Titel: | Ueber die Bestimmung des Traubenzuckers, Rohrzuckers und Dextins in ihren Mischungen; von J. G. Gentele. |
Autor: | Johan G. Gentele [GND] |
Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. XVIII., S. 68 |
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XVIII.
Ueber die Bestimmung des Traubenzuckers,
Rohrzuckers und Dextins in ihren Mischungen; von J. G. Gentele.
Gentele, über die Bestimmung des Rohrzuckers und
Traubenzuckers.
Meine Prüfungsweise einer Mischung, in welcher Traubenzucker, Rohrzucker und Dextrin,
oder bloß zwei dieser Substanzen enthalten sind, gründet sich auf folgende
Thatsachen:
1) Ein Gemisch von einem Theil Anderthalb-Cyaneisenkalium (rothem
Blutlaugensalz) mit einem halben Theil Kalihydrat, in wässeriger Lösung, wirkt nicht auf eine reine Lösung von Rohrzucker, weder
bei gewöhnlicher Temperatur, noch beim Erhitzen bis zum Kochen. Eine außerordentlich
geringe Quantität dieses Reagens färbt die Flüssigkeit stark
gelb, und diese Farbe behält sie bei.
2) Dasselbe Reagens, auf Traubenzucker angewendet, entfärbt sich in einer Lösung desselben in der Kälte
höchst langsam, schneller zwischen 50–60°C., aber sehr rasch zwischen
60–80° C.
Gießt man einige Tropfen der Lösung dieses Reagens in eine Lösung von Traubenzucker,
nachdem letztere auf 60° C. erwärmt worden ist, und schüttelt dieselbe dann
um, so verschwindet die entstandene gelbe Färbung sehr bald (bei 80° C. fast
augenblicklich). Nachdem die Färbung wieder eingetreten ist, wird sie durch
erneuerten Zusatz des Reagens stets wieder ausgehoben, so lange noch Traubenzucker
vorhanden ist. Gegen das Ende erfolgt die Entfärbung langsamer und wird dann durch
Erwärmen der Flüssigkeit auf 80° C. beschleunigt. Behalt die Flüssigkeit ihre
gelbe Farbe in dieser Temperatur bei, so ist aller Traubenzucker zerstört. –
Dieses Reagens ist außerordentlich empfindlich; die endlich in Folge eines
zugesetzten Ueberschusses des Reagens verbleibende gelbe Färbung der Flüssigkeit
läßt sich durch einige Tropfen Traubenzuckerlösung aufheben.
3) Stärkegummi, durch Rösten der Stärke dargestellt, wirkt nicht auf dieses Reagens, selbst dann nicht, wenn
das Gummi unter denselben Umständen mit Salzsäure behandelt worden ist, unter denen
Rohrzucker in Traubenzucker übergeht.
4) Wird eine Auflösung von Rohrzucker in seinem 40 fachen Gewicht Wasser, welcher 25
Proc. des Zuckergewichts an concentrirter Salzsäure zugesetzt wurden, im Wasserbade
auf 54–55° C. erwärmt, so geht aller Rohrzucker in Traubenzucker über.
Neutralisirt man nun diese Lösung mit kohlensaurem Natron (wovon ein Ueberschuß
keinen Einfluß hat), so verhält sie sich wie eine reine Traubenzuckerlösung.
Um diese Thatsachen zur Bestimmung von Traubenzucker, Rohrzucker und Dextrin in ihrer
Vermischung anzuwenden, mußte ich zuerst die Quantität von
Anderthalb-Cyaneisenkalium ermitteln, welche erforderlich ist, um ein
gewisses Gewicht von Traubenzucker zu zersetzen. Drei Versuche mit titrirter Lösung
von Anderthalb-Cyaneisenkalium ergaben, daß von demselben im Mittel 10980
Milligramme zur Zersetzung von 1000 Milligr. Rohrzucker, welcher mittelst Salzsäure
in Traubenzucker umgesetzt wurde, hinreichen, also auf 1 Grm. Rohrzucker 10,980 Grm.
des Salzes.
Es wurde nun eine Probeflüssigkeit hergestellt, welche in 100 Kubikcentimetern 10,980
Grm. Anderthalb-Cyaneisenkalium und 5 1/2 Grm. Kalihydrat enthielt.
Andererseits wurde 1 Grm. Zucker in 40 Kubikcentimetern Wasser gelöst und 250
Milligrm. concentrirter Salzsäure zugesetzt, hernach die gemischte Lösung im
Wasserbade zehn Minuten lang auf 54–55° C. erwärmt. Hierauf wurde
diese Lösung mit kohlensaurem Natron neutralisirt und nach und nach mit
Probeflüssigkeit versetzt; von dieser wurden 99,7 Kubikcentimeter entfärbt, der
Zucker enthielt also 99,7 Proc. Rohrzucker. Derselbe Zucker ergab bei der optischen
Probe einen Gehalt von 99,75 Procent.
Hierbei erwies sich also das Reagens als sehr genau.Nicht nur wenn zu vermuthen ist, daß das zur Darstellung der Probeflüssigkeit
angewendete Anderthalb-Cyaneisenkalium und das Kalihydrat nicht
absolut rein sind, sondern in jedem Falle prüfe man die Probeflüssigkeit, um
sicher zu seyn daß sie richtig bereitet ist. vor ihrer Anwendung mit reinem
Rohrzucker, welcher in Traubenzucker umgesetzt worden ist. Ergibt sie einen
zu großen oder zu geringen Gehalt, d.h. werden mehr oder weniger als 100
Kubikcentimeter auf 1 Grm. Zucker verbraucht, so ist die Flüssigkeit
gleichwohl verwendbar, nur erfordern dann die Resultate eine Umrechnung;
sollten z.B. 102 Kubikcentimeter Probeflüssigkeit auf 1 Grm. umgesetzten
reinen Rohrzucker erforderlich seyn, so zeigen 102 Kubikcentimet. 100
Procent an. Gegen das Ende der Operation tritt zwar durch die Bildung einer
concentrirten Lösung von Einfach-Cyaneisenkalium eine schwache gelbliche
Färbung ein, die aber leicht von derjenigen zu unterscheiden ist, welche 1/10
Kubik-Centim. der Probeflüssigkeit hervorbringt. Diese Färbung ist kaum
bemerklich, wenn man den Zucker in zweimal so viel Wasser, als vorgeschrieben wurde,
auflöst; deßgleichen bei Proben welche einen geringeren Zusatz von Probeflüssigkeit
erfordern.
Um ein Gemenge von Rohrzucker u. Traubenzucker zu
untersuchen, wiegt man von demselben (Rohzucker, Raffinade oder Syrup) genau 1 Grm.
ab, löst ihn in 40 Kubikcent. Wasser auf, erwärmt die Lösung auf 70° C., und
gibt dann 1/10 Kubikcent. Probeflüssigkeit aus einer Titrirröhre hinzu. Verschwindet
die Färbung sogleich (wie bei den Syrupen), so ist ziemlich viel Traubenzucker
vorhanden, und man kann nun ganze Kubikcentimeter zufügen, bis die Färbung bei
70° C. langsam verschwindet, worauf man mit Zehntel-Kubikcentimetern
zu titriren anfängt. Verschwindet die Färbung vom letzten Zusatz beim Schütteln in
15–20 Secunden nicht mehr, so ist die Operation beendigt und man liest nun
den Gehalt des Zuckers direct ab, wobei man die Portion von Probeflüssigkeit, welche
nicht entfärbt wurde, abrechnet. Aus dem angezeigten Rohrzucker berechnet man den
Traubenzucker (welchen die angewandte Zuckerprobe enthielt) in Procenten x nach der Proportion:
171 : 180 = n Kubikcentimeter : x.
Erfolgt in der Lösung die Entfärbung von Anfang an nicht (wie bei Raffinade), so ist
kein Traubenzucker vorhanden; erfolgt sie langsam (wie bei Rohzucker), so ist nur
wenig Traubenzucker vorhanden, und man hat alsdann sehr vorsichtig so zu titriren,
wie es vorher zur Beendigung der Operation vorgeschrieben wurde.
Um andererseits den im Gemenge enthaltenen Rohrzucker zu bestimmen, wiegt man von
derselben Probe wieder 1 Grm. ab, löst ihn in 40 Kubik-Centim. Wasser auf, setzt 250 Milligrm.
concentrirte Salzsäure zu, und erwärmt das Gemisch im Wasserbade zehn Minuten lang
auf 54 bis 55° C.; nachdem man es dann mit kohlensaurem Natron neutralisirt
hat, prüft man es in vorher angegebener Weise. Man findet nun (weil der
Rohrzuckergehalt der Probe in Traubenzucker umgewandelt wurde) eine weit größere
Anzahl von Zuckerprocenten als vorher. Zieht man die bei der vorhergehenden Probe
verbrauchte Anzahl von Kubikcentimetern Probeflüssigkeit von der nun gefundenen
Anzahl derselben ab, so ergibt die Differenz den Rohrzuckergehalt in Procenten.
Ich fand durch Proben mit Gemischen von Rohrzucker- und Traubenzuckerlösung,
deren Gehalt an beiden Zuckerarten bekannt war, daß sich dieselben mittelst des
beschriebenen Verfahrens bis auf ein Zehntel-Procent genau bestimmen lassen.
– Ich bemerke noch, daß ich unter den organischen Säuren, welche in den
Syrupen vorkommen können, nur zwei fand, welche, selbst an Kali gebunden, durch die
Probeflüssigkeit zersetzt werden wie der Zucker und daher dieselbe entfärben,
nämlich Oxalsäure und Weinsäure; dagegen wirken Citronensäure, Bernsteinsäure und Essigsäure
nicht auf die Probesflüssigkeit.
Wie man sieht, beruht meine Bestimmungsmethode des Rohrzuckers und Traubenzuckers auf
demselben Princip wie die Fehling'sche Zuckerprobe;Polytechn. Journal Bd. CXVII S. 276
und Bd. CXLVIII S. 454. wird letztere Probe so eingerichtet, daß sie mit der meinigen correspondirt,
so gibt sie in dem Falle wo Dextrin vorhanden ist, einen größeren
Traubenzucker-Gehalt an, und die Differenz zwischen den Angaben beider Proben
kommt dann auf Rechnung des Dextrins, so daß also die Möglichkeit gegeben ist, den
Gehalt eines Gemisches an Rohrzucker, Traubenzucker und Dextrin auf maaßanalytischem
Wege zu bestimmen.
Die Bestimmung des Rohrzuckers und Traubenzuckers nach meinem Titrirverfahren scheint
mir noch schärfer zu seyn, als mittelst des Polarisationsinstruments; denn ich
konnte mittelst meines Verfahrens im Rohzucker noch einen Gehalt an Traubenzucker
auffinden, welcher sich mit dem optischen Saccharometer nicht mehr zu erkennen
gab.