Titel: | Einige Versuche hinsichtlich des gleichzeitigen Contrasts der Farben; von Prof. E. Chevreul. |
Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. CXXII., S. 435 |
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CXXII.
Einige Versuche hinsichtlich des gleichzeitigen
Contrasts der Farben; von Prof. E.
Chevreul.
Aus den Comptes rendus, August 1858, Nr.
5.
Chevreul, über den gleichzeitigen Contrasts der Farben.
Ich sehe mich veranlaßt, hiemit einen Nachtrag zu meinen früheren Abhandlungen über
das Gesetz des gleichzeitigen Contrasts der FarbenVom Verfasser erschien darüber ein besonderes Werk unter dem Titel:
„Die Farbenharmonie in ihrer Anwendung bei der Malerei, bei
der Fabrication von gedruckten Zeugen, Tapeten etc.“ Deutsche
Uebersetzung, Stuttgart 1840, Verlag von Paul Neff. zu veröffentlichen. Ich stelle folgenden Satz auf:
Der Schatten, welchen ein von einem farbigen Licht getroffener
Körper macht, besitzt nur dann die complementäre Farbe dieses Lichts, wenn
dieser Schatten durch ein farbloses zerstreutes Licht erleuchtet wird.
Folgende Versuche beweisen diesen Satz.
In einem dunklen Zimmer stellt man auf einen Tisch, der mit einem weißen Papier
bedeckt ist, eine Schale die einen Haufen Amianthfäden und gepulvertes
Chlorstrontium enthält, um die Flamme des Weingeists, welchen man in derselben
anzündet, rothviolett zu färben.
Wenn einmal die Flamme eine recht intensive Farbe hat, so stellt man ein schwarzes
Lineal senkrecht auf das Papier und findet dann daß der Schatten keine merkliche
Farbe hat. Erleuchtet man den Schatten dann mittelst des zerstreuten Tageslichts,
indem man eine der Flamme gegenüber befindliche Oeffnung entblößt, so erscheint er
von grünlichgelber Farbe, welche die complementäre zur Farbe der Flamme ist. Auch
kann man sich überzeugen, daß bei einer gewissen Stellung des Lineals bezüglich des
Tageslichts und des Flammenlichts, das Auge nebst dem grünlichgelben Schatten einen
entgegengesetzten Schatten gewahr wird, welcher, durch die Flamme erleuchtet,
rothviolett erscheint.
Ersetzt man das Chlorstrontium durch Kupferchlorid, so sind die Resultate dieselben,
nur ist der Schatten des Lineals rothviolett und der entgegengesetzte Schatten
gelblichgrün.
Mit der orangegelben Flamme des gewöhnlichen Brennöls erhält man ebenfalls dieselben
Resultate, nur ist der durch das Tageslicht erleuchtete Schatten violettblau, und
der zweite orangegelb.
Der oben aufgestellte Satz läßt sich noch auf zweierlei Art beweisen.
Erste Art. Sie besteht darin, ein schwarzes Lineal
senkrecht in einen kleinen Kasten zu stellen, dessen Wände geschwärzt sind,
ausgenommen eine, welche durch ein farbiges Glas oder einen gleich gefärbten
Seidenzeug ersetzt ist; während dieses Glas oder dieser Zeug das Tageslicht
durchläßt, überzeugt man sich mittelst eines in der obern Wand angebrachten Oculars,
daß der Schatten nicht gefärbt erscheint, wogegen er, sobald ihn das Licht von Außen
her erleuchtet, die complementäre Farbe von derjenigen zeigt, welche das Glas oder
der Zeug durchläßt.
Zweite Art. Sie besteht darin, eine weiße Figur von Gyps
in ein Zimmer zu stellen, in welches gefärbte Strahlen durch ein Glas oder einen
durchscheinenden Zeug fallen. Man findet, daß die Schatten der Figur nicht merklich
gefärbt sind, daß sie aber in der complementären Farbe von derjenigen der
eingefallenen Strahlen erscheinen, sobald diese Schatten durch weißes Licht
erleuchtet werden.
Ich will schließlich folgende Beobachtung mittheilen: wenn man zwei Gläser von
gleicher Farbe in 5 Centimeter Entfernung aufstellt, an das eine derselben ein Glas
von anderer Farbe setzt, dann in 5 Centimeter Entfernung von diesem ein mit ihm
identisches Glas anbringt, so sieht man, wenn man die vier Gläser auf gleiche Art
von hinten erleuchtet, daß die zwei an einander gesetzten Gläser alle Wirkungen des
gleichzeitigen Contrasts der Farben zeigen.
Ich mache auf vorstehende Thatsachen jetzt aufmerksam, weil einige Meteorologen
gewisse Färbungen der Sonne, des Mondes, der Wolken etc. durch das Gesetz des
gleichzeitigen Contrasts der Farben zu erklären gesucht haben; bevor man aber auf
einen Contrast schließen kann, muß man nothwendig die Körper, von denen man glaubt
daß sie ihn zeigen, gesondert mittelst eines offenen Rohrs betrachten, wo dann jeder
von ihnen in derjenigen Farbe erscheinen wird, welche er unabhängig von allem
Contrast hat. Wenn man z.B. vermuthet, daß die blaue Farbe, welche ein Gestirn
zeigt, daher rührt, daß es mit Orange umgeben ist, und man betrachtet es in einem
Rohr mit Ausschluß seiner Umgebung, so wird die blaue Farbe verschwinden, wenn sie
durch den gleichzeitigen Contrast hervorgebracht ist.