Titel: | Ueber die oxydirende Wirkung des Eisenoxyds, und über die Anfertigung eines Cements aus den Rückständen vom Auslaugen der rohen Soda und vom Rösten des Schwefelkieses; von Friedrich Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. XIV., S. 46 |
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XIV.
Ueber die oxydirende Wirkung des Eisenoxyds, und
über die Anfertigung eines Cements aus den Rückständen vom Auslaugen der rohen Soda und
vom Rösten des Schwefelkieses; von Friedrich Kuhlmann.
Aus den Comptes rendus, Juni 1861, t. LII p.
1169.
Kuhlmann, über die oxydirende Wirkung des Eisenoxyds und über
Anfertigung eines Cements aus dem Rückstand vom Auslaugen der rohen Soda.
Ueber die oxydirende Wirkung des Eisenoxyds. – Ich
glaube durch meine früheren UntersuchungenPolytechn. Journal Bd. CLV S. 31. nachgewiesen zu haben, daß, wenn auf Eisen (Schmiedeeisen) ein Rostfleck
entstanden ist, derselbe ein Zerfressen des Metalls bedingt, welches immer mehr nach
innen fortschreitet, und daß die Ausdehnung des Rostflecks nicht von der directen
Verbindung fernerer Theile des Metalls mit dem Sauerstoff der Luft oder des Wassers
herrührt, sondern einem complicirteren Vorgange, bei welchem das zuerst gebildete
Eisenoxyd eine Hauptrolle spielt, seine Entstehung verdankt. Die mit dem Oxyd in
Berührung befindlichen Theile des Eisens entziehen demselben nämlich ein Drittel
seines Sauerstoffs und gehen dadurch in Eisenoxydul über, welches nachher Sauerstoff
aus der Luft aufnimmt und dadurch in Oxyd übergeht. Das bei diesem Vorgange aus dem
Eisenoxyd entstandene Eisenoxydul nimmt ebenfalls aus der Luft Sauerstoff auf und
geht dadurch in Oxyd über, welches wieder auf dieselbe Weise wirkt.
Damit diese abwechselnde Reduction und Oxydation stattfinden kann, muß jedoch das
oxydirte Eisen als Eisenoxyd und darf nicht als Eisenoxydoxydul vorhanden seyn; im
letzteren Falle breitet die Oxydation sich nicht auf neue Theile des Metalls aus,
sondern das Eisenoxydoxydul bietet im Gegentheil ein Mittel, das Eisen gegen die
Oxydation zu schützen. Thirault in Saint-Etienne benutzt
dasselbe in dieser Beziehung, indem er das Eisen künstlich mit Rost überzieht und
das so entstandene Eisenoxyd dadurch in Oxydoxydul (wahrscheinlich wasserfreies)
überführt, daß er die oxydirten Gegenstände in Wasser von 80 bis 100° C.
taucht. Unter diesen Umständen entsteht nach Thirault
nicht mehr Eisenoxyd, und das aus dem bereits vorhandenen Eisenoxyd entstandene
Eisenoxydoxydul (magnetische Eisenoxyd) schützt das Eisen vor der ferneren
Oxydation.Man sehe „Thirault's Verfahren auf dem
Schmiedeeisen und Stahl einen gefärbten Ueberzug zum Schutze gegen den
Rost zu erzeugen“ im polytechn. Journal Bd. CLV S. 431.
Anfertigung eines Cements aus dem Rückstand vom Auslaugen der
rohen Soda. – Ich habe kürzlich eine Anwendung der oxydirenden
Eigenschaften des Eisenoxyds aufgefunden, durch welche der Rückstand vom Auslaugen
der rohen Soda verwendbar gemacht wird. Dieser Rückstand war bekanntlich bisher sehr
lästig, nicht nur weil er sich in großen Massen ansammelte, sondern auch wegen der
unangenehmen und schädlichen Ausdünstungen, zu denen er Veranlassung gibt und die
sich weit verbreiten. Es kommt oft vor, daß die aus diesem Rückstande gebildeten
Haufen sich an gewissen Stellen von selbst entzünden, wobei dann außer dem sich
beständig entwickelnden Schwefelwasserstoff auch noch schweflige Säure erzeugt wird.
Diese locale Verbrennung, bei welcher eine beträchtliche Hitze entsteht, gibt sich
dem Auge dadurch zu erkennen, daß in den Rissen der Haufen, da, wo
Schwefelwasserstoff und schweflige Säure sich zersetzen, Krystalle von Schwefel,
ähnlich den Schwefelkrystallen der Solfataren, entstehen.
Im Innern der Haufen, welche einige Jahre lang an der Luft gelegen, bemerkt man
Höhlungen, die mit schönen goldgelben Krystallen besetzt sind, welche aus einer
Verbindung von schwefligsaurem Kalk mit Schwefelcalcium und Wasser nach der Formel
CaO, So 2 + 2 CaS + 6 Ho bestehen. An der Luft verlieren diese Krystalle ihre gelbe
Farbe und bleichen nach und nach in dem Maaße als ihre Oxydation fortschreitet.
Um das beim Auslaugen der rohen Soda zurückbleibende basische Schwefelcalcium
verwendbar zu machen, benutze ich ein anderes Product, welches bisher ebenfalls
lästig war, nämlich das Eisenoxyd, welches bei der Schwefelsäurefabrication, sofern
dazu Schwefelkies benutzt wird, wie in neuerer Zeit wegen des hohen Preises des
Schwefels fast überall geschieht, nach dem Rösten des Kieses zurückbleibt. Ich mache
eine Mischung aus gleichen Theilen des Rückstandes vom Auslaugen der Soda, so wie er
aus den Auslaugekästen kommt, und des Rückstandes vom Rösten der Kiese und bilde
daraus einen homogenen Teig, indem ich die Mischung in einer verticalen Mühle mahlen
lasse. Man kann diesen Teig zu Ziegeln oder architektonischen Ornamenten formen und
so in Folge der raschen Erhärtung der Masse in der Kälte Gegenstände von ähnlicher
Härte wie gebrannte Ziegel erlangen. Diese Gegenstände, welche eine rothbraune Farbe
besitzen, werden beim Verweilen an feuchter Luft noch härter, so daß sie zuletzt
beim Anschlagen einen Klang geben. Wenn das so dargestellte Cement durch mehrere
Monate langes Verweilen an der Luft hinreichend gehärtet ist, widersteht es der
Wirkung des Frostes, besonders wenn man in der ersten Zeit der Erhärtung seine
Porosität durch Zusammendrücken verringert hat. Um gegen die Wirkung starken Frostes
noch mehr Sicherheit
zu gewinnen, ist anzurathen, die Oberfläche der Masse mit einer Lösung von
Kali-Wasserglas zu besprengen, was jedoch erst, nachdem die Masse während einer
gewissen Zeit an der Luft erhärtet ist, geschehen darf.
Die Anwendung frischer Rückstände vom Auslaugen der Soda gibt bessere Resultate als
die Anwendung solcher Rückstände, welche bereits lange an der Luft gelegen haben,
und man kann das Ergebniß in jedem Falle noch verbessern, indem man dem Gemisch der
beiden Rückstände ein Zehntel gelöschten Kalk hinzufügt.
Man kann diese Masse als Beton zum Chausseebau, zum Fundament für Mauern oder zu den
Constructionen selbst statt der Pisémauern, zur Herstellung von Ziegeln,
architektonischen Ornamenten, Mosaikfußböden etc. benutzen; auch ist dieselbe in
vielen Fällen als Mörtel verwendbar, welche Anwendung namentlich stattfindet, um die
aus dieser Masse gebildeten Ziegel beim Vermauern mit einander zu verbinden. Die
Masse kann ferner statt Gyps als Dünger verwendet werden.
Das basische Schwefelcalcium besteht nach der gewöhnlichen Annahme aus 3 CaS + CaO.
Wenn nun die Oxydation des Schwefelcalciums ausschließlich durch den Sauerstoff des
vorhandenen Eisenoxyds stattfinden sollte, so müßten 12 Atome Eisenoxyd in
Eisenoxydul übergehen, um die. 3 Atome Schwefelcalcium zu oxydiren. Dieser Vorgang
findet aber nicht statt, sondern das aus dem Eisenoxyd entstandene Eisenoxydul
spielt hier die bereits oben erwähnte Rolle, es nimmt nämlich beständig wieder
Sauerstoff aus der Luft auf und gibt ihn an neue Antheile von Schwefelcalcium
ab.
Man kann den Vorgang aber auch in folgender Weise auffassen. Sobald das Eisenoxyd mit
dem Schwefelcalcium in Berührung ist, gibt es seinen ganzen Sauerstoff an dasselbe
ab und geht in Schwefeleisen über. Dieses oxydirt sich an der Luft nach und nach zu
schwefelsaurem Salz, welches die Schwefelsäure wieder an den Kalk abgibt, so daß
schwefelsaurer Kalk und Eisenoxyd entstehen. Das Endresultat ist somit dasselbe wie
bei der ersten Erklärung, und der zur Umwandlung des Schwefelcalciums in
schwefelsauren Kalk erforderliche oder eine ihm entsprechende Menge Sauerstoff wird
in jedem Falle aus der Luft genommen.
Ich glaube übrigens, daß in dem neuen Cement außer der Oxydation noch andere
complicirtere Reactionen stattfinden. Wenn man aus der Masse gebildete, einige
Monate alte Ziegel zerbricht, so bemerkt man eine Veränderung des Ansehens; die
äußere Schicht erlangt mit der Zeit eine größere Dichtigkeit und eine verschiedene
Beschaffenheit, welche nach und nach in das Innere fortschreitet.