Titel: | Ueber die Anwendung anästhesirender Mittel zur Vertilgung der das Getreide anfressenden Insecten; von Hrn. L. Doyère. |
Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. XCVIII., S. 385 |
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XCVIII.
Ueber die Anwendung anästhesirender Mittel zur
Vertilgung der das Getreide anfressenden Insecten; von Hrn. L. Doyère.
Aus den Comptes rendus, Mai 1857, Nr.
19.
Duvère, über die Mittel zur Vertilgung der das Getreide
anfressenden Insecten.
Die betäubende Wirkung des Aethers auf die Insecten ist sicher nichts anderes als die
in der Chirurgie jetzt so häufig angewandte Anästhesie, und offenbar gleicher Natur
wie die Wirkung des Tabakrauchs und des Terpenthinöldampfes. Unter diese betäubenden
Mittel gehört nach Hrn. Milne Edward's Versuchen auch der
Benzindampf, welcher sich zum Conserviren sowohl des
Getreides als naturhistorischer Sammlungen vorzüglich eignet. Am allerbesten aber
haben sich von allen diesen Mitteln zum Tödten der Insecten das Chloroform und der Schwefelkohlenstoff bewährt, mit welchen in Algerien Versuche im Großen
angestellt wurden.
2 Gramme Chloroform oder Schwefelkohlenstoff sind auf den metrischen Centner Getreide
hinreichend, um in 4 – 5 Tagen im Innern hermetisch verschlossener Silos alle
Insecten, bis auf das letzte zu tödten. 5 Gramme Schwefelkohlenstoff auf den metr.
Centner Getreide im Innern des Silo wohl vertheilt, vertilgen dieselben in 24
Stunden gänzlich, so daß eine solche Reinigung in einem Tage vorgenommen werden
kann. Das Chloroform wirkt etwas langsamer wegen der Dichtigkeit seines Dampfes, in
deren Folge es herabsinkt und in den unteren Räumen verbleibt. Größere Quantitäten
dieser Mittel bringen eine noch schnellere Wirkung hervor.
Die Größe der Getreidemassen bildet bei Anwendung dieser Mittel nicht das geringste
Hinderniß. Ich hatte in Algier 11,600 Hektoliter Gerste auf einmal zu behandeln; die
hierzu verwendeten 50 1/2 Kilogr. Schwefelkohlenstoff waren in zwanzig Minuten
eingebracht.
Die hermetischen Silos eignen sich am besten zu diesem Verfahren; dasselbe ist aber
auch bei minder gut verschlossenen Räumen anwendbar, nur muß die Dosis des Mittels
dann vergrößert werden. Obenerwähnte Riesenoperation geschah in meinem Keller, an
dessen oberm Theil so viel leerer Raum übrig gelassen wurde, daß ich ihn von einem
Ende bis zum andern durchwandern konnte. Das Verfahren gelang aber auch ganz gut bei
Getreidehaufen, die bloß mit wasserdichtem Segeltuch zugedeckt waren, welches rings
um den ganzen Haufen mit Lehm befestigt war, um die Fugen zu verstopfen.
Larven und Keime in den Eiern werden ebenso gut getödtet, wie die Insecten. Die
Körner behalten ihre volle Keimkraft. Der üble Geruch des Schwefelkohlenstoffs
verschwindet bald wieder; nach 2 – 3 tägigem Liegen an der Luft und
mehrmaligem Umschaufeln bleibt keine Spur des Geruchs zurück. Ebenso wenig ist am
Mehl oder Brod etwas zu merken.
Daß Vieh frißt sogar die Gerste, welche eben von der Behandlung aus dem Silo kommt,
ohne daß sich irgend ein Nachtheil zeigt. Ueberhaupt haben mich meine Versuche
überzeugt, daß der Schwefelkohlenstoff weder auf Menschen noch auf Thiere eine,
seinen anästhesirenden Einfluß überdauernde, physiologische Wirkung ausübt.
Merkwürdig ist die bei dieser Gelegenheit gemachte Beobachtung, daß mit
Schwefelkohlenstoff oder Chloroform behandeltes Getreide nach dem Aufschichten keine
Neigung mehr zeigt sich zu erhitzen, während dasselbe nicht so behandelte Getreide,
trotz täglichen, zweimaligen Wendens, nicht aufhörte sich bis auf 40° C.
(32° R.) und darüber zu erhitzen. Doch wage ich noch nicht, diese Erscheinung
dem Einfluß der anästhesirenden Mittel zuzuschreiben; hierüber sind weitere Beobachtungen
nothwendig.69)