der Sodafabrication in England ist Hr. Losh
zu betrachten, welcher seine Erziehung auf dem Continent vollendete, und dort Leblanc's Verfahren kennen lernte. Nach England
zurückgekehrt, erhielt er von der Regierung die Erlaubniß, eine zu Walker am Tyne
entdeckte schwache Salzquelle zur Sodafabrication zu verwenden, und er fabricirte
daselbst krystallisirte Soda. Aber ungeachtet dieser Versuche ist 1823 als das
Geburtsjahr der Sodafabrication in Großbritannien zu betrachten. In diesem Jahre
wurde nämlich die Steuer auf das Kochsalz aufgehoben, und Hr. James Muspratt begann die Fabrication von Glaubersalz in
Liverpool, womit er Soda nach Leblanc's Methode erzeugte.
Er hatte mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, überwand sie jedoch alle, und sah
seine Anstrengungen glänzend belohnt. Andere Fabrikanten begannen ebenfalls durch
Zersetzung des Kochsalzes Glaubersalz behufs der Sodafabrication darzustellen, und
seitdem hat man es vortheilhaft gefunden, die Erzeugung des Glaubersalzes mit
derjenigen des Chlorkalks zu verbinden, indem man die gewonnene Salzsäure zur
Darstellung von Chlor mittelst Braunstein benutzt.
Die Darstellung des Glaubersalzes durch Zersetzung des Kochsalzes mit Schwefelsäure in gußeisernen
Cylindern und die Verdichtung des freigewordenen salzsauren Gases in Woulf'schen Flaschen erwies sich jedoch für eine
massenhafte Production bald ungenügend. Es wurden daher viele Vorschläge gemacht, um
die bei der Zersetzung des Kochsalzes mittelst Schwefelsäure in Flammöfen
entwickelte Salzsäure zu verdichten. Die vollständige Condensation derselben gelang
mir zuerst mittelst eines Apparats, wofür ich im Jahr 1836 ein Patent erhieltDie Beschreibung dieses Patents wurde im polytechn. Journal Bd. LXXI S. 312 mitgetheilt. und welcher seitdem in allen Sodafabriken eingeführt wurde. Das Princip der
Erfindung besteht darin, das salzsaure Gas durch schornsteinartige Thürme von etwa
30 Fuß Höhe und 4–5 Fuß innerem Durchmesser hinaufziehen zu lassen, die mit
kleinen Kohksstücken gefüllt sind, auf welche von oben kaltes Wasser fließt; dieses
Wasser sammelt sich am Boden des Thurmes in einem geschlossenen Kasten als
Salzsäure.
Im Jahr 1838 erhielt ein französisches Haus, Fai und Comp. in Marseille, vom König beider Sicilien das Monopol
der Schwefelausfuhr; in Folge davon stieg der Preis des Schwefels von 5 Pfd. Sterl.
per Tonne auf 14 Pfd. Sterl. Man fand aber bald, daß
wir in unseren Cornwalliser Bergwerken und in denjenigen von Wicklow in Irland, eine
unerschöpfliche Quantität Schwefel in Form von Schwefelkies besitzen, und unsere
praktischen Chemiker bemächtigten sich nun dieses Minerals für die
Schwefelsäurefabrication. Bei dieser Verwendung zeigte es sich, daß dasselbe nicht
bloß Schwefeleisen, sondern auch Schwefelkupfer enthält, und ich begann zuerst aus
den Rückständen von der Röstung des Schwefelkieses das Kupfer durch Schmelzen
auszuziehen.
Die Producte der Sodafabrikanten haben gegenwärtig folgende Preise: rohe Soda, 3 Pfd.
Sterl. per Tonne; krystallisirte Soda, beiläufig 4 Pfd.
Sterl. 10 Shill. per Tonne; Chlorkalk, 9 Pfd. Sterl. per Tonne; Natronbicarbonat, 10 Pfd. Sterl. per Tonne. Die Kosten der Rohmaterialien, welche jetzt
in Lancashire angewendet werden, sind: Schwefel, 8 Pfd. Sterl. per Tonne, während sich bei Anwendung von Schwefelkies
die Tonne Schwefel nur auf 5 Pfd. Sterl. stellt; Steinsalz, 8 Shill. per Tonne; Kalkstein, 6 Shill. 8 Pence per Tonne; Brennmaterial, 6 Shill. per Tonne.
Nach den von mir eingezogenen Erkundigungen wird gegenwärtig in Großbritannien in 50
Fabriken Soda nach Leblanc's Verfahren dargestellt,
welche beiläufig 3000 Tonnen rohe Soda, 2000 Tonnen krystallisirte Soda, 250 Tonnen
Natronbicarbonat und 400 Tonnen Chlorkalk per Woche
erzeugen. Der Gesammtbetrag dieser Producte ist per Jahr
auf wenigstens zwei Millionen Pfd. Sterl. anzuschlagen.
Man hat sich schon vielfach bemüht, Leblanc's Verfahren
durch eine Methode zu verdrängen, welche das Natron auf einem mehr directen Wege aus
dem Kochsalz zu gewinnen gestattet. Bis jetzt waren aber alle diese Versuche, welche
große Summen Geld kosteten, erfolglos. Zwei Fünftel der Gesammtkosten für die
Rohmaterialien kommen bei Leblanc's Verfahren auf den
Schwefelkies, welcher den Schwefel zu liefern hat, und es ist eine bekannte
Thatsache, daß über neun Zehntel dieses Schwefels im Rückstand vom Auslaugen der
rohen Soda verbleiben, welcher für die Fabrikanten werthlos ist. Durch die Lösung
jenes Problems würden daher die Kosten der Soda bedeutend vermindert werden. Viele
Chemiker, sowohl wissenschaftliche als praktische, haben diesem Gegenstande große
Aufmerksamkeit geschenkt, und ich befinde mich unglücklicherweise unter denselben,
denn während eines Vierteljahrhunderts habe ich nicht nur viel Zeit, sondern auch
viel Geld und Arbeit ohne Erfolg auf diesen Zweck verwendet. Schon im Jahr 1838 habe
ich nachgewiesen, daß 1 Aequivalent Einfach-Schwefelcalcium durch 1 Aequivalent
feuchtes Kohlensäuregas zersetzt wird, wobei es einfach-kohlensauren Kalk und
Schwefelwasserstoff liefert. Diese Zersetzung stand damals in Widerspruch mit den
Ansichten der wissenschaftlichen Chemiker, weil man glaubte daß zur Zersetzung der
Sulfuride ein Ueberschuß von Kohlensäure erforderlich sey. Ich bin überzeugt, daß
wenn es jemals gelingt, den im Rückstand vom Auslaugen der rohen Soda enthaltenen
Schwefel zu benutzen, es vermittelst dieser Wirkung der Kohlensäure zu
bewerkstelligen ist.
Ich zeigte damals auch, daß 1 Aequivalent feuchter Kohlensäure 1 Aequivalent
Einfach-Schwefelnatrium zersetzt, wobei einfach-kohlensaures Natron und
Schwefelwasserstoff entstehen. Gegenwärtig glaube ich, daß Leblanc's Verfahren in folgender Weise abgeändert werden könnte: man läßt
den Kalk beim Zersetzen des Glaubersalzes weg, erzeugt also bloß Schwefelnatrium,
und verwendet die bei dieser Zersetzung entbundene Kohlensäure (mit wenig
Wasserdampf gemischt) zum Zersetzen des Schwefelnatriums, wodurch man kohlensaures
Natron erhält, während Schwefelwasserstoff ausgeschieden wird; letzteren läßt man
von Eisenoxyd absorbiren und das so gewonnene Schwefeleisen wird durch Rösten zur
Schwefelsäurefabrication benutzt.Im Wesentlichen dasselbe Verfahren ließ W. Hunt im
vorigen Jahre in England patentiren, man sehe polytechn. Journal Bd. CLXI S. 377. Die Ausführbarkeit aller dieser Zersetzungen und Wirkungen habe ich
nachgewiesen, aber meine Ideen noch nicht zu einem praktischen Verfahren
verarbeitet.