Titel: | Ueber die gleichzeitige Wirkung von Schwefel und Phosphor auf das Eisen; vom Bergingenieur C. E. Jullien. |
Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. LXVIII., S. 274 |
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LXVIII.
Ueber die gleichzeitige Wirkung von Schwefel und
Phosphor auf das Eisen; vom Bergingenieur C. E. Jullien.
Aus dem Bulletin de la Société de l'Industrie
minérale, t. III p. 630.
Jullien, über die gleichzeitige Wirkung von Schwefel u. Phosphor
auf das Eisen.
Hr. Janoyer hat in einer sehr interessanten Abhandlung in
den Annales des mines von 1854 (polytechn. Journal Bd. CXXXVII S. 293) nachzuweisen gesucht, daß
bei gleichzeitiger Gegenwart von Schwefel und Phosphor im flüssigen
Roheisen, der Phosphor indirect eine Verringerung des Schwefelgehalts bewirkt,
indem er, sich mit dem Eisen verbindend, Kohlenstoff frei macht und dieser dann mit
Schwefel Schwefelkohlenstoff bildet (abgesehen von derjenigen
Schwefelkohlenstoffbildung, welche schon ohne die Gegenwart von Phosphor
stattfindet).
Da diese Frage unstreitig die wichtigste von allen ist, welche bei der Darstellung
des Eisens nach der englischen Methode in Betracht kommen, so will ich im Folgenden
eine die Schlüsse des Hrn. Janoyer bestätigende Thatsache
veröffentlichen, welche ich selbst, und zwar bei der Stabeisen-, nicht bei
der Roheisenfabrication beobachtet habe.
Vorher will ich aber in Kürze die Verwendung angeben, welche man von dem aus bloß mit
Kohks erblasenem Roheisen dargestellten Puddeleisen zur Fabrication von verkäuflichem Stabeisen und Blech macht.
Das aus Kohksroheisen dargestellte Puddeleisen läßt sich in drei Classen eintheilen,
nämlich in:
1) Puddeleisen (bei dessen Darstellung ein hinreichender Abgang
stattfand) mit sehnigem Bruche, also von fadiger Textur und mehr oder weniger dunklem
Ansehen;
2) Puddeleisen mit sehnig-körniger Textur;
3) Puddeleisen (mit dem geringsten Abgang dargestellt) von körnigem Bruche, also blätteriger Textur.
Das Puddeleisen der ersten Classe wird zu verkäuflichem Stabeisen (gute ordinäre
Sorte) und zu ganz ordinären starken Blechsorten verwendet.
Dasjenige der zweiten Classe verwendet man für ordinäres Stabeisen und ordinäres
schwaches Blech.
Das Puddeleisen der dritten Classe wird zu Schienen verarbeitet, ferner zu
Gasometer- und Röhrenblechen, also zu mittelstarken und schwachen ganz
ordinären Blechsorten.
Nun ist bekanntlich eine kurzsehnige und dunkel gefärbte Bruchfläche das Zeichen
eines zu großen Schwefelgehalts, und eine blätterige Bruchfläche das Zeichen eines
zu großen Phosphorgehalts. Das Puddeln auf sehniges Eisen hat also zum Erfolg, daß
ein bei weitem größeres Verhältniß von Phosphor als von Schwefel in die Schlacken
übergeht. Aus welchem Grunde, werden wir später sehen, jetzt will ich die von mir
beobachtete Thatsache mittheilen, welche die Richtigkeit des ersten Theils der von
Janoyer aufgestellten Behauptung beweist, nämlich daß
der Phosphor einen Theil des Schwefels vernichtet, wobei es uns vorerst gleichgültig
seyn kann, ob dieß durch Austreiben oder durch Paralysiren desselben geschieht.
Vor etwa sieben Jahren gab das unserem Werke zu Gebote stehende Kohksroheisen viel
Eisen von körniger und wenig von fadiger oder sehniger Textur; die Eisenbahnschienen
hatten damals einen so niedrigen Preis, daß sie nur mit Verlust fabricirt werden
konnten und die Röhrenbleche, für welche allein man das geringere Material
verwendete, reichten nicht auch noch zur Verwerthung des körnigen Eisens hin,
welches ungeachtet aller Vorsichtsmaßregeln beim Verpuddeln des bloß mit Kohks
erblasenen Roheisens erzeugt wurde.
Der die freie Einfuhr fremder Erze (in Frankreich) gestattende Gesetzeserlaß war eben
in Kraft getreten und man rühmte vielfach die Güte der Eisensteine von Bilbao. Die Chefs unseres Werkes ließen daher von diesem
Erze kommen, um es mit den Eisensteinen von Avesnes
(Nord-Departement), welche in unserm Hohofen verhüttet wurden, zu
gattiren.
Man setzte der bisherigen Beschickung unseres Hohofens 8, 10, 12 etc. Procent
Bilbao-Erz zu. Das so gewonnene Eisen zeigte ein zusehends besseres Verhalten
im kalten Zustande; die Textur der Stäbe erwies sich auf der Zerreißungsfläche
fadig, und zwar zeigten sich die Sehnen um so länger und die Farbe um so heller, je
mehr Bilbao-Erz der Hohofenbeschickung zugesetzt worden war.
Das Problem schien also gelöst zu seyn, war dieß jedoch nur in sehr unvollkommener
Weise. Es fällt nämlich dem Beobachter besonders auf, daß aus Kohksroheisen
gepuddeltes Eisen – obgleich es sich bei den gewöhnlichen im heißen Zustande
damit vorgenommenen Proben ganz schlecht erweist – beim Auswalzen sich
dennoch leicht und ohne zu brechen strecken läßt, wenn man beim Uebergehen zu
geringeren Walzenkalibern und bei der Bildung der Packete gewisse Vorsichtsmaßregeln
befolgte. Warm ist also solches Eisen bis zu einem gewissen Grade gut, was sich
namentlich auch beim Auswalzen zu schwachen Blechen zeigt, wobei zwar, in Vergleich
mit besseren Eisensorten, bedeutende Schiefern entstehen, welches aber doch
regelmäßig und ohne Risse von Statten geht.
Dieses Auswalzen zu Stabeisen und hauptsächlich zu schwachem Bleche wurde nun der
Prüfstein der neuen Beschickung. Je mehr Bilbao-Erz dieselbe enthielt, desto
mehr Ausschuß zeigte sich bei dem Stabeisen in Folge von Rissen; die zu dünnem Blech
bestimmten Platinen, welche sich bei dunkler Rothglühhitze nur schwierig strecken
ließen, wenn die Gichten 8 Proc. Bilbao-Erz enthielten, zerrissen und zeigten
alle Eigenschaften des rothbrüchigen Eisens, wenn mehr von jenem Erz zugesetzt
worden war; je mehr von letzterm die Beschickung enthielt, desto schlechter war das
Verhalten des Eisens in der Hitze.
Diese Erscheinung ist uns lange unerklärlich gewesen, bis wir endlich durch einen
ähnlichen Fall bei einer Kohksroheisenhütte im südlichen Frankreich – wo
trotz sehr guter Erze ein Eisen resultirte, das zwar kalt gebrochen eine sehr
befriedigende fadige Textur zeigte, in der Hitze aber brüchig war und viel Abfall
gab – wieder daran erinnert wurden und den Vorgang durch die Annahme zu
erklären suchten, daß Phosphor und Schwefel sich in der Hitze wechselseitig zu
neutralisiren vermögen, oder mit anderen Worten, daß in der Hitze einerseits der
Schwefel die Cohäsion des Metalles zu schwächen strebt, während andererseits der
Phosphor dieselbe aufs Innigste wieder herzustellen trachtet, sich also die
gleichzeitigen Wirkungen dieser beiden Körper aufheben und dem Eisen dadurch seine
natürlichen Eigenschaften zurückgegeben werden.
Ob nun diese oder Janoyer's Erklärungsweise die richtigere
ist, ist wohl schwer zu entscheiden, aber so viel steht unzweifelhaft fest, daß der
Phosphor – welcher aus dem glühenden Eisen einen Theil des Schwefels
austreibt, wie es die Analysen des Hrn. Janoyer beweisen
– die Geschmeidigkeit im hitzigen Eisen erhöht, dasselbe mag Schwefel
enthalten oder nicht. So enthält das in den Hütten der Champagne aus
Holzkohlenroheisen dargestellte Eisen keinen Schwefel, wohl aber Phosphor, und
welche sonstige Substanzen dieser Eisensorte auch beigemengt seyn mögen, verdankt
sie ihren hohen Grab von Geschmeidigkeit offenbar dem Phosphor. Da nun der Phosphor
bei höherer Temperatur eine Wirkung auf das Eisen ausübt, welches keinen Schwefel,
wohl aber andere Substanzen enthält, so muß er unzweifelhaft auch auf
schwefelhaltiges Eisen einwirken können.
Ueberhaupt kann man aus den Untersuchungen des Hrn. Janoyer und aus der erwähnten Thatsache schließen:
1) daß das zum Verpuddeln bestimmte Kohksroheisen so weit wie
möglich aus Erzen mit mäßigem Phosphorgehalt dargestellt werden muß;
2) daß es nicht rathsam ist, ein aus phosphorfreiem Erz
dargestelltes Kohksroheisen für sich allein zu verpuddeln, daß man dasselbe
vielmehr in passendem Verhältniß mit phosphorhaltigem Holzkohleneisen mengen
muß.
Bei solchem Verfahren läßt sich die Aufgabe lösen: aus zwei gegebenen Sorten Roheisen
von geringer, aber verschiedenartiger Qualität, mittelst Mengung beider beim
Verpuddeln, ein Eisen darzustellen, welches von besserer Qualität ist, als dasjenige
welches man erhalten würde, wenn man jede jener beiden Roheisensorten für sich
allein verpuddelt.