Titel: | Verfahren versilberte Kupferabfälle verschiedener Art zu entsilbern; von Dr. C. Stölzel in Nürnberg. |
Autor: | C. Stölzel |
Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. X., S. 51 |
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X.
Verfahren versilberte Kupferabfälle verschiedener
Art zu entsilbern; von Dr. C.
Stölzel in Nürnberg.
Stölzel, Verfahren versilberte Kupferabfälle verschiedener Art zu
entsilbern.
Unter den vielfältigen Industriezweigen Nürnbergs haben besonders diejenigen eine
große Bedeutung erlangt, welche sich mit der Verarbeitung der Metalle und den
Legirungen, namentlich von Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Blei, Messing zu den
verschiedensten Gegenständen des Bedürfnisses und Luxus beschäftigen. Eine Reihe von
Fabricationen liefert ausschließlich versilberte kupferne Producte, wie Drähte,
Flittern, Kantillen, plattirte Waaren, und es entstehen hierbei eine Menge Abfälle,
deren Verwerthung nur sehr unvollkommen geschieht, wodurch alljährlich ansehnliche
Summen unbeachtet verloren gehen. Der Grund hievon liegt einfach darin, daß bisher
kein Verfahren allgemein bekannt war, welches gestattet mit wenig Kosten und
Zeitaufwand die Entsilberung der Abfälle vorzunehmen und das zurückgebliebene Kupfer
als solches wieder zu verwenden.
Auflösung der Kupferabfälle in Schwefelsäure, Niederschlagen des Silbers durch
Cementation und Darstellung von Kupfervitriol würde um deßwillen nicht lohnend seyn,
weil diese Abfälle von Gegenständen herrühren, bei denen hauptsächlich nur das beste
theure russische Kupfer Verwendung findet und der Preis des letzteren in dem Vitriol
nicht wieder erhalten werden kann, der ebensogut aus den Kupferabfällen viel
schlechterer Beschaffenheit oder aus kupferhaltigen Hüttenproducten herstellbar ist.
Man läßt deßhalb bei Abfällen von Flittern, Kantillen, Drähten u.s.w., die einen
sehr dünnen Silberüberzug haben, das Silber ganz unbeachtet und schmilzt sie mit
neuem Kupfer wieder ein; silberplattirte Abfälle dagegen, die eine stärkere
Silberschicht auf sich tragen, wurden an die Münze abgegeben und konnte von dort aus
ein im Verhältniß der Güte des Kupfers nur geringer Werth zurückerstattet
werden.
Bei mehrfachen Versuchen Kupfer von einer darauf haftenden Silberschicht zu befreien,
ohne daß das Kupfer selbst mit angegriffen oder gar in Lösung übergeführt werden
muß, ergab sich ein einfaches Mittel zur Erreichung dieses Zwecks in dem Verhalten
von concentrirter Salpetersäure gegen Silber und Kupfer. Bringt man diese Metalle in
gewöhnliche käufliche concentrirte Salpetersäure von etwa 1,47 spec. Gew., wie die
von mir angewandte, so werden beide heftig angegriffen, und es gelingt damit nicht
Silber allein vom Kupfer wegzulösen, weil bekanntlich, so lange noch ungelöstes Kupfer
vorhanden ist, dieses aus der entstandenen Silberlösung das Silber immer wieder
galvanisch niederschlägt. Dagegen greift eine Säure von höchstem specifischem
Gewicht = 1,5 wohl Silber, aber nicht Kupfer an; sie ändert die chemische Natur des
letzteren rasch der Art, daß es elektronegativer wie vorher wird, weniger leicht
oxydirbar, Salpetersäure nicht mehr zersetzend, Silber aus seinen Lösungen nicht
mehr fällend. Dieser merkwürdige Zustand desselben führt bekanntlich den Namen des
„passiven“; von Keir zuerst am
Eisen entdeckt, wurde er besonders von Schönbein weiter
untersucht und tritt in ähnlicher Weise auch bei einigen anderen Metallen, wie Zinn
und Wismuth, auf.
Zur Hervorrufung der Passivität des Kupfers ist es nicht gerade nöthig unmittelbar
Salpetersäure von 1,5 spec. Gew. anzuwenden, sondern jede concentrirte käufliche,
auch von geringerem specifischem Gewicht, mit genügender Menge englischer
Schwefelsäure versetzt, wird dazu tauglich, indem ihr diese Wasser entzieht und sie
neben sich verstärkt. Wurde je ein Raumtheil Salpetersäure (spec. Gew. = 1,47) mit
1, 2, 4, 6 Raumtheilen englischer Schwefelsäure gemischt, bis 100° C. erwärmt
und Kupfer hineingebracht, so löste es sich nur in dem letzten oder einem noch mehr
schwefelsäurehaltigen Gemische nicht, während in dem Maaße als weniger Schwefelsäure
vorhanden war, sich stärkere Entwicklung von Stickoxyd zeigte.
Die Entsilberung von versilberten kupfernen Gegenständen aller Art wurde demgemäß
anfänglich auf die Art leicht erreicht, daß man sie in ein auf etwa 100° C.
erwärmtes Bad eintauchte, welches aus einer größern Menge englischer Schwefelsäure
mit Zusatz von etwas Salpetersäure bereitet war. Drähte, Flittern, Kantillen sind
darin nach wenigen Secunden, stärker versilberte Kupferbleche in wenigen Minuten von
ihrer Silberschicht befreit. Die Salpetersäure bewirkt hierbei nur die Oxydation des
Silbers, während die Schwefelsäure eines Theils das eigentliche Lösungsmittel für
das gebildete Silberoxyd ist, anderen Theils das bloßgelegte passiv werdende Kupfer
vor dem Angriff der Salpetersäure schützt. Da Eisen ähnlich wie Kupfer rasch in den
passiven Zustand übergeht, so kann die Operation recht gut in gußeisernen Gefäßen
vorgenommen werden, ohne daß man einen wesentlichen Angriff derselben zu befürchten
hat. Stand die Entsilberungsflüssigkeit, welche zuletzt nur geringe Mengen
Salpetersäure enthielt, längere Zeit in einem gußeisernen Hafen, so efflorescirte am
Rande desselben ein weißes Salz, das nach der Analyse FeO, SO₃ + 7HO war und
nicht etwa, wie sich aus der Farbe anfänglich vermuthen ließ, ein Salz mit
geringerem Wassergehalt. Die Flüssigkeit nahm eine purpurrothe Farbe an, erzeugt durch kleine
Mengen in Schwefelsäure gelösten schwefelsauren Eisenoxyduls mit Stickoxyd.
Noch billiger als in angegebener Weise läßt sich die Entsilberung bewerkstelligen,
wenn man anstatt eines Gemisches von Schwefelsäure und Salpetersäure, Schwefelsäure
und Natronsalpeter verwendet, und es ergibt sich hieraus folgendes praktische
Verfahren:
1) Entsilberung.
In einen Kessel von Gußeisen, oder am besten von Steinzeug, bringt man englische
Schwefelsäure mit Zusatz von 5 Proc. Natronsalpeter und erwärmt bis auf etwa
100° C. Die zu entsilbernden Abfälle werden in ein eimerartiges Gefäß von
Eisenblech eingelegt, dessen Boden und Seitenwände siebförmig durchlöchert sind, in
das Bad hineingehängt und darin auf- und abbewegt. Ist die Entsilberung
vollendet, so nimmt man Gefäß sammt Inhalt heraus, läßt abtropfen und schwenkt es in
kaltem Wasser umher, um es sodann zu entleeren und eine neue Portion Abfälle in
gleicher Weise zu behandeln. Die Entsilberung erfolgt anfänglich sehr rasch; auch
bei stark plattirten Blechen ist sie, wie oben bemerkt, in wenigen Minuten
vollendet; in dem Maaße als sich das Bad mit Silbervitriol mehr und mehr sättigt
– es erstarrt dann beim Abkühlen zu einem krystallinischen Brei von
schwefelsaurem Silberoxyd und schwefelsaurem Natron – schreitet sie langsamer
vor und man erkennt leicht die Gränze, bei der ein neues Bad sich nothwendig
macht.
Da es nicht zu umgehen ist, daß den Abfällen nach Herausnahme aus dem
Entsilberungsbade und Abtropfenlassen etwas silberhaltige Flüssigkeit adhärirt, so
überziehen sie sich, wenn der Silbergehalt der letzteren bedeutender wird, beim
Eintauchen in Wasser mit einem grauen lose darauf haftenden Hauch oder einzelnen
Flecken von Silber, welches sich galvanisch wieder darauf niederschlug. Will man
auch diesem geringen Verluste vorbeugen, so hat man nur nöthig die Abfälle, ehe man
sie mit Wasser in Berührung bringt, in ein zweites kaltes Bad von Schwefelsäure und
Salpeter einzutauchen, welches später als erstes Bad benützt wird, und darin
gewissermaßen abzuspülen.
2) Niederschlagen und Schmelzen des
Silbers.
Das Niederschlagen des Silbers aus seiner Lösung in Schwefelsäure erfolgt wie
gewöhnlich als Chlorsilber mit Kochsalz. Man setzt am besten festes Kochsalz
portionenweise bis zur vollständigen Ausfällung dem warmen Silberbade zu, weil
dadurch das Chlorsilber sich zusammenballt und leicht ohne Verlust ausgewaschen
werden kann, entleert sodann den ganzen Inhalt des Kessels in einen Ständer mit Wasser und
bringt schließlich das Chlorsilber zum Aussüßen auf ein Seihtuch. Nach erfolgtem
Trocknen wird es nach einer der bekannten Methoden reducirt und niedergeschmolzen.
Entweder gibt man, wie es in vielen Münzen geschieht, einen Zusatz von 20 Proc.
frisch gebranntem Kalk, oder man mengt nach Mohr's
Vorschrift mit 1/3 Colophonium und schmilzt zuletzt bei verstärkter Hitze unter
Zusatz von etwas Borax.
3) Verwerthung der vom Chlorsilber
getrennten Flüssigkeit.
Die vom Chlorsilber getrennte Flüssigkeit enthält hauptsächlich Schwefelsäure und
schwefelsaures Natron, dann freies Chlor, aus im Ueberschuß angewandtem Kochsalz
durch die Salpetersäure entwickelt, etwas Kupfer und etwas Eisen, aus den eisernen
Gefäßen aufgenommen. Die in Lösung übergegangene Menge Kupfer ist unbedeutend, daher
es nur bei Verarbeitung großer Massen von Kupferabfällen lohnend seyn könnte durch
Einlegen von Eisenabfällen in die Flüssigkeit das Kupfer als Cementkupfer
niederzuschlagen. Wichtiger ist es die freie und an Natron gebundene Schwefelsäure
noch nutzbar zu machen. Die geeignetste Verwendung findet sie zur Darstellung von
Permanentweiß (Blanc
fixe), sofern man in Fabriken, denen ein chemischer Betrieb ferner liegt, eine
möglichst einfache Verarbeitung im Auge hat. Man hat dann nur mit Chlorbaryumlösung
schwefelsauren Baryt auszufällen, den Niederschlag absetzen zu lassen, nach dem
Decantiren gut auszuwaschen, um ihn endlich in geeigneter Form in den Handel zu
bringen. Die schätzbaren Eigenschaften des Permanentweißes haben der Farbe statt des
Bleiweißes in manchen Industriezweigen – Herstellung satinirter Tapeten,
weißer Glanzpappen u.s.f. – bereits eine ausgedehnte Anwendung gesichert und
nach den von Kuhlmann über Barytindustrie
veröffentlichten Versuchen und Erfahrungen seiner FabrikenPolytechn. Journal Bd. CL S. 57, 109 u. 415. wird auch das Chlorbaryum bald als ein billiger Handelsartikel im Großen bei
uns in Deutschland zu beziehen seyn.
Nach angegebener Methode wurde eine etwas größere Menge plattirter Blechabfälle,
nahezu 1/4 Centner, entsilbert. Dabei erhielt man auf 1 Ctr. berechnet:
1 Pfd.
6,6 Loth
feines Silber,
98 „
8 „
Kupferblech,
8,4 „
Kupferpulver (durch Cementation),
9 „
Verlust.
––––––––––––––––––
100 Pfd.
An Materialien waren dazu nöthig pr. Ctr. Abfälle:
50
Pfund
engl. Schwefelsäure zu
4 fl.
8 kr.
2 3/4
„
Natronsalpeter
– „
36 „
1
„
Kochsalz
– „
5 „
17,3
Loth
Colophonium
– „
2 „
1 1/2
„
Borax
– „
45 „
2
Cntr.
Kohks
2 „
– „
––––––––––––
7 fl.
36 kr.
und es betragen demnach die Materialkosten für Entsilberung
eines Centners derartiger Abfälle 7 fl. 36 kr., wenn man die dabei angewandte
Schwefelsäure nicht weiter verwerthet; bei Verwerthung derselben würden sie sich
noch wesentlich verringern.