Titel: | Ueber blaue, grüne und rothe Pigmente aus Kreosot; von Dr. Breitenlohner, Chemiker der gräfl. Stadion'schen Torfproductenfabrik zu Chlumetz in Böhmen. |
Autor: | Breitenlohner |
Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. XLIV., S. 151 |
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XLIV.
Ueber blaue, grüne und rothe Pigmente aus
Kreosot; von Dr. Breitenlohner, Chemiker der gräfl. Stadion'schen Torfproductenfabrik zu Chlumetz in
Böhmen.
Breitenlohner, über blaue, grüne und rothe Pigmente aus
Kreosot.
Hofmann und Laurent entdeckten
eine Bildungsweise des Anilins, indem sie Carbolsäure mit concentrirter
Aetzammoniakflüssigkeit sättigten und dieses Gemisch in einer zugeschmolzenen Röhre
auf 300° C. erhitzten. Sie gingen bei den Versuchen über Darstellung und
Theorie des Anilins von der Idee aus, daß man das Anilin betrachten könne als das
Amid des Radicals der Phensäure, synonym mit Phenylsäure, Phenyloxydhydrat,
Phenylalkohol, Carbolsäure, und daß durch Einwirkung von Ammoniak die Säure in Amid
verwandelt werden könne. Die Elemente des phensauren Ammoniaks setzten sich bei dem
Processe zu Anilin nach folgender Gleichung um:
Textabbildung Bd. 161, S. 150
Phensäure; Anilin
Bei einfacher Destillation in der Rothgluth zerfiel jedoch das phensaure Ammoniak in
Phensäure und Ammoniak.
Durch die Einwirkung des gleichzeitig auftretenden Ammoniaks auf die Carbolsäure
denkt man sich auch die Entstehungsweise des Anilins im Verlaufe der trockenen
Destillation der Steinkohlen und anderer fossilen Körper.
Bei der raschen Aufnahme welche den Anilinfarben, trotz des Umstandes daß das Ausland
fast ausschließend den fortan wachsenden Begehr zu hohen Preisen deckt, wegen ihrer
Lebhaftigkeit bei der Geschmacksrichtung des Publicums zu Theil geworden ist, wäre
eine praktische Methode, Anilin direct aus Carbolsäure darzustellen, eine
folgenreiche Errungenschaft der technischen Chemie; noch mehr, wenn es gelingt, ohne
Zwischenprocesse eine Lösung zu gewinnen, die unmittelbar als Färbeflotte gebraucht
werden kann.
Vielfach beschäftigt mit der Ausnützung der schweren Oele, die sich gemeiniglich in
ähnlichen Fabriken zu großen Massen ansammeln, wendete ich meine Aufmerksamkeit
vornehmlich dem Kreosot zu, das im Processe der trockenen Destillation sowohl, als
bei der Aufbereitung des Theers zu Producten eine hervorragende Rolle spielt. Zu den
Versuchen wurde rectificirtes Kreosot genommen, das die hiesige Fabrik als
Conservirungsmittel und Ausgangskörper von Nitroverbindungen in den Handel bringt.
Dieses Kreosot, das von Reichenbach zuerst unter den
Destillationsproducten des Holztheers aufgefunden wurde und auch im Torftheer
reichlich vorhanden ist, wird zwar nicht als identisch mit der Carbolsäure nach Runge und Laurent angesehen,
steht jedoch in seinem chemischen Verhalten der letzteren sehr nahe.
Indem ich an obiger Gleichung festhielt, suchte ich einen Proceß einzuleiten, wobei
Ammoniak in statu nascente bei einer Temperatur von
180–220° C. in Wechselwirkung mit Kreosot tritt. Ich behalte mir vor,
bei genauerer Kenntniß des gewonnenen Productes näher auf den Proceß einzugehen, und
beschränke mich nun darauf, die bisherigen Beobachtungen darüber zu constatiren.
Das Destillat bestand, nachdem die zuerst übergegangenen Antheile von Wasser und
Eupion beseitiget wurden, aus einer tiefblauen Flüssigkeit und einem grünlichbraunen
Oele, das eine Dichte von 0,955 anzeigte und im Lichte nachdunkelte. Nachdem dieses
Oel mit Aetznatron von 1,355 Dichte geschüttelt wurde, erschien es als eine
dickflüssige, brillant smaragdgrüne Masse, die, mit Säuren versetzt und ausgesüßt,
ein rubinrothes Oel ausschied. Dieses Oel, das um die Dichte des Wassers schwankt,
und entschieden den Charakter einer Säure an sich trägt, nenne ich wegen seiner
leichten Umwandelbarkeit vorläufig Proteolin und betrachte es als Grundkörper der zu
erlangenden Farbstoffe, die nun mit ihren Reactionen in Kürze beschrieben werden
sollen.
1) Blaues Pigment.
Es riecht bei gleicher Reaction stark nach Ammoniak und ist in jedem Verhältniß mit
Wasser mischbar. Lichtes Photogen, damit geschüttelt, nimmt den Farbstoff unter
rosenrother Verfärbung auf. Der wässerige Theil des Pigmentes wird dabei farblos
ausgeschieden. Mineralsäuren zerstören die rosenrothe Farbe unter mehr minder
starker Bräunung oder Röthung des Photogens; Oxalsäure bewirkt eine intensivere
rosenrothe Färbung. Fixe Aetzalkalien scheiden aus dem Photogen wieder den
smaragdgrünen Farbstoff aus; Ammoniak wird lasurblau gefärbt. Aethyl- und
Methylalkohol verändern das Blau in Grün. Aethyläther nimmt einen rothen Farbstoff
auf, während sich die untere wässerige Schichte in Grün umwandelt. Läßt man den
Aether an der Luft verdunsten, so bleibt ein zähflüssiges, rubinrothes Oel zurück,
das mit Aetzlauge Smaragdgrün reproducirt. Ein Alaunkrystall färbt sich schön
rosenroth; der sich absetzende Lack hat dieselbe, nur blässere Farbe.
Quecksilberchlorid gibt nach Kochen und längerem Stehen eine kirschrothe Färbung;
Zinnchlorid einen fleischrothen Niederschlag. Chlorkalklösung im Ueberschusse
zerstört das Pigment.
Läßt man dieses Blau längere Zeit in einem offenen oder verschlossenen Gefäße stehen,
so verändert es sich allmählich in Violett bis Violettroth, ohne den
ammoniakalischen Geruch zu verlieren oder feste und ölige Theile auszuscheiden.
Dieses Violett wird durch Aetzlaugen nicht mehr in Smaragdgrün, durch Ammoniak
jedoch in Carmoisin übergeführt. Organische und anorganische Säuren scheiden rothe
Oeltröpfchen aus, die mit fixen Alkalien Smaragdgrün herstellen.
2) Smaragdgrünes Pigment.
Schüttelt man das ölige Destillat mit Aetzlaugen, so tritt sogleich die smaragdgrüne
Färbung ein. Die Flüssigkeitsmasse scheidet sich nach kurzem Stehen in zwei
Schichten: die untere, schmutziggrün, enthält die überschüssige Lauge, die obere,
sehr zähflüssig, das grüne Pigment. Nicht allein Kali, Natron, Kalk, Baryt, auch die
Oxydationsstufen von Eisen, Kupfer, Blei, Mangan, Chrom liefern grüne Nüancen, nur
sind die der schweren Metalle tiefer und beständiger, als die der Alkalien und
alkalischen Erden.
Bei Einwirkung der atmosphärischen Luft erfolgt unter Bildung kohlensaurer Salze eine
oberflächliche Röthung, die sich alsbald der ganzen Masse mittheilt. Zusatz von
Alkalien stellt die ursprüngliche Farbe wieder her. Selbst in wohlverschlossenen
Gefäßen verwandelt sich das Grün mit der Zeit in ein schmutziges Gelbbraun. Wird dieses der
Luft ausgesetzt, so reconstituirt sich das ursprüngliche Grün. Cellulose, wie
analytisches Papier, durchfärbt sich mit einem grünen, weder durch Alkohol noch
Aether ausziehbaren Stoffe, der an Licht und Luft allmählich in ein bleibendes Blau
übergeht.
3) Rothes Pigment.
Versetzt man das Grün mit verdünnten organischen oder anorganischen Säuren, so tritt
im Neutralisationspunkte eine rosenrothe Trübung ein, welche von den fein
vertheilten Oeltröpfchen herrührt, die sich alsbald an der Oberfläche zu einer
rubinrothen Oelschichte ansammeln. Nach Wiederholung des Processes, wobei noch
Kreosotantheile durch die überschüssige Lauge entfernt werden, und erfolgtem
Aussüßen schwebt das Oel in größeren oder kleineren Tropfen in allen Höhen des
Waschwassers. Es hat eine rubinrothe Farbe und einen eigenthümlichen, an Kreosot
mahnenden Geruch. Ammoniak nimmt einen Theil unter blauer Färbung auf. In
Aethyl-, Methylalkohol und Aether löst es sich mit rubinrother Farbe. Gegen
verdünnte Säuren verhält es sich indifferent; concentrirte Mineralsäuren wirken
störend. Mit Chlorkalklösung entsteht ein Rosaniederschlag, während die Flüssigkeit
grün erscheint. Quecksilberchlorid gibt Kirschroth. Dickes Kalkhydrat verändert es
in Blaugrün; dieses geht nach Kurzem in ein brillantes Violettroth über. Heißes
Wasser, Alkohol und Aether ziehen daraus den unveränderten Farbstoff aus, der an der
Luft große Beständigkeit zeigt. Ammoniak gibt damit blau, im Ueberschusse grün.
Aetzlaugen und Säuren zerstören ihn. Eine Mischung von Schwefelsäure und Chromsalz
übt eine heftige Reaction auf Proteolin aus; neben einer grünen Substanz scheidet
sich ein braunschwarzes Harz von eigenthümlichem Geruch aus. Chlorsaures Kali und
Schwefelsäure, ebenso chlorsaures Kali und Salzsäure bleiben ohne besondere
Einwirkung.
Bei der Rectification des Proteolins gingen noch beträchtliche Mengen
eingeschlossenen Wassers unter heftigem Stoßen über. Das Destillat zeigte bei
180° C. noch keine Reaction auf Aetzlaugen, die erst die Antheile bei
200–205° C., inzwischen der Siedepunkt zu liegen scheint, gaben. Das
Thermometer stieg schließlich auf 280° C. Der in Alkohol aufgenommene
dickflüssige Rückstand lieferte feurigere Nüancen als das Oel. Der Farbstoff erwies
sich somit selbst bei einer Temperatur von nahezu 300° C. beständig.
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Fritzsche stellte durch Zusammenbringen einer
alkoholischen Lösung eines Anilinsalzes mit einer Lösung von chlorsaurem Kali in
Salzsäure einen
indigoblauen Körper dar, der, mit Alkohol ausgewaschen, in Grün übergeht.
Im v. J. wurde den HHrn. Calvert, Lowe und Clift in England eine Erfindung patentirt, aus den
Anilinsalzen einen unauflöslichen grünen Farbstoff (Emeraldin), und einen blauen
Farbstoff (Azurin) zu erzeugen.Polytechn. Journal Bd. CLIX S. 449. Sie stellen ersteren mit chlorsaurem Kali dar und wandeln ihn durch
Aetznatron oder chromsaures Kali in den blauen um.
So sehr alle Wahrscheinlichkeit der Identität mit vorstehenden Farbstoffen mangelt,
muß ich es vorderhand unentschieden lassen, ob die Pigmente aus Proteolin mit der
gliederreichen Verkettung der Anilinfarben correspondiren oder ob sie zu den
Derivaten eines neuen Körpers zählen der mit dem Anilin nichts weiter gemein hat,
als das voraussichtlich zu Grunde gelegte Radical Phenyl. Es ist bekannt, daß bei
Behandlung von Anilin mit Salpetersäure Trinitrophenylsäure entsteht; es ist bei dem
empirischen Dunkel, das ungeachtet zahlreicher, werthvoller Arbeiten ausgezeichneter
Fachmänner noch über Darstellung, Bildungsweise und Constitution von Anilinfarben
schwebt, ebenso denkbar, aus den Nitraten der Phenylsäure Anilin oder Anilinfarben
zu reconstituiren.
Lassen sich die vorbeschriebenen Pigmente und Zwischennüancen von Proteolin dauernd
und lebendig fixiren, so wäre bei der billigen Darstellungsweise und leichten
Beschaffung des Rohmaterials dem Zeugdruck und der Färberei eine wohlfeile und
höchst ergiebige Farbenquelle erschlossen; auch das gegenwärtig noch wenig in
Anwendung kommende Kreosot würde sich unter den Producten der trockenen Destillation
zu einem verhältnißmäßig lucrativen Handelsartikel gestalten.