Titel: | Ueber die Gegenwart der Salpetersäure und anderer Stickstoffoxyde in der Atmosphäre; von S. Cloëz. |
Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. C., S. 356 |
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C.
Ueber die Gegenwart der Salpetersäure und anderer
Stickstoffoxyde in der Atmosphäre; von S. Cloëz.
Aus den Comptes rendus, März 1861, t. LII p.
527.
Cloëz, über die Gegenwart der Salpetersäure etc. in der
Atmosphäre.
Die Gegenwart der freien Salpetersäure und anderer Stickstoffoxyde in der
atmosphärischen Luft ist bis jetzt noch nicht mit Klarheit und völliger Sicherheit
bewiesen worden; für die Theorie der Salpeterbildung war die experimentelle Lösung
dieser Frage von Wichtigkeit, und obwohl dieselbe sehr einfach zu seyn scheint, so
wird sie durch den Zusammenfall mit der Frage über das Ozon doch in Wirklichkeit
ziemlich verwickelt. Folgendes sind die Resultate meiner bezüglichen
Beobachtungen:
Gewöhnliche Luft, in 1 Meter Höhe über der Erdoberfläche geschöpft, verändert oft die
blaue Farbe des Lackmus in bleibendes Roth.
Die blau-violette Lackmuslösung in einer Kugelröhre, durch welche Luft
hindurchgesaugt wird, erleidet dieselbe Veränderung, die auch nach dem Erhitzen bis
zum Sieden bleibt.
Diese Erscheinung ist nicht in allen Jahreszeiten zu beobachten, sondern sie ist zu
Anfang und Ende der kalten Jahreszeit am häufigsten.
Die Natur der Säure, welche die Ursache dieser Veränderung ist, kann man nach dem
Durchleiten der Luft durch eine Lösung von reinem kohlensauren Kali erkennen; man
findet in derselben bemerkenswerthe Mengen salpetersaures Kali, sowie meistentheils
Spuren von Chlormetallen, aber keine schwefelsauren Salze. Man muß dabei den
Luftstrom durch einen Asbestpfropfen filtriren.
Läßt man die Luft über reines kohlensaures Bleioxyd gehen, welches in einer langen Glasröhre
befindlich ist, so erhält man salpetersaures Bleioxyd, durch Wasser ausziehbar, und
in Krystallen herzustellen.
Jodstärkepapier wurde absichtlich nicht zur Erkennung der Salpetersäure angewandt;
dasselbe ist indessen viel empfindlicher hierzu als das blaue Lackmuspapier; es
färbt sich fast augenblicklich in Luft welche mit 0,00005 ihres Volums
Untersalpetersäure versetzt wurde, bei welchem Gehalte das Lackmuspapier noch keine
Veränderung zeigt.
Durch Einwirkung solcher Luft auf eine Lösung von Jodkalium entsteht zuerst ein Salz
von schwach alkalischer Reaction, welches in Gegenwart von Jod bestehen bleibt, aber
unter dem Einfluß eines Ueberschusses von salpetriger Säure verschwindet.
Dieselbe merkwürdige Erscheinung entsteht bei solcher Luft, von der man annimmt, sie
enthalte Ozon; man kann sie in beiden Fällen erklären, wenn man die momentane
Bildung einer geringen Menge salpetersauren Kalis annimmt, dessen Reaction in der
That alkalisch ist. Was indessen auch die wirkliche Ursache der Erscheinung seyn
mag, immer bleibt die Folge die gleiche: daß nämlich die sogenannten ozonometrischen
Beobachtungen nach der Houzeau'schen Methode ebenso
unzuverlässig sind wie die früher mit dem Schönbein'schen
Reagens angestellten.
Die Gegenwart der Salpetersäure in der Atmosphäre erklärt die mehrfach beobachtete
Anwesenheit des Ammoniaks im Eisenrost, und seine vollständige Abwesenheit in
anderen Fällen; es ist sehr wahrscheinlich, daß das Ammoniak, welches in dem an
freier Luft entstandenen Eisenoxyd vorkommt, von dem Stickstoff herstammt, welcher
bei der Reduction der Salpetersäure durch den Wasserstoff des gleichzeitig
zersetzten Wassers frei wird. Wenn dieß wahr ist, so erkennt man, weßhalb derjenige
Rost kein Ammoniak enthält, welcher in feuchter, von sauren Dämpfen befreiter Luft
entsteht.
Auch die Bildung von Grünspan auf den nicht gefirnißten bronzenen Glocken und Statuen
kann man großentheils auf die freie Salpetersäure der Atmosphäre zurückführen; bei
der Untersuchung des grünen Ueberzuges einer seit 1793 der Luft ausgesetzten Glocke
hat sich die Gegenwart der Salpetersäure herausgestellt.
Für die Theorie der Landwirtschaft ist die Gegenwart der Salpetersäure in der Luft
von der größten Wichtigkeit; sie erklärt die guten Wirkungen einer leichten
Oberflächendüngung mit Kalk oder Mergel, sowie des Abschälens und Verbrennens des
Rasens, wodurch in neuer Zeit so bedeutende Erfolge erzielt worden sind.