Titel: | Die Baumwollwatte-Fabrik des Hrn. Conrad Rauschenbach in Schaffhausen. |
Autor: | J. A. |
Fundstelle: | Band 148, Jahrgang 1858, Nr. IX., S. 32 |
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IX.
Die Baumwollwatte-Fabrik des Hrn.
Conrad Rauschenbach in
Schaffhausen.
Ueber Rauschenbach's Baumwollwatte-Fabrik.
Der Verbrauch an Baumwollwatte ist sehr bedeutend und stetig. Sie wird zum Verpacken,
zum Ausfüllen von Polstern, von Bettdecken, von Pelzwaaren etc. verwendet; sodann
aber tragen, namentlich in kältern Ländern, wenige anständig gekleidete Personen
Kleider ohne Watte, sey es der Wärme, sey es der Verschönerung der Formen wegen. Die
Beschaffenheit der Watte ist dem Wechsel der Mode gar nicht unterworfen; der
Verbrauch hängt nur sehr wenig davon ab. Trotzdem wird die Wattenfabrication fast
durchgehend auf eine sehr unvortheilhafte Weise betrieben, indem sie meist in den
Händen kleiner Unternehmer ist, welche aus Mangel an Einsicht oder Betriebscapital
sich mit sehr nothdürftigen Einrichtungen behelfen, und den größten Theil der Arbeit
an Menschenhände übertragen, während er besser und wohlfeiler durch zweckmäßige
Maschinen ausgeführt würde.
Hr. C. Rauschenbach betrieb früher während einer Reihe von
Jahren die Wattenfabrication nach allgemein üblicher Weise; vor einigen Jahren aber
gründete er ein neues Etablissement und versah dasselbe mit sehr zweckmäßigen
Hülfsmaschinen, einerseits um ein besseres Fabricat zu erhalten, sodann aber, um die
Handarbeit auf ein Minimum zu beschränken. – Die äußerst vortheihaften
Betriebsergebnisse, welche dadurch erzielt wurden, dürften die Beschreibung der
neuen Fabricationsweise und ihre Vergleichung mit der ältern manchem Industriellen
erwünscht machen, um so mehr als Hr. Rauschenbach sich
bereit finden lassen würde, über seine Einrichtungen nähere Auskunft zu
ertheilen.
Das allgemeine übliche Verfahren zur Anfertigung der Watte ist folgendes: Die
Baumwolle wird gereinigt, und in abgewogenen Portionen auf einem Tuche ohne Ende
ausgebreitet, welches dieselbe einer Kratzmaschine (Karde) zuführt. Das von der
Karde gelieferte Vließ wird auf eine davor liegende Trommel gewickelt, und bildet
darauf nach einer bestimmten Anzahl von Umgängen eine Schicht, welche nach der
Längenrichtung des Cylinders aufgeschnitten (aufgeschlitzt) und nun als Watte
weggenommen und in Stücke zertheilt wird. Diese Stücke werden auf Rahmen
ausgebreitet, und an ihrer obern Seite mittelst einer Bürste mit Leimwasser benetzt.
Nach dem Trocknen, wozu je nach Jahreszeit und Witterung 1 bis 3 Tage erforderlich
sind, wird das Wattestück vom Rahmen abgelöst, die ungeleimte Seite nach oben gewendet
und in gleicher Weise geleimt. Die fertige Watte wird gewöhnlich in
Dutzend-Päcke zusammengelegt.
Dieses Verfahren ist umständlich und zeitraubend und erfordert viele Händearbeit
(Abwägen und Auflegen der Baumwolle, Abnehmen von der Trommel, zweimaliges
Ausbreiten jedes Stückes auf Rahmen, zweimaliges Leimen und Ablösen). Durch das
wiederholte Ablösen von dem Rahmen, an welchem die Watte anklebt, wird sie leicht
unansehnlich; durch feuchte Witterung wird die Arbeit sehr verzogert, indem das
Trocknen beider Seiten 5 bis 7 Tage erfordert, deßhalb ein regelmäßiger Betrieb
große Räume nöthig macht.
Hr. C. Rauschenbach hat bei Errichtung seiner neuen Fabrik
alle diese Uebelstände mit dem besten Erfolge zu beseitigen gesucht, und außerdem
noch verschiedene wesentliche Vortheile erreicht. – Die Maschinen, deren
Betrieb nach Hrn. Rauschenbach's Schätzung etwa 5
Pferdekräfte erfordert, sind in den unteren Räumen des Hauptgebäudes aufgestellt. Im
ersten Stocke ist der Zurüstungssaal, die Packerei und der Vorrath an fertiger
Watte. Die Vorräthe an Baumwolle und Baumwollabfällen befinden sich in den oberen
Stockwerken, und können von dort durch einen Schlauch zu den Reinigungs- und
Zubereitungsmaschinen ins Erdgeschoß geleitet werden. Nachdem der Stoff diese
Maschinen passirt hat, wird er bei der letzten auf Walzen gerollt, deren Länge
gleich der Breite der Kratzmaschine ist, zu deren Speisung sie dient. Die
Kratzmaschinen sind, mit einigen ihrem Zwecke entsprechenden Abänderungen, den in
Spinnereien gebräuchlichen ähnlich, und stehen in gerader Linie hintereinander. Die
von ihnen gelieferten Vließe werden von einem Tuche ohne Ende aufgenommen und durch
dieses einer Aufwickelmaschine zugeführt, auf welcher die so gebildete Watte die
nöthige Dicke erhält. – Die aufgerollte Watte kömmt von da zur Leimung in ein
anstoßendes Local, welches mit einem Trockenofen von circa 80 Fuß Länge in Verbindung steht. Vor dem Ofen ist eine Stuhlung
angebracht, welche die vollen Walzen aufnimmt; ein Tuch ohne Ende wickelt diese ab
und führt die Watte dem Leimapparate zu, einem in Leimwasser laufenden Cylinder. Von
da geht sie, nachdem die eine Seite geleimt ist, auf einer Kette ohne Ende durch den
Ofen, und kommt am Ende trocken heraus. Nachdem hier in gleicher Weise die Watte
auch auf der andern Seite geleimt ist, wird sie durch den Ofen zurückgefuhrt, und
gelangt vom Eingang aus fertig und trocken ins erste Stockwerk, wo sie entweder als
Watte ohne Ende aufgerollt, oder in Stücke zerschnitten und verpackt wird.
So einfach und natürlich die skizzirte Einrichtung erscheint, so ist ihre Ausführung
doch mit mancherlei Schwierigkeiten verknüpft, indem die Leistungen der Maschinen
und selbst die Brauchbarkeit des Products von manchen scheinbar nebensächlichen
Details der Construction abhängen, deren Besprechung hier zu weit führen würde.
Die Hauptvortheile, welche durch die neue Fabricationsweise, gegenüber der ältern,
erreicht werden, sind folgende:
1) Es wird ein besseres Fabricat erzeugt. Die Watte des
Hrn. E. Rauschenbach zeichnet sich vor anderer durch ihre
Gleichförmigkeit, ihren saubern Rand, und ihr schönes Ansehen aus, ihre Qualität
hängt nicht von der Witterung bei der Fabrication ab (während sonst zwischen
„Sommerwatte“ und „Winterwatte“
unterscheiden wird). Es ist ferner vortheilhaft für den Consumenten, daß Stücke von
beliebiger Länge angefertigt werden, indem kleine Stücke viel Abfall geben, und oft
zusammengesetzt werden müssen.
2) Es können auch die geringsten Baumwollabfälle verarbeitet werden. Sodann können
farbige Watten billiger hergestellt werden, indem man ihnen eine ungefärbte Einlage
gibt, was bei den älteren Einrichtungen wegen der größern Umständlichkeit keinen
Vortheil hätte.
3) Der Betrieb der Fabrication erfordert wenig Handarbeit
und kein ausgedehntes Local. Hr. C. Rauschenbach producirt gegenwärtig 5 bis 6mal so viel Watte, als früher
mit demselben Personal, während die verwendeten Räumlichkeiten ohne Vergleich
kleiner sind.
In Berücksichtigung dieser verschiedenen Umstände ist das neue Verfahren zur
allgemeinen Einführung zu empfehlen. Es möchte die Anlage ähnlicher Etablissements
in solchen Gegenden großen Vortheil gewähren, wo Baumwolle oder Baumwollabfälle zu
billigem Preise zu erhalten sind; namentlich da, wo Spinnfabriken bestehen. Manchem
Besitzer von großen Spinnereien dürfte es conveniren, selbst damit eine Wattenfabrik
zu verbinden, um die eigenen Baumwollabfälle so auf die vortheilhafteste Art zu
verwenden. Und solchen kann die von Hrn. Rauschenbach zur
Anwendung gebrachte Einrichtung und Betriebsweise als Muster empfohlen werden.
J. A.