Titel: | Die Schifffahrt mit Dampf über den atlantischen Ocean. |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CXIV., S. 401 |
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CXIV.
Die Schifffahrt mit Dampf über den atlantischen
Ocean.
Die Schifffahrt mit Dampf über den atlantischen Ocean.
Das erste Schiff, welches von Liverpool aus mit Dampf allein die Reise über den
atlantischen Ocean nach New-York machte, war die „Great
Western“, welche im Jahre 1843 zu diesem Zweck in England gebaut
worden war. Die große Schwierigkeit, die man dabei zu überwinden hatte, war, das
Schiff von solcher Größe zu bauen, daß es neben Waaren und Passagieren noch Kohlen
genug für die lange Reise zu tragen im Stande war. Die Great Western verbrauchte auf
ihrer ersten westlichen Reise, die 17 Tage dauerte, 650 Tonnen Kohlen und sie wurde
auch zu damaliger Zeit für ein Wunder der Schiffsbaukunst angesehen. Sie war 236 Fuß
lang und 25 Fuß breit und von 1800 Tonnen Tragfähigkeit. – Von dort an
versuchten die Engländer noch größere Schiffe zu bauen, und da ihnen Eisen als
Baumaterial leichter zu Gebot stand als Holz, so wurde die „Great
Britain“ aus ersterem Material gebaut. Dieß ist ein Propeller oder
Schraubendampfer, 322 Fuß lang, 51 Fuß breit und von 3500 Tonnen Tragfähigkeit. Vor
20 Jahren wurde dieses Schiff ebenso als ein Wunder der Größe betrachtet, wie dieß
jetzt mit der „Great Eastern“ der Fall ist, und auch bei dem
Bau jenes Schiffes waren nicht geringe Schwierigkeiten zu überwinden, da bei der
Länge des Schiffes Gefahr war, daß dieses in der Mitte zerbrechen würde, wie dieß
auch bei einigen eisernen Schiffen geschehen ist, wenn diese auf Felsen fuhren und
in der Mitte unterstützt schwebend erhalten wurden.
Das größte englische Dampfschiff, welches seit 2 Jahren den atlantischen Ocean
befährt, ist die „Persia“, von Eisen, 390 Fuß lang, 45 Fuß
breit und von 3601 Tonnen Gehalt. Sie gehört zu der unter dem Namen
„Cunard Linie“ bekannten, regelmäßigen Postschifflinie
zwischen Liverpool, New-York und Boston, und sie hat die schnellste Reise
zwischen New-York und Liverpool in 9 Tagen und 2 Stunden zurückgelegt.
Die amerikanischen Schiffe sind dagegen alle von Holz gebaut, da hier das Holz
leichter zu haben ist, und vor 7 bis 8 Jahren begannen die Amerikaner den Engländern
bedeutend Concurrenz zu machen und drohten beinahe, letztern die Krone in der
Schiffbaukunst zu entreißen.
Damals wurden vier Dampfschiffe von nahezu 3000 Tonnen Gehalt in New-York
gebaut, welche unter dem Namen der „Collins Linie“ regelmäßige
Fahrten zwischen New-York und Liverpool zu machen anfingen. Diese Schiffe
waren die „Atlantic“, die „Arctic“, die
„Baltic“ und die „Pacific“; die
„Arctic“ war 286 Fuß lang, 46 Fuß breit und von 2900 Tonnen
Gehalt. Für längere Zeit erfreuten sich diese Schiffe der Gunst des reisenden
Publicums, da sie schnell und sicher fuhren und häufig die Reise in weniger als 10
Tagen zurücklegten. Indeß ging die „Arctic“ vor 2 Jahren bei
einer Collision im Nebel unter und dabei verloren 250 Menschen das Leben, und die
„Pacific“ fuhr vor 2 Jahren im Winter von Liverpool ab und
seither hat man nichts mehr von ihr gesehen, so daß bloß noch die
„Atlantic“ und die „Baltic“ übrig
blieben, bis diesen Herbst nun auch die „Adriatic“ fertig
wurde. Letzteres Schiff ist 354 Fuß lang, 50 Fuß breit und von 5800 Tonnen Gehalt.
Seine Maschinen unterscheiden sich von den bei Seedampfern gewöhnlich gebräuchlichen
dadurch, daß die Cylinder oscillirend sind, während die Dampfmaschinen auf den
meisten übrigen Seedampfern sogenannte „side
levers“ oder Balanciers haben, welche sich auf der Seite der
Cylinder befinden und an einem Ende durch Kreuzköpfe mit den Kolbenstangen, am
andern durch die gewöhnlichen Kurbelstangen mit den Kurbeln in Verbindung stehen,
während sie sich um einen in der Mitte angebrachten Zapfen hin und her drehen, wie
es die Bewegung des Kolbens mit sich bringt.
Der „Adriatic“ am nächsten an Größe steht die neue Dampffregatte
„Niagara“, welche bei dem Versuch, den Telegraphendraht
über den atlantischen Ocean zu legen, eine Rolle spielte. Dieses Schiff wurde von
demselben Baumeister gebaut, welcher hernach als sein letztes Werk (er verlor kurz
vor der Vollendung desselben sein Leben durch einen Fall aus dem Wagen) die Adriatic
baute, und beide Schiffe werden als Meisterwerke in der Schiffbaukunst
bewundert.
Die „Niagara“ von 5400 Tonnen Gehalt ist das größte
Dampf-Kriegsschiff das bis jetzt existirt. Außer diesen beiden Schiffen fährt
nur noch eines, auch ein amerikanisches Dampfschiff, über den Ocean, welches über
5000 Tonnen Gehalt hat; der „Vanderbilt“ nämlich, ein Schiff,
das seit einiger Zeit regelmäßige Fahrten zwischen New-York, Southampton und
Bremen zu machen anfing, aber gegenwärtig des Eises in der Weser halber dieselben
einstellte; und erst wenn die „Great Eastern“ einmal im Wasser
schwimmt, und wenn sich's zeigt, daß sie leistet was man von ihr erwartet, erst dann werden
die Amerikaner wieder neue Anstrengungen machen müssen, wenn sie nicht von den
Engländern übertroffen werden wollen.
New-York, im Januar 1858.
W. Hauff.