Titel: | Ericsson's neue calorische Maschine für kleine Kraftbedürfnisse. |
Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. XXXVIII., S. 162 |
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XXXVIII.
Ericsson's neue calorische Maschine für kleine
Kraftbedürfnisse.
Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1860, Nr.
32.
Ericsson's neue calorische Maschine für kleine
Kraftbedürfnisse.
Außer dem Knallgas-Motor von Lenoir
Polytechn. Journal Bd. CLVI S. 83 und
391. ist der Dampfmaschine ein sehr beachtenswerther Concurrent in der calorischen Maschine entstanden, welcher, wenn die uns
aus Amerika, England und Schweden zugegangenen Auskünfte, deren Wesentliches wir im
Folgenden mittheilen, sich bestätigen, für unsere Gewerbe namentlich da, wo es sich
um die Anwendung kleinerer Triebkräfte – von der Kraft eines Armes an
aufwärts bis zu 4 oder 5 Pferdekräften – handelt, von großer Wichtigkeit
werden wird.
Die calorische Maschine ist auch eine Kolbenmaschine wie die Dampfmaschine, d.h. ihre
Kraftäußerung wird ebenso wie in letzterer dadurch hervorgebracht, daß in einem
luftdicht gehaltenen cylindrischen Raume durch die Spannung des darin befindlichen
Fluidums ein beweglicher Boden (Kolben) vorwärts getrieben wird, wobei aber in der
calorischen Maschine die Spannkraft erhitzter atmosphärischer Luft benützt wird,
während man in der Dampfmaschine den erhitzten Wasserdampf wirken läßt.
Nun leuchtet es Jedermann ein, daß, da die atmosphärische Luft überall zu haben ist,
während die Herbeischaffung von Wasser an den meisten Orten schwierig, mit
Kraft- oder Kostenaufwand verbunden, an vielen fast unmöglich ist, eine
Maschine, die nur Luft zu ihrem Betriebe gebraucht, viel eher anwendbar ist, als die
des Wassers bedürftige Dampfmaschine. Außerdem lehrt aber auch die Wissenschaft, daß
zur Erzeugung gespannter Luft weniger Brennmaterial nothwendig ist, als zur
Erzeugung eines die gleiche Spannung ausübenden Dampfquantum aus kaltem Wasser.
Deßhalb war das Absehen der Mechaniker schon längst darauf gerichtet, anstatt des
Wasserdampfes die erwärmte Luft als Triebkraft zu benützen.
Allein die Sache hatte ihre großen Schwierigkeiten, und es ist unseren Lesern wohl
bekannt, wie die Versuche des Schweden Ericsson, ein
Schiff mit einer solchen calorischen (heißen Luft-) Maschine zu treiben, nach
ungeheuren Anstrengungen und Opfern gescheitert sind. Damit man die Luft nicht zu
heiß bekam, mußte man dem Cylinder außerordentlich große Dimensionen geben, die
Maschinentheile wurden zu schwerfällig, und trotzdem gelang es nicht, die
Cylinderkolben gehörig dicht zu erhalten, weil die Cylinder zu heiß wurden.
Diese Schwierigkeiten hat nun aber der Erfinder vorerst wenigstens für kleinere
Maschinen durch einen sehr glücklichen Gedanken überwunden, und man fertigt nun in
Amerika, und so eben beginnend auch auf dem Continente, calorische Maschinen, und
wendet dieselben anstatt der Dampfmaschinen an.
Ericsson gelangte zu diesem günstigen Erfolge dadurch,
daß er die erhitzte Luft gar nicht mit dem die Kraft ausübenden Cylinderkolben in
Berührung kommen läßt.
Man denke sich einen horizontal liegenden Cylinder mit einfach wirkendem Kolben, also
an dem einen Ende, welchem zunächst der Kolben spielt, offen, am andern Ende aber durch einen
eingesetzten Ofen mit offenem Feuerherd, in welchem geheizt wird, luftdicht
verschlossen, und nun zwischen dem genau schließenden Kolben (wir wollen ihn
Arbeitskolben heißen) und dem Ofen einen zweiten, weniger genau schließenden,
ebenfalls hin und her gehenden Kolben, den wir Zwischenkolben heißen wollen. Dieser
Zwischenkolben ist sehr dick und mit einem die Wärme wenig leitenden Material
angefüllt; er hat zu verhindern, daß die Wärme aus demjenigen Raum des Cylinders, in
welchem der Ofen sitzt, auf denjenigen einwirken kann, in welchem der Arbeitskolben
hin und her geht.
In diesem Cylinder macht die Luft, welche durch die Wärme ausgedehnt wird und dadurch
die Triebkraft liefert, den umgekehrten Weg, wie der Dampf bei der Dampfmaschine.
Sie geht nicht wie dieser vom Feuerraum nach dem Treibcylinder, sondern vom
Treibcylinder nach dem Feuerraum. Bei der Dampfmaschine geht der Dampf von der
Feuerung (dem Kessel) aus in den Arbeitsraum des Arbeitscylinders und entweicht aus
diesem, wenn er seine Dienste gethan hat, durch einen Ableitungscanal. Bei der
calorischen Maschine tritt die kalte Luft zuerst in den Arbeitscylinder, und zwar
durch ein im Arbeitskolben befindliches Ventil ein, erfüllt den Raum zwischen beiden
Kolben und wird, wenn der Arbeitskolben rückwärts geht (was durch das Schwungrad
bewirkt wird), in den Heizraum gestoßen, wo sie die heiße Luft des vorhergehenden
Kolbenspiels, die so eben zu wirken aufgehört hat, vor sich her und durch ein dort
sich öffnendes Ventil aus der Maschine heraustreibt; ist dieses geschehen, so
schließt sich das Ventil und die nun an die Ofenwandungen gelangte frische kalte
Luft erhitzt sich rasch, dehnt sich dadurch aus und treibt beide Kolben, den
Zwischenkolben wie den Arbeitskolben, vor sich her, wodurch das Schwungrad seine
Bewegung erhält. Das Stelzen- und Kurbelsystem, das die Kraft vom
Arbeitskolben auf das Schwungrad überträgt und die Bewegung des Zwischenkolbens,
dessen Kolbenstange durch den Arbeitskolben herausgeht, vermittelt, ist eben so
einfach als sinnreich. Vermöge seiner Anordnung machen der Arbeitskolben und der
Zwischenkolben bald eine auseinander, bald eine gegen einander laufende, bald auch
eine in gleicher Richtung gehende Bewegung sowohl hin als her, wodurch die Luft in
den Cylinder geschöpft, nach dem Heizraum geschafft, und der von dorther drückenden
heißen Luft ein Druck der noch vor dem Arbeitskolben liegenden kalten Luft
entgegengesetzt, der Arbeitskolben hinausgedrückt und seiner Erhitzung
entgegengearbeitet wird.
Für heute genügt es uns, von der Existenz der Maschine, ihrer Einrichtung im
Allgemeinen und ihrer Anwendung in der Industrie zu berichten. Nach uns vorliegenden
Documenten sind bereits mehrere Hunderte (ein aus England eingesandtes Programm sagt sogar über
3000) solcher Maschinen in Amerika im Gange. Zuverlässig ist, daß sie bei kleinen
Kraftbedürfnissen, wie z.B. Buchdruckerpressen, welche nur der Kraft von zwei
Personen bedürfen, Pumpwerken an Eisenbahnstationen, Drehbänken u. dgl. bis jetzt am
meisten angewandt wurden. Der Brennmaterialverbrauch soll sehr gering, viel geringer
als bei kleinen Dampfmaschinen, und dabei noch der Vortheil vorhanden seyn, daß die
abziehende Luft zur Heizung dienen kann. Zur Abziehung des Rauchs dient ein
gewöhnliches Rauchrohr. Der Raum, den die Maschine einnimmt, ist sehr klein, die
Bedienung soll Jeder versehen können der einen Ofen heizen kann, und von Gefahr
einer Explosion, wie bei einem Dampfkessel, ist keine Spur vorhanden.
Das sind allerdings große Vortheile; indessen wird die Maschine wohl auch noch ihre
Schattenseiten haben. Wie uns gesagt wurde, soll sie einen im Arbeitslocale nicht
eben ansprechenden Lärm verursachen, auch, so lange sie geheizt ist, das
Stillestehen nicht vertragen können, indem dann wegen Mangels der abkühlenden
Luftcirculation die Arbeitsseite zu heiß werde.
Nachschrift.
Nach einem von Hrn. Albert Haenel, königl. Hofbuchdrucker
in Magdeburg (Firma: Haenel'sche Hofbuchdruckerei), am
15. Juli d. J. ausgegebenen Circular werden die im Vorstehenden besprochenen Ericsson'schen calorischen Maschinen jetzt in der
Maschinenfabrik der vereinigten Hamburg-Magdeburger
Dampfschifffahrts-Compagnie in Buckau bei Magdeburg durch den
Dirigenten derselben, Hrn. Brami Andreae, der längere
Zeit in Amerika anwesend war, mit noch wesentlichen Verbesserungen in sechs
verschiedenen Sorten ausgeführt, als:
1)
12''
Cylinder-Durchmesser,
circa
1/2
Pferdekr.,
zu
dem
Preise
von
400 Thaler,
2)
18''
„
„
1
„
„
„
„
„
600 „
3)
24''
„
„
2
„
„
„
„
„
800 „
4) dopp.
24''
„
„
4
„
„
„
„
„
1500 „
5)
32''
„
„
3
„
„
„
„
„
1400 „
6) dopp.
32''
„
„
6
„
„
„
„
„
2600 „
zu welchen nur an Raum erforderlich ist:
ad 1)
circa
4' 6'' × 2',
ad 2)
circa
6' × 3' 6'',
ad 3)
„
4' × 7',
ad 4)
„
7' × 8',
ad 5)
„
8' 6'' × 5' 6'',
ad 6)
„
8' 6'' × 11'.
Die Hauptvortheile der neuen calorischen Maschine bestehen nach Hrn. Haenal darin:
1) betragen die Anschaffung- und Unterhaltungskosten kaum ein Drittel
derjenigen einer gewöhnlichen Dampfmaschine;
2) erfordert sie nur den vorher bezeichneten Raum, und keinen besondern Schornstein,
da den geringen Rauch jedes russische Rohr aufnimmt;
3) bietet solche für den Besitzer wie für die Umgebung nicht die geringste Gefahr
einer Explosion dar, erfordert demnach auch keine obrigkeitliche Concession;
4) erfordert sie kaum ein Drittel des Brennmaterials einer gewöhnlichen
Dampfmaschine;
5) ihre Leistungen sind innerhalb der bedingten Grenzen vollkommen befriedigend,
sicher und gleichmäßig;
6) die beim Betriebe derselben ausströmende heiße Luft kann zur Heizung der
verschiedenen Locale, zum Trocknen etc. verwendet werden;
7) zur Heizung der Maschine ist nur circa eine halbe
Stunde, vor Beginn der eigentlichen Arbeitszeit, nothwendig;
8) der tägliche Kohlenverbrauch bei 11stündiger Arbeitszeit beträgt bei der Maschine
ad 2. circa 50 Pfd.
leichter Gaskohks, von welchen die Tonne, circa 180
Pfd., in Magdeburg 26 Sgr. kostet;
9) zur Wartung dieser calorischen Maschine ist nur ein gewöhnlicher Arbeiter
erforderlich.
Hr. Haenel empfiehlt die neue calorische Maschine, welche
in Deutschland zuerst in seinem Institute ihre praktische Verwendung fand,
vorzugsweise den Buchdruckereien und erklärt sich bereit, Aufträge darauf für die
erwähnte Maschinenfabrik entgegenzunehmen.