Titel: | Ueber gemischten Dampf, von John Wethered. |
Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XCVI., S. 403 |
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XCVI.
Ueber gemischten Dampf, von John Wethered.
Aus dem Civil Engineer and Architec's Journal, November
1858, durch die Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in
Preußen, 1858 S. 177.
Wethered, über gemischten Dampf.
Ich habe meine Aufmerksamkeit besonders auf die Verbesserung des Dampfes nach seiner
Entwicklung und vor seiner Verwendung als bewegende oder als andere Kraft
gerichtet.Hr. Geh. Regierungsrath Wedding besprach diesen
von ihm übersetzten Aufsatz über die Wirksamkeit des gemischten Dampfes in
der Versammlung der Mitglieder des Vereins für Gewerbfleiß im December v. J.
Die Uebelstände, welche durch die mechanische Beimengung von Wassertheilchen
im Dampfe stattfinden, suchte man durch Trocknen des Dampfes mittelst
Ueberhitzung desselben zu beseitigen, aber die Nachtheile, welche dadurch
für die Liederungen der Stopfbüchsen etc. entstanden, waren bedeutend. Man
ist nun darauf gekommen, eine Mischung von
gewöhnlichem und getrocknetem Dampfe bei Dampfmaschinen und
Locomotiven anzuwenden, wodurch eine bedeutende Ersparniß an Brennmaterial
erzielt werden soll. Wir haben über Wethered's
Dampfmaschinen-Betrieb mit gemischtem Dampfe bereits im Jahrgang 1856
des polytechn. Journals, Bd. CXXXIX S.
87 einen Bericht von Moigno
mitgetheilt.A. d. Red.
Meiner Ueberzeugung nach ist Dampf, wie er jetzt zur Verwendung gelangt, kein reiner
Dampf, da er eine bedeutende Menge von Wasser in der Form kleiner Kügelchen enthält,
die bei dem Sieden mechanisch mit demselben gemischt sind und nach dem Dampfcylinder
mit fortgerissen werden. Das Wasser erlangt seine Temperatur bis zu den Graden der
Dampfbildung mit einem sehr erheblichen Aufwande an Brennmaterial und ohne einen
entsprechenden Nutzen, ja im Gegentheil zu einem großen Nachtheil, und zwar zu einem
um so größeren, als es bei seiner niedrigeren Temperatur dem Dampfe durch
Condensation von dem Augenblicke an, wo er die Wasserfläche verläßt, und ehe er aus
dem Cylinder entweicht, und ganz besonders dann, wenn der Dampf expandirend in einem
Gefäße von geringerer Temperatur, als seine eigene ist, verwandt wird, Wärme stetig
entzieht; der Erfolg ist, daß dieselbe Spannung, welche er im Kessel zeigt, im
Cylinder nicht behauptet werden kann, und in vielen Fällen die Unbequemlichkeiten
eintreten, die man in dem Ueberkochen erkennt. Meine Bemühungen sind wesentlich
darauf gerichtet gewesen, dieses große und anerkannte Uebel für die volle Verwendung
der Dampfkraft zu beseitigen. Indem ich den Fußstapfen meiner Vorgänger folgte,
versuchte ich zuvörderst die Verwendung von überhitztem Dampfe, oder solchem Dampfe,
der einfach mit Wärme überladen, d.h. Dampf, der eine höhere Temperatur hat, als dem
Drucke von gesättigtem Dampfe entspricht; die Erfahrung belehrte mich eben so wie
Andere sehr bald, daß, wenn das eine Uebel auch beseitigt, sich bald ein viel
ärgeres einstellte; denn hatte auch der zu einem hohen Temperaturgrade gebrachte,
überhitzte Dampf eine größere Expansionskraft als gewöhnlicher Dampf, so ergab sich
doch kein wahrer Gewinn, aus dem Grunde, daß in Folge des trockenen gasförmigen
Zustandes alle Schmiere aufgezehrt wurde, und daher Steuerung und Cylinder sich
abnutzten.
Da sich nun aus der Erfahrung ergab, daß gewöhnlicher Dampf nichts taugt, da er mit
Wasser gesättigt ist, und überhitzter Dampf nicht zu empfehlen ist, da er zu trocken
ist, so verfiel ich auf die Idee, beide Gattungen Dampf mit einander zu mischen, und
ermittelte durch Praxis, daß die gegen beide Gattungen von Dampf aufgestellten
Gründe nicht nur beseitigt, sondern daß auch in dem gemischten Dampfe eine neue
Kraft erlangt war – eine ganz bestimmte und neue Elementar-Mischung
– eine wirkliche und ökonomische Verbindung von Feuer und Wasser, anwendbar
für alle Zwecke, wozu Dampf dient – sowohl in der Entwickelung als in der
Anwendung.
Die Ausführung ist einfach folgende: man zweigt von dem gewöhnlichen Dampfrohre,
welches den Dampf aus dem Dampfraume nach der Maschine leitet (der Dampf hat keine höhere Temperatur als
kochendes Wasser, ist feucht, und führt mehr oder minder Wasser in flüssigem
Zustande mit sich) ein anderes Rohr ab, welches einen Dampfantheil aus dem Kessel
enthält; dieses Rohr ist schraubenförmig oder in irgend einer andern Weise in dem
Schornsteine auf und ab geleitet, und endlich wieder mit dem Hauptdampfrohre mit
oder doch dicht am Eintritte in den Cylinder verbunden. Bei seinem Durchgange durch
diese Röhren wird der Dampf bis zu einer Temperatur von 500 bis 600° Fahr,
durch die im Schornsteine aufsteigende verlorene Wärme erhitzt; die hier gewonnene
Wärme wird in dem Dampfcylinder durch ihre Einwirkung auf den direct aus dem Kessel
entnommenen gesättigten Dampf nutzbar gemacht, indem der gemischte Dampf in dem
Cylinder mit einer Temperatur von 300 bis 400° Fahr, statt mit der jetzt
üblichen niedrigen Temperatur zur Anwendung gelangt. Es ist leicht erklärlich,
welcher Erfolg aus der innigen Verbindung der zwei Dampfarten entstehen muß; der
überhitzte Dampf gibt einen Theil des Ueberschusses von Temperatur an den
gesättigten Dampf ab, verwandelt die Wasserantheile desselben in Dampf, indem er sie
hundertfältig expandirt, und dadurch den mechanischen Effect um sehr viel mehr
steigert, als wenn jede Gattung Dampf getrennt zur Verwendung gelangte. Die
Vortheile solchen gemischten Dampfes erstrecken sich nicht allein auf die Steigerung
der mechanischen Kraft, derselbe Vortheil tritt auch beim Kochen, Abdampfen etc.
ein.
Der von dem Maryland-Staate ernannte Ausschuß zur Prüfung des zum Kochen
benutzten Dampfes berichtete Folgendes:
Unter demselben Drucke erforderte das Wasser einer Cisterne zum Kochen:
mit gewöhnlichem Dampfe
73 Minuten,
mit überhitztem Dampfe
80 Minuten,
mit gemischtem Dampfe
44 Minuten.
Die Entwickelung der Gründe für die nicht zu widerlegenden Thatsachen, welche aus der
Benutzung gemischten Dampfes entspringen, will ich den Theoretikern überlassen, und
nur meine unvorgreifliche Ansicht aus meinen Beobachtungen liefern.
1) Gemischter Dampf hat gleichzeitig die Eigenschaften
gewöhnlichen Wasserdampfes und von Gas oder überhitzten Dampf, indem er einen
klaren, gereinigten Dampf liefert.
2) Gesättigter Dampf enthält zu viel Wasser; überhitzter Dampf
hat dagegen mehr die Eigenschaften der Gase, er ist ein schlechter Wärmeleiter
und gibt nicht leicht die Wärme ab, welche nothwendig ist, um ihn zur
mechanischen Kraft zu gestalten.
3) Bei allen von mir mit gemischtem Dampft angestellten Versuchen
war die Differenz der Temperatur des Dampfes bei seinem Eintritte und bei seinem
Abgange aus dem Cylinder größer, als wenn gesättigter oder überhitzter Dampf
allein benutzt wurde; es war daher mehr Wärme nützlich verwandt, eine größere
mechanische Wirkung erzielt.
4) Durch die von dem Maryland-Institute ermittelte
Thatsache, daß bei derselben Spannung und Temperatur im Kessel durch die
Mischung von gesättigtem und überhitztem Dampfe eine bestimmte Wassermenge in
viel kürzerer Zeit zum Kochen gebracht wurde, ergibt sich deutlich, daß die
Mischung mehr latente Wärme enthält und in sensible verwandelt, und daher auch
zur mechanischen Kraftäußerung gesteigert wurde.
Ich muß noch bemerken, daß nach meiner Erfahrung bei der Mischung dieser zwei Arten
von Dampf sich Elektricität von einiger Bedeutung entwickelt; bis zu welchem Betrage
die entwickelte Kraftsteigerung zunimmt, muß ich den mehr befähigten Physikern zu
bestimmen überlassen.
Es ist so ziemlich ein allgemeiner Irrthum, anzunehmen, daß derjenige Kessel der
beste sey, der die größte Wassermenge mit Aufwand von einem Pfunde Kohlen zu
verdampfen im Stande ist; eigentlich sollte es heißen: welchen größten mechanischen
Effect kann man mit einem Pfunde Kohlen erreichen?
Um den größtmöglichen Vortheil bei der Anwendung meines Systems zu erlangen, würde
ich einen Kessel neuerer Art wählen, mit Hülfe dessen die lebhafteste Verdampfung
erzielt werden kann; denn je mehr das Wasser in Aufruhr geräth, desto mehr wird der
Dampf gesättigt seyn, seine Unreinigkeit befördert und daher nur seine Kraft
vermindert werden.
Um zu beweisen, daß der am Besten vorgerichtete Kessel eine bedeutende Wassermenge zu
verdampfen nie im Stande sey, operirte ich mit einem Röhrenkessel der besten
Construction. Hierbei wurde dasselbe Gewicht an Kohlen verbraucht und die Maschine
so lange im Betriebe erhalten, als die Kohlen reichten. Die Summe der Wirkungen
wurde erhalten, indem man die Anzahl der Doppelt-Hübe des Kolbens mit dem
Drucke in der Luftpumpe, nach welcher die Pumpen ihr Wasser abführten,
multiplicirte.
Gewöhnlicher Dampf.
Gemischter Dampf.
Verbrauchte Kohlen in Pfunden
=
336
= 336
Verbrauchtes Wasser in Gallons
=
270
= 235
Druck in der Luftpumpe in Pfunden
=
25,30
= 35,21
Anzahl der Umdrehungen
=
11144
=
15500
Gewöhnlicher Dampf.
Gemischter Dampf.
Gesammtwirkung
=
281943
= 545755
Leistung von einem Pfunde Kohlen
= 839
= 1624
„ „
einem Gallon Wasser
= 1044
= 2322
Das Verhältniß der Leistung
= 1,00
=
1,93
Gewicht des Wassers pro Pfd.
Kohlen
= 8,20
=
7,00
Hieraus ergibt sich: daß ein Pfund Kohlen bei gemischtem Dampfe beinahe das Doppelte
leistete, während das für die Einheit erforderliche Wasser weniger als die Hälfte
betrug.
Diese Versuche wurden von der amerikanischen Regierung so interessant erachtet, daß
der Ober-Ingenieur der Marine beauftragt wurde, dieselben weiter zu prüfen;
das Resultat dieser während 23 Tagen fortgesetzten Versuche war Folgendes:
Textabbildung Bd. 151, S. 407
Dampf; gewöhnl.; überhitzt;
gemischter; Temperat. nach Fahr; mit übersättigtem Dampfe; mit überhitztem
Dampfe; mit gemischtem Dampfe; Anzahl der Doppelt-Hübe des Kolbens pro
Minute; Druck in der Luftpumpe (nach welcher die Pumpen das Wasser abführten) in
Pfunden; Pfunde Kohlen pro Stunde; Leistung mit einem Pfunde Kohlen
Diese, so wie andere Versuche mit einem Dampfer waren so befriedigend, daß die
Regierung sich veranlaßt sah, die Kessel für 18 im Bau begriffene Fregatten
dergestalt einzurichten, daß gemischter Dampf zur Verwendung kommen konnte.
Auch von dem französischen Marineminister wurden durch französische
Marine-Officiere Versuche angeordnet. Hierbei war die Leistung der Maschine
begränzt auf einen bestimmten, in einer gegebenen Zeit geleisteten Betrag.
Textabbildung Bd. 151, S. 407
Dampf; Versuche in Paris; gewöhnl.;
überhitzter; gemischter; Dampfdruck in Atmosphären; Temperatur in Graden Cels.;
Anzahl der Kolben-Hübe; in 4 Stunden Kohlen, in Kilogr.; für jeden Hub an
Kohlen, Gramme
Die Versuche wurden so geleitet, daß dieselben Umgänge bei jedem erzielt wurden. Bei
den Versuchen mit gewöhnlichem und überhitztem Dampfe standen die Ventile offen, bei
denen mit gemischtem Dampfe waren sie zum Theil geschlossen.
Diese Versuche befriedigten die französische Regierung dergestalt, daß der
Marineminister solche während mehrerer Monate anordnete. Die nachstehende Tabelle
ergibt das Resultat derselben in Bezug auf Kohlenverbrauch unter verschiedenen
Bedingungen:
Textabbildung Bd. 151, S. 408
Dampf; gewöhnlicher; überhitzter;
gemischter; Kohlenverbrauch pro Umgang;
Wasserverbrauch; Auf Verhältniß
Zu bemerken ist noch, daß die französische Marine vor Kurzem verschiedene Versuche
mit gemischtem Dampfe gegen überhitzten allein, bei einem Drucke von 4 Atmosphären
im Kessel, gemacht hat, die als Resultat ein Ersparniß von 21 Proc. zu Gunsten des
gemischten Dampfes ergaben; hierbei wurde der gemischte und der überhitzte Dampf bei
derselben Temperatur im Kessel angewendet.
Die Lords der Admiralität haben, in Berücksichtigung der Wichtigkeit des Systems für
die Marine, mir bereitwilligst jede Unterstützung in ihrer Yacht „the black Eagle“ und in dem
„Dee“ gewährt. Die
Resultate dieser Versuche, welche durchweg von Marine-Officieren geleitet
wurden, sind sehr befriedigend gewesen, wie sich aus dem Berichte der damit
beschäftigten Ingenieure ergibt:
Dampf.
KohlenproStunde.Pfd.
Kohlen proangezeigtePferdekraft
Temperat.imCylinder.
Ort des Versuches.
gewöhnlichergemischter
2205 569
5,4 3,75
232°
F. 307
von Woolwich nach Plymouth.
gewöhnlichergemischter
23561778
4,583,15
235 318
von Plymouth nach Pembroke.
gewöhnlichergemischter
25331756
5,253,49
229 318
von Pembroke nach Sheerneß.
Bei allen Versuchen mit gewöhnlichem Dampfe war die Dampfleitung ganz offen, mit
gemischtem Dampfe dagegen betrug der Querschnitt am Absperrhahn 30 Zoll. Der
Querschnitt des Einspritzrohres betrug für den ersten Fall 4 Zoll, für den andern 3
Zoll. In jedem Paar der Versuche mit gewöhnlichem und mit gemischtem Dampfe waren
der Wasserzug, die Dauer der Versuche, die Umgangsgeschwindigkeit und die
Schnelligkeit des Schiffes ziemlich dieselben.
Das System ist für Dampfer verschiedener größerer Compagnien zur Anwendung gekommen.
Die Compagnie Collier's wendet es für alle ihre Dampfer
mit dem entschieden besten Vortheile an; die Ueberhitzung geschah bei diesen
Dampfern in besonderen Feuerungs-Anlagen, welche so geordnet waren, daß man
die Temperatur leicht regeln konnte. Das Ersparniß an Brennmaterial betrug an 30
Procent.
Außer dem Ersparniß an Brennmaterial ergeben sich bei diesem Systeme noch folgende
Vortheile gegen die Benutzung gewöhnlichen Dampfes:
1) Da nur 2/3 der gewöhnlichen Wärmemenge nöthig ist, so leiben die Kessel nun auch
um 1/3 weniger; und da nur 2/3 der Wassermenge gebraucht wird, entfallen auch um 1/3
weniger Sinkstoffe.
2) Es wird eine größere Geschwindigkeit erforderlichen Falles erzielt.
3) Ueberkochen wird vermieden.
4) Ein Drittheil des für Kohlen sonst nöthigen Raumes kann für Frachtgut benutzt
werden, oder ein Schiff ein Drittheil des Weges weiter mit derselben Kohlenmenge
zurücklegen.
5) Die erforderliche Spannung kann leicht und zu allen Zeiten behauptet werden.