Titel: | Ueber den Zuckergehalt des Sorgho; von Hrn. Leplay. |
Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. LIII., S. 225 |
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LIII.
Ueber den Zuckergehalt des Sorgho; von Hrn.
Leplay.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, März 1858, S. 164.
Leplay, über den Zuckergehalt des Sorgho.
Im September und October vorigen Jahres errichtete ich im südlichen Frankreich zwei
bedeutende Brennereien zur Weingeistgewinnung aus dem Sorgho oder der
Zuckermoorhirse, in welchen ich in weniger als zwei Monaten über 1,300,000 Kilogr.
Material verarbeitete.
Der Sorgho, welcher zu meinen Versuchen diente, wurde hauptsächlich in der Umgebung
von Toulouse, von Montauban, von Carcassonne und von Narbonne geerntet, wo er im
angeschwemmten Boden angebaut worden war. Er wurde in den Monaten April, Mai, Juni
und Juli angesäet; der im April und Mai gesäete lieferte einen Samen, welcher alle
charakteristischen Eigenschaften der vollkommenen Reife besaß; nur ein Theil des im
Juni gesäeten Sorgho lieferte einen schwach gefärbten Samen; fast die ganze Saat vom Juli gab
hingegen wenig genügende Resultate, weil der Same wegen der Kälte im November nicht
Zeit hatte sich zu entwickeln. Während der Monate September, October und November
zeigten daher die Sorghofelder auffallende Unterschiede in der Entwicklung der
Pflanze und in der Reife des Samens. Diesen Umstand benutzte ich, um den Stengel in
den verschiedenen Stadien seiner Entwicklung auf seinen Gehalt an Saft und Zucker,
sowie an unauflöslichen Substanzen zu untersuchen.
Zahlreiche Versuche lieferten mir das Resultat, daß die Quantität fester Stoffe,
welche die Sorghostengel durch das Austrocknen geben, von der Bildung der Rispe
angefangen bis zur Reife des Samens, fortwährend und ziemlich regelmäßig zunimmt, in
welcher Bodenart immerhin der Sorgho gewachsen seyn mag. Das Austrocknen der
zertheilten Sorghostengel bewerkstelligte ich in einem durch kochendes Wasser
geheizten Apparat; das Gewicht des Rückstandes differirte bei den verschiedenen
Sorghos bedeutend. Die zur Reife gelangten Sorghostengel gaben:
Wasser
70 bis
73 Proc.
trockenen Rückstand
30 bis
27 „
––––––––––––––
100
100
Die nicht reifen Sorghostengel gaben:
Wasser
80 bis
82 Proc.
trockenen Rückstand
20 bis
18 „
––––––––––––––
100
100
Um zu ermitteln, wie viel Holzstoff dieser trockene Rückstand enthält, wurden
Sorghostengel in verschiedenem Zustand der Reife in der Reibemaschine zerrissen und
die so zertheilte Masse stark gepreßt, um einen Theil des Safts auszuziehen; der
gepreßte Rückstand wurde zuerst in kaltem, dann in lauwarmem und endlich in
kochendem Wasser gewaschen, um dem Holzstoff alle auflöslichen Substanzen zu
entziehen. Der unauflösliche Holzstoff, so gewaschen, wurde bei 100° C.
ausgetrocknet, und gab trockenen Rückstand:
für den Sorgho mit Rispe ohne Same
8,75
– – –
9,25
für den Sorgho, dessen Same zur
vollkommenen Reife gelangt ist
9,00
– – –
– –
9,80
Aus diesen Zahlen ersieht man, daß der von allen in Wasser löslichen Substanzen
befreite Holzstoff im Sorgho in ziemlich constantem Verhältniß vorhanden ist, ohne
daß der Grad der Reife des Samens darauf einen Einfluß hat. Man kann daher annehmen, daß der Sorgho
in Gewichtsprocenten enthält:
Holzstoff, oder in Wasser unauflöslichen
Theil
9 bis
10
Saft, oder auflöslichen Theil
91 bis
90
––––––––––
100
100
Aus diesen Zahlen, im Vergleich mit denjenigen welche das Austrocknen des Sorgho
liefert, ergibt sich auch, daß die feste Substanz, welche in den Sorghostengeln in
dem Maaße zunimmt als der Same sich bildet und zur Reife gelangt, sich dabei im Saft
und nicht im unauflöslichen Theil der Pflanze anhäuft.
Unter den im Saft aufgelösten Substanzen befindet sich viel Zucker, dessen
Gesammtmenge ich vorerst mittelst des bei seiner Gährung erzeugten Alkohols zu
bestimmen suchte.
Aus mehr als fünfzig vergleichenden Versuchen, welche ich über die Ausbeute an
Alkohol anstellte, geht hervor, daß wenn der Sorghostengel grün und die Rispe noch
nicht vorhanden oder kaum gebildet ist, man in demselben eine äußerst geringe Menge
Zucker findet. Der Zucker häuft sich dann im Stengel in dem Maaße an, als die
Entwicklung der Pflanze fortschreitet und der Same sich mehr seiner Reife nähert.
Die Zusammensetzung des Stengels und sein Zuckergehalt hängen übrigens ganz von dem
Entwicklungsstadium der Pflanze ab und nicht von dem Zeitpunkt ihrer Ernte. Ein
Stengel welcher noch keinen Samen trägt, hat die gleiche Zusammensetzung, er mag im
September, October oder November geerntet worden seyn, und ein reifer Stengel gab
stets die höchste Ausbeute an Zucker, in welchem Monat er immerhin geschnitten
wurde. Es ist jedoch wichtig, daß die Reife nicht überschritten wird, weil sonst der
stehengebliebene Stengel gelb wird, an Gewicht und an Zucker verliert. Ein
schwärzlicher, nicht hart gewordener Same und ein Stengel welcher seine grüne Farbe
vollkommen beibehielt, entsprechen stets dem größten Zuckergehalt.
In der Absicht, die Natur dieses Zuckers zu ermitteln, wollte ich den Soleil'schen Saccharometer (Polarisationsapparat)
anwenden. Da aber dieses Instrument, wenn man es für ein Gemisch von Zuckerarten
benutzt, wegen des verschiedenen Drehungsvermögens dieser Zuckerarten, irre führen
könnte, so mußte ich, um mich von seiner Brauchbarkeit zur Bestimmung des im Sorgho
in den verschiedenen Epochen der Reife des Samens enthaltenen Zuckers zu überzeugen,
eine Reihe von Versuchen anstellen, wobei ich den aus den Stengeln gepreßten Saft
saccharometrisch probirte im Vergleich mit dem durch die Gährung desselben Safts
angezeigten Zucker.
Die Vergleichung der durch diese Versuche gelieferten Zahlen zeigte daß, obgleich der
Saccharometer sich zur genauen Bestimmung der Natur und Menge des im Sorghosaft
enthaltenen Zuckers nicht eignet, seine Angaben dennoch sehr schätzbar sind, wie
folgende, für die Zukunft der Sorghozucker-Fabrication sehr wichtige
Thatsache beweist. Während in dem nicht zur Reife gelangten Sorghosaft der
Saccharometer wenig oder keinen Zucker anzeigt, weist die Gährung darin 32 Grm. bis
100 Grm. und mehr per Liter nach. In dem Maaße als sich
der Same bildet und seine Reife vorschreitet, nimmt die Drehung der Ebene des
polarisirten Lichtes nach rechts zu, und endlich, nachdem der Same zur vollständigen
Reife gelangte, ist der durch die Drehung nach rechts angezeigte Zuckergehalt nur um
sehr wenig kleiner als der Zuckergehalt, welchen in demselben Saft die Gährung
ergibt.
Daraus kann man schließen, daß der Sorgho in der ersten Zeit seiner Entwickelung
einen Zucker enthält, welcher weder nach rechts noch nach links dreht, oder zwei
Zuckerarten, wovon die eine nach rechts und die andere nach links in solchem
Verhältniß dreht, daß sie 0° am Saccharometer zeigen; daß hingegen der
Zucker, welcher sich während der Bildung und Reife des Samens in den Stengeln
anhäuft, nach rechts dreht und folglich die charakteristischen Eigenschaften des
krystallisirbaren Zuckers (Rohrzuckers) besitzt. Um mich zu überzeugen, daß der
durch die Drehung nach rechts angezeigte Zucker wirklich ein dem Rohrzucker analoger
krystallisirbarer Zucker ist, wandte ich folgendes, von Dubrunfaut empfohlene VerfahrenComptes rendus, Februar 1851, Nr. 7; polytechn.
Journal Bd. CXXI S. 299. an. Wenn man Sorghosaft, von welchem man weiß wieviel Alkohol er liefert,
mit Aetznatronlösung behandelt, das Gemisch nur einige Minuten lang zum Sieden
erhitzt, dann das überschüssige Natron sättigt und die gesättigte Flüssigkeit in
Gährung versetzt, so zeigt die Differenz zwischen der durch diese Gährung erhaltenen
Alkohol-Ausbeute und der vor der Behandlung mit Natron ermittelten
Alkohol-Ausbeute die dem krystallisirbaren Zucker entsprechende Alkoholmenge
an.
Diese Versuche, oft wiederholt, gaben mir beständig Zahlen, welche eine größere Menge
krystallisirbaren Zuckers repräsentirten, als der Saccharometer anzeigte. Man kann
daher annehmen, daß der Sorgho, dessen Same zur vollständigen Reife gelangt ist,
seinen Zucker fast ausschließlich im krystallisirbaren Zustande enthält, und in
einem Verhältniß, welches oft 15 Procent seines Gewichts überschreitet.
Der ausgetrocknete Sorgho conservirt sich unbestimmte Zeit lang; man könnte daher
solchen in Vorrath halten, um die Zuckerfabrication auf das ganze Jahr auszudehnen.
Durch das Trocknen verliert der Sorgho 70 Procent an Gewicht, und seine
Transportkosten vermindern sich also um 70 Procent.