Titel: | Ueber Algenbildung und Fäulnißerscheinungen in einem zum Kühlen von Spiritus verwendeten Wasser; von Dr. H. Finzel zu Liegnitz. |
Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. CXII., S. 427 |
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CXII.
Ueber Algenbildung und Fäulnißerscheinungen in
einem zum Kühlen von Spiritus verwendeten Wasser; von Dr. H. Finzel zu Liegnitz.
Aus dem polytechn. Centralblatt, 1857 S.
1521.
Finzel, über Algenbildung und Fäulnißerscheinungen in einem zum
Kühlen von Spiritus verwendeten Wasser.
Seit etwa 1 1/2 Jahren besteht am hiesigen Orte eine Fabrik, in welcher Spiritus
rectificirt wird. Zu diesem Zwecke ist eine bedeutende Menge Kühlwasser
erforderlich, welches aus zwei Wiesenquellen und einem Brunnen in ein
gemeinschaftliches Bassin geleitet und von dort durch eine Dampfmaschine in die
Fabrik gepumpt wird. Die Durchschnittstemperatur dieser Wässer in gegenwärtiger Zeit
(letzte Hälfte des Monats September) ist etwa 8° R.; nachdem mittelst
derselben gekühlt worden ist, fließen sie mit einer Temperatur von 35 bis 40°
R. ab, werden zuerst in Holzrinnen, später in Gruben fortgeleitet und mischen sich
dann einem Grabenwasser von anderweitigem Ursprung bei. Der Graben, welcher sie nun
enthält, zieht sich in einer bedeutenden Strecke um die hiesige Stadt, und an vielen
Stellen stehen Häuser in unmittelbarer Nähe desselben. Bereits im vorigen Sommer
begann sich nun in dem Graben, wo er das Kühlwasser führte, eine algenartige Pflanze
in großer Menge zu zeigen. Nach mikroskopischen Untersuchungen der Professoren Dr. Göppert und Dr. Cohn in Breslau bestand
diese Vegetation vorzugsweise aus Leptomitus
lacteus.Man vergl. die Mittheilung von Prof. Dr. Göppert über die Verbreitung der Kryptogamen und
ein merkwürdiges Vorkommen einer Alge, im polytechn. Journal Bd. CXXVII S. 233. A. d. Red. Jeder hervorragende Körper, Baumstümpfe, Steine etc. dienten als
Anheftungspunkte für diese Kryptogamen, welche aus parallel gelagerten, geldlich
weißen, oft zu dicken, zopfartigen Büscheln vereinigten Fäden bestanden.
Gleichzeitig entwickelte sich ein für die Anwohner höchst lästiger Geruch nach
Schwefelwasserstoff und faulenden organischen Substanzen. Das Wasser dieses Grabens,
welches zu verschiedenen
häuslichen Zwecken benutzt wird, sollte sogar, wie behauptet wurde, bei der
Anwendung zum Waschen des Körpers krankhafte Erscheinungen in den Augen
hervorgerufen haben. War nun auch das letztere keineswegs erwiesen, so mußte man um
so mehr die Klage über die Ausdünstungen für gerechtfertigt halten. Als sich nun in
den ersten warmen Tagen dieses Jahres jener Geruch aufs Neue bemerklich machte,
wurden von Seiten der Sanitätspolizei Untersuchungen angestellt und den Besitzern
der Fabrik aufgegeben, für Abhülfe Sorge zu tragen, und sogar, als dieß bis zu einem
bestimmten Termine nicht geschehen war, der Betrieb sistirt.
Unmittelbar vor diesem Zeitpunkte hatten sich die Besitzer an mich gewendet und eine
Untersuchung der obwaltenden Umstände verlangt. Daß die
Schwefelwasserstoffentwickelung der faulenden Alge zugeschrieben werden mußte,
schien mit klar, und ich verfolgte die Bildung dieses Gewächses bis zum
Ursprungsorte des Kühlwassers. Es ergab sich, daß das Kryptogam schon an den Stellen
wucherte, wo das Kühlwasser mit der oben angegebenen Temperatur aus der Fabrik trat,
und daß es sogar innerhalb der Destillationsapparate vorhanden war. In allen
Leitungen des frischen Wassers nach der Fabrik hin konnte nichts davon wahrgenommen
werden. Jedenfalls empfing also das Wasser die Disposition zur Algenbildung erst in
der Fabrik. Ich untersuchte zuerst die Alge selbst und zwar solche, welche sich
unmittelbar bei der Fabrik in einem Bottich erzeugt hatte, auf einen Gehalt an
Schwefel, um zu constatiren, ob der erwähnte Geruch nach Schwefelwasserstoff durch
die Fäulniß der Alge selbst erzeugt werden konnte. Es ergab sich ein Gehalt von 0,2
Proc. Schwefel. Eine Analyse der Wässer, sowohl der kalten nach der Fabrik
hingeleiteten, als der warmen abfließenden zeigte keine Abweichung von der
gewöhnlichen Zusammensetzung. Kohlensaurer Kalk, kohlensaure Magnesia, kohlensaures
Eisenoxydul in freier Kohlensäure gelöst, fanden sich in sämmtlichen Wässern vor,
ebenso schwefelsaurer Kalk, Chlornatrium, Spuren von phosphorsauren Salzen,
organische Stoffe aber in keineswegs auffallender Menge. Das gebrauchte warme
Kühlwasser verrieth noch durch den Geruch einen, wenn auch höchst geringen, Gehalt
an Spiritus, den es wohl an schadhaften Stellen der Apparate aufgenommen haben
mochte.
Aus der Zusammenstellung aller in Betracht kommenden Umstände ergab sich nun mit
Gewißheit, daß das Wasser die Disposition zur Algenbildung durch die Anwendung zum
Kühlen in der Fabrik empfing. Die Wärme, die lebhafte Bewegung, vielleicht auch der
geringe Gehalt an Spiritus konnten als wirkende Ursachen angesehen werden. War die
Bildung einmal
eingeleitet, so wurde sie an allen den Stellen der Gräben, wo durch Stagnation sich
faulende Stoffe angehäuft hatten, außerordentlich begünstigt und gesteigert. Der
Schwefelgehalt der Alge läßt sich leicht aus dem im Wasser gelösten Gyps ableiten
(interessant war auch noch ein Eisengehalt in der Alge; bei der außerordentlich
schnell erfolgenden Zersetzung der letzteren schied sich stets ein Theil des
Schwefels und Eisens in Form von schwarzem Schwefeleisen aus, und es war gewöhnlich
die untere Seite der Algenbildungen mit diesem Niederschlage bedeckt; der übrige
Schwefel wurde als Schwefelwasserstoff frei).
Es handelte sich nun darum, ein Mittel vorzuschlagen, welches geignet wäre, bei
hinreichender Billigkeit die Disposition des Wassers zur Algenbildung aufzuheben;
andererseits durfte natürlich kein Stoff in das Wasser gebracht werden, der dasselbe
zu weiterer Verwendung ungeeignet gemacht haben würde. Auf wiederholte Versuche
gestützt, schlug ich vor, das aus der Fabrik abfließende Wasser direct hinter
derselben mit Aetzkalk in Berührung zu bringen. Da in dem gebrauchten Wasser noch
verschiedene kohlensaure Verbindungen durch Vermittelung freier Kohlensäure gelöst
enthalten waren, so mußte in Berührung mit dem Aetzkalk ein Niederschlag von
kohlensaurem Kalk etc. erfolgen. Durch denselben nun mußten die bereits gebildeten
Algenkeime eingehüllt und zu Boden gerissen werden, wo sie nun durch weitere
Einwirkung des Aetzkalks vollkommen zerstört wurden.
Zur vorläufigen Prüfung wurde die Fabrik auf einige Tage in Betrieb gesetzt. Das
Kühlwasser wurde mittelst einer Rinne in einen Flächen hölzernen Kasten geleitet,
strömte dort über eine 1–2° hohe Schicht Aetzkalk, mit welchem es
vorläufig durch Menschenhände öfters umgerührt wurde, und ergoß sich in zwei zu
anderem Zwecke bereits vorher gegrabene große Sammelbassins. Schon am zweiten Tage
des Versuches zeigte sich die erwartete Wirkung. Während in dem Theile der
Ableitungsrinne, die das Wasser nach dem Kalk hinführte, die Algenbildung wiederum
begann, zeigte sich nichts dergleichen hinter dem Kalkbehälter. Diese Erscheinung
wurde noch stärker am dritten Tage beobachtet; das in den Bassins angesammelte
Wasser verrieth keine Spur eines üblen Geruches, während es in früheren Zeiten,
einmal im Bassin angesammelt, stark ausgedünstet hatte. Am Boden des Kalkbehälters
sammelte sich ein bräunlicher körniger Niederschlag an, der organische Substanz
enthielt, und auch weiterhin zeigte die Rinne nur einen aus kohlensaurem Kalk und
Eisenoxyd entstandenen Absatz. Der von dem Wasser gelöste Aetzkalk mußte durch die
Einwirkung der Kohlensäure der Luft schon auf eine kurze Strecke hin wieder
ausgefällt werden, und man konnte behaupten, daß das Wasser eher zu seinem Vortheil
durch die erwähnte Procedur verändert worden war, indem es, früher hart, nun in
weiches sich verwandelt hatte.
In Folge des günstigen Ergebnisses der ersten Probe wurde nun der Fabrik gestattet,
versuchsweise drei Wochen zu arbeiten und das Kühlwasser wie früher in den
Stadtgraben abzuleiten. Der Erfolg war auch nach Verlauf dieser Zeit vollkommen
befriedigend. Trotz der gerade in jener Zeit herrschenden Hitze zeigte sich die Alge
nicht wieder und natürlich blieben nun auch alle anderen oben erwähnten unangenehmen
Erscheinungen aus.
Der Betrieb ist seitdem gänzlich freigegeben worden. Die Fabrik leitet das Kühlwasser
mittelst eines etwa 15' hoch aufgestellten Gerinnes durch ein Segner'sches Wasserrad in den Kalkbehälter. Das Rad besorgt nun das
nöthige Umrühren des Kalks.