Titel: | Dampfkolben mit beseitigter Kolbenreibung; von G. Krauß, Maschinenmeister der schweizerischen Nordost-Bahn. |
Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. LIV., S. 242 |
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LIV.
Dampfkolben mit beseitigter Kolbenreibung; von
G. Krauß,
Maschinenmeister der schweizerischen Nordost-Bahn.
Aus der schweizerischen polytechn. Zeitschrift, Bd. IV
Heft 2.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Krauß' Dampfkolben mit beseitigter Kolbenreibung.
Die vielen Constructionen, welche für Dampfkolben schon gemacht und zum Theil
ausgeführt wurden, geben Zeugniß von der Wichtigkeit des Gegenstandes und von der
häufig vorkommenden Mangelhaftigkeit derselben. Fast allgemein sind immer noch jene
Kolben im Gebrauch, welche durch Keil, Stellschraube und Feder gespannt werden.
Diese Art Kolben hat viele Mängel, sie erfordern ein häufiges Nachspannen, wobei man
mit besonderer Vorsicht verfahren muß; es ist in Folge dessen ein öfteres
Auswechseln der Ringe erforderlich und von Zeit zu Zeit auch das Ausbohren der
Cylinder. Es ist constatirt, daß die Reparatur dieser Theile bei jenen Maschinen,
welche lange Strecken ohne Dampfwirkung laufen müssen, also bei Gebirgsbahnen
häufiger als bei anderen Locomotiven vorkommt. Die Ursache hievon, sowie überhaupt
der Abnutzung der Kolben und Cylinder, ist nun jedenfalls folgende:
Der in den Cylinder eingeströmte Dampf drängt sich in Folge der Unebenheiten der
Flächen und Porosität der Körper zwischen Kolbenoberfläche und Cylinderwand, und übt
auf die Kolbenringe einen nicht unbeträchtlichen Druck aus, dem dieselben
widerstehen müssen, wenn der Kolben nicht Dampf durchlassen soll. Besagter Druck
variirt nun mit der Spannung des im Cylinder arbeitenden Dampfes und wird, sobald
kein Dampf im Cylinder ist, auch nicht vorhanden seyn. Für den Fall nun, daß der
Widerstand des Kolbenringes dem von Außen auf denselben wirkenden Dampfdrucke gleich
ist, wird der Druck des Kolbenringes und damit die Kolbenreibung gleich Null seyn.
Dieß ist jedenfalls das günstigste Moment, da auch kein Uebergang des Dampfes auf
die andere Seite stattfinden kann. Für den Fall, wo nun der Widerstand durch eine
Feder hervorgebracht wird, muß, damit der Kolben für alle Fälle dicht abschließt,
diese Feder mit einer der Maximaldampfspannung entsprechenden Kraft gespannt werden.
Diese Spannung ist aber eine constant gleichbleibende und wird für alle jene Fälle
einen Druck auf die Cylinderwand hervorbringen, wo die Spannung des im Cylinder
arbeitenden Dampfes unter die Maximalspannung sinkt, was bei jedem Kolbenhube, d.h.
bei jeder Expansion
stattfindet. In dem Fall wo gar kein Dampf im Cylinder ist, wird die Feder mit ihrem
ganzen Drucke auf die Cylinderwand und den Kolbenring wirken, so daß die
Kolbenreibung und damit die Abnutzung in diesem Falle am größten ist. Eclatante
Beweise hiefür habe ich bei jenen Locomotiven gefunden, die eine 7 Meilen lange
Bahnstrecke befahren mußten, deren Gefäll fast ununterbrochen 10 Fuß per mille betrug, und die Maschinen bei der Thalfahrt
auf der ganzen Strecke ohne Dampf im Laufe waren. Die Abnutzung sowohl der
Kolbenringe als der Cylinder war hier eine enorme, und sie bestimmte mich
hauptsächlich zur Abänderung der Kolbenconstruction. Ich ging hiebei von dem
Grundsatze aus, daß die Spannung des Kolbenringes variabel mit dem Dampfdruck
gemacht werden müsse, und daß dieselbe gleich Null seyn müsse, sobald kein Dampf im
Cylinder arbeitet. Am nächsten Tag hier natürlich die Benutzung des Dampfes und kam
ich in Folge dessen auf die Construction, wie sie im polytechn. Journal, Jahrgang
1857, Bd. CXLIV S. 1 beschrieben ist, die hauptsächlich darin besteht, daß ein
Doppelventil den Dampf jedesmal hinter die Kolbenringe leitet. Seit fünf Jahren
wende ich diese Construction mit überraschendem Erfolge bei meinen Locomotiven an.
Kolbenringe, welche z.B. schon 50000 Kilomet. zurückgelegt haben, sind nicht mehr
als 1 Millim. im Durchmesser abgenutzt. Besagte Construction hat nicht den
geringsten Uebelstand, doch strebte ich dahin, dieselbe immer mehr zu vereinfachen
und wende ich gegenwärtig die in Fig. 3 und 4 gezeichnete Construction
mit gleichem Erfolge an.
a und b sind zwei gußeiserne
Scheiben, welche den eigentlichen Kolbenkörper bilden. Dieselben werden durch sechs
Nieten c zusammengenietet, nachdem vorher die beiden
Kolbenringe d dazwischen gebracht wurden. Der innere
Durchmesser der Kolbenringe ist nur wenig größer als der kleinere der Scheiben. Der
größere Durchmesser der Kolbenscheiben entspricht nahezu dem Cylinderdurchmesser.
Dadurch erhalten die Kolbenringe eine große Auflagefläche und es ist das Ausschlagen
derselben möglichst vermieden. Im Weitern ist der Kolbenkörper ohne besondere
Stellvorrichtungen im Cylinder geführt.
Die Kolbenringe d bestehen aus zwei Ringen und zwar der
innere aus einem Ring von Schmiedeisen, Messing oder Stahl, und der äußere aus einer
Composition von 80 Th. Zinn, 10 Th. Antimon, 10 Th. Kupfer. Der innere Ring wird
schwalbenschwanzförmig ausgedreht und darüber die Composition gegossen. Den äußern
Durchmesser des Ringes macht man 1/70 größer als den Cylinderdurchmesser und
schneidet dann so viel heraus, daß der Ring den letztern annehmen kann. Dadurch
erhalten die Ringe eine natürliche Spannung. Diese Spannung ist indessen so gering,
daß sie nie zu einem
dichten Abschluß hinreichen würde. Hier muß also noch eine weitere Kraft wirken, und
diese ist wie bei der frühern Construction der Dampf, der hier in folgender Weise
hinter die Kolbenringe gelangt. Letztere werden nämlich leicht, jedoch ohne
Spielraum, zwischen die beiden Kolbenscheiben eingepaßt; sowie nun der Dampf in den
Cylinder strömt, drückt er die Kolbenringe gegen die andere Seite und strömt durch
die Auflagefläche hinter die Kolbenringe, welche dadurch an die Cylinderwand
angedrückt werden und so einen dichten Abschluß bewirken.
Damit die Kolbenringe überall an der Cylinderwand anliegen, lasse ich dieselben,
nachdem sie innen und auf den Seiten abgedreht sind, aufschneiden und ein dem
größern Durchmesser entsprechendes Stück herausschneiden, dann so zwischen die zwei
Kolbenscheiben spannen, daß die aufgeschnittenen Enden wieder zusammenstehen und
erst schließlich auf den richtigen Cylinderdurchmesser abdrehen. Es wäre möglich,
den Kolbenkörper aus nur einer Scheibe zu machen, wodurch der Kolben noch einfacher
würde. Allein man müßte in diesem Falle die Ringe über die Scheibe hineinbringen,
was aber nur dann möglich wäre, wenn die Scheibe gegen die Höhlung des Ringes einen
nur wenig größern Durchmesser hätte, wodurch aber die Auflagefläche zu gering
ausfallen würde. Statt der Compositionsringe kann man auch solche von Gußeisen oder
Metall nehmen; allein ich ziehe erstere wegen der äußerst geringen Abnutzung
vor.