Titel: | Ueber eine von Hrn. Peter Schroter sen. in Crefeld ausgeführte Einrichtung zur leichteren Herstellung von Gaze-Geweben; von Hrn. Weigert, Commercienrath und Fabrikbesitzer. |
Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LXXXIX., S. 342 |
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LXXXIX.
Ueber eine von Hrn. Peter Schroter
sen. in Crefeld ausgeführte Einrichtung zur leichteren
Herstellung von Gaze-Geweben; von Hrn. Weigert, Commercienrath und
Fabrikbesitzer.
Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des
Gewerbfleißes in Preußen, 1858 S. 137.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Weigert, über Schroter's Einrichtung zur leichteren Herstellung von
Gaze-Geweben.
Der königl. preuß. Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten hat die
Beschreibung einer von Hrn. Peter
Schroter
sen., zu Crefeld, ausgeführten Einrichtung zur
leichteren Herstellung von Gaze-Geweben dem Vereine für Gewerbfleiß zur
Benutzung für dessen Verhandlungen überwiesen. Mit der Redaction dieser Arbeit
beehrt, glaube ich dem Zwecke derselben am besten zu entsprechen, wenn ich vorweg
die Eigenthümlichkeiten der Gaze-Gewebe und deren gewöhnliche
Darstellungsweise erläutere.
Die Bezeichnung Gaze wird im Allgemeinen einem leichten, durchsichtigen, aus
viereckigen Löchern netzförmig gebildeten Gewebe beigelegt. Die regelmäßige Gestalt
dieser Löcher, die vollkommene Gleichheit derselben in Größe und Form, nicht minder
auch die Feinheit und Güte des hierbei verwendeten Gespinnstes, dienen zur
Beurtheilung der Schönheit des Fabricats. Von den gewöhnlichen Geweben unterscheiden
sich die Gaze-Gewebe durch die denselben eigenthümliche Kreuzung benachbarter
Kettfäden. Wenn in jenen trotz der verschiedenartigen Abbindungen die Kettfäden ihre
parallele Richtung zu einander stets beibehalten, so findet dieß hier nicht statt,
sondern es kreuzen sich je zwei nebeneinander befindliche Kettfäden der Art, daß der
eine bald rechts, bald links von dem andern durch die Schußfäden gehalten oder
abgebunden wird. Figur 6 zeigte diese Kreuzung im vergrößerten Maaßstabe, und man ersieht
aus derselben bei A, wie der Kettfaden b nach jedem Schußfaden c
sich links oder rechts von dem Kettfaden a schlingt. Bei
B zeigt dieselbe Figur das Erscheinen der sich
kreuzenden Fäden im Gewebe, wie sie darin, fortgehend umeinander gedreht, sich
darstellen. Bei Betrachtung der sich kreuzenden Fäden ist wahrzunehmen, daß der eine
derselben a seine Richtung unverändert beibehält, daß er
immer unter dem Schußfaden verbleibt, daß dagegen der andere b links oder rechts von a stets oberhalb des
Schußfadens sich befindet. Jener verbleibt daher beim Weben stets im Unterfache,
dieser dagegen kommt stets ins Oberfach; jenen bezeichnet man mit Grund-,
Stück- oder Stehfaden, diesen mit Poile-, Schlinge- oder
Dreherfaden. Die angeführte Eigenthümlichkeit der Gaze-Gewebe erfordert
selbstverständlich eine von den gewöhnlichen Geweben abweichende Webeeinrichtung,
welche im Wesentlichen in der Anwendung des sogenannten Gaze-Schaftes,
Perlkopfes oder tour anglais besteht.
Es würde hier zu weit führen, alle die verschiedenen Einrichtungen, welche für den
Gaze-Schaft in Anwendung sind, zu beschreiben; es wird für den vorliegenden
Zweck genügen, wenn ich im Allgemeinen das Princip, welches die beschriebene
Kreuzung ermöglicht, beleuchte. Fig. 7 dient hierzu und
zeigt bei a, b, zwei Kettbäume, von denen a mit der Grundkette, b mit
der Poile-Kette bewickelt ist. Erstere nehmen ihren Lauf durch die Augen des
Schaftes A 1, letztere durch die des Schaftes A 2, welche beide in gewöhnlicher Weise eingerichtet
sind. Von diesen 6 bis 8 Zoll entfernt ist der Gaze-Schaft, bestehend aus
einem Stabe c mit daran hängenden halben Litzen
(Stelzen) d, durch deren Oeffnungen die Poilefäden b unterhalb des Grundfadens durchgezogen werden. Je ein
Grund- und ein Poilefaden gehen durch eine Rietöffnung des Blattes C. Die Bewegung dieser Schäfte geschieht mittelst zweier
Tritte, D und E, welche an
denselben der Art geschnürt sind, daß bei dem Zeichen x
der betreffende Schaft niederzieht, bei dem Zeichen o
dagegen aufgeht.
Die Wirkung dieser Einrichtung zeigt sich wie folgt: Beim Niedertreten des Trittes
D wird der Schaft A 1,
sowie der Gaze-Schaft niedergezogen, der Schaft A
2 dagegen gehoben. Hierdurch wird der Grund a ins
Unterfach, die Poile b ins Oberfach gebracht, und zwar
rechts von jenem, weil das gleichzeitige Niedergehen des Gaze-Schaftes der
daran hängenden halben Litze gestattet, sich unterhalb des Grundfadens mit dem darin
befindlichen Poilefaden in die Höhe zu heben. Der auf diesem Tritte eingetragene
Schuß gestaltet sich im Gewebe, wie in Fig. 6 bei c 1. Wird nunmehr der Tritt E getreten, so ziehen die beiden Schäfte A 1
und 2 nieder, der Gaze-Schaft dagegen hoch, und es ziehen somit die an den
letztern befindlichen Poilefäden unterhalb des Grundfadens, und zwar links von
demselben, in die Höhe, und lassen den Grundfaden im Untersache. Der eingetragene
Schuß zeigt sich im Gewebe wie in Figur 6 bei c, 2. Die beiden beschriebenen Tritte erfordern zu ihrem
Niedertreten keinen gleichmäßigen Kraftaufwand. Der erstere D läßt sich leichter niedertreten, weil bei demselben die Kettfäden in
ihrer normalen Richtung verbleiben, man nennt ihn deßhalb den leichten oder weichen,
auch Leinwandtritt. Der letztangeführte Tritt D bedarf
beim Niedertreten eine
größere Kraft, weil durch denselben der Poilefaden in eine doppelte Kreuzung
versetzt wird, wie dieß Fig. 8 veranschaulicht.
Man nennt ihn deßhalb den schweren oder harten, auch Gaze-Tritt.
Nachdem ich in dem Vorangegangenen versucht habe das Princip der gewöhnlichen
Einrichtungen bei der Erzeugung von Gaze-Geweben zu erläutern, will ich
nunmehr zur Beschreibung der von dem Hrn. Schroter angegebenen Einrichtung übergehen.
Wie bei allen Gaze-Vorrichtungen wird auch hier die Grund- und die
Poilekette, jede auf einem besondern Baume gewickelt, erstere jedoch nicht wie
gewöhnlich im Stuhle unter der Poile, sondern oberhalb derselben angebracht. Beide
Ketten bedürfen einer fast gleichmäßigen Spannung, obwohl sonst die Poile
nachgiebiger, daher loser gespannt, gehalten werden muß. Die Spannung der letzteren
erfolgt hier durch einen einarmigen Hebel, an dem das Gewicht zwischen den
Endpunkten aufgehängt wird. Die Einrichtung des Remises und der Durchzug der
Kettfäden ist aus Figur 9 ersichtlich. Aus einer Vergleichung dieser mit Figur 7, in denen gleiche
Theile mit gleichen Buchstaben bezeichnet sind, wird man den Unterschied der
gewöhnlichen von der in Rede stehenden Einrichtung leicht erkennen. Man ersieht
hier, daß die Grundfäden a nur in den Schaft A passirt sind, während die Poilefäden b unmittelbar ihren Lauf nach dem Gaze-Schaft C nehmen. Fig. 10 zeigt diesen
Schaft in vergrößerten Verhältnissen; B 1 und 2, zwei
Schaftstäbe, besitzen Litzen e¹ e², ohne
Augen, in deren oberen Hälfte eine andere mit Auge versehene Litze g in der aus der Zeichnung ersichtlichen Weise
eingehängt ist. Der Gaze-Schaft enthält demnach für jeden Poilefaden drei in
einander verschlungene Litzen, welche unten mit Gewichten h (Bleie oder Drähte) beschwert sind, von denen das mittlere Gewicht für
die Litze g etwas schwerer gewählt werden muß. Damit
diese Gewichte und ihre zugehörigen Litzen in gehöriger Ordnung verbleiben und sich
beim Aufgehen nicht verwirren, sind dieselben durch drei eiserne Schienen n (Lineale) gesondert; die beiden äußeren hängen
zwischen den Gewichtsreihen. Das mittlere trennt die beiden Hälften der Litze g. Jedes der beiden äußeren Lineale ist an seinem oberen
Schafte, das mittlere an beiden Schäften angehängt. Auch sind durch die unteren
Hälften der Litze g Schnüre m gezogen, damit die einzelnen Litzen sich nicht zusammendrehen können.
Die Verbindung der angeführten Lineale mit den Schäften zeigt Fig. 11 von der Seite des
Stuhles aus gesehen.
Durch das Auge der Litze g wird der Poilefaden b gezogen und läßt zur Linken die Litze e¹, zur Rechten die Litze e². Einige Linien oberhalb des Poilefadens wird der Grundfaden a zwischen den Litzen e¹,
e² vorbeigezogen und geht mit dem Poilefaden gemeinschaftlich durch eine Rietöffnung
des Blattes C.
Die beschriebene Einrichtung wirkt in ihrer Thätigkeit wie folgt: Beim Niedertreten
des Trittes D senkt sich der Grundschaft A und der Poile-Schaft B 2 geht hoch, wodurch der Poilefaden rechts vom Grundfaden ins Oberfach
gebracht und durch den eingetragenen Schuß die Abbindung wie in Fig. 6 bei c¹ hergestellt wird. Bei dem weiteren
Niedertreten des Trittes E zieht wiederum der
Grundschaft a nach unten, dagegen der
Poile-Schaft B 1 nach oben und wird damit der
Poilefaden links vom Grundfaden in die Höhe gezogen, und durch den Schuß in Form der
Figur 6
bei c² abgebunden; beim Treten des ersterwähnten
Trittes heben sich die beiden vorderen Lineale, beim Treten des letzterwähnten
Trittes die beiden hinteren, das mittlere Lineal geht demnach bei jedem Tritte in
die Höhe.
Die Einrichtung des Stuhles zum Zwecke der Bewegung der Schäfte kann als bekannt
vorausgesetzt werden. Als abweichend ist anzuführen, daß die Wippenleiter nach unten
gekehrt auf dem Stuhle angebracht wird, und daß die Enden der Wippen, welche keine
Schäfte tragen, sich gegen die obere Seitenlatte des Stuhlgestelles anlegen, um der
Gazeschaft in seiner normalen Stellung zu erhalten. Zur besseren Vertheilung der
Poilefäden und zur Verminderung der Reibung ist anzurathen, den Gazeschaft im
Verhältnisse der Dichte der Fäden zwei oder mehrfach anzuwenden, und in bekannter
Weise die Fäden abwechselnd einzuziehen.
Aus einer Vergleichung der hier beschriebenen, mit der ersterwähnten gewöhnlichen
Einrichtung werden sich die Unterschiede in folgender Weise herausstellen: Bei der
neuen Einrichtung ist besonders hervorzuheben, daß die Poilefäden nur einmal,
nämlich im Poileschaft, passirt sind, während bei der gewöhnlichen dieß zweimal der
Fall ist, und zwar sowohl in dem Grund- als auch in dem Gazeschaft. Daraus
folgt, daß bei der letzteren, wenn der Stuhl sich in Ruhe befindet, der Poilefaden
zu einer Seite (der rechten) seines zugehörigen Stückfadens liegt; er wird also bei
dem ersten Tritt (dem weichen) sich ungehindert neben seinem Grundfaden erheben,
ohne ihn zu umschlingen; wogegen er beim andern Tritt (dem harten) die ganze untere
Seite des Grundfadens umschlingen muß. Bei der beschriebenen neuen Einrichtung
dagegen liegt, wenn der Stuhl in Ruhe ist, jeder Poilefaden unter seinem zugehörigen
Grundfaden und umschlingt bei jedem Tritt ein unteres Viertel des Grundfadens,
wodurch jener einer geringeren Spannung und Reibung ausgesetzt ist, weil die in Fig. 8
angedeutete doppelte Kreuzung vermieden ist. Die beiden Tritte erfordern daher auch
keinen verschiedenen Kraftaufwand beim Niedertreten.
Daß im Gazeschaft jede einzelne Litze mit einem Gewicht beschwert ist, und nicht auf
Stäben aufgesteckt ist, bietet wesentliche Vortheile, denn wenn ein Poilefaden
zerreißt, muß zum Zwecke des Einziehens desselben das Auge der Litze g, und mit ihm diese gehoben und die anderen beiden e¹ und e² von
einander entfernt werden. Wären nun die Litzen jedes Schaftes durch Stäbe verbunden,
so müßte man in diesem Falle alle drei Schäfte heben, was große Unbequemlichkeit für
den Weber hätte, während er gegenwärtig nur die drei zu einem Faden gehörigen
Gewichte zu heben hat.
Diese beiden, wichtigen Eigenthümlichkeiten zeigen den wesentlichen Werth der Schroter'schen Einrichtung, und es wäre zu wünschen, daß
dieselbe bald eine vielseitige Anwendung fände.