Titel: | Die Baryt-Industrie; von Friedr. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 150, Jahrgang 1858, Nr. XVIII., S. 57 |
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XVIII.
Die Baryt-Industrie; von Friedr. Kuhlmann.
Aus den Comptes rendus, September 1858, Nr.
10.
Kuhlmann, über die Baryt-Industrie.
Erster Theil.
In einer früher der (französischen) Akademie der Wissenschaften mitgetheilten
Abhandlung (polytechn. Journal Bd. CXLV S.
65) habe ich gezeigt, daß man das Bleiweiß, das Zinkweiß und andere weiße
Grundfarben durch künstlichen schwefelsauren Baryt
ersetzen kann, welcher einen schöneren und dauerhafteren, überdieß für die
Gesundheit der Arbeiter nicht nachtheiligen weißen Anstrich liefert.
Um den künstlichen schwefelsauren Baryt zu mäßigem Preise in meinen Fabriken zu
erzeugen, war ich vor Allem bemüht die Gestehungskosten der Säuren zu vermindern,
welche den Hauptaufwand seiner Fabrication veranlassen. Zu diesem Zweck suchte ich
die sauren Dämpfe, von welchen in den Sodafabriken stets ein Theil verloren geht,
vollständiger zu condensiren.
Indem ich sowohl die aus den Bleikammern abziehenden Dämpfe, als diejenigen welche
aus den Oefen entweichen, worin das Kochsalz zersetzt wird, nach der gewöhnlichen
Condensation (in einer großen Anzahl steinzeugener Flaschen) noch mit natürlichem
kohlensaurem Baryt (Witherit, wovon im nördlichen England große Lager vorkommen) in
Berührung brachte, gelang es mir einen großen Theil der nicht condensirten Säuren
zurückzuhalten; die Resultate dieses Verfahrens habe ich in einer der Société d'Encouragement im Jahr 1856
mitgetheilten Abhandlung angegeben (polytechn. Journal Bd. CXLII S. 165).
Ein bei weitem größerer Verlust an Salzsäure, als der durch die Unvollkommenheit
unserer Condensationsapparate veranlaßte, ist aber derjenige welcher unvermeidlich
bei der Chlorfabrication stattfindet, zu welchem Zweck die Salzsäure hauptsächlich
verwendet wird. Bei der Chlorbereitung geht über die Hälfte der angewendeten
Salzsäure als Manganchlorür verloren; in der Praxis steigt dieser Verlust sogar auf
zwei Drittel, wegen der Unreinheit des Mangansuperoxyds. Da zur Sodafabrication in
Frankreich jährlich über 60 Millionen Kilogramme Salzsäure verwendet werden, so ist
der fragliche Verlust wenigstens auf einen Werth von 2 Millionen Francs per Jahr anzuschlagen, bloß für Frankreich.
Wegen dieses so beträchtlichen Verlusts suchte man schon seit langer Zeit die
Rückstände von der Chlorfabrication zu verwerthen; so hat man das Manganchlorür zur
Reinigung des Leuchtgases, ferner zur Erzeugung von Ammoniaksalzen, auch zum
Desinficiren des Inhalts der Abtrittgruben angewendet, und neuerlich wurden in Tennant's großer chemischen Fabrik zu Glasgow Versuche
gemacht, das Manganoxyd wieder in Superoxyd zu verwandeln, um es neuerdings zur
Chlorbereitung benutzen zu können.Dieses Verfahren ist im polytechn. Journal Bd. CXLVII S. 440 beschrieben. Alle diese Verwendungen waren jedoch bisher unbedeutend, wenn man die große
Masse erzeugter Rückstände berücksichtigt. Der Preis, welcher dem Fabrikanten für
das Manganchlorür bezahlt wird, reicht meistens nicht hin, die Kosten des Abdampfens
und Calcinirens zu decken. Um sich der flüssigen Rückstände von der Chlorbereitung
zu entledigen, lassen
daher die Fabrikanten dieselben häufig in den Fluß ablaufen, oder in tiefe Gruben,
damit sie in den Boden eindringen.
Nachdem ich auf oben angegebene Weise die Condensation der gewöhnlich in die
Atmosphäre abziehenden sauren Dämpfe bewerkstelligt hatte, bemühte ich mich, auch
die in dem flüssigen Rückstand von der Chlorfabrication enthaltene Säure zu
benutzen, was mir vollständig gelang, indem ich eine analoge Reaction wie bei der
Sodafabrication nach Leblanc's Methode anwandte.
Bei Leblanc's Verfahren verwandelt sich ein in den
geeigneten Verhältnissen aus schwefelsaurem Natron, Kreide und Kohle bestehendes
Gemenge unter dem Einfluß einer hohen Temperatur in unauflösliches
Calcium-Oxysulfurid und in lösliches kohlensaures Natron.
Bei meinem Verfahren verwandelt sich ein in den geeigneten Verhältnissen aus
natürlichem schwefelsaurem Baryt (Schwerspath), Manganchlorür und Kohle bestehendes
Gemenge unter dem Einfluß einer hohen Temperatur in unauflösliches Schwefelmangan
und in Chlorbaryum, welches aus dem Gemenge leicht auszulaugen ist. Die Reaction
läßt sich durch folgende Formel ausdrücken:
BaO, SO³ + MnCl + 4 C = BaCl + MnS + 4 CO.
Für das Eisenchlorid, welches dem Manganchlorür stets
beigemengt ist, dürfte eine analoge Reaction anzunehmen seyn.
Die Kohle wirkt bei dem Proceß stets als Reductionsmittel und verwandelt sich in
Kohlenoxydgas.
Verfahren zur Verwandlung des Schwerspaths in
Chlorbaryum.
Nachdem ich durch einige Proben die in der Praxis anzuwendenden Verhältnisse der
(unreinen) Materialien ermittelt hatte, gelangte ich zu einem Resultat, welches
alle meine Erwartungen übertraf, da ich nach der erwähnten Methode im Stande bin
Schwerspath in Chlorbaryum umzuwandeln, ohne daß die nicht angegriffenen Theile
und der Verlust über 3 bis 4 Procent des angewandten Schwerspaths betragen. Ich
beschreibe nun die im Großen zu befolgende Verfahrungsweise.
Die angegebene Umwandlung bewerkstelligt man in einem großen Flammofen, von
derselben Construction wie der Sodaofen, oder besser, wie der Ofen zum Zersetzen
des Kochsalzes, dessen Sohle hinter der Feuerbrücke in zwei getrennte Räume
durch eine nicht hohe Scheidewand getheilt ist. Nachdem dieser Ofen einige Zeit
lang geheizt worden ist, bringt man in die von der Feuerbrücke entferntere
Abtheilung ein fein pulverisirtes Gemenge von Schwerspath und Steinkohle; auf
dasselbe läßt man den rohen Rückstand von der Chlorfabrication laufen, nachdem
man dessen
Säureüberschuß mit ein wenig Kreide oder besser mit Witherit gesättigt hat.
Während fleißigen Umrührens und unter der Einwirkung der Hitze verdickt sich
dieses Gemenge nach und nach. Sobald es einen festen Teig bildet, wird es
mittelst eiserner Krücken über die Scheidewand in die der Feuerbrücke zunächst
befindliche Abtheilung des Ofens geschafft. Hier bläht sich die Masse auf, und
es entweichen daraus bald kleine Flammen von Kohlenoxyd, welche durch den Baryt
schwach grün gefärbt sind. Nachdem die Masse eine Stunde lang bei Rothglühhitze
calcinirt worden ist, zieht man sie aus dem Ofen als halbflüssigen Teig, welcher
etwas consistenter als die rohe Soda ist und nach dem Erkalten eine schwarze
Masse darstellt, welche aus Chlorbaryum, ein wenig unterschwefligsaurem Baryt,
Schwefelmangan und Schwefeleisen besteht. Nachdem man dieses rohe Chlorbaryum
einige Tage der Luft ausgesetzt hat, ist es zerfallen und der
unterschwefligsaure Baryt in schwefelsauren verwandelt. Hierauf nimmt man das
Auslaugen in der Wärme mittelst der für die rohe Soda gebräuchlichen Apparate
vor.
Dieses Auslaugen liefert eine vollkommen klare Auflösung von ziemlich reinem
Chlorbaryum. Sollte diese Flüssigkeit einen kleinen Ueberschuß von
Schwefelbaryum enthalten, welcher ihr eine gelbe Farbe ertheilt, so versetzt man
sie, bis zur vollständigen Entfärbung, mit einer Auflösung von Manganchlorür
(nämlich mit Rückstand von der Chlorbereitung, welchen man durch vorhergehende
Digestion mit gepulvertem Witherit vollständig von Eisenchlorid gereinigt hat).
Enthält hingegen die Flüssigkeit einen schwachen Ueberschuß von Mangansalz, so
scheidet man dieses mit ein wenig Schwefelbaryum ab. Auf diese Weise kann man
ohne Schwierigkeit Chlorbaryum von großer Reinheit erhalten.Bei der Reparatur eines Ofens habe ich die interessante Beobachtung
gemacht, daß sich in demjenigen Theile desselben, wo der Schwerspath
ganz nahe an der Feuerbrücke und zugleich mit Backsteinen in Berührung
war, in reichlicher Menge eine grüne und gelbe Substanz gebildet hatte,
welche weder Natron noch Mangan, noch Kobalt enthielt, und die mir ein
Ultramarin zu seyn scheint, worin das Natron durch Baryt ersetzt
ist.
Die Chlorbaryum-Auflösung kann man entweder zur Krystallisation abdampfen
oder in einem Flammofen eintrocknen, um wasserfreies Chlorbaryum zu
erhalten.
Ich gehe nun auf die Anwendungen über, welche von dem auf so ökonomische Weise
gewonnenen Chlorbaryum gemacht werden können.
Fabrication von künstlichem schwefelsaurem
Baryt.
Die Chlorbaryum-Auflösung, welche man durch Auslaugen des rohen Salzes
erhält, hat eine Dichtigkeit von 24 bis 25° Baumé. Nachdem mam mit ihr die
erwähnte Reinigung vorgenommen hat, damit keine Spur von Schwefelbaryum oder von
Manganchlorür in ihr zurückbleibt, versetzt man sie in großen Kufen mit
Schwefelsäure aus den Bleikammern, welche man durch beigemischtes Wasser auf
30° Baumé verdünnt hat. Von dieser setzt man so lange zu, bis in
der Flüssigkeit kein weißer Niederschlag mehr entsteht. Hierauf rührt man das
Ganze gut um, und läßt absetzen. Der schwefelsaure Baryt setzt sich schnell ab,
und man kann die überstehende Flüssigkeit, welche in Salzsäure von 6°
Baumé besteht, mit einem Heber abziehen.
Der so erhaltene künstliche schwefelsaure Baryt wird ausgewaschen, bis ihm die
letzten Spuren freier Säure entzogen sind, und hernach mittelst eines
Sackfilters in einen festen Teig verwandelt, welchen man in Fässern in den
Handel bringt; er enthält in diesem Zustande 30 bis 32 Procent Wasser.
Man könnte den schwefelsauren Baryt auch austrocknen und wie das Bleiweiß in Form
von Broden in den Handel bringen; dann wäre er aber nicht mehr leicht in den
höchst zertheilten Zustand zu versetzen, welchen er nach seiner Fällung
besitzt.
Zur Fabrication des satinirten Tapetenpapiers und der Glanzpappe wird der
künstliche schwefelsaure Baryt unter der Benennung Permanentweiß (blanc fixe) schon vielfach benutzt; sein Verbrauch
dürfte sich aber bedeutend steigern durch die Anwendung welche ich von ihm zur
Wassermalerei, zur Wasserglasmalerei, zum Weißen der Zimmerdecken etc. gemacht
habe. Schon jetzt werden von dem Barytweiß in meinen Fabriken täglich 2000
Kilogr. erzeugt.
Der künstliche schwefelsaure Baryt besitzt die merkwürdige Eigenschaft, nach und
nach eine innige Verbindung mit dem Kali- und Natron-Wasserglas
einzugehen; man kann ihn daher mittelst desselben zu Anstrichen von
unvergleichlicher Weiße benutzen, welche einen gewissen Glanz besitzen und durch
Schwefelwasserstoff gar nicht verändert werden. Ein Gemenge von Zinkweiß und
Barytweiß, zur Wasserglasmalerei verwendet, erlangt eine solche Festigkeit und
Adhärenz, daß man es mit Sicherheit auf alten Oelmalereien auftragen kann; dieß
wurde zu Lille in sehr großem Maaßstabe ausgeführt. Diese Erfahrung ist von
Wichtigkeit für Paris, London, Brüssel und überhaupt für alle großen Städte, wo
viele Gebäude mit kostspieligen Oelmalereien verziert sind, welche oft erneuert
werden müssen.
(Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)