Titel: | Ueber die weiteren Fortschritte der Bessemer'schen Stahlbereitung in Schweden; von P. Tunner, k. k. Sectionsrath und Director der k. k. montanistischen Lehranstalt in Leoben. |
Fundstelle: | Band 153, Jahrgang 1859, Nr. LXXVIII., S. 278 |
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LXXVIII.
Ueber die weiteren Fortschritte der Bessemer'schen Stahlbereitung in
Schweden; von P. Tunner, k.
k. Sectionsrath und Director der k. k. montanistischen Lehranstalt in
Leoben.
Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und
Hüttenwesen, 1859, Nr. 30 u. 31.
Tunner, über die weiteren Fortschritte der Bessemer'schen
Stahlbereitung in Schweden.
Unter Bezugnahme auf meine frühere Mittheilung über diesen Gegenstand (polytechn.
Journal Bd. CLII S. 118) lasse ich hier
darüber nachfolgen, was mit seither wieder bekannt geworden ist, weil mit die Sache
nunmehr so ziemlich entschieden erscheint. Besonderes Gewicht verdient der neueste
Bericht des Herrn Directors A. Grill an die HHrn.
Bevollmächtigten des Jern-Kontoret's welcher im 1. Hefte von
Jern-Kontoret's-Annalen für 1659 veröffentlicht ist. Er lautet:
„Die Stahlmanipulation zu Edslen ist mit denselben guten Aussichten
fortgesetzt worden, von denen ich unter dem 8. September (1858) die Ehre hatte
zu berichten,Diesen Bericht habe ich in der früheren Mittheilung wörtlich
wiedergegeben. P. Tr. und man kann sogestaltet nunmehr als gegeben annehmen, daß Bessemer's Methode jenen Grad der Entwickelung
erreicht hat, daß sie nicht allein in technischer Beziehung sich leiten und
bestimmen läßt, sondern auch mit ökonomischem Vortheil den Kampf mit den übrigen
Stahlbereitungsmethoden bestehen kann.
Vom 18. Juli bis einschließlich 12. December (v. J.), während welcher Zeit aller
producirte und mit der Benennung Stahl in Güssen (Gußkolben) bezeichnete Stahl
als vollkommen tauglich angesehen werden kann, sind zu Edsken unter 143 Betriebstagen des
Hohofens und 584 Chargen im Bessemer-Ofen
verwendet worden 2669 Sk Pfd. 11 L Pfd. (nahe 9310 Centner Wr. Gewicht) Roheisen
und Roheisenabfälle von der früheren Arbeit. Daraus wurden erhalten 63,39
Procent Stahl in gereinigten Güssen und fertig zum Ausschmieden; ferner 20,20
Procent Stahlabfälle, 1,49 Proc. Roheisenabfälle, und somit 14,92 Proc. Abbrand.
Die ganze Erzeugung bis vor dem 18. Juli wurde dagegen bei Seite gelegt, indem
man die Stahlqualität wegen eingemengter Schlacke und Ungänzen als nicht
verläßlich genug ansah, um in den Handel gesetzt zu werden. Wie ich bereits in
meinem früheren Berichte anführte, ist jedoch der damals zu 14,12 Procent, und
vorliegend zu 14,92 Procent ausgemittelte Abbrand nicht richtig, sondern zu
groß, weil ein Theil der Roheisenabfälle zurückgewogen wurde, ohne der
Stahlarbeit zu gute gerechnet zu werden. In Wirklichkeit ist der Abbrand nicht
über 12 Procent.
Irgendwelche wesentliche Abänderungen, weder in der Manipulation noch im Bau des
Ofens sind nicht vorgenommen worden, wohl aber wurde ein dritter Stahlofen
errichtet und abwechselnd mit den beiden früher vorhandenen in Gebrauch
genommen. Um die Stahlgüsse mit reiner Oberfläche frei von Blasen zu erhalten,
wurden sogenannte aufsteigende Güsse mit gutem Erfolg versucht und werden
deßhalb auch in Zukunft wahrscheinlich recht brauchbar sich zeigen. Ingleichen
hat man versucht den fließenden Stahl über der Gußform durch einen engern, aus
feuerfestem Materiale hergestellten Trichter laufen zu lassen, damit der Strahl
in die Mitte der Form fällt, ohne die Wände zu berühren, welche Anordnung sich
ebenfalls von Nutzen zeigte.
Zu Högbo ist das Ausrecken des Stahles wesentlich auf das Ausschmieden unter dem
Dampfhammer zu Material für das Schweißen und Feinstrecken eingeschränkt
gewesen, und nur ein vergleichungsweise unbedeutender Theil konnte unter
Streckhämmern für den Handel fertig gemacht werden, weil allgemein Wassemangel
vorhanden war. Um sich davon unabhängig zu machen, sind jetzt zwei neue
Feinstreckhämmer im Bau begriffen (bei einer daselbst bereits befindlichen
Dampfmaschine gelegen) nebst dazu gehörigen Wärmfeuern. Außer diesen wurde eine
eigene, kleinere Dampfmaschine errichtet zum Betriebe des Gebläses für die
Schweißöfen und hollow fires. Wenn diese Bauten
fertig sind, werden die nöthigen Werkstätten in voller Ordnung seyn. Seit dem
24. Juli (v. J.) sind unter dem Dampfhammer bei 2330 Centner Stahlgüsse
vorgeschmiedet worden, welche durchweg tauglich sind, und wird dieses Quantum
vor Jahresschluß an 2700 Centner betragen, da der Dampfhammer in letzterer Zeit
wöchentlich über 242 Centner aufzuarbeiten vermochte.
Die Ergebnisse des Ausstreckens von Stahl in der Zeit vom 1. Nov. bis zum 4.
December sind in nachstehender Tabelle zusammengefaßt.
Ausgewogen.
InProcent.
Eingewogenin Summa.
Bei dem
Dampfhammer:
Centner.
Pfund.
Centner.
Pfund.
An überschmiedetem Materiale
980
70
96,75
„ Abfällen
4
56
0,45
„ Abbrand ergab
sich
28
38
2,80
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
zusammen
1013
64
100,00
1013
64
Bei dem
Schweißhammer:
An überschwerem Materiale
122
11
94,71
„ Abfällen
–
76
0,59
„ Abbrand ergab
sich
6
6
4,70
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
zusammen
128
93
100,00
128
93
Bei dem
Feinstreckhammer:
An feingestrecktem Stahl
57
83
90,98
„ Ausschußstahl und
Abfällen
3
82
6,02
„ Abbrand ergab
sich
1
91
3,00
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
zusammen
63
56
100,00
63
56
Im Ganzen ergeben sich von den Stahlgüssen bis zum feingestreckten, guten Stahl
an fertigem Stahl 83,38, an Ausschußstahl und Abfällen 6,54, an Abbrand 10,08
Procent.
Hierzu muß zur bessern Einsicht noch bemerkt werden, daß unter dem Dampfhammer
die Schmiedung durchschnittlich auf Quadratstabe von 2 1/4 Zoll Seitenlänge
erfolgte; ferner unter dem Schweißhammer, nach ertheilter gelinder Schweißhitze,
auf ungefähr 1 Zoll Seitenlänge, unter dem Feinstreckhammer aber in Glühhitze zu
sehr verschiedenen feineren Querschnitten ausgereckt wurde.
Der Stahl von dem Härtegrade Nr. 3,5Siehe die dießfallsige Classification in meiner früheren Mittheilung. P.
Tr. gibt an fehlerfreiem fertigen Stahl den besten Ausfall. Solcher Stahl,
welcher bei der genauesten Besichtigung kleine Fehler an der Oberfläche
wahrnehmen läßt, wie Längsrisse, oder Zeichen von Oberflächenfehlern der
Stahlgüsse, die sich später nicht verschweißen ließen, geben die zweiten
Stahlsorten, und kommen am öftesten bei den weichen Sorten vor, welche zum
Schweißen eine so hohe Temperatur fordern, daß darin der Stahl in groben
Dimensionen leicht verbrannt wird. Diese Fehler entstehen offenbar bei dem
Eingießen des Stahles in die Gußformen, aus welchem Grunde darauf die größte
Aufmerksamkeit verwendet wird, um auch diese, man kann es mit Freude sagen, einzige noch vorhandene Schwierigkeit völlig zu
überwinden.
Der Stahl hat derzeit eine solche Hitze und Flüssigkeit, daß man in trockener
Lehmform directe, sogenannte Herzplatten für die Eisenbahnwechsel gießen konnte,
und zwar vom Härtegrad Nr. 3,5. Solche Herzplatten sind auf der Eisenbahnstation
zu Gefle eingelegt worden, wodurch schnell erprobt werden wird, ob diese ihrem
Zwecke gleich gut entsprechen, wie jene, welche in England aus gewöhnlichem
Gußstahle gegossen worden sind.
Alle Abfälle, sowohl vom Bessemer-Ofen wie vom
Ausrecken, sind vortrefflich zum Umschmelzen in Herden zu verwenden. Sie geben
bei einer directen Niederschmelzung im Herde ein hartes, festes und gutes
Stabeisen und sind daher im Vergleich mit dem Roheisen aus denselben Erzen per Centner um circa 1/2
Gulden mehr werth, zu welchem Preise sie in der That verkauft werden.
In Rücksicht der wichtigen Frage, in wie ferne Bessemer's Stahl volle Anwendbarkeit besitzt, entsprechend dem Preise
um 20–25 Gulden C.-M. ein Centner, welchen die Erzeuger
gegenwärtig fordern, so wird der zukünftige Absatz desselben hierüber die
verläßlichste Antwort geben. Nach den Urtheilen, welche ich, seit die Bereitung
auf sicheren Fuß gelangt ist, von mehreren geschickten Arbeitern zu erfahren
Gelegenheit hatte, erfüllt dieser Stahl alles was man von der besten Waare
begehren kann. Besonders hervorgehoben wird die Leichtigkeit seiner Behandlung,
seine Beständigkeit bei wiederholten Schweißhitzen und Härtungen, wie seiner
Stärke. Als Beispiel bezüglich seiner letztgenannten Eigenschaft kann ich
anführen, daß zu Kolsva in einer 1 1/2 Zoll dicken Platte von weißem Roheisen
mit einem Bohrer dieses Stahles von der Härte Nr. 3,5 14 Löcher gebohrt wurden,
wornach er ohne alle Nachhülfe noch seine volle Schärfe zeigte.
Hr. Consul Görannsson, welcher im Herbste eine Reise
ins Ausland machte, um den Stahl in England und auf dem Continente einzuführen,
hat die lobendsten Aeußerungen erfahren, selbst bezüglich der Verwendung zu
feineren Werkzeugen, und Auftrage erhalten von Borsig
in Berlin, Hetherington in Manchester u. m.
a.“
So weit der amtliche Bericht des Hrn. Directors A. Grill
an seine dienstgebende Behörde, über einen Gegenstand, dessen Ueberwachung in den
Erfolgen ihm zur speciellen Pflicht gemacht wurde. Nicht minder verläßlich wie
dieser Bericht ist für mich eine briefliche Mittheilung, welche ich dieser Tage von
befreundeter Hand aus Schweden erhielt. Sie lautet, diesen Gegenstand betreffend,
folgendermaßen:
„Ueber allen neueren Unternehmungen die schwedische Eisenindustrie mehr zu
entwickeln, steht unstreitig die Einführung der Bessemer'schen Methode. Sie ist nunmehr über das Stadium der Versuche
hinaus, indem sie zu verläßlichen, beständigen Erfolgen gediehen ist. Die
erfahrensten Stahlconsumenten erklären, dieser Stahl sey besser als der im
Handel vorkommende gewöhnliche Gußstahl und dem besten englischen Gußstahl zu
vergleichen. Der gegenwärtige Preis für ausgesuchten schwedischen Bessemer-Stahl in feinern Dimensionen ist 25
Gulden C.-M. auf den österreichischen Centner berechnet. Der Verbrauch in
Schweden selbst ist jedoch gering, und den ausländischen Markt zu gewinnen geht
sehr langsam, weil allenthalben Opposition von älteren bestehenden Interessen
auftaucht. Bloß aus dieser Ursache zögert man hier zu Land auf andern Hütten mit
der Einführung dieser neuen Methode, denn man sieht nun allenthalben ein, daß
sie mit großer Sicherheit im Stande ist nicht nur Stahl von bestimmter Qualität,
sondern auch Eisen zu liefern. Ich vermuthe der Preis wird in kurzer Zeit um die
Hälfte herabgehen.
Die Hauptsache bei dieser Methode ist, daß mit viel und kräftigem Wind gearbeitet
wird, so zwar, daß die Charge von beiläufig 15 Centner in 7–10 Minuten
beendet ist. Hiedurch wird die Hitze concentrirt, die Masse dünnflüssiger und
die Abscheidung der Schlacke vollständiger. Es ist nicht zweifelhaft, daß man
Locomotiv-Bandagen gießen kann, die nur etwas überschmiedet oder besser
gewalzt werden müssen. Ganz vorzügliche Aexte werden bereits gegossen, die
nachher nur zugeschärft zu werden brauchen. – In Schweden wird die
Gußstahlerzeugung aus Tiegeln nunmehr wohl ganz unterbleiben, da man jetzt
überzeugt ist, daß die Bessemer'sche Methode
passender und wohlfeiler ist.“
Nach diesen übereinstimmenden, völlig verläßlichen Nachrichten aus Schweden muß ich
die Brauchbarkeit des Bessemer'schen Verfahrens zur
Stahlfabrication als außer Frage gestellt betrachten, obgleich die geringe
Haltbarkeit des Bessemer'schen Ofens, die vielen
Reparaturen und Betriebstörungen bei demselben, mit noch einige unbeantwortet
gelassene Fragen aufdringen. Der Gegenstand ist meines Erachtens für Oesterreichs
Eisenwesen von so großer Wichtigkeit, daß ich durch die vorliegende Veröffentlichung
eine Pflicht für das Vaterland zu erfüllen glaube, und dieserwegen sehnlichst
wünsche, daß unsere Hohofenbesitzer es nunmehr gleichfalls als ihre Pflicht ansehen,
denselben endlich auch in Angriff zu nehmen. Die Erfindung ist bekanntlich eine
englische, und wurde in England seither mit nicht unbedeutenden Kosten beständig
verfolgt; allein nach den mit bekannt gewordenen Nachrichten ist man in Schweden
damit weiter als selbst in England gekommen, weil das reinere Roheisen in Schweben
die Durchführung
dieses Processes, insbesondere für die Stahlerzeugung, wesentlich erleichtert, indem
die Abscheidung der fremden Bestandtheile außer der Kohle, bei der Raschheit des
Processes nicht genügend erfolgt, wenn viel davon vorhanden ist. Die ersten Versuche
sind indessen auch in Schweben nicht geglückt, so zwar, daß die ganze Unternehmung
daselbst erlegen wäre, wenn dem Unternehmer nicht von Seite des schwedischen Gewerken-Vereins ein namhaftes Darlehen gewährt
worden wäre. Nach den vorliegenden Erfahrungen aus Schweden ist nicht im Geringsten
zu zweifeln, daß sich alles gaare, graue wie weiße
Roheisen, welches derzeit auf den Hohöfen Innerösterreichs erblasen und zur
Bereitung des Schmelzstahls verwendet wird, sehr gut zur Darstellung des Stahles
nach Bessemer's Methode eignen würde, obgleich man hierzu
in Schweden bisher bloß schwachhalbirtes bis graues Roheisen mit Erfolg verwendet
hat. Das Roheisen muß nur entsprechend hitzig und kohlenreich aus dem Hohofen
erhalten werden, im übrigen aber von reiner gutartigen Beschaffenheit seyn, und der
Proceß in Bessemer's Ofen muß zur Erzielung der nöthigen
Temperatur, unter gleichzeitiger Anwesenheit einer größeren Eisenmenge, mit viel und
kräftigem Winde rasch durchgeführt werden.