Titel: | Bemerkungen zu Hrn. Jessen's Abhandlung „über neuere Braumethoden“; von G. E. Habich. |
Autor: | Jessen , G. E. Habich |
Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. LXXXVIII., S. 295 |
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LXXXVIII.
Bemerkungen zu Hrn. Jessen's Abhandlung „über neuere
Braumethoden“; von G. E.
Habich.
Habich, über neuere Braumethoden.
Hr. Jessen hat im polytechn. Journal Bd. CXLVIII S. 295 meine schwachen
Bestrebungen für die Fortentwickelung der Bierbrauerei einer Kritik unterworfen, in
der er mir sehr unrecht thut. Und das werde ich mir nicht gefallen lassen.
Da soll ich erstens in meinem Bericht über den Oberleutensdorfer Dampfapparat
vollständig übersehen haben, daß der Hopfen mit dem Nachguß in dem Hopfenextractionsgefäß gekocht
wird. Dagegen habe ich nun zu bemerken, daß meine von Hrn. Jessen angezogene tabellarische Uebersicht die Operationen durchaus keine
Registrirung der Oberleutensdorfer ist. Im Gegentheil
habe ich diese so gegeben, wie sich die Operationen „die Hand reichen müssen.“ Deßhalb habe ich das höchst überflüssige Kochen des Nachgusses mit dem durch das Würzekochen schon
erschöpften Hopfen weggelassen. Die Organisation des
Dampfwechsels ließ damals, als ich den Oberleutensdorfer Apparat in Thätigkeit sah,
noch einiges zu wünschen übrig (was ich eben durch die berührte Tabelle andeuten
wollte). Heutzutage scheinen die Mängel noch immer nicht ganz begriffen zu seyn,
denn sonst hätte wohl Hr. Jessen nicht
2) rügen können, daß ich nicht erwähnt habe, wie man in Oberleutensdorf mit den
Dämpfen zwei Operationen gleichzeitig vornehmen kann. Das ist ja freilich Alles zu
machen, nur – – muß es auch einen vernünftigen Zweck haben. Sehen wir
uns die Sache einmal etwas genauer an.
Wenn im Hopfengefäß und im Maischbottich gleichzeitig
Dämpfe einströmen, so ist natürlich eine längere Zeit
erforderlich, um die Verzuckerungstemperatur zu erreichen, als wenn man besagten
Dampf
lediglich in den Maischbottich dirigirt hätte. Würde man
im letztern Falle gewechselt haben, so würde die
gewöhnliche Stundenzahl verlaufen seyn. Dieses Dampfquantum aber, welches jetzt noch
einmal dem todtmüden Hopfen auf den Nacken geschickt wäre, erschiene als eine reine
Brennstoffverschleuderung, weil dem Hopfen für Brauzwecke
nichts mehr zu entziehen ist. Und – glaubt Hr. Jessen etwa, daß der Dampf zum Nachgußkochen nichts koste, weil er
„gleichzeitig“ auf Abwege geräth?
Wenn die von Hrn. Jessen mitgetheilte tabellarische
Uebersicht den heutigen Oberleutensdorfer Betrieb
wirklich darstellen soll, so muß ich freilich gestehen, daß seit dem December 1856
erkleckliche Aenderungen stattgefunden haben. Vollendet ist er immer noch nicht,
weil z.B. die Nachgüsse in F nie siedend heiß werden,
– da sendet man lieber eine Menge Dämpfe aus dem siedenden Nachguß in B
unbenützt in die Luft. Wenn sich Hr. Jessen die Mühe nehmen will, den Extractgehalt des zuletzt abfließenden Nachgusses zu untersuchen, wird er
eine ziemlich faule Stelle finden.
Bei einem continuirlichen Betrieb mit dem Gassauer'schen Apparat scheint Hr. Jessen auch nicht thätig gewesen zu seyn, sonst würde er wissen müssen,
daß man an die Manipulation allerdings sehr streng
gebunden ist, wenn man etwas Ordentliches leisten will.
Mein in Nordamerika patentirter Apparat treibt die Theilung
der Arbeit viel weiter als der Apparat Gassauers
und nimmt auf eine bedeutendere Wärme-Ersparung
(durch allseitigere Wiederbenutzung) Rücksicht. Da dürfen aber freilich keine Variationen gemacht werden.
Da soll ich nun ferner in meiner Behauptung, daß der Pflanzenleim das Bier substantiös mache, einen groben Bock geschossen
haben. Daß ich meine Meinung über die völlige Abwesenheit des Dextringummi alsbald
selbst berichtigen mußte (s. d. Journ. Bd. CXLVIII S. 211), wird jetzt auch Hrn. Jessen zu Gute kommen. Ich brauche ihm nur die
Wiederholung des Versuchs S. 212 (vollmundiges Bier mit Gerbsäurepulver) ausans Herz zu legen und er wird sich schon bekehren.
Ueber die Natur des Pflanzenleims und seine Veränderungen im Brauproceß habe ich eine
kleine Reihe von Erfahrungen gemacht, die auf manche Seiten dieses Gewerbes einiges
Licht werfen. Daß der Pflanzenleim aber nach Hrn. Jessen's Behauptung auch „gährungsfähig“ seyn soll,
ist mir neu, – ich bin gespannt auf die Veröffentlichung der experimentellen
Beweise und habe diese Angabe einstweilen mit einem ? registrirt.
Ueber die Wirkung der Gerbsäure aber ist Hr. Jessen vollends im Unklaren und ich kann mir es nicht
versagen, ihm über einige gefährliche Stellen seiner zymotechnischen Anschauungen
hinweg zu helfen.
Die Wirkung der Gerbsäure auf dem Kühlschiffe, wo sie lediglich mit einem Theil des
im enormen Ueberschuß vorhandenen „löslichen“ Pflanzenleims (ich muß Hrn. Jessen bitten, sich mit meinen weiteren Erfahrungen über
diesen Stoff bekannt zu machen) verbunden theils im Kühlgeläger am Boden liegt,
theils aber suspendirt bleibt, ist eigentlich zu Ende, sie hat keine Bedeutung mehr, weil sie unlöslich geworden ist. Hrn. Jessen frappirt nun der Umstand, daß die Würze auf einer neuen eisernen
Kühle dennoch schwarz werden und die „Würze
oder die Hefe“ färben kann. (Warum nicht auch das
„Bier,“ Hr. Jessen?) Das geht
aber so zu. Das oxydulirte Eisenblech wird von der Milchsäure, welche die Würze stets mehr oder minder enthält, angegriffen und es löst
sich milchsaures Eisenoxydul auf, – dieses kommt mit dem aufgeschwemmten gerbsauren Pflanzenleim in Conflict und
schwärzt denselben gerade so wie eine Schusterbeize
den gelbledernenLeder ist auch ein gerbsaurer Leim. Stiefel. Bei der Gährung fällt diese angeschwärzte Verbindung mit der Hefe
zu Boden, – enthielte das Bier Gerbsäure gelöst,
so müßte natürlich auch das Bier eine Dintefarbe behalten, was bekanntlich nicht der Fall ist.
Dadurch erklärt sich denn auch der weitere Beobachtungsfehler des Hrn. Jessen, daß „gutes Bier“ auch nach
der Gährung noch Gerbsäure enthalten soll, wie ihm „dieß die Reaction mit
Eisensalzen öfter bewiesen hat.“
„Gutes Bier“ mag das allerdings gewesen seyn, aber klar war's sicher nicht,
– es enthielt vielmehr noch aufgeschwemmtes
Kühlgeläger (die gewöhnlichste Ursache des
anhaltenden Trübseyns!) und das hat den Hrn. Jessen irre geleitet. Wiederholte Versuche mit filtrirtem Bier werden ihn eines Bessern belehren.
Uebrigens begrüße ich Hrn. Jessen freudig als einen der
wenigen Bierbrauer, welche mit den angeerbten Vorurtheilen gebrochen haben. Wenn ihm
von meinen übrigen Erfahrungen Manches auf den ersten Blick etwas curios vorkommen
sollte (gieng mir's doch anfangs selbst zuweilen so!), so möge er seiner eigenen
Worte eingedenk bleiben:
„Dazu ist vor allen Dingen nothwendig, daß wir kein Vorurtheil
hegen!“