Titel: | Beiträge zur Technologie der Rübenzuckerfabrication; von Dr. Rudolph Wagner. |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. C., S. 377 |
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C.
Beiträge zur Technologie der
Rübenzuckerfabrication; von Dr. Rudolph Wagner.Vorgetragen am 16. Juli 1859 in der Würzburger physikalisch-medicinischen
Gesellschaft. – Aus den Verhandlungen dieser Gesellschaft Bd. X S.
22.
Wagner, Beiträge zur Technologie der
Rübenzuckerfabrication.
Die Entfernung des Kalkes aus dem mit Kalk geläuterten Rübensafte geschieht
bekanntlich in der Rübenzuckerfabrication zum Theile mit Hülfe von Kohlensäuregas in
den von Kleeberger und Kindler
construirten Entkalkungs-Apparaten, zum Theile auch durch Filtration des
kalkhaltigen Saftes über gekörnte Knochenkohle. Wenngleich die Beseitigung des
Kalkes durch Kohlensäure gegenwärtig fast allgemein üblich ist, so hat doch diese
Entkalkungsmethode auch ihre, allen Praktikern wohlbekannten Schattenseiten. Ich
fand mich veranlaßt, andere Entkalkungsmittel als Kohlensäure anzuwenden und
Versuche in dieser Richtung anzustellen, und theile im Folgenden einen kurzen Auszug
meiner Arbeit mit.
Von den wiederholt vorgeschlagenen Säuren: Phosphorsäure,
Oralsäure, Pektinsäure, welche eine Zuckerkalklösung dem Kalk entziehen und
mit diesem unlösliche Verbindungen bilden, nahm ich keine Notiz, da diese Substanzen
theils zu theuer für die Anwendung im Großen, theils von nachtheiligem Einfluß auf
die Eigenschaften des herzustellenden Zuckers waren, theils auch, und dieß gilt
besonders von dem pektinsauren Kalk – die voluminöse Beschaffenheit des
Kalkniederschlages leicht einen Verlust an Zucker herbeiführen kann. Die Gerbsäure, die auch zum Entkalken vorgeschlagen wurde,
ist völlig ungeeignet; anstatt daß sich, wie man glauben könnte, gelblich gefärbter
gerbsaurer Kalk bildete, wenn man Tannin zu einer Lösung von Kalksaccharat setzt,
tritt sofort eine Spaltung der Gerbsäure in Gallussäure und Glycose ein, welche
beide augenblicklich Sauerstoff absorbiren und in kürzester Zeit zur Bildung von
braungefärbten, theilweise löslichen Humussubstanzen Veranlassung geben.
Neuerdings ist Seife als Entkalkungsmittel vorgeschlagen
worden. Man entfernte dadurch freilich den Kalk, aber an dessen Stelle brachte man
eine äquivalente Quantität Natron, welche auf keine Weise aus dem Klärsel zu
entfernen war und die Menge der Melasse beträchtlich vermehrte. Rationeller ist die
Anwendung der Oelsäure, so wie sie die
Stearinkerzen-Fabriken liefern; eine Lösung von Kalksaccharat mit Oelsäure
in der Kälte
zusammengeschüttelt, wird so vollständig entkalkt, daß oxalsaures Ammoniak in dem
Filtrat nur noch eine schwache Färbung bewirkt; die Oxalsäure des Handels enthält
jedoch im Wasser theilweise lösliche flüchtige Fettsäuren (Capronsäure bis
Caprinsäure), welche dem aus dem Filtrat dargestellten Zucker hartnäckig adhäriren
und demselben einen Bocksgeruch mittheilen, wenn die angewendete Oelsäure aus Talg
gewonnen war. Aus Palmöl abgeschiedene Oelsäure ertheilte dem Zucker zwar wenig
Beigeschmack, aber dafür den bekannten Veilchenwurzelgeruch der Palmölseife. Die
gewonnene Kalkseife ist gewöhnlich nicht hart, sondern schmierig und ihre
Abscheidung und Zersetzung mit Mineralsäuren immer mit Verlust verknüpft.
Weit empfehlenswerther ist die Stearinsäure des Handels
(in der Regel ein Gemenge von viel Palmitinsäure mit etwa 10 Proc.
Stearinsäure)Mit dieser Annahme stimmte der Schmelzpunkt der Säure 60,1° C.
überein, welchem eine Mischung von 90 Theilen Palmitinsäure mit 10 Theilen
Stearinsäure entspricht., welche im geschmolzenen Zustande mit der erwärmten
Zucker-Kalk-Lösung zusammengeschüttelt, dieselbe vollständig
entkalkt.
1) 8,3 Grm. Stearinsäure mit überschüssigem Kalksaccharat erwärmt bis keine
Kalkaufnahme mehr stattfand, gaben eine sich vollständig von der Zuckerlösung
abscheidende Kalkseife, welche nach dem Auswaschen und Pressen zwischen Fließpapier
und Erwärmen, bis alles Wasser entfernt war, 9,25 Grm. wog.
100 Th. der angewendeten Stearinsäure nahmen mithin aus der
Zucker-Kalk-Lösung 10,2 Proc. Kalk (CaO) auf.
2) 3,40 Grm. obiger Kalkseife hinterließen nach dem Verbrennen
0,542 Grm. CaO, CO₂
= 0,303 Grm. oder 8,91 Proc. Kalk.
Die Kalkseife läßt sich ohne Verlust sammeln und leicht und vollständig durch
Schwefelsäure oder Salzsäure zersetzen. Der auf diese Weise erhaltene Zucker ist
absolut rein. Unter Umständen möchte daher die Stearinsäure als Entkalkungsmittel
Beachtung verdienen, sie würde selbst der Kohlensäure vorzuziehen seyn, wenn man
allem Verluste von Substanz dadurch vorzubeugen sucht, daß man die Bildung der
Kalkseife und deren Zersetzung in dem nämlichen Gefäße vornähme.
Als zweite Substanz, die als Entkalkungsmittel Aufmerksamkeit verdient, erwähne ich
die Kieselsäure, und zwar in Form von Kieselgallerte, wie
sie aus einer Wasserglaslösung durch Säuren ausgeschieden wird; die körnige Masse
wird durch ein feines Sieb getrieben und durch Decantation mit Wasser ausgewaschen. Mit
Zucker-Kalk digerirt, entzieht die Kieselgallerte den Kalk bis auf kleine
Mengen, die erst durch lange Zeit fortgesetzte Digestion mit überflüssiger
Kieselsäure zu entfernen sind. Um die Menge des Kalkes kennen zu lernen, die von der
Kieselsäure aufgenommen werden kann, wurde Kieselgallerte mit Kalksaccharat
digerirt, bis kein Kalk mehr aufgenommen wurde, das Kalksilicat ausgewaschen und bei
120° C. getrocknet.
0,445 Grm. dieses Kalksilicates geben (auf bekannte Weise durch Salzsäure zersetzt
und nach dem Abscheiden der Kieselsäure der Kalk mit oxalsaurem Ammoniak gefällt;
der oxalsaure Kalk durch Glühen in kohlensauren verwandelt)
0,309 Grm. CaO, CO₂
= 0,173 Grm. oder 38,8 Proc. Kalk.
Das analysirte Kalksilicat enthielt indessen noch freie Kieselsäure, die durch
Digestion mit verdünntem Natron entfernt wurde:
0,628 Grm.
Kalksilicat wogen nach dem Entfernen der freien Kieselsäure
0,599 „
––––––––
0,029 Grm.
freie Kieselsäure.
Wenn man die Kieselsäure gehörig zertheilt mit der Zucker-Kalk-Lösung
zusammenbringt, wird es ohne Zweifel gelingen, größere Kalkmengen mit der
Kieselsäure zu verbinden, vielleicht zu einem Kalksilicat, welches wie der Wollastonit auf 52 Th. Kieselsäure 48 Th. Kalk
enthält.
Das Kalksilicat läßt sich entweder mit Hülfe von Salzsäure wieder in sofort
brauchbare Kieselgallerte überführen, oder es wird zu hydraulischem Kalke
verwendet.
Zucker-Kalk mit Wasserglaslösung zusammengebracht, gibt eine dickliche Masse,
die nach einigen Stunden zu einer gelblichen homogenen, dem Opodeldok durchaus
ähnlichen Gallerte erstarrt.
0,398 Grm. der ausgewaschenen und geglühten Masse bestanden aus
Kieselsäure
0,210
54,7
Kalk
0,188
47,3
–––––
–––––
0,398
100,0
Diese Zusammensetzung führt ziemlich genau zu der Formel 3 CaO, 2 SiO₃.